Klappentext: der künftige US-Verteidigungsminister
Der künftige US-Präsident Donald Trump hat seinen Kandidaten für das Amt des Verteidigungsministers benannt: Den Moderator des TV-Kanals Fox News, Pete Hegseth, mit begrenzter militärischer und keiner politischen Erfahrung. Trump will damit offensichtlich ein Zeichen setzen – und Hegseth gegen das militärische Establishment vorgehen, das aus seiner Sicht das Land in den Abgrund führt.
Von dem Kandidaten werden wir sicherlich noch viel hören; wer sich schon mal einen Einblick in seine Gedankenwelt verschaffen will, braucht bei seinem Buch The War on Warriors: Behind the Betrayal of the Men Who Keep Us Free nur auf den Klappentext zu gucken:
The War on Warriors uncovers the deep roots of our dysfunction—a society that has forgotten the men who take risks, cut through red tape, and get their hands dirty. The only kind of men prepared to face the dangers that the Left pretends don’t exist. Unlike issues of education or taxes or crime, this problem doesn’t have a zip code solution. We can’t move away from it. We can’t avoid it. We have only one Pentagon. Either we take it back or surrender it altogether.
Der Horror vor einer, wie er an einer Stelle im Buch (in der Leseprobe auf Amazon zu finden) schreibt, Armee aus schwarzen lesbischen Transgender-Frauen durchzieht seine Ansicht zum Militär. Das scheint ernstgemeint.
(wird ggf. ergänzt)
(Archivbild Oktober 2023: U.S. Marine Corps Brig. Gen. David Walsh, Commander of Marine Corps System Command and native of Brooklyn, New York, and Pete Hegseth, a fox and friends co-host, conduct a cake cutting ceremony live during a Fox and Friends morning broadcast in New York City, New York, November 10, 2023 – U.S. Marine Corps image by Staff Sgt. Theodore Bergan)
@Bravo November
„Never judge a book by its cover. Die (zweifellos sehr zugespitzten) Äußerungen Hegseths stehen im Kontext einer Debatte um sog. „Diversity, Equity and Inclusion“ (DEI)-Maßnahmen in den Streitkräften der USA. Einige dieser Maßnahmen haben weit über das Trump-Lager hinaus die Frage aufgeworfen, in wie weit der zugrundeliegende identitätspolitische Aktivismus mit der notwendigen Kohäsion in den Streitkräften und meritokratischen Prinzipien v.a. bei der Auswahl von Führungspersonal vereinbar ist. Sollte Hegseth diese Maßnahmen aufheben, wird er nach meinem Eindruck zumindest in den Streitkräften und beim Realo-Flügel der Demokraten nicht auf Ablehnung stoßen.“
Das US-Militär hatte bis 1990 zwei Millionen Leute, das wurde im Zuge der Friedensdividende auf 1,3 Millionen abgeschmolzen. Mittlerweile kann die Zielgröße von 1,3 Millionen nicht mehr gehalten werden, es sind jedes Jahr mehrere zehntausend zu wenig.
Wenn man nun auch noch auf Frauen oder Schwule oder Schwarze verzichten möchte, bleibt nur die Wehrpflicht.
Hinzu kommt: So ein Militär, das hat auch ein kleines bißchen staatspolitische Verantwortung. Wir bekommen gerade eine Situation, nicht nur in USA, in der junge Frauen und Männer diametral auseinanderdriften. Die Trump-Wahl zeigt das in wunderbarer Klarheit: 18-29jährige Männer haben zu 56% Trump gewählt, die Frauen zu 58% Harris.
Um zu verstehen, wie groß das Problem ist, sollte man sich vielleicht mal das nach der Wahl entstandene Video eines bekannten Trump-Unterstützers ansehen: Nick Fuentes. Im Siegestaumel krakehlt er darin herum nach dem Motto
„Guess what? Men win again! It’s your body, my choice!“
Klassisch war es so, daß Jungwähler in den USA links oder zumindest etwas linker gewählt haben. Das von Trump erfolgreich befeuerte Abdriften junger Männer an den rechten Rand sorgt nun keineswegs für einen neuen gesellschaftlichen Konsens, denn die jungen Frauen machen diese Bewegung nicht mit. Da geht eine Schere auf zwischen einer hegemonialen Männlichkeitsvorstellung und einem zunehmenden Selbstbehauptungswillen.
In Japan sind vier Fünftel der Oberstufenschüler noch ungeküßt. Die Umfrage dazu macht eine Organisation für Sexualaufklärung seit 1974. Es ist der höchste Wert, der je dabei gemessen wurde. Das Verharren im Patriarchat ist möglich, aber einsam.
@Hans-Joachim Zierke
Hegseth will nicht „auf Frauen oder Schwule oder Schwarze verzichten“, sondern auf DEI-Programme, die Soldaten primär als Angehörige einer biologistisch definierten Identitätsgruppe verstehen. Zum aktuellen Nachwuchsproblem der US-Streitkräfte trugen diese Programme wesentlich bei:
https://www.wsj.com/opinion/dei-is-crushing-military-recruitment-family-recommendations-diversity-equity-inclusion-7be6240c
Der Artikel fasst Studien zu dem Thema zusammen, aus denen hervorgeht, dass die Nachwuchsprobleme vor allem daran liegen, dass Veteranen den Dienst in den Streitkräften immer seltener weiterempfehlen. Als wichtigster Grund dafür werden die erwähnten Programme angegeben, die u.a. vom Prinzip der prinzipiellen Gleichheit aller Soldaten unabhängig von Abstammung und Geschlecht sowie und der Beförderung nach den Kriterien Eignung, Leistung und Befähigung abrücken.
Dass die hinter der Ablehnung von DEI-Programmen stehende Bejahung des Gleichheits- und Leistungsprinzips etwas mit dem „Abdriften junger Männer an den rechten Rand“ zu tun habe, gehört zu den Illusionen des Fundi-Flügels der Demokraten in den USA und der ihnen nahestehenden Publizistik, die leider aus das Amerika-Bild von großen Teilen der deutschen Medien prägen. Anstatt jetzt einmal in sich zu gehen und aus der katastrophalen Wahlniederlage zu lernen, flüchtet man sich jetzt in Wählerbeschimpfung.
@ Bravo November sagt: 15.11.2024 um 10:55 Uhr :
Bitte die „Fachliteratur“ zitatfaehig benennen.
@Mike Molto
Zum Thema Kohäsion und ihren Voraussetzungen empfehle ich Ihnen zum Einstieg die folgende Lektüre:
– Shils, Edward A.; Janowitz, Morris: „Cohesion and Disintegration in the Wehrmacht in World War II“, Public Opinion Quarterly, Vol 12, No. 2 (Sommer 1948), S. 280–315,
– Biehl, Heiko: „Kampfmoral und Kohäsion als Forschungsgegenstand, militärische Praxis und Organisationsideologie“, in: Maja Apelt (Hrsg.): Forschungsthema Militär, Wiesbaden 2010, S. 139-162.
Besonders interessant ist m.E., dass man in der Polizei diesbezüglich sehr ähnliche Erfahrungen gemacht hat wie in Streitkräften, siehe u.a.
– Behr, Rafael: „Korpsgeist oder Binnenkohäsion?“, Die Polizei, Nr. 11/2010, S. 317–322,
– Behr, Rafael: Cop Culture. Der Alltag des Gewaltmonopols, Opladen 2000.
– Behr, Rafael: „Maskulinität in der Polizei: Was Cop Culture mit Männlichkeit zu tun hat“, Juridikum, Nr. 4/2017, S. 541-55.
P.S. Man muss hinzufügen, dass die Befürworter von DEI-Programmen in der Regel auch nicht behaupten, dass diese die Kohäsion in Streitkräften stärken oder wenigstens nicht beeinträchtigen, Dies ist diesen Personen meist egal oder wird als Kollateralschaden bei der Verfolgung gesellschaftspolitischer Ziele in Kauf genommen.
[Nun ja, das führt zu der ebenso provozierenden Antwort: Gegner solcher Programme verfolgen in der Regel nicht direkt autokratische Ziele. Diese sind diesen Personen meist – nach eigener Darstellung – egal oder werden als Kollateralschaden bei der Verfolgung gesellschaftspolitischer Ziele in Kauf genommen. T.W.]
Was ich aus eigenen Kontakten zu US-Soldaten bereits gemerkt habe ist, dass die Mannschaften bzw auch die Offiziere vom ROTC oder anderen „alternativen“ Laufbahnen überhaupt nicht gut auf die Berufsoffiziere, vor allem die Academy Graduates, zu sprechen sind. Da herrscht meistens die Ansicht vor, dass es sich bei denen größtenteils um einen charakterlosen Haufen von Opportunisten handelt.
@T. Wiegold
Ihre Zuordnung der Ablehnung von DEI-Programmen zu „autokratischen Zielen“ erschließt sich mir nicht. Die neue US-Administration wird die Abwicklung dieser Programme auf rechtsstaatlichem Weg bzw. auf Grundlage der US-amerikanischen Bürgerrechts-Gesetzgebung umsetzen und dabei nahezu sicher erfolgreich sein. Diese Gesetze verbieten im Berufsleben (auch im öffentlichen Dienst) jegliche Benachteiligung oder Bevorzugung von Menschen aufgrund von Abstammung oder Geschlecht. Es handelt es sich um dieses Gesetz: https://www.eeoc.gov/statutes/title-vii-civil-rights-act-1964#:~:text=Title%20VII%20prohibits%20employment%20discrimination,religion%2C%20sex%20and%20national%20origin.
Auf dessen Grundlage wurden bereits zahlreiche solcher Programme von amerikanischen Gerichten für illegal erklärt. Was an diesem rechtstaatlichen, auf die Durchsetzung demokratischer Prinzipien wie Diskriminierungsverboten und meritokratischer Bewerberauswahl zielendem Vorgehen „autokratisch“ sein soll, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Bei aller berechtigten Kritik am Verhalten Trumps in anderen Fällen oder an der Rhetorik u.a. auch Hegseths und bei allem begründeten Befremden, dass diese Rhetorik in Europa auslöst, sollte man sich die Zeit nehmen, um jenseits der von allen Seiten vorgetragenen, zuletzt sehr zugespitzten Wahlkampfrhetorik (siehe gegenseitige „Faschismus“ und „Kommunismus“-Vorwürfe) etwas tiefer mit einzelnen Vorgängen zu beschäftigen.
[Ich bin auf Ihre Aussage eingegangen und habe das mal gespiegelt. Dass Sie das nicht akzeptieren, ist interessant. T.W.]
https://www.nytimes.com/2024/11/17/us/politics/hegseth-sexual-assault-accuser.html
gibt den Vorschlägen Hegseths zur Diskriminierung von Frauen (keine Kampfeinsätze, keine Karriere) einen neuen Dreh. Wenn auch keinen unerwarteten.