Fürs Archiv: Britische Streitkräfte legen veraltetes Gerät still
Die britischen Streitkräfte, die wie etliche westliche Streitkräfte mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben, legen veraltetes Gerät still. Damit würden erhebliche Einsparungen erreicht, zudem seien etliche Schiffe oder Hubschrauber längst nicht mehr einsatzfähig, begründete Verteidigungsminister John Healey diesen Schritt.
Die Maßnahmen, die Healey am (heutigen) Mittwoch vor dem Unterhaus in London ankündigte:
Before the election, we knew there were serious problems with defence – one previous [political content removed] Defence Secretary told this House last year that our Armed Forces had been “hollowed out and underfunded” over the last 14 years.
However, as I have told the House since taking office, the problems were even worse than we thought….
It was a dire inheritance – the state of the finances and the state of the Forces.
Often hidden to Parliament.
Billion-pound blackholes in defence plans.
Taxpayers’ funds being wasted.
Military morale down to record lows.
That’s why we’re taking swift action now: to inject investment, get a grip of MOD budgets, and kickstart much-needed reforms to start fixing the foundations for the UK Defence. (…)
For too long, our soldiers, sailors, aviators have been stuck with old, outdated equipment… because Ministers wouldn’t make the difficult decommissioning decisions.
As technology advances at pace, we must move faster towards the future.
So today, with full backing from our Service Chiefs, I can confirm that six outdated military capabilities will be taken out of service.
These decisions are set to save MOD £150 million over the next two years and up to £500 million over five years – savings that will be retained in full in Defence.
Alongside this Statement, I have laid a WMS to outline the detail of my decommissioning decisions. These include:
HMS Northumberland – a frigate with structural damage that makes her simply uneconomical to repair.
46 Watchkeeper Mk1s – a 14-year-old Army drone which technology has overtaken.
HMS Albion and HMS Bulwark – landing ships both effectively retired by previous Ministers but superficially kept on the books at a cost of £9 million a year.
14 Chinooks – some over 35 years old – accelerated out of service.
Two Wave Class tankers – neither of which have been to sea for years.
And 17 Puma helicopters – some with over 50 years’ flying – will not be extended.
I recognise that these will mean lot to many who’ve sailed and flown in them during their deployments around the world.
They have provided a valuable capability over the years. But their work is done. We must look now to the future.
All current personnel will be redeployed or retrained – no one will be made redundant.
(Die ganze Rede des Ministers zum Nachlesen hier)
(Archivbild September 2022: HMS Northumberland, die Fregatte, die angesichts zu hoher Reparaturkosten außer Dienst gestellt werden soll – CPO Phot Owen Cooban/Royal Navy/UK MOD/Crown copyright 2022/Open Government License)
Traurig, aber wahr- offenbar stehen alle europäischen Armeen mit heruntergelassenen Hosen da…
Das zeigt zwar, dass wir Deutschen nicht die einzigen „Idioten“ sind, die Sicherheitspolitik vergessen haben, finanziell zu untermauern, aber es bringt auch niemanden weiter, sich am britischen Problem zu laben.
@Bow
Was den Briten ihre beiden Träger ist unsere Litauen-Brigade 😎
Ich lese nur von Einsparungen und dass das eingesparte Geld anderweitig verwendet werden soll, aber nicht von geplanten Neuanschaffungen. Dazu noch die geplante Verkleinerung des Heeres.
Womit kann die NATO dann noch rechnen?
Interessant finde ich vor allem den Passus „It was a dire inheritance – the state of the finances and the state of the Forces. Often hidden to Parliament.“ Wenn politische und strategische Entscheidungen („Global Britain“) auf Grundlage fehlerhafter oder vielleicht sogar bewusst zurückgehaltener Informationen getroffen werden, dann ist das ein echtes Problem.
Und ja, Defizite bei Verbündeten machen die Lage nur noch problematischer.
Es ist das gleiche Problem, wie in allen NATO-Staaten.
Kein Geld und trotzdem werden die einheimischen Werften mit Miniaufträgen beglückt, die am Ende aufgrund der hohen Kosten zu Streichungen an anderer Stelle führen.
Ich meine, dass aktuell in Europa 7 Fregattenklassen in der Entwicklung sind, die am Ende eine Gesamtstückzahl von unter 30 haben…
Und das zieht sich durch alle Bereiche der Streitkräfte durch.
Die Briten haben gerade einmal 1/3 ihrer geplanten F-35B bestellt, sie können ihre Träger nicht alleine schützen, die Luftwaffe war noch nie so klein wie heute. Die Tanker sind gemietet, die Regierungsmaschinen werden von Airlines betrieben. Es gibt unzählige Baustellen.
Wir brauchen eine sehr schnelle Harmonisierung der Ausrüstung und Entwicklungsprogramme in Europa, damit wir am Ende leistungsstark und kostengünstig agieren.
Das erste müsste eine Zusammenlegung der beiden fast identischen Kampfflugzeug-Programme werden, die alleine Deutschland 20 Milliarden Euro sparen würde.
Es gibt keinen plausiblen Grund außer einer Stärkung der nationalen Industrien immer wieder das Gleiche parallel zu entwickeln, um am Ende nicht vernünftig zusammenarbeiten zu können.
@Pio-Fritz: Die Ausschreibung für den Ersatz der alten Pumas läuft unter dem Begriff NMH – New Medium Helicopter. Verbliebener Bieter ist Leonardo, Airbus und Sikorski haben sich beide rausgezogen. Zudem sind H145M im Zulauf um Aufgaben in Brunei und Zypern zu übernehmen, die heute noch bei den Pumas sind.
Der (teilweise) Ersatz für die alten Chinooks ist bestellt und in Form von 14 CH-47F ab 2027 im Zulauf.
Es ist nicht ganz so düster, wie es den ersten Eindruck macht. Vielleicht nur grau, nicht schwarz.
Ok die Regierungsmaschinen wurden in UK schon immer von der BA gestellt. Es gibt den Royal Flight für den König (jetzt) aber der Premierminister und alles darunter flog schon immer British Airways.
@ Der Realist
Dem stehen in allen Staaten ökonomische Interessen (= „Hochwert-Arbeitsplätze“) bei den eigenen Rüstungsbetrieben entgegen. Frankreich agiert so, Deutschland agiert so, Polen agiert so, Italien agiert so … etc etc pp. Es wird sich nichts ändern – denn kein Staat wird Ökonomie und ein Minimum an politischer Unabhängigkeit auf diesem Gebiet für irgendeine nebulöse „Europa“ Schwülstelei aufgeben. Großbritannien selbst hat das Vorzeigebeispiel Boxer im Portfolio – einst Projekt-Mitbegründer, dann viele Jahre außen vor, am Ende doch wieder dabei. Das ist ein Paradebeispiel dafür, daß unterhalb all der Kumbaya-Rhetorik von wegen Europa wir alle immer noch wirtschaftliche Konkurrenten sind und bleiben.
Es gehören immer noch 2 zum Tanzen. Und es ist nach den Erfahrungen des Eurofighter-Projekts z.B. alles andere als klar, ob das Vereinigte Königreich Deutschland nochmal als Projektpartner haben wollte (Stichwort Modernisierungsverschleppung und Stückzahlreduzierung bei gleichzeitigem Bestehen auf ausverhandelte Industrieanteile). Und ob Frankreich bei so einem „Merger“ mitmachen würde steht noch auf einem anderen Blatt.
@ Der Realist
„Man müsste“ – so ist es aber nicht. Solange die EU aus souveränen Nationalstaaten besteht, wird sich an dem, was Sie skizzieren, nur dann etwas grundlegendes ändern, wenn die EU kein Staatenbund mehr ist, sondern ein Bundesstaat oder wenn einzelne Staaten ihre industrielle Fähigkeiten verloren haben.
Und selbst wenn die EU ein Bundesstaat würde, würden die Gliedstaaten immer noch mit Argusaugen auf die Auslastung ihrer Werke wachen, siehe USA. Da kommt es gerne schon mal vor – in Deutschland und offenbar auch im Vereinigten Königreich undenkbar – dass mehr bestellt wird, als die Streitkräfte benötigen oder haben möchten – weil Senator/Gouverneur X „sein“ Werk entsprechend ausgelastet sehen möchte.
Die Franzosen habe ihre Fähigkeit verloren, eigene Handwaffen zu bauen. Also kaufen sie Sturmgewehre in Deutschland. Belgien besitzt mit FN ein weltweit anerkanntes Unternehmen auf diesem Segment – weswegen sollte man dies aufgeben? Wegen des „europäischen Gedankens?“ Lachhaft. Solange es keinen vernünftigen (wirtschaftlichen) Grund gibt, werden auch weiterhin Handwaffen in Deutschland, Tschechien und Belgien gebaut. Ganz einfach.
Ähnlich sieht es im Panzerbau aus. Letztlich regelt das alles der Markt. Beim Kampfpanzer steuern wir de facto auf eine Standardisierung zu – die es, wenn man ehrlich ist, zu Zeiten des Leopard 1 in Europa schon in weiten Teilen gab. Challenger 3 und Leclerc sind de facto zu Nischenprodukten geworden, die außer der British Army und der Armee de Terre niemand sonst nutzt. Der Standard ist der Leopard 2. Bei den Schützenpanzern hat sich der CV 90 vorgeschoben. Was gut ist, setzt sich durch – aus technischen und wirtschaftliche Gründen, nicht per Verordnung. Was bei verordneter Zusammenarbeit heraus kommt, das sieht man beim Schützenpanzer Puma (KMW und Rheinmetall, hier, macht mal wat zusammen und bindet möglichst viele Unterauftragnehmer ein, damit das Geld auch überall irgendwie ankommt!) – oder bei FCAS.
Die Royal Navy ist echt nicht mehr das was sie mal war…
Bzw, sie ist ein Schatten dessen was sie sein könnte und sein will. Normalerweise dürfte die Außerdienststellung von ein paar alten Einheiten überhaupt kein Thema sein. Ist es aber, weil nichts Neues nachgekommen ist, respektive nicht in notwendigem Umfang.
@Der Realist:
Im Bezug auf die Harmonisierung von Rüstungsvorhaben kann ich Ihnen nur zustimmen. Wir produzieren zu viele unterschiedliche Dinge, zu langsam und in zu kleinen Mengen.
Das ist im Frieden schon nicht gut, aber im Einsatzfall führt es zudem noch zu einer extrem verkomplizierten Logistik. Problem ist, dass Rüstungs- auch immer Wirtschafts- und Regionalpolitik ist. Das haben wir uns in Friedenszeiten leisten können, aber die Zeit ist eigentlich vorbei.
Zitat:“ Billion-pound blackholes in defence plans. Taxpayers’ funds being wasted.
Military morale down to record lows.“
Ich war mir nicht bewusst, dass es um die britischen Streitkräfte so mies steht.
Aber ich denke, dass ich eine solche vernichtende Diagnose schon mal im Zusammenhang mit einer anderen Armee gehört habe. Welche könnte das bloß gewesen sein? ;-)
Wenn man die Rede komplett liest, wollen die Briten den Verteidigungshaushalt auf 2,5% des BIP erhöhen und nächstes Jahr gibt es eine einmalige Finanzspritze von 3 Milliarden Pfund.
Erst wenn HMS Victory auf der Liste steht, wird es wirklich ernst…
Wobei man sagen muss dass „outdated military capabilities“ politisches Wording ist. Wenn man das als sachliche Bezeichnung überhaupt übernehmen möchte, wäre vielleicht am ehesten der Begriff „überholt“ passend.
Beispiel: Trotz allem „Global Britain“ ist der militärische Fokus wieder auf Landkrieg in Europa.
Und da braucht man nicht die Fähigkeit, Kräfte in Brigade-Stärke anzulanden. Folgerichtig sind jetzt Wave-Tanker und Albion-LPD dem Schicksal der HMS Ocean gefolgt (bereits 2018 außer Dienst gestellt).
Veraltet ist an den Schiffen wenig, wurden die doch erst 2003/2004 in Dienst gestellt.
Ja, die Pumas (und Chinooks) sind alt, aber die waren noch für ein paar Jahre geplant und hätten fliegen können. Jetzt nimmt man halt Fähigkeitslücke in Kauf.
@ Pio-Fritz
Was bringt das?
Das BIP von GB ist deutlich kleiner, als unseres, aber die Ansprüche an die Verteidigung höher durch Atomwaffen, Flugzeugträger, usw.
2,5 Prozent vom BIP sind nicht besonders viel unter diesem Aspekt.
@ csThor und Hans Dampf
Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass Europa als Gebilde vieler Kleinstaaten in der Zukunft zum Spielball der anderen Großmächte verkommen würde, wenn man über die nationalen Befindlichkeiten nicht hinweg kommt. Und so etwas geht auch, wenn weiterhin die Staaten beibehalten werden, aber man sich schrittweise immer weiter integriert.
Das hat die EU auch erkannt und es geht langsam in die richtige Richtung.
https://www.consilium.europa.eu/de/policies/defence-security/
@Der Realist sagt: 21.11.2024 um 15:48 Uhr
„@ Pio-Fritz Was bringt das?“
Da bin 8ch wohl der Falsche, den Sie fragen Ich habe nur die Einlassungen des britischen Verteidigungsministers wiederholt.
Finanziell dürfte das für Großbritannien genauso eine Kraftanstrengung sein wie für uns. Deren Staatseinnahmen aus dem Steueraufkommen sind dann entsprechend kleiner, wenn die Wirtschaft schwächelt.
Das ist hinsichtlich Naval Service wirklich übel und plausibel sind mir die Worte von Healey nicht. 150m pro Jahr Spareffekt sind überschaubar, und es führt doch nur zu mehr „Hollowed out“ – die schon lange kaputtgesparte Royal Fleet Auxiliary ist viel zu klein geworden und ein Schatten ihrer selbst und die frühere Amphibische Fähigkeit der Royal Marines ist nun wirklich weg. Zu geringen Kosten hätte man die Dampfer weiter in Reserve halten können. Bei der derzeitigen Sicherheitslage kann ich diese Entscheidung nicht wirklich nachvollziehen.
Die übertrieben überstürzten Entscheidungen bei den Briten wiederholen sich seit etwa 1957 alle paar Jahre erneut, besonders betrifft das gerne und überwiegend die Royal Air Force.
Als vier Beispiele seien nur genannt:
-Harrier GR.9/A im Dezember 2010
– Nimrod MR.2 im Frühjahr 2010
– Reduzierung der strategischen Transportertypen und -Staffeln in 1975/76
– Außerdienststellung der Hercules C.4 und C.5 in 2023
Oftmals trifft es Luftfahrzeugmuster, für die es (noch) keinen direkten Ersatz gibt und wo sich anschließend sogar Fähigkeitslücken auftun. Oder aber es sind Luftfahrzeuge, die gerade erst teilweise oder umfassend durch eine Modernisierung gelaufen sind.
Altes Material außer Dienst zu stellen ist für mich zunächst einmal plausibel. Bei den beiden Landungsschiffen verstehe ich es aber nicht. Sind doch gute Truppentransporter und können als Kommandoschiffe eingesetzt werden. Lediglich die langsame Geschwindigkeit ist ein echtes Manko. Aber unser Seebataillion wäre wahrscheinlich froh über so eine Kapazität zu verfügen.
Ich hoffe, dass die deutsch-norwegische Marinekooperation sich auch auf die Fregatten ausweitet. Wenn das klappt kann ich mir vorstellen, dass noch weitere Partnerländer hinzukommen.
Mein Vorschlag an die Norweger wäre:
1. Bestellt drei weitere F126 um die Uboot-Jagdfähigkeit zu erhalten. Macht einen Deal mit Deutschland, dass Ihr Schiff 3,6 und 9 bekommt. Und dann bestellt zusammen mit Deutschland umgehend 9 F127. In diesem Fall kommt man zumindest schon einmal auf mindestens 9 Schiffe eines Fregattentyps. Falls Kanada oder andere Partner hinzustoßen – umso besser.
Gerne kann die Produktionskapazität auf mehrere Länder verteilt werden. Aber die Konstruktionskosten sollten nur einmal anfallen.
@Landmatrose3009
„die frühere Amphibische Fähigkeit der Royal Marines ist nun wirklich weg. Zu geringen Kosten hätte man die Dampfer weiter in Reserve halten können. Bei der derzeitigen Sicherheitslage kann ich diese Entscheidung nicht wirklich nachvollziehen.“
Laut Aussage eines OF-5 der Royal Marines beziehen sich die genannten Kosten bei den amphibischen Schiffen auf reines „über Wasser halten“. Die Kosten für eine Wiedernutzbarmachung sind deutlich höher und derzeit nicht verfügbar. Da sich die Royal Marines ohnehin auf andere Fähigkeiten konzentrieren und auch die NATO in den mir bekannten Papieren keine amphibischen Fähigkeiten fordert, ist das der logische Schritt.
@ JanLPunkt sagt:
23.11.2024 um 9:34 Uhr
„Da sich die Royal Marines ohnehin auf andere Fähigkeiten konzentrieren“
Welche denn? „Nur noch“ Tier 2 Special Operations?
@Landmatrose3000 sagt:
23.11.2024 um 20:06 Uhr
Zum Beispiel. Vielleicht auf Fähigkeiten, von denen die NATO nach LI/LL sowie der vermuteten Absicht rot annimmt, dass sie eher gebraucht werden als Amphibik.
in solchen Zeiten militärisch abzurüsten ohne adäquaten Ersatz zu besitzen ist ein klares Statement. Da nützen auch 2,5% vom BIP und 3Mrd£ zusätzlich erstmal nichts.
Es muss doch langsam merkwürdig erscheinen, das alle europäischen Staaten die heute finanziell klamm sind die selben Wirtschaftsberater beschäftigtigen, bzw. über die gleichen Boards vernetzt sind. Selbst das weit entfernte Südafrika ist da keine Ausnahme. Und 2027 beginnen noch dazu für D die ersten Rückzahlungen aus den Pandemiekrediten, wenn mich nicht alles täuscht.
Klar kann man argumentieren das sind alles unterschiedliche Töpfe, aber das geht doch am Kernproblem einer ineffizienten, scheinbar gleichgeschalteteten Beratungslandschaft vorbei. Daseinsvorsorge ist nunmal nicht mit überholten makroökonomischen Prozessen darstellbar. Es ist nonprofit, und das ist auch gut so.