Merkposten: Neue Arktis-Leitlinien, mehr Kooperation in NATO und EU
Zum Nachlesen mal hier abgelegt: Die Zeiten, in denen die Arktis nur als wirtschaftlich interessantes Gebiet und zunehmend auch als Problemgebiet des menschengemachten Klimawandels Aufmerksamkeit bekam, sind vorbei. Die Region rund um den Nordpol bekommt zunehmend sicherheitspolitische Bedeutung – darauf weist auch die Bundesregierung in ihren neuen Leitlinien deutscher Arktispolitik hin.
Die unter Federführung des Auswärtigen Amts erarbeiteten und am (heutigen) Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedeten Leitlinien hier zum Nachlesen. Die Punkte, die direkt mit der Sicherheitspolitik zu tun haben:
Die Bundesregierung wird …
… zu Sicherheit und Stabilität in der Arktis beitragen, Kooperationen fördern und die friedliche Nutzung der Arktis auf Grundlage anerkannter Normen und Kodizes unterstützen. Ziel deutscher Arktispolitik ist es, die Region möglichst konfliktarm zu gestalten.
… auf die gestiegenen sicherheitspolitischen Herausforderungen in der Arktis reagieren. Deutschland wird das russische Vorgehen in der Arktis, inkl. der engeren Kooperation mit China, weiter genau beobachten und sich bei der Reaktion eng mit den Verbündeten und Partnern in NATO und EU abstimmen.
… die sicherheitspolitische Rolle von NATO und EU in der Arktis stärken. Die Bundesregierung bekennt sich zu ihrer Bündnisverpflichtung, die aus der Mitgliedschaft in der NATO erwächst, und fördert die intensivere Befassung von NATO und EU mit den sicherheitspolitischen Implikationen der Arktis.
… den gegenseitigen Erfahrungsaustausch und gemeinsame Übungen der Bundeswehr mit Partnern und Verbündeten in der Region ausweiten. Dafür hält die Bundeswehr entsprechende Fähigkeiten zur Lagebilderstellung vor und plant regelmäßige Ausbildungsaktivitäten in der Region.
… ihre Rüstungskooperationen und gemeinsamen Beschaffungsinitiativen mit NATO- und EU-Partnern im arktischen Raum fortführen und weiter ausbauen.
Das ist, insbesondere im Hinblick auf die Bundeswehr, noch ein bisschen vage – wird aber vielleicht noch deutlicher werden.
Dazu passt auch der aktuelle Blick auf die russischen Militäraktivitäten in der Arktis, veröffentlicht im Scandinavian Journal of Military Studies:
Bolstering the Bastion: The Changing Pattern of Russia’s Military Exercises in the High North
Zitat:
„Die Bundesregierung bekennt sich zu ihrer Bündnisverpflichtung, die aus der Mitgliedschaft in der NATO erwächst, und fördert die intensivere Befassung von NATO und EU mit den sicherheitspolitischen Implikationen der Arktis.“
Exakt das Gleiche war übr. auch zu Zeiten des kalten Krieges und in der Zeit kurz danach der Fall. In der NATO war (West-) Deutschland da ja auch…
Aber erst nach einer Gesetzesänderung waren echte Auslandseinsätze jenseits von medizinischer Unterstützung überhaupt erst möglich. Da konnte man natürlich ab einer gewissen Grenze immer mit „tut uns ja leid, aber unsere Verfassung gibt das nicht her“ argumentieren. Ansonsten aber immer die „volle Unterstützung“ zusichern.
Ein wenig trauere ich diesem mindset noch hinterher. Man hatte damals, auch als Wehrpflichtiger, nie irgendein Argumentationsproblem.
Wenngleich selbst das natürlich diverse Friedensorganistionen anders sahen. Mit Hinblick auf die unfassbare atomare Aufrüstung in Ost und West teils durchaus zu Recht…
„Bundesregierung … plant regelmäßige Ausbildungsaktivitäten in der Region“.
Als zielführend und somit notwendig in diesem Zusammenhang sind „earmarked forces“ anzusehen. Die Polarregion/Arktis ist in ihren klimatischen und geografischen Herausforderungen dermaßen speziell, dass dies kein Auftrag „aller Truppen“ sein kann. Die Gebirgsjägerbrigade 23 entspricht diesem Anforderungsprofil mit „Kampf…im arktischen Gelände“ bereits weitgehend.
Unter Berücksichtigung der Neu-NATO Mitglieder SWE und FIN sowie der NOR Kompetenz samt GBR Arktisaktivitäten sollte eine „Spezialtruppe Arktis“ im Stil früherer AMF (L) die angemessene Antwort für nordeuropäische koordinierte Aufgabenwahrnehmung sein können.
Da kann man ja sich ja mal fragen, mit welchen Mitteln denn die Bundeswehr dort üben will und – ich zitiere – das „russische Vorgehen in der Arktis, inkl. der engeren Kooperation mit China, weiter genau beobachten“ will.
Wer mehr Engagement fordert muss ja auch bereit sein, selber mehr zu investieren. Air Policing auf Island? Fregatten und/oder U-Boote im Nordmeer? Mal ein paar Poseidon bei den Norwegern stationieren? Die Gebirgsjäger auch auf Grönland üben lassen?
Neben Übungen stellt sich dann auch die Frage, ob Deutschland auch bei den Materialbeschaffungen „arktistauglicher“ werden will. Die Nordwestpassage wird wirtschaftlich an Bedeutung zunehmen. Das wäre dann ein Seeweg, der dann im Portfolio der Marine-Routen Eingang findet. Letztendlich würde dies auch auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit Norwegen und Kanada hinauslaufen. Bei den Übungen, bei den Materialbestellungen und am Ende sogar vielleicht bei Stationierungen.
Das ist wieder deutscher uebrall-mitmischen-Groessenwahn mit Hilfe des AA.
Die Bw kann nicht mal ihre Landesverteidigungs-Verbaende sachgerecht alimentieren, dafuer will jetzt das BMVg in der Arktis mitspielen.
Gehts noch?
Na dann hoffe ich mal ein Sonder-Etat ist verabschiedet und die Taskforce „Strickmütze“ schon aktiv, damit ungefähr ab 2034 zumindest die Ohren nicht mehr abfrieren … https://augengeradeaus.net/2015/02/nicht-nur-der-besenstiel-der-nato-speerspitze-fehlt-schon-die-strickmuetze/comment-page-2/
Fähigeitenerweiterung und das Lernen von Verbündeten ist grundsätzlich begrüßenwert. Aber wie weit ist man aktuell mit den im Rahmen der Zeitenwende aufgemachten Fässern? Alles tipitop? Munition aufgefüllt und erweitert, abgegebenes Material ersetzt und zusätzliches beschafft, Litauen in trocken Tüchern usw. usf.? Die Glaubwürdigkeit des arktischen Engagements hängt an der Substanz. Einen halben Zug kann man für Fotos hinschicken, inwiefern das Russland und China dann abschreckt …
Vor einigen Tagen ist ein sehr interessanter, längerer Artikel im New Yorker veröffentlicht worden – Russia’s Espionage War in the Arctic. Ist über Google zu finden. Gibt sehr interessante Einblicke und bestätigt im Prinzip, dass wir als Westen uns schon längst mit Russland in einem hybriden Krieg befinden.
Wie immer werden wir uns entscheiden müssen, wo wir für die Bundeswehr etc. die Schwerpunkte sehen. Wir sind nicht per se eine Nation, die im arktischen Norden unterwegs ist, haben aber über AWI o.ä. über Jahre eine sehr große (Ant-)Arktiskompetenz aufgebaut. Für uns sehe ich daher tatsächlich eher Ergänzungsfunktionen für FI, NO, SE, IS, DK – ob das Unterstützung mit Seeaufklärung, Fregatten, elektonische Aufklärung etc. ist, oder Gebirgsjägereinheiten – ist zu klären und bereitzustellen. Eine Führungsrolle sehe ich für die Bundeswehr hier nicht, da sind die „Locals“ einfach besser aufgestellt als wir es sein können.
Und ja, dass kann auch heißen, dass eine unserer Poseidons zukünftig in NO stationiert sein könnte und wir in Deutschland nachbeschaffen müssen. Ist dann so.
Auch Thema in der Bundespressekonferenz:
https://www.youtube.com/watch?v=szZEb4gQfaY
Es gibt bei unseren US Freunden das ADAC, heißt aufgeschlüsselt:
Center of Excellence in Arctic Domain Awareness“.
Es gehört organisatorisch zum Department of Homeland Security, ist der Universität von Alaska angegliedert (!) und wird von allen 5 Teilstreitkräften unterstützt. (Fünf = Army, Air Force, Navy, Marine Corps, Coast Guard) (Die Coast Guard ist reichlich in arktischen Gewässern unterwegs und hatte im 2. WK Kombattanten- Status, größere „Cutter“ sind bewaffnet).
Ziel ist dort strategische und operative Leitlinien für die Sicherung der Arktis zu entwickeln und technologische Unterstützung für die Implementierung (inkl. Drohnen im/unter Wasser und in der Luft; Lagebilder usw pp.)
Es gibt auch einen Bereich der humint mit indigenen Inuit betreibt.
Die Idee für diese Einrichtung hat eine Gruppe Aktiver und Reservisten 2013 eingereicht, es dauerte eine Weile aber inzwischen arbeitet das CoE.
Da die Bundeswehr ihre Aufgaben im bisherigen Kerngebiet nur mit äußerster Anstrengung erfüllen kann, sind die hier geäußerten Ambitionen der Bundesregierung nicht glaubhaft. Es wird zu einer Überspannung der Kräfte kommen. Wen die Regierung damit beruhigen will, bleibt unklar, da auch ansonsten den wortreichen Ankündigungen dieser Regierung nicht ausreichend Substantielles folgt. Die Personalstärke sinkt seit Jahren, man steuert hier weiter ohne wirkungsvolle Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Finanzierung der Pflichtaufgaben reicht bereits nicht aus. Wir steuern weiter unvorbereitet sehenden Auges in einen kinetischen Krieg, der auf der Cyberebene bereits begonnen hat.
Der verstärkte Blick auf die Arktis ist konsequent, denn mMn hat RUS vielmehr Svalbard als die baltischen Staaten auf der To-Do-Liste um die Kohäsion/Bündnisfall der NATO zu testen. Svalbard hat einen interessanten Status (Spitzbergenvertrag, entmilitarisiert), eine RUS „unterdrückte Bevölkerungsminderheit“ in der Bergbaukolonie Barentsburg und Infooperationen hat RUS ebenso schon gestartet. Ach ja, und ein Internetseekabel dorthin wurde vor einiger Zeit auch gekappt.
Wieviel Land Angriffs Optionen hat Russland in den D/A/CH Alpen?
Richtig… Keine! Rußland ist da weit weit weg….
Die BW Gebirgsjäger waren schon damals 1985 und sind auch heute somit prädestiniert für Support von NOR/FIN/SWE/USA/UK im arktischen bzw. Polarkreis Umfeld… Wo es auch genügend Berge gibt.
Da muss nichts aus der BW heraus gestückelt werden… Das ist bereits vorhanden, muss nur ggf. erweitert werden.
Wehrpflicht wäre da super hilfreich….Alle bayrischen Jung Hobby Kraxler prädestiniert ,dort einberufen zu werden….genau wie 1985.
Es bietet sich zudem an, eine schnelle NATO Eingreif Truppe „Arktis“ aufzustellen, die sich russischen Ambitionen schnell entgegen stellen kann…. Mit den deutschen Gebirgsjägern als Beteiligte.
Für Neubau Kampf- und Unterstützungs Schiffe der Marine ist eine gewisse Eis Fähigkeit grundsätzlich vorzusehen… Kostet mehr, aber nicht radikal mehr.
Deutsche U Boote müssen dort mit den NATO Verbündeten hin zum üben (tun sie das ?)
Die P8 kann dort in der Region temporär stationiert werden,….möglich.
Zumindest sollte man dies mit Verlege Übungen ständig üben und zur Normalität werden lassen.
Ob weitere P8 für die deutsche Marine beschafft werden müssen, ist keine Frage Deutschlands allein… Da sind alle NATO Arktis Operateure gefragt…. und es hängt von der Größenordnung der zukünftigen russischen Aktivitäten und Bedrohungen dort ab, wieviel an Waffensystemen dort aufgefahren werden müssen.
@ Der_Picard sagt: 19.09.2024 um 18:57 Uhr ………“Für Neubau Kampf- und Unterstützungs Schiffe der Marine ist eine gewisse Eis Fähigkeit grundsätzlich vorzusehen… Kostet mehr, aber nicht radikal mehr. “
Zunaechst Ihre Frage, ja deutwsche Uboote haben in der Vergangenheit an Nordmeer-Manoevern teilgenommen. (Als die FGN noch 24 Boote hatte) aber niemals in eisgefaehrdeten gebieten.
Somit kommen wir zu Ihrer Aussage in Sache „Eisfaehigkeit“ :
1. Wenn Sie eine Ahnung haetten, welch duenne Konservendosen die modernen Fregatten sind und was „Eis“ wirklich bedeutet, wuerden Sie anders argumentieren.
2. Betriebssysteme, wie Hangars, Schleusen, Betriebsraeume, Heizungsanlagen fuer Waffenanlagen, Kuehlwasserversorgung der Energieerzeugung muessten total auf arktische Verhaeltnisse umkonstruiert werden…..
nur als Idee….
Cheers
1C für F-126 wird verbaut und erlaubt Aktionen zb. in Norwegen Fjords bis zum Polarkreis.
Das, ist oft temporär Eis in besonders kalten Ecken des Wassers, wo sonst aber Wasser >-3 Grad hat und Salzwasser Flüssig bleibt.
Ungefähr so, wie Hurtigruten Schiffe….
Die haben auch 1c und sind nur wenig anders als normale Kreuzfahrtschiffe… Nur die Dicke des Rumpfes ist stärker und die Bug Form etwas optimiert.
Klimaanlage ist für Heizen bei Kälte angepasst, auch für Maschinen und Elektrik, ausgelegt.
Elektronik etc ist entsprechend zu dämmen… Aber selbst Salzwasser mit 0,4m Eisfläche ist von unter See Linie außen kaum kälter als -8 Grad…. Kälter bedeutet Eis dicker als 0,4m (Permanent Eis) … Und da fahren die Fregatte f-126 dann nicht.
… Und das gibt es auch teilweise im Nordatlantik vor Neufundland.
Daran wird es also nicht scheitern.
Das ist natürlich Nicht „Arktis Fähig“…. aber fähig zur Kooperation in NOR /SWE /FIN Hoheitsgebieten, wo 0,4m Eisplatte nicht überschritten wird.
Das geht noch ohne allzu extravagante Bau zusatz Maßnahmen.
Zur Erinnerung :
Aktuelle „NATO Nord“ Kriegsschiff Designs (NL/DK/UK/USA) haben gar keine ice class (Ausnahme ggf DK Absalon???)