Ukraine/Russland/NATO: US-Drohnen-Video, neuer polnischer Anlauf für MiG29-Lieferung – der Überblick am 16. März 2023 (Update)
Von dem Zwischenfall über dem Schwarzen Meer, der zum Absturz einer US-Drohne führte, haben die US-Streitkräfte Videoaufnahmen veröffentlicht. Polen kündigte (erneut) eine baldige Lieferung von Kampfjets aus sowjetischer Produktion an die Ukraine an. Der (sicherlich unvollständige) Überblick am 16. März 2023:
• Am 14. März war eine US-Drohne des Typs MQ-9, bekannt als Reaper, bei einem Aufklärungsflug nahe dem Kriegsgebiet über dem Schwarzen Meer abgestürzt; zuvor hatte es ein Zusammentreffen des unbemannten Systems mit zwei Su27-Kampfjets der russischen Streitkräfte gegeben. Die Aussagen sowohl der US-Luftwaffe als auch des russischen Verteidigungsministeriums zu dem Vorfall hier zum Nachlesen. Kurz zusammengefasst: Nach US-Darstellung hatte ein russisches Flugzeug den Propeller der Drohne gestreift und sie so manövrierunfähig gemacht; nach russischer Darstellung war ein Pilotenfehler der US-Streitkräfte der Auslöser.
Die US-Luftwaffe veröffentlichte dazu am (heutigen) Donnerstag Videoaufnahmen von den Kameras an Bord der Drohne:
Die Anmerkung des US-Militärs dazu:
Two Russian Su-27 aircraft conducted an unsafe and unprofessional intercept with a U.S. Air Force intelligence, surveillance, and reconnaissance unmanned MQ-9 aircraft operating within international airspace over the Black Sea on March 14, 2023. Russian Su-27s dumped fuel upon and struck the propeller of the MQ-9, causing U.S. forces to have to bring the MQ-9 down in international waters. (U.S. Air Force video)
(Editor’s Note: This declassified video has been edited for length, however, the events are depicted in sequential order.)
Erkennbar – und bedauerlich – ist natürlich, das ein wichtiger Teil fehlt: Nämlich die Sequenz, in der die Drohne manövrierunfähig wird und dann, nach US-Aussagen kontrolliert, ins Meer stürzt bzw. gestürzt wird. Warum dieser Teil fehlt, lässt sich bislang nicht beantworten oder nur spekulativ. Möglicherweise will die U.S. Air Force bestimmte Rückschlüsse auf die technischen Fähigkeiten der MQ-9 nicht ermöglichen.
Update: Nach Informationen von CNN erwägen die USA, als Reaktion auf den Zwischenfall ihre Drohnenflüge über der Region einzuschränken:
• Der polnische Präsident Andrzej Duda kündigte am Donnerstag an, sein Land werde sehr schnell vier Kampfjets des ursprünglich sowjetischen Typs MiG29 aus den Beständen der polnischen Streitkräfte an die Ukraine liefern. Polnische Medien zitieren den Präsidenten, z.B. die Zeitung Rzeczpospolita:
Wir werden in den nächsten Tagen vier Flugzeuge voll funktionsfähig an die Ukraine übergeben. Die übrigen Flugzeuge werden gewartet und vorbereitet“, fügte er hinzu, ohne die genaue Zahl der MiG-29-Flugzeuge zu nennen, die Polen der Ukraine übergeben wird.
Duda nahm in seinen Aussagen auch Bezug darauf, dass Polen von der Bundeswehr Kampfjets dieses Typs erhalten hatte, die die Bundeswehr wiederum nach der deutschen Einheit von der Nationalen Volksarmee der DDR übernommen hatte:
Es geht um die MiG-29, die immer noch in der Luftverteidigung unseres Landes aktiv sind. (…) Wir haben derzeit noch ein Dutzend dieser MiGs. Das sind MiGs, die wir Anfang der 1990er Jahre von der ostdeutschen Armee übernommen haben. Es sind ihre letzten Einsatzjahre, was ihre technischen Fähigkeiten angeht“, sagte der Präsident.
Damit stellt sich die Frage, ob Polen diese von Deutschland erhaltenen Maschinen an die Ukraine abgeben will – und die damals mit der so genannten Endverbleibsklausel übergeben worden waren: Danach wäre für diese Weitergabe eine Zustimmung der Bundesregierung erforderlich. Vermutlich besitzen die polnischen Streitkräfte noch acht einsatzbereite Maschinen aus dieser Lieferung.
Der polnischer Präsident war allerdings wenig präzise in seinen Aussagen. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius erklärte wiederum am heutigen Donnerstag auf Journalistenfragen, von einer Abgabe ehemals deutscher Maschinen sei ihm nichts bekannt:
Um diese Flugzeuge im polnischen Bestand hatte es bereits vor ziemlich genau einem Jahr schon einmal Verwirrung gegeben: Im März 2022 hatte Polen bereits angeboten, die MiG29 der Ukraine zur Verfügung zu stellen – damals mit dem Plan, sie auf dem US-Fliegerhorst Ramstein in Deutschland zu parken und den USA die Weitergabe an die Ukraine zu ermöglichen. Washington lehnte dankend ab.
Damit bleibt vorerst unklar, ob, wann, welche und wie viele dieser Kampfjets tatsächlich an die Ukraine übergeben werden.
• Das britische Intel Update zum Kampfgeschehen in der Ukraine selbst:
Over the last week, Russian attempts to assault the Donetsk Oblast town of Vuhledar have almost certainly slowed. This follows repeated, extremely costly failed attacks over the previous three months.
One factor in Russia’s heavy losses in this sector has been Ukraine’s successful adoption of Remote Anti-Armour Mine systems (RAAM). RAAM is a specialist artillery shell which scatters anti-armour mines up to 17km away from the firing unit.
In some instances, Ukraine has launched the mines over and behind advancing Russian units, causing disarray when Russian vehicles attempt to withdraw.
Russia’s only notable recent tactical success has been in the Bakhmut sector, which is dominated by Wagner Group mercenary forces, currently engaged in a public feud with the Russian Ministry of Defence.
There is a realistic possibility that Russia’s MoD has been insistent in its drive for success in Vuhledar, partially because it wants its own success to compete with Wagner’s achievements.
(Archivbild: Eine MiG29 der Luftwaffe im Juni 2001 auf dem belgischen Fliegerhorst Kleine Brogel – Rob Schleiffert unter CC-BY-NC-ND-Lizenz; alle Übersetzungen mit deepl.com)
Es wird ja jetzt viel diskutiert wie wenig die MiG-29s ändern.
Ich bin inzwischen dagegen zu dem Schluss gekommen, dass jeder Flieger mit JDAM Präzisionsbomben gebraucht werden kann, um das Grabennetz der Russen zu zerstören an den ersten Tagen der ukrainischen Offensive(n) – zumindest an den Stellen wo die Durchbrüche geplant sind.
Warum geht gut mit JDAM? JDAM Bomben haben 500 bis 2000 Pfund, während GMLRS lediglich über einen 200 Pfund Sprengkopf verfügt. Wenn man die Gräben passierbar machen möchte und Unterstände ausbomben möchte, dann wirken eine Hand voll JDAMs sicher Wunder. Auch wenn man sich die kleinen Löcher durch GMLRS in den Brücken anschaut, wird klar, dass die Amerikaner in Irak und Afghanistan, und die Russen in Syrien oder auch Orten wie Mariupol viel größere Sprengkraft verwendet haben, wo als nötig erachtet.
Der Aufwand der RUS, ihre Gebietsgewinne mit Befestigungen zu zementieren ist doch recht groß, daher muss das einmal umgepflügt werden, bevor die Fahrzeuge ankommen. So wie es eigentlich schon im Zweiten Weltkrieg bereits Usus war. Da helfen wenige große Bomben wohl mehr als viele kleine (gut, das ist jetzt nicht super mathematisch, aber ich hoffe, ich habe es zuvor ausreichend begründet). Wenn da zB 20 ukrainische Flieger kommen und 40 größere Bomben mit vorprogrammierten Zielen abwerfen, dann ist da an 10 oder mehr km Frontabschnitt erstmal ziemliche Verwüstung und Desorientierung.
„2000lb bomb can be expected to cause severe injury and damage as far as 800 metres from the point of impact“, „lethal radius of up to 360m“ laut aoav.org.uk. Su-27 und MiG-29 tragen wohl nur 2x 1000 Pfund Bomben, aber immerhin. Raketenartillerie wird dagegen mit lediglich 15m lethal radius genannt bei paforpeace.nl.
Ich erwähne das, weil zumindest mir bisher gar nicht so klar war, dass die Ukraine ja gar nichts mit hoher Destruktivität im Einsatz hat. Su-25 ist bzgl. Beladung limitiert. Und mir war nicht klar, dass sowas nötig ist um in kurzer Zeit durch die RUS Stellungen zu brechen.
Das Video bricht bei der Kollision ab da die Datenverbindung abreisst, es handelt sich um einen Live-Mitschnitt. Dies ist der Kollision mit Dislokation und Abschattung der Satellitenantenne geschuldet. Bemerkenswert ist wie schnell die Verbindung wieder steht.
Ob eine Aufzeichnung auf der Drohne lokal gespeichert wurde die noch vor dem Verlust des Geräts heruntergeladen werden konnte ist eher zweifelhaft. Wahrscheinlich war der Fokus eher darauf die verbleibende (Gleit-) Flugzeit zu nutzen um die Protokolle für die Vernichtung des Datenmaterials an Bord (Krypto etc.) ablaufen zu lassen.
Bei den Mig29 ist ja eine Frage, ob das ehemals deutsche sind (vermutlich ja) und ob Polen schon in Berlin nach einer Ausfuhrgenehmigung gefragt hat…
Von den an Polen übergebenen MiG-29 fliegen lediglich noch zehn Flugzeuge, davon drei Trainer. Alle anderen dienen als Ersatzteilspender. Das Muster steht ohnehin vor der Außerdienststellung.
Die Gretchenfrage ist doch, was Polen für ihre alten Jets haben möchte, die so oder so ausgephast werden würden. Bisher haben sie sich nicht durch Bescheidenheit ausgezeichnet.
Die Weitergabe an die Ukraine würde ich persönlich als unkritisch sehen.
Lieferung der Mig-29 an die Ukraine:
Endlich!
Das ist doch seit Monaten überfällig. Sowohl was die polnischen, als auch was die slowakischen Migs anbelangt (die Slowakei hatte ja schon mehrfach die Bereitschaft zur Lieferung seiner Migs bekundet, und wo Polen sich jetzt durchgerungen hat, ziehen sie sicher mit).
Die Lieferung von Mig-29 ist eine win-win-win Situation für alle:
– praktisch sofort einsetzbar, da die Ukraine sie seit Jahren verwendet
– keine Ausbildung und keine neu aufzubauende Wartungslogistik erforderlich
– für Polen und die Slowakei verzichtbar, da eh bereits ausgephast (Slowakei), bzw. im Prozess der Ausphasung (Polen)
– die Ukraine hat die Mig-29 bisher auch für den Abschuss von Marschflugkörpern und iranischen Drohnen eingesetzt, die so dringend benötigte Luftraumverteidigung könnte also gestärkt werden; ein Faktor, der ja von den verantwortlichen Politikern der Ukraine-Unterstützerstaaten gebetsmühlenartig betont wird – hier kann und sollte man Taten folgen lassen.
@M.H.:
„Von den an Polen übergebenen MiG-29 fliegen lediglich noch zehn Flugzeuge, davon drei Trainer. Alle anderen dienen als Ersatzteilspender. “
Ist nicht ganz korrekt: Polen hat noch knapp 30 Mig-29 in Dienst, davon sechs Trainer.
Lt. offiziellen polnischen Aussagen (Präsident Duda nach seinen Gesprächen mit dem tschechischen Präsidenten Pavel) sollen zunächst 4 Migs (wohl noch im März) geliefert werden, und acht weitere etwas später. Das ist schon beschlossen.
Mehr könnten dann noch etwas später folgen.
macht komplett Sinn alle Mig29 (Polen, Slowakei, Bulgarien) in die Ukraine abzugeben…
die Frage ist wie man sie über die Grenze bringt ;-)
die Mig29 werden dann in den Ländern vermutlich durch westliche Muster ersetzt…
vermutlich hauptsächlich F16…
vllt kann man ja aber auch Eurofighter Tranche1 anbieten
@Pio-Fritz sagt:
17.03.2023 um 9:57 Uhr
Das ist auch schon geklärt…. die Polen ersetzen die Mig’s durch koreanische F/A 50. Wahrscheinlich sparen sie sich dadurch die Verschrottung der Mig’s….
@nicolange
„Nach der Entscheidung für mindestens 11 MiG-29 aus Polen entschied jetzt die Slowakei alle ihre 13 MiG-29 an die Ukraine zu übergeben“
Das wäre ein deutlicher Zuwachs an Kampfkraft, der in Verbindung mit Fla wenigstens operativ Auswirkung haben kann.
Der Zeitfaktor einer Lieferung bleibt kritisch.
Die Slowakei will wohl auch ihre 13 Mig29 an die Ukraine abgeben!
Vorschlag: Deutschland könnte im Ringtausch 12 Eurofighter Tranche 1 abgeben
Vielen Dank für den interessanten Beitrag! Bei den von Polen (und mittlerweile auch der Slowakei) angebotenen MiG-29 wäre es interessant zu wissen, ob die beiden Länder die Jets auf eigene Kosten abgeben oder sich die Abgabe dieser ausgemusterten bzw. bald auszumusternden Flugzeuge vom EU-Fonds refinanzieren lassen. Das wäre per se nicht verwerflich, aber es ist ein interessantes Detail.
@T.W. : Es fehlt ein „i“ bei MiG.
[Oh, danke für den Hinweis, ist korrigiert. T.W.]
@Obibiber:
Warum sollte Polen oder ein anderer (Ex)MiG-Nutzer sich veraltete Eurofighter T1 ans Bein binden?
Um Deutschland einen Gefallen zu tun?!
Offensichtlich hat Polen sich entschlossen, seine komplette Armee auf Südkoreanische Muster umzustellen – also ist F/A50 nur folgerichtig.
Und auch Bulgarien wird sicher nicht Auslaufmodelle „beschaffen“/sich hinstellen lassen, bei denen schon die aktuellen Nutzer (UK/GER) Probleme mit Ersatzteilen, Interoperabilität etc. haben.
Hier dürfte die F16 wohl eher zum Zuge kommen.
Wir müssen bisschen aufpassen, hier nicht das Bild vom „gierigen Osteuropäer“ zu reproduzieren. Ich persönlich finde auch, dass v.a. die polnische Regierung sich nicht mit Rosen geschmückt hat, was Deutschland angeht, umso mehr müssen wir die grossen Verdienste Polens anerkennen. Polen investiert – wie wir alle wissen – ganz, ganz massiv in eine grosse Aufrüstung, die fast einer Neuaufstellung der polnischen Streitkräfte gleich kommt und von der auch wir deutlich profitieren. Letztendlich verteidigt Polen uns, während sich Deutschland doch sehr zurück hält und sicher ganz weit davon entfernt ist „all in“ zu gehen, die BW entsprechend auszurüsten und auszubauen. Wenn man den Polen vorwirft, sie würden sich hier gerade schrottreife Mig vergolden lassen, muss im gleichen Atemzug gesagt werden, wie viele Milliarden Polen derzeit in Armee investiert. Eine mögliche Vergoldung ist gut investiert, ich selbst sehe sie als willkommene und gerechtfertigte Subventionierung der polnischen Aufrüstung, die letztendlich dafür sorgt dass wir die BW weiter schleifen lassen können…
@ FreeEurope Es ging M.H. nicht um die Gesamtzahl an polnischen MiGs, sondern nur um die von Deutschland an Polen übergebenen MiGs. Mit ihren MiGs können die Polen machen, was sie wollen. Bei den ehemasl deutschem MiGs müssen sie fragen.
@obibiber
Die Slowakei und Bulgarien hatten schon zuvor die F-16 aus USA bestellt (Nachichtenstand 2019).
Hoffe, dass die bulgarischen MiG-29 und Su-25 dann auch irgendwann kommen, auch wenn die politische Lage dort ja durchaus kompliziert ist. Die nordmazedonischen Su-25 sind angeblich schon letztes Jahr „verschwunden“ :D
https://news.lockheedmartin.com/2019-12-17-Lockheed-Martin-Hosts-Bahrain-Ambassador-at-F-16-Production-Line
https://balkaninsight.com/2022/09/05/north-macedonia-sent-jets-to-ukraine-footage-suggests/