„Wir haben keine Streitkräfte, die verteidigungsfähig sind“
Als Merkposten: Bei einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion zum Thema Ein Jahr Zeitenwende gab es nicht nur eine generell interessante Debatte, sondern einen aus verteidigungspolitischer Sicht bemerkenswerten Satz von Verteidigungsminister Boris Pistorius:
Wir haben keine Streitkräfte, die verteidigungsfähig sind gegenüber einem offensiven Angriffskrieg.
(So meine Mitschrift, evtl. veröffentlicht die Fraktion auch noch den Mitschnitt der Veranstaltung am (heutigen) Montagabend auf ihrem YouTube-Kanal)
Auf Twitter zitierte die Fraktion andere Aussagen von Pistorius, diese leider nicht:
Die Hilfen für die Ukraine sind eine riesige Sicherheitsgarantie für die Menschen, so #Pistorius: „So zynisch das klingen mag, aber deutsche Waffen retten Leben in der Ukraine. Gerade durch die enorme Hilfe in der Luftabwehr.“
Putin darf mit der Aggression nicht durchkommen!
— SPD-Fraktion im Bundestag (@spdbt) February 27, 2023
Nun werden vermutlich einige Kenner wie Beobachter ein wenig zynisch anmerken: Was ist neu daran?
Ganz einfach: Neu ist, dass der Chef des Wehrressorts das so deutlich und plakativ öffentlich ausspricht. Sicherlich sehr bewusst und sicherlich nicht ohne Überlegung, wie das in seiner Partei, in der Gesellschaft und auch in den Streitkräften wirkt.
(Ergänze ich ggf., wenn es einen Mitschnitt gibt)
„Interessierter sagt: 02.03.2023 um 22:00 Uhr
Ich fürchte, da würden die Logistiker (militärisch und zivil), dann nicht ohne Verblüffung feststellen, daß es kaum Lkw-Fahrer mehr gibt, da diejenigen, die die Brummis bisher gesteuert hatten, im Zuge der Mobilmachung von ihren vorwiegend osteuropäischen Heimatländern ins Militär eingezogen wurden. Was machste dann?“
Ich hoffe der Hausherr gestattet, dass wir hier ziemlich weit ins off topic, abrutschen. Von der Pistorius-Aussage zur BW-Logistik unter Friedens- und Kriegsbedingungen.
Wir Zivillogistiker wären nicht verblüfft, diesen Effekt gab es schon nach dem 24.02.2022 in kleinerem Umfang. Ein Gutteil der Fahrer der LKW-Flotten in osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten stammt z.B. aus der Ukraine.
Das Problem war existent aber nicht existenziell, ohne in die Details zugehen.
Im Falle Bündnisverteidigung an der Nato/EU-Ostgrenze: Ebenfalls lösbar.
Warum: Die Einschränkungen und Vorschriften, die – aus gutem Grund – in Friedenszeiten eine optimale Kapazitätsausnutzung einschränken, würden plötzlich niemanden mehr interessieren.
Die Meßlatte wäre nur noch: Die Räder müssen rollen, egal wie….
Belastbare, kaltstartfähige Konzepte, um die Versorgungsketten unter BV-Kriegsbedingungen resilent zu machen, werden ein genauso wichtiger Bestandteil der Verteidigungs- und Durchhaltefähigkeit werden, wie die Frage wieviel „heavy metal“ und „boots on the ground“ am Tag X an der Ostflanke stehen.
Um das Umsetzen zu können, was Aussenministerin Annalena Baerbock im 22. April 2022 in Litauen ausgesprochen hat:
„Wir müssen praktisch in der Lage sein, jeden Quadratzentimeter unseres gemeinsamen Bündnisgebietes, das heißt des Baltikums, zu verteidigen. Und zwar ab der ersten Minute.“
@Uhlenspiegel
Zitat:“Die BW im Jahre 2023 besteht aus 40.000 Offizieren, 90.000 Unteroffizieren und 40.000 Mannschaften, d.h. mehr als 70% des Personals sind Offiziere und Unteroffiziere. Deren Anteil war 1990 sicherlich unter 40%.“
Mal dumm überlegt. Die aktuelle Stärke ist die Stärke einer Bundeswehr im Frieden. Im V-Fall wird durch Einberufung und Aktivierung der Reservisten, die Mannschaftsstärke ziemlich schnell wachsen. Braucht man dann nicht mehr Offze und Uffze um dieses Mehr zu führen.
Rang hängt ja auch immer mit Qualifikation zusammen (es sollte jedenfall so sein). In einer technisch anspruchsvoll ausgestatteten Armee braucht es für fast jede Verwendung gut ausgebildete Spezialisten, die man ihrer Bedeutung angemessen besolden muss (schon wegen des Konkurrenzkampf mit der Wirtschaft). Wird das alte System der militärischen Dienstgrade, bei denen Schütze A**** das Kanonenfutter darstellt, diesen Anforderungen überhaupt noch gerecht?
Herr Pistorius bestätigt nur was alle bereits seit Jahren wissen. Das mit „Wir können den Nato Verpflichtungen nachkommen war doch jedem Suspekt. Übrigens macht auch Frau Högl einen ganz guten Job um auf Mängel hinzuweisen.
Material einkaufen ist kein Hexenwerk. Machen tausende Firmen jeden Tag um den Laden am laufen zu halten. Man muss einfach mit seinen Lieferanten sprechen und sie gleichzeitig durch verlässliche Lieferverträge stärken. Die Anwälte machen Wasserdichte Verträge schon geht’s los. Man muss halt wissen was man braucht. Da denke ich sehen die Vorstellungen von Politik und BW gänzlich anders aus.
Mehr Soldaten jedenfalls brauchen wir jedenfalls nicht, Allein 27 EU Mitgliedstaaten. Gehen wir lediglich von einem Schnitt von 50.000 reinen Soldaten aus macht 1.350.000 Soldaten. Dann erweitern wir das auf die Nato? Können also gerne weniger sein! Nur brauchen die Truppen dann High-Tech Material und ordentliche Lager für Übung und den Ernstfall und nicht Mangelwirtschaft . Zusätzlich EU und Nato weite Logistik-Ketten!
Wehrpflicht wozu? Haben wir denn außer für die Reserve irgendwo 500.000 Gewehre und Ausrüstungssätze auf Lager liegen von denen ich nichts weiß? Ich denke nicht.
Zumindest werden jetzt mal erste Ansätze zum Thema „Dinge neu denken“ sichtbar (scheint mit jedenfalls).
Das BAAInBW schreibt aktuell Lagerung von Übungs- und Manövermunition aus (bis 2028). Scheint ein Ansatz zu sein, knappe Lagerflächen in Munitionslagern für Gefechtsmunition frei zu bekommen. Oder gab es das auch schon in der Vergangenheit? Der diskutierte Rückkauf von Leo 2 aus der Schweiz geht für mich in die gleiche Richtung. Jetzt ist nur wichtig, das auch der EPl 14 aufwächst.
[Die Ausschreibung – so weit öffentlich – lässt sich auch verlinken:
https://www.evergabe-online.de/tenderdetails.html?0&id=504268&cookieCheck
T.W.]
@Schlammstapfer:
Wo sind denn die „Reservisten“ hauptsächlich Mannschaftler? Ich denke die von Uhlenspiegel genannten quoten könnten bei Reservisten noch schlimmer sein. Unter Major, (wie Lindner, zur Not auch mit nicht so schickem Luftwaffenanzug, ich war ja beim Heer, auch wenn das die hässlichsten Anzüge sind) würde ich doch kein Reservist sein wollen.
PS: bei N-TV stand jetzt bei einem Ukraine was von Deutschland hätte 900000 Reservisten, war wohl N-TV oder wie kommt man auf die Zahl? (selbst wenn ich die „alte“ Regel von 6 Jahre nach der Wehrpflicht automatisch Reservist nehme, Wehrpflicht ist ja länger vorbei und soviele freiwillige hatte man ja nie)
@Dominik
Das Problem bei der Zahl der Reservisten liegt am Filter oder anders gesagt, über welche Reservisten spricht man?
Grundsätzlich ist jeder, der ein Tag in Uniform war, Reservist. Diese Gruppe umfasst vermutlich ein paar 100.000 Leute. Da wir aber keine allgemeine Wehrüberwachung mehr haben, weiß keiner wer und wo diese Reservisten sind. Man kann sie also nicht bzw. nur schwer ansprechen und aktivieren.
Nützlicher sind da schon die Mitglieder im Reservistenverband, rund 100.000 Männer/ Frauen. Nützlich im Sinne von man kennt Namen, Adressen, etc. Und kann diese ansprechen.
Und dann habe ich noch die beordert Reservisten, also die Reservisten, die auf einem der 60.000 Reserve-DP eingeplant sind. Das sondern allerdings nur rund 30.000, da nur ca. 50% der DP besetzt sind. Das wird sich mit der verpflichtende Grundbeorderung natürlich langsam verbessern.
Diese vielleicht mal 50.000 Reservisten sind bekannt und direkt ansprechbar, auf ihrem DP ausgebildet (mehr oder weniger), und für die gibt es ein Mindestmaß an Ausrüstung.
Jetzt sollen wohl privat Firmen die Munition lagern , das könnte lustig werden . Im allgemeinen stell ich mir die Frage wenn der Feind aus dem Osten kommt , sollten Depots und Militär allgemein nicht auch wenigstens grob in die Richtung stationiert sein ? Alle Depots die reaktiviert wurden liegen im tiefsten Westen . Brücken scheinen ja heute keine kritische Infrastruktur mehr zu sein das es egal ist ob man über 50 oder 2 Brücken muss . Von einigen kam die Aussage das Deutschland jetzt zweite Reihe ist und eher das LogistikKreuz macht. Da muss ich sagen , nur weil ich eine Tankstelle und Tankwart stelle ist das noch keine logistik . Wir können nicht mal unsere eigene Munition lagern . Wer sollte denn große truppenkontingente versorgen die ankommen , die ganzen zivilen halbtagsangestellten in Unseren truppenküchen ? Infrastruktur muss auch in Ordnung gehalten werden oder im Notfall wieder instandbesetzt . Es gibt nicht viele Eisenbahnbrücken über die Oder / Neiße , Elbe oder die Mulde über die alle haupteisenbahnlinien drüber müssen . An allen diesen Strecken gab es früher brückendublierungen aber wir waren ja schlauer und die ossis was wissen die schon . Das gleiche gilt doch für Laderampen an Bahnhöfen .
@LLFm
Hinsichtlich Mobilität und Logistik ist, wie in allen übrigen operativ relevanten Bereichen die Verantwortung und Zusammenarbeit innerhalb Europas vertraglich geregelt.
Das Zauberwort dazu heißt PESCO: Permanent Structured Co-operation.
Den Bereich Bereich innereuropäische „Militärische Mobilität“ innerhalb der Bündnisgrenzen verantworten federführend die Niederlande, das „Netzwerk von Logistikzentren in Europa und Unterstützung des Betriebs (NetLogHubs) Deutschland.
Da Deutschland immer die Verkehrsdrehscheibe durch seine zentraleuropäische Lage bleiben wird, arbeiten die NLD und DEU hierzu eng zusammen. Wir sind richtigerweise daher auch Projektmitglied in Den Haag, so wie umgekehrt die NLD dies im NetLogHub in Anspruch nehmen. Die Bewertung und der Ausbau von Straßen-, Schienen,- und Kanallogistik in Ost-Westrichtung, im Schwerpunkt von Antwerpen, Rotterdam und Bremerhaven aus, steht dabei zentral. Die FRA Häfen von Brest bis Dünkirchen gehören mit zum Verantwortungsbereich.
Eine gewisse Sonderrolle nimmt dabei die „US Naval Forces/Advanced Naval Base Weser/Bremerhaven“ ein, über deren dortige rein U.S. genutzte Hafenanteile die LogUstg mit Großgerät für UKR erfolgt.
Die SKB bildet den Hauptdienstleister innerhalb Deutschlands, deren Zusammenarbeit mit den NLD SK ist daher hervorzuheben.
@Dominik
Meine Überlegung war vielleicht missverständlich formuliert. Mal angenommen es kommt zum V-Fall und die Bundesreigerung tut, was die ukrainische Regierung getan hat. Also ein Ausreiseverbot für alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren. Diese werden dann eingezogen, egal ob sie über eine militärische Grundausbildung verfügen oder nicht. Ich Ich habe mir die Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 2021 mal angeschaut. In dem Jahr hätten für eine Einberufung rund 22,4 Millionen ‚Mann‘ zur Verfügung gestanden.
Praktisch ist das aktuell nicht zu machen, weil wir ja nicht mal jedem davon einen Helm überhelfen könnten. Von einem Gewehr mit Munition ganz zu schweigen. Selbst dann nicht, wenn man 30 % davon wegen körperlicher Untauglichkeit ausmustert.
Aber die Ukraine macht uns aktuell vor, wie man mit solchem Personal einen russischen Angriff aufhält. Wenn wir die vermutlich sehr hohen Verluste der Ukrainer vermeiden wollen, dann brauchen wir auch die Kapazitäten, dieses eingezogene Personal auszubilden, auszurüsten und zu führen.
@PzH2000 zu den Zahlen der Reservisten. Von den ca. 30.000 beorderten Reservisten ist nur eine nicht bekannte Teilmenge wirklich auch „deployable“. Bei sehr vielen Reservisten fehlen wichtige Ausbildungen. Zum Beispiel dürften tausende dieser beorderten Reservisten (noch) nicht im neuen Schießausbildungskonzept ausgebildet sein, weil man dies bislang für viele Stabsverwendungen als überflüssig und zu teuer ansah und auch die Ausbildungskapazitäten und Schießlehrer fehlen. Das gilt auch für weitere wichtige Fähigkeiten. Nicht vergessen: von den ca. 30.000 besetzten Beorderungsdienstposten sind alleine ca. 4.000 BeordDP im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit in der Territorialreserve. Durchschnittsalter ca. 50 Jahre. Die 100.000 Mitglieder des Reservistenverbandes dürften militärisch in der Mehrzahl wertlos sein, nicht alle, aber die große Mehrzahl. Das Durchschnittsalter dürfte bei 50++ liegen. Die Überalterung des VdRBw zeigt sich im Mitgliederschwund. 2005 hatte der VdRBw 135.000 Mitglieder, heute soll er 100.000 Mitglieder haben. In siebzehn Jahren also ca. +25% Verluste durch natürlichen Tod. Relevant sind leider die Themen „Uniformtrageerlaubnis Ü65“ und „RAG Senior Soldiers“… Es gelingt immer seltener, dass jüngere ausscheidende Zeitsoldaten direkt Mitglied im Reservistenverband werden…
@LLFm
Dabei geht es um Übungs- und Manövermunition. Den Ansatz finde ich okay. Parallel sollte die NATO auch in Litauen Einrichtungen für Munitionslagerung schaffen. Das wäre sicher eine wichtige Maßnahme.
@Uhlenspiegel
:“Die BW im Jahre 2023 besteht aus 40.000 Offizieren, 90.000 Unteroffizieren und 40.000 Mannschaften, d.h. mehr als 70% des Personals sind Offiziere und Unteroffiziere.
Und nochmal Finger in die Wunde von Ihnen, sehr richtig. Man versteht hierbei auch sehr schnell den Unsinn des Boheis um die absolute Personalzahl. Auch hier real noch schlimmer als rein nach Zahlen, da ja gerade die Rolle des „Meisters“ in der Truppe besonders bei der klassischen grünen Truppe de-facto von den per Feldwebellaufbahn theorielastig ausgebildeten UmP mit kurzen Stehzeiten zunehmend an die höheren Mannschaftsdienstgrade übergeht.
@ Schlammstampfer
„Im V-Fall wird durch Einberufung und Aktivierung der Reservisten, die Mannschaftsstärke ziemlich schnell wachsen.“
Die für sowas vorgesehenen Aufwuchstruppenteile und ihre Ausrüstung sind wo genau?
@Windlicht sagt: 03.03.2023 um 19:10 Uhr
„Relevant sind leider die Themen „Uniformtrageerlaubnis Ü65“ und „RAG Senior Soldiers“… Es gelingt immer seltener, dass jüngere ausscheidende Zeitsoldaten direkt Mitglied im Reservistenverband werden…“
Ja klar, wie beim THW oder den Freiwilligen Feuerwehren auch. Einbindung Lebensälterer weil der Nachwuchs fehlt. Ihre VdRBw-Kritik ist hier unberechtigt. Man kann da sicherlich viel kritisieren.
Der Verband hat seinerzeit auch vor der Auflösung der Heimatchutzbrigaden gewarnt. Er war auch in die Aufstellung der RSU-Kompanien und zuletzt in den FWDL Heimatschutz involviert.
Letztere laufen allerdings mehr nach dem Motto „Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht.“. Aber es war wohl politisch nicht mehr drin.
Und nein, ich bin auch kein Mitglied, aus Gründen.
Stichwort SKB / Marine und Logistik. Ich hörte, dass zumindest Teilen dieser Bereiche aktuell nur 60% des Vorjahresbudget zur Verfügung gestellt worden ist und jetzt Sparmaßnahmen geplant sind die den laufenden Betrieb beeinflussen, von Investitionen mal ganz abgesehen. Bei meiner Einheit ist es zumindest so.
Herr Wiegold, können Sie da etwas zu den Hintergründen sagen? Wird hier aus dem laufenden Betrieb Geld aus „unwichtigen“ Bereichen abgezogen um Panzer, Haubitzen und Munition zahlen zu können?
@Landmatrose3000
Zitat:“Die für sowas vorgesehenen Aufwuchstruppenteile und ihre Ausrüstung sind wo genau?“
Ein Finger in einer weiteren wunden Stelle.
Danke erstmal für die „konkreten“ Zahlen bezüglich Reservisten. Auch wenn die Ungenauigkeiten gleich benannt wurden.
zu Depots würde ich mal fragen wollen:
Ein Depot in Litauen wäre doch durchaus gefährdet am ersten Tag russische Raketentreffer abzubekommen, da keine „strategische Tiefe in einem 200km breiten Land erreichbar ist.
Ich würde schon denken, dass Westpolen der beste Standort für große Deppts wäre.
@ Pio-Fritz sagt: 04.03.2023 um 8:28 Uhr
Vielleicht kam meine Bewertung des VdRBw zu negativ rüber, es gibt dort AUCH eine Menge engagierter Menschen, die für die Sache der Streitkräfte eintreten. Aber nur auch. Neulich hatte ich „aus Gründen“ die Gelegenheit, einen ganzen langen Tag „militärisch-soziologische Studien“ bei einer grünen Ausbildung/Weiterbildung der beorderungsunabhängigen Reservistenarbeit zu betreiben, wobei trotz der Zuordnung zur buResArb nahezu alle Teilnehmer Beorderte waren. Fazit, das meine Vorurteile leider bestätigte: die überwältigende Anzahl der Reservisten und Reservistinnen (!!), Durchschnittsalter ca. 40 Jahre, hätte sich eine deutlich straffere, anspruchvollere und inhaltlich kompetentere Ausbildung gewünscht. Es geht um Verteidigungsfähigkeit… um das Bestehen im Auftrag. Besonders diejenigen, die erst in den letzten Jahren wieder eine Uniform angezogen haben, wollen militärische Komptenz erfahren und erwerben. Lebenszeit ist wertvoll!! Dem standen mehrheitlich Reservisten als Ausbilder gegenüber, die über Verbandsstrukturen generiert wurden und nicht nach Eignung, Leistung und Befähigung einen Auftrag erhielten. Diese Leute sind sicher willig und engagiert, aber für mich bedeutet Zeitenwende, dass ein kumpelhafter und salopper Ausbildungsstil ohne fachliche Präzision und ohne Liebe zum Auftrag abgeschafft werden muss. Ansonsten werden die sehr gutwilligen neuen Reservisten vergrault! Qualität in der Ausbildung ist DAS Zeichen von Respekt und Wertschätzung für die Truppe. Und abgesehen davon: Wir brauchen gut ausgebildete Reserveeinheiten! Mit fetten Prämien bzw. auch Berücksichtigung in der Beurteilung könnte man sicherlich einen Pool guter und motivierter Samstags-Ausbilder für die militärischen Grundlagen gewinnen. In anderen Ländern gibt es „reisende Ausbildungstrupps“ von statusunabhängigen Fachleuten, die Reservisten trainieren. Auch zivil kenne ich solche Modelle, mit denen neue Rechtsgrundlagen oder Verfahrensweisen vermittelt werden. Es geht um Verteidigungsfähigkeit und nicht irgendeinen Selbstzweck. Und wir reden hier nicht über Milliarden und fehlendes Großgerät…. P.S.: Dienstaufsicht des zuständigen Landeskommandos habe ich nicht gesehen.
Landmatrose3000 sagt:
04.03.2023 um 1:41 Uhr
„… , da ja gerade die Rolle des „Meisters“ in der Truppe besonders bei der klassischen grünen Truppe de-facto von den per Feldwebellaufbahn theorielastig ausgebildeten UmP mit kurzen Stehzeiten zunehmend an die höheren Mannschaftsdienstgrade übergeht.“
Mein letzter Blick in ein FA-Bataillon bestätigt das uneingeschränkt. Der „Meister“ ist schon lange kein Meister mehr.
@Andreas Westphal 07.03.2023 um 11:08 Uhr:
Könnte das daran liegen, daß in FA-Bataillonen Soldaten zum „Meister“ ausgebildet werden sollen und nicht das dort die fertigen „Meister“ zusammen Dinge tun sollen?
Mir scheint bei der ganz Diskussion liegt hier zu sehr der Blick durch die militärhistorische Brille vor, daß der (junge) Feldwebel bereits ein nicht nur in Lehreinrichtungen gut ausgebildeter sondern durch umfassende Truppenerfahrung über alle Zweifel erhabener Meister ist. Am besten basierend auf einer Personalgewinnung die eine wiederholte Bestenauswahl vorsieht, die Leistungsfähigsten der Wehrpflichtigen können Unteroffizier Truppendienst werden, die Leistungsfähigsten der Unteroffiziere Truppendienst können Feldwebel werden. Rest wird jeweils aussortiert bzw. nicht weiter in seiner Dienstzeit verlängert. Unmittelbar mit Abschluß des Feldwebellehrgang beherrscht der „Meister“ dann bereits alles, ein Jahr später als Oberfeldwebel kann er zusätzlich über Wasser laufen und Wasser zu Wein machen…
Das sollte das System, vom FA-Btl bis zur USH, aber nie leisten. Es war von Anfang an klar, daß man jetzt zwar anstelle eine Uffz/StUffz einen Feldwebel bekommt, der aber eben von der Leistungsfähigkeit einem unerfahrenen Uffz entspricht und nicht dem Feldwebel „alter Art“. Selber Ansatz wie die zentralisierte, verschulte Offizierausbildung, in der man den jungen Führer möglichst lange in der heilen Welt der OA-Btl, Offizierschulen und Universitäten vom der elenden Realität der Truppe fern hielt.
War es nicht die Truppe selber, die „fertig ausgebildete“ Führer haben wollte, anstatt permanent durch „Bespassung“ von „Zauberlehrlingen und Praktikanten“ von wichtigeren Dingen wie Übungen, Einsatzvorbereitung und Einsatz abgelenkt zu werden?
War es nicht die zentralisierte Personalführung, die langen Verpflichtungszeiten von 12 Jahren den Vorzug vor den „Kurzzeit-Arbeitsverträgen“ gegeben hat, da man so viel entspannter Personal verwalten kann.
Waren es nicht die Führungs- und Ausbildungskommandos zusammen mit der Personalführung, die langen, langfristig planbaren Laufbahnlehrgängen den Vorzug vor dem ständigen, schwer koordinierbaren Wechsel zwischen kürzeren Lehrgängen und Truppenverwendungen gegeben haben, um so die Auslastung der Lehreinrichtungen optimieren zu können.
Jetzt kriegt die Truppe fertig ausgebildete Jungfeldwebel, denen halt komplett die Truppenerfahrung fehlt, und die Perser können weit nach vorn planen, haben sich mit aber auch mit Personal langfristig gebunden, von denen man sich am liebsten kurzfristig trennen möchte (auf Grund des Personalmangels aber eigentlich nicht kann), wo es aber auch für die vorzeitige Entlassung nicht reicht.
Und an den „optimierten“ Ausbildungseinrichtungen hat man keine personellen und materiellen Reserven, um kurzfristig auf einen erhöhten Ausbildungsbedarf reagieren zu können bzw. man macht schon verzweifelte Klimmzüge, damit alle die für die Beförderung erforderlichen Lehrgänge rechtzeitig absolvieren können, bevor finanzielle und Laufbahn-Nachteile entstehen?
Ich sage: Geliefert wie bestellt. Und ja, früher war alles besser, auch die Geschichten über früher…
FlaOffz sagt:
07.03.2023 um 14:42 Uhr
“ … Mir scheint bei der ganz Diskussion liegt hier zu sehr der Blick durch die militärhistorische Brille vor, … “
Ja, das stimmt. Insbesondere in Verbindung damit
„… Es war von Anfang an klar, daß man jetzt zwar anstelle eine Uffz/StUffz einen Feldwebel bekommt, der aber eben von der Leistungsfähigkeit einem unerfahrenen Uffz entspricht und nicht dem Feldwebel „alter Art“.
und dem Blick in die Lehrgangszeugnisse, hier auf die zuerkannten ATN bzw. TIV-ID, ist obige Aussage nicht von der Hand zu weisen.
Aber nicht nur. Wenn ich dann im Gespräch mit den Ausbildern erfahren muss, daß mit zunehmenden Näherrücken des Biwak-Termins die Krankmeldungen exzessiv steigen bis hin zu annähernd 50% (deren Aussage, ich kann es nicht beurteilen, war nicht so lange vor Ort), dann stellt sich mir unweigerlich die Frage, welche Art von Bestenauslese wir da praktizieren.
Ich weiß, ich tue einigen Unrecht, weil sie engagiert sind und sich durchsetzen und letztlich können sie nichts dafür, wenn sie am Ende „nur“ Gruppenführer sind. Das System sieht halt aktuell nichts anderes vor.
Aber ist das richtig, die Hürden so niedrig anzusetzen? Die Frage richtet sich an die Führung!