Studie sieht Kriegsangst in Deutschland weit hinten

Bisweilen lohnt der Blick über den sprichwörtlichen Tellerrand, um die eigene Einschätzung zu überprüfen: Die Notwendigkeit, in absehbarer Zeit auf eine militärische Auseinandersetzung mit deutscher Beteiligung zumindest eingestellt und vorbereitet zu sein, mag in der sicherheitspolitischen Blase (zu der auch dieses Blog natürlich gehört) unbestritten sein. In der Bevölkerung insgesamt sieht das ganz anders aus.

Das legt jedenfalls die Studie Die Ängste der Deutschen nahe, deren Daten die R+V-Versicherung regelmäßig in einer repräsentativen Umfrage erhebt. Nach der am (heutigen) Mittwoch veröffentlichten jüngsten Statistik landet dort die Angst vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung auf Platz 16 – weit abgehängt hinter den großen Ängsten Lebenshaltungskosten oder Migration und noch nicht einmal unter den ersten zehn (s. Grafik oben).

Nun ist diese Umfrage unter 2.400 repräsentativ ausgewählten Personen in Deutschland natürlich eine Frage nach den subjektiven Ängsten und Befindlichkeiten und nicht nach einer Sachabwägung. Das zeigt schon die Nennung der Angst eines Krieges über die Jahre: 1999 gaben vor dem Hintergrund des Bundeswehreinsatzes im Kosovo 60 Prozent der Befragten einen Krieg mit deutscher Beteiligung als große Befürchtung an; 2016 – im damals noch laufenden Afghanistan-Einsatz – waren es 54 Prozent. Mit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine 2022 stieg der Anteil von zuvor 16 auf dann 42 Prozent und steht nun weitgehend unverändert bei 41 Prozent.

Die Erklärungen dafür sollen Berufenere abgeben; wichtig ist aber aus sicherheitspolitischer Sicht: Während in der Politik die Warnungen vor einer möglichen militärischen Auseinandersetzung mit Russland zunehmen, die die NATO und damit auch Deutschland betreffen würde, wird die Lage in der Bevölkerung deutlich weniger kritisch wahrgenommen. Im Vergleich zum vergangenen Jahr hat diese Angst sogar um zwei Prozentpunkte abgenommen und liegt, um einen willkürlichen Vergleich zu nehmen, hinter der Angst vor den Folgen einer EU-Schuldenkrise.

Diese subjektive Sicht hat natürlich praktische Auswirkungen. Wenn die Angst vor einem möglichen Krieg auf dem 16. Platz liegt, dürfte die Bereitschaft zu Ausgaben für Abschreckung bzw. für Militärisches insgesamt ebenfalls weit hinten liegen. Um den politischen Begriff zu verwenden: die 2022 ausgerufene Zeitenwende, die ja auch für die Abschreckung gelten müsste, hat in der Bevölkerung niedrigere Priorität als andere, ebenfalls teure Aufgaben des Staates. Mit möglichen Folgen für Verteidigungshaushalt oder auch eine Wehrpflicht.

Interessant ist allerdings an dieser Stelle eine deutliche West-Ost-Schere: Unter den ostdeutschen Befragten landet die Angst vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung unter den ersten zehn großen Ängsten – die Befürchtung liegt dort mit 46 Prozent auch erkennbar über dem Bundesdurchschnitt von 41 Prozent.

(Randbemerkung, die nichts mit der Umfrage selbst zu tun hat: wenn man sich die politischen Aussagen im Zusammenhang mit den Landtags-Wahlkämpfen in den ostdeutschen Bundesländern in den vergangenen Monaten anschaut, dürften Gründe dafür aber anders gelagert sein als im Westen?)

Ähnlich, nur geringfügig besser, sieht es bei den Vorsorge-Themen Klimawandel und Naturkatastrophen aus. Naturkatastrophen landen, ungeachtet der Extremwettereignisse in jüngster Zeit, auf Platz 13 der großen Ängste, der Klimawandel auf Platz 15 – noch vor der Befürchtung eines Krieges. Auch bei diesen Problemen der Daseinsvorsorge dürfte die Bereitschaft, Geld für nötige Vorsorgemaßnahmen in die Hand zu nehmen, weniger ausgeprägt sein als bei anderen, subjektiv dringender empfundenen Problemen.

Mehr zu der Studie gibt es als Pressemitteilung hier; die detaillierten Umfrageergebnisse hier.

(Vorsorglich die Bitte: Nein, das machen wir nicht zu einer Diskussion über Migration.)

(Grafiken: R+V Versicherung)