Lambrecht – der Rücktritt (Nachträge: Transkripte Scholz, BPK)

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat am (heutigen) Montag Bundeskanzler Olaf Scholz um ihre Entlassung aus dem Amt gebeten. Der Rücktritt war seit dem vergangenen Freitagabend erwartet worden. Zu einer/einem Nachfolger*in gibt es noch keine Angaben. Der Sammler zu den Entwicklungen:

• Die am Montagvormittag verbreitete Mitteilung Lambrechts:

Erklärung der Bundesministerin der Verteidigung

Ich habe heute den Bundeskanzler um Entlassung aus dem Amt der Bundesministerin der Verteidigung gebeten. Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu. Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich muss im Vordergrund stehen. Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen. Ich danke allen, die sich jeden Tag für unsere Sicherheit engagieren und wünsche ihnen von Herzen alles erdenklich Gute für die Zukunft.

Fürs Archiv die Originalquelle:
https://web.archive.org/web/20230116093245/https://www.bmvg.de/de/presse/erklaerung-der-bundesministerin-der-verteidigung-5569276

• Vor der Bundespressekonferenz ließ die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann den Zeitplan für die Neubesetzung der Ministeriumsspitze dann doch etwas offen:

Der Bundeskanzler wird dem Bundespräsidenten zeitnah einen Vorschlag für die Nachbesetzung des Amtes unterbreiten.

Auf Nachfrage sagte Hoffmann, aller Voraussicht nach werde es am heutigen Montag noch keinen solchen Vorschlag geben. Sie gehe nicht auch davon aus, dass Scholz selbst mehr dazu sagen werde. Am Nachmittag wollte der Kanzler im Rahmen eines Besuchs bei der Rüstungstechnologie-Firma Hensoldt in Ulm vor die Presse treten.

• Nach Angaben von Ministeriumssprecher Christian Thiels bleibt die Verteidigungsministerin im Amt, bis sie die formale Entlassung durch die entsprechende Urkunde des Bundespräsidenten erhält.

• Aus dem Pressestatement von Bundeskanzler Olaf Scholz beim Besuch der Hensoldt AG in Ulm (Nachfragen waren nicht zugelassen):

Lassen Sie mich noch etwas zu einem aktuellen Thema sagen. Die Bundesministerin der Verteidigung hat mir heute mitgeteilt, dass sie ihre Aufgabe nicht mehr fortsetzen möchte. Ich habe viele, viele Jahre gut und gerne mit Christine Lambrecht zusammengearbeitet. Auch jetzt, nach dem furchtbaren Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, hat sich die Verteidigungsministerin mit ungeheurem Einsatz darum gekümmert, dass jahrzehntelang ausgetrampelte Pfade verlassen werden und wir den großen Aufbruch hinbekommen, der für unsere Landesverteidigung, aber auch konkret für die Unterstützung der Ukraine wichtig ist.
Ich habe deshalb hohen Respekt für ihre Entscheidung und danke ihr ausdrücklich auch an dieser Stelle für die Arbeit, die sie für unser Land in verschiedenen Funktionen, zuletzt als Bundesministerin der Verteidigung, geleistet hat.
Das ist heute natürlich aus guten Gründen nicht der Tag, darüber zu berichten, wie es weitergeht. Ich will Ihnen aber sagen: Ich habe eine klare Vorstellung. Es wird sehr schnell für alle bekannt werden, wie das weitergehen soll. Das Bundesministerium der Verteidigung, die Bundeswehr, alle, die sich um die Verteidigung in unserem Land bemühen, haben verdient, dass das schnell geklärt wird. Ich weiß, wie es aus meiner Sicht weitergehen soll. Wir werden das dann auch rechtzeitig bekannt geben.

Die oben erwähnten Aussagen von Hoffmann und Thiels vor der Bundespressekonferenz zum Nachhören (Transkript unten):

Das Transkript dazu:

Hoffmann: Wie Sie alle wissen, hat die Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht heute den Bundeskanzler um Entlassung gebeten. Der Bundeskanzler respektiert die Entscheidung von Frau Lambrecht und dankt ihr für die gute Arbeit, die sie in dieser schwierigen und herausfordernden Zeit als Verteidigungsministerin geleistet hat. Der Bundeskanzler wird dem Bundespräsidenten zeitnah einen Vorschlag für die Nachbesetzung des Amtes unterbreiten. – Das zu Ihrer Frage und zu dieser Situation.

Frage: Wird es eine größere Kabinettsumbildung geben, oder wird die Position von Frau Lambrecht eins zu eins ersetzt?

SRS’in Hoffmann: Wie gesagt, ich will dem jetzt nicht vorgreifen. Das wird zeitnah bekannt werden. Aber im Moment kann ich dazu noch nichts sagen.

Frage: Nur um ganz sicher zu sein: Herr Scholz hat den Rücktritt angenommen?

SRS’in Hoffmann: Ja.

Frage: Ich habe auch eine Frage zum gleichen Komplex. Es wurde schon seit Tagen gemunkelt, dass dieser Schritt in Berlin bevorsteht. Könnten Sie vielleicht sagen, was die Beweggründe gewesen sind? Vielleicht kann auch der Kollege vom Verteidigungsministerium etwas dazu sagen. Ich komme aus den Niederlanden; da rätselt man ein bisschen darüber. Vielleicht können Sie uns etwas aufklären.

SRS’in Hoffmann: Ich kann zu den Beweggründen über das hinaus, was in der Mitteilung steht, nichts sagen.

Thiels: Das würde ich genauso beantworten. Die Ministerin hat ja eine Presseerklärung dazu abgegeben; die müsste Ihnen allen vorliegen. Wer sie nicht hat, kann sie auf unserer Website abrufen. Wir haben sie auch über die sozialen Medien verbreitet. Darin stehen die Beweggründe, die die Ministerin zu diesem Schritt bewogen haben.

Frage: Vielleicht noch eine Nachfrage, wenn Sie gestatten. Diese Woche mit dem Treffen in Paris ist, wie Sie schon gesagt haben, nicht unwichtig. Am Freitag kommen auch die Nato-Staaten in Deutschland zusammen. Das ist auch ein wichtiger Termin, gerade weil gesagt wird, dass es vielleicht Panzerlieferungen aus verschiedenen Ländern der Nato-Staaten geben wird.

Wird es wichtig sein, zu dem Termin einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu präsentieren? Könnte man dann, entweder am Freitag oder am Sonntag, auch mit einer Entscheidung über eine mögliche Lieferung des Leoparden rechnen?

SRS’in Hoffmann: Das sind jetzt sehr viele Fragen.

Zunächst einmal stimme ich Ihnen zu, dass das ein wichtiges Treffen mit unseren Verbündeten im Hinblick auf die militärische Unterstützung ist, die wir für die Ukraine leisten.

Was die Nachbesetzung von Frau Lambrecht angeht, habe ich ja gesagt, dass das zeitnah entschieden werden wird.

Über die Lieferung von Leoparden, die Sie angesprochen haben, habe ich zu diesem Zeitpunkt nichts Neues über das hinaus zu sagen, was wir in der ganzen vergangenen Woche schon erklärt haben.

Frage: Frau Hoffmann, wird sich denn Bundeskanzler Olaf Scholz heute dazu noch selbst äußern?

SRS’in Hoffmann: Ich gehe nicht davon aus, dass er mehr sagen wird als das, was ich jetzt hier sagen kann.

Zusatzfrage: Dann noch eine Nachfrage, auch in Bezug auf das Treffen in Ramstein. Sie haben gesagt, Herr Scholz habe den Rücktritt angenommen. Wird Frau Lambrecht, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden wird, die Geschäfte weiterführen? Oder ist das so zu verstehen, dass Frau Lambrecht ab sofort nicht mehr im Amt ist und jetzt beispielsweise auch dieses Treffen im Ramstein von jemand anderem vorbereitet wird? Ich wäre Ihnen dankbar, vielleicht Herr Thiels oder Frau Hoffmann, wenn Sie das einmal erklären könnten.

SRS’in Hoffmann: Wir haben heute Montag, und das Treffen in Ramstein ist ja am Freitag. Wie gesagt: Es wird einen zeitnahen Vorschlag geben. Insofern würde ich jetzt in dieser Hinsicht nicht übertrieben viel über das Treffen in Ramstein spekulieren.

Zusatzfrage: Die Frage war ja: Ist sie gerade noch im Amt? Führt sie also noch die Geschäfte?

SRS’in Hoffmann: Ich denke, ja. Aber vielleicht weiß Herr Thiels das besser. Ich bin der Meinung, dass die Ministerin bis zur Neubesetzung des Amtes weiterhin im Amt ist.

Thiels: Ich bin jetzt auch kein Verfassungsjurist. Soweit ich das verstanden habe, ist die Ministerin so lange Ministerin, bis sie die Entlassungsurkunde vom Bundespräsidenten ausgehändigt bekommt. Insofern ist sie nach wie vor Verteidigungsministerin, bis dieser formale Akt passiert.

Frage: Frau Hoffmann, zeitnah ist ja ein sehr unbestimmter Begriff.

SRS’in Hoffmann: Nicht sehr würde ich sagen.

Zusatz: Das kommt immer darauf an. Manche finden auch drei Monate zeitnah.

SRS’in Hoffmann: Das ist in diesem Fall nicht gemeint. Das kann ich versichern.

Zusatzfrage: Aber vielleicht können Sie es noch einmal ein bisschen präzisieren. Haben wir heute eine Entscheidung oder die Bekanntgabe einer Entscheidung zu erwarten?

Dann wüsste ich noch gern, ob sich der Kanzler an seine frühere Aussage gebunden fühlt, dass er das Kabinett weiter paritätisch besetzt haben will.

Herr Thiels, Sie haben ja zu den Rücktrittsgründen auch auf die Erklärung der Ministerin verwiesen. Da wird vor allem auf die Berichterstattung abgehoben. Sieht die Ministerin denn auch eigene Fehler als Grund für ihren Rücktritt?

Vorsitzende Welty: Darf ich noch einmal an die Regelung „eine Frage, eine Nachfrage“ erinnern?

SRS’in Hoffmann: Das stellt schon eine Herausforderung dar, sich die ganzen Fragen zu merken.

Zeitnah ist auf keinen Fall drei Monate. Aus gutem Grund wird es heute aller Voraussicht nach noch keinen Vorschlag geben, aber dann zeitnah.

Was war die dritte Frage?

Zusatzfrage: Die dritte Frage an Sie war die Parität im Kabinett.

SRS’in Hoffmann: Dem Bundeskanzler ist es wichtig, dass das Kabinett paritätisch besetzt ist. Alles Weitere erfahren Sie im Zusammenhang mit den Vorschlägen.

Vorsitzende Welty: Dann gab es noch eine Frage an Herrn Thiels.

Thiels: Frau Kollegin, die Worte der Ministerin – das haben Sie hier schon häufig gehört – stehen für sich. Darüber hinaus kann ich Ihnen zu den Beweggründen nichts sagen. Bitte haben Sie dafür Verständnis.

Frage: Frau Hoffmann, wenn wir einmal auf die Erklärung der Ministerin gucken, steht darin, dass die mediale Berichterstattung der Beweggrund für ihren Rücktritt ist. Ist der Bundeskanzler eigentlich mit dieser Zuschreibung oder diesem Zuschieben in Bezug auf unsere Personen, also die Journalisten in diesem Land, einverstanden, oder gibt es nicht eigentlich auch andere Gründe für diesen Rücktritt?

SRS’in Hoffmann: Der Bundeskanzler respektiert die Entscheidung der Ministerin und auch die Gründe, die sie dafür angibt.

Frage: Frau Hoffmann, Sie sagten, der Bundeskanzler habe den Bundespräsidenten um Entlassung gebeten.

SRS’in Hoffmann: Nein, die Ministerin hat den Bundeskanzler um Entlassung gebeten.

Zusatzfrage: Genau! Mir geht es schlicht darum, noch einmal das Verfahren zu erklären. Der Bundeskanzler muss dann als nächsten Schritt den Bundespräsidenten bitten. Ist das richtig?

SRS’in Hoffmann: Und vorschlagen. Ich habe gesagt: Der Bundeskanzler wird dem Bundespräsidenten eine Nachbesetzung vorschlagen.

Frage: Noch einmal zur Frage der geschlechtsparitätischen Besetzung: Sie sagten, das Prinzip sei dem Bundeskanzler wichtig. Wichtig ist aber nicht identisch mit unabdingbar. Was gilt? Ist es nur wichtig, was ja bedeuten könnte, muss nicht unbedingt sein, oder ist das Prinzip so, wie es bisher war, unabdingbar, das heißt, muss auch im Ergebnis der Kabinettsumbildung geschlechtsparitätisch besetzt sein?

SRS’in Hoffmann: Ich würde mich jetzt Ihrer Auslegung nicht anschließen. Das überlasse ich Ihnen. Meine Worte sind die, die ich gesagt habe.

Zusatzfrage: Noch einmal, das wissen Sie doch auch als gelernte Journalistin: Wichtig bedeutet eben nicht unabdingbar. So war es aber in der Vergangenheit. Ich frage ja nur, welche der möglichen Auslegungen dieses Wortes gilt.

SRS’in Hoffmann: Ich möchte das jetzt nicht weiter in Ihrem Sinn oder gegen Ihren Sinn auslegen.

Frage: Herr Thiels, es ging in letzter Zeit nicht nur um das Wirken der Ministerin, sondern auch um ihre Kommunikation, für die Sie ja verantwortlich sind. Sie sollen eine Reihe von umstrittenen Entscheidungen maßgeblich beeinflusst haben. Übernehmen Sie dafür Verantwortung?

Thiels: Herr Kollege, wir müssen uns erst einmal die Rahmenbedingungen angucken. Historisch befinden wir uns jetzt in einer Gleichzeitigkeit von Herausforderungen, die es so wahrscheinlich nur selten gegeben hat: Wir haben den furchtbaren Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine. Wir haben einen Zustand der Bundeswehr, der – das wissen Sie alle – jetzt nicht notwendigerweise so ist, wie wir ihn uns alle wünschen würden. Wir haben außerdem noch die internationale Krisenmanagementsituation. Da ist ein Stichwort Mali. Das sind große Herausforderungen, natürlich auch kommunikativ. Wir haben versucht, bei diesen zum Teil auch emotional sehr aufgeladenen Themen zur Versachlichung beizutragen – einmal gegenüber Ihnen hier, also der Presse, in der Regierungspressekonferenz, was Sie in den Protokollen nachlesen oder bei Ihnen, Herr Kollege, in den Videos nachschauen können. Sie wissen also, dass wir versucht haben, da entsprechend zu wirken. Wir haben Hintergründe zu den Sachthemen gegeben. Wir haben aber auch gegenüber der Öffentlichkeit, sozusagen der Bürgeröffentlichkeit, versucht, mit eigenen Medien Informationen preiszugeben, indem wir beispielsweise neue Formate wie „Nachgefragt“ oder Ähnliches eingeführt haben.

Was meine persönliche Verantwortung betrifft: Ich glaube, natürlich ist jeder Mensch gut beraten, sich selbstkritisch zu hinterfragen und zu reflektieren. Und das tue ich.

Zusatzfrage: Wie denn? Übernehmen Sie für die teils katastrophale Kommunikationsstrategie der Ministerin auch Verantwortung?

Thiels: Herr Kollege, ich kann Ihnen nicht die Aufgabe abnehmen, zu bewerten, wie Sie unsere Arbeit sehen. Ich werde das jetzt nicht selber tun.

Frage: Eine Nachfrage zu Ramstein: Frau Hoffmann, ist denn schon bekannt, wie viele Vertreter von Staaten dort teilnehmen?

SRS’in Hoffmann: Das kann ich jetzt aus dem Gedächtnis nicht sagen. Das können wir sicher nachreichen.

Zusatzfrage: Sehe ich es richtig, dass es nicht nur Nato-Staaten sind?

Thiels: Es sind nicht nur Nato-Staaten. Das Ramstein-Format ist ja deutlich breiter aufgestellt als nur die Nato-Staaten. Ich glaube, es sind inzwischen mehr als 50 Länder darunter. Daran können Sie schon ermessen, dass es natürlich nicht nur Nato-Staaten sind.

Frage: Ich habe eine Verständnisfrage. Diese mediale Fokussierung auf ihre Person hat zum Rücktritt der Verteidigungsministerin geführt. Das hört sich so an, als ob die Medien ein bisschen schuld daran sind, weil sie nachgefragt und Berichte geschrieben haben und nicht die Ministerin selbst. So kommt das rüber. Verstehen wir das richtig, oder gibt es auch eigene Fehler der Ministerin, die der Grund für diesen Rücktritt sind?

Thiels: Die Frage hat Frau Kollegin auch schon gestellt, und ich habe sie beantwortet. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich kann Ihnen die Interpretation dessen, was die Ministerin hat verlautbaren lassen, nicht abnehmen. Das müssen Sie selber tun. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Frage: Frau Hoffmann, Sie haben gesagt, dass es aus gutem Grund heute keine Entscheidung gebe. Was ist denn dieser gute Grund?

Herr Thiels, wird sich die Ministerin denn auch noch über ihre schriftliche Erklärung hinaus persönlich äußern? Steht sie für Fragen zur Verfügung?

SRS’in Hoffmann: Der gute Grund ist der Respekt vor der Entscheidung der Ministerin.

Thiels: Frau Kollegin, zu Ihrer Frage: Dazu ist mir nichts bekannt.

Frage: Frau Hoffmann, Sie haben es schon halb beantwortet, aber trotzdem noch einmal die Nachfrage: Respekt gebietet, dass man das jetzt nicht gebündelt macht. Es stand ja im Raum, dass heute dieser Rücktritt stattfinden sollte. Ist Respekt auch der Grund, warum man nicht sagt „Wir brauchen in einem so wichtigen Amt sofort eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger“?

SRS’in Hoffmann: Wie schon gesagt: Das wird wirklich zeitnah erfolgen. Der Respekt ist der Grund.

Frage: Frau Hoffmann, eine Frage zu der Genese dieses Rücktritts: Ist es zutreffend, dass Frau Lambrecht dem Bundeskanzler schon sehr früh, also Anfang Januar, darüber informiert hat, dass sie diesen Schritt gehen will? Wenn das zutreffend ist, warum steht die Nachfolge jetzt nicht in so einer doch sehr kritischen Woche und auch kritischen Zeit fest, wo diese Position innerhalb der Regierungsarbeit wirklich zentral ist?

SRS’in Hoffmann: Es tut mir leid. Aber über die Inhalte dieser vertraulichen Gespräche kann ich nichts sagen.

Es ist ja klar, dass der Bundeskanzler diese Art von Gesprächen mit seinen Ministerinnen und Ministern vertraulich führt, vertraulich führen können muss und dass ich darüber jetzt hier nichts sagen kann.

Frage: Herr Thiels, Sie sagen, dass Frau Lambrecht noch im Amt ist, bis sie die Entlassungsurkunde erhalten hat. Ist sie denn im Büro, oder was macht sie?

Thiels: Sie ist nicht im Verteidigungsministerium.

Zusatzfrage: Sie wird auch nicht noch einmal dorthin gehen?

Thiels: Das weiß ich nicht. Das kann ich Ihnen wirklich nicht beantworten.

Frage: Frau Hoffmann, Sie sagten, Sie könnten über den Inhalt dieser vertraulichen Gespräche, nach denen der Kollege gefragt hatte, nichts sagen. Damit bestätigen Sie aber, dass es diese vertraulichen Gespräche gab.

SRS’in Hoffmann: Dann korrigiere ich mich hiermit und mache das zu einer allgemeinen Aussage, dass ich über vertrauliche Gespräche ohne bestimmten Artikel nichts sagen kann.

Frage: Frau Hoffmann, um dem Eindruck entgegenzutreten, dass der Bundeskanzler schon lange von diesen Plänen wusste und nicht die Zeit oder die Muße gefunden hat, sich zu überlegen, wer Frau Lambrecht ersetzen könnte: Können Sie denn bestätigen, dass das für ihn auch eine Überraschung war?

SRS’in Hoffmann: Es ist ja eine Entscheidung der Ministerin gewesen, dass sie heute um ihre Entlassung bitten möchte.

Zusatzfrage: Er wusste also nicht, dass das heute passiert?

SRS’in Hoffmann: Dazu kann ich mich nicht äußern. Aber er hat natürlich über das Wochenende die Berichterstattung zur Kenntnis genommen. So viel kann ich auf jeden Fall sagen.

Frage: Herr Thiels, traditionell bekommt jeder Minister, jede Ministerin, die aus dem Verteidigungsministerium ausscheidet, einen Zapfenstreich. Wird das auch im Fall von Frau Lambrecht so sein?

Thiels: Davon gehe ich im Moment aus, Herr Kollege.

Frage: Herr Thiels, da Sie gerade nicht wissen, wo die Verteidigungsministerin ist – so habe ich Sie gerade verstanden -, sie nicht im Ministerium ist und Sie eigentlich auch nicht wissen, ob sie wiederkommt, die Frage: Wer macht denn dann eigentlich gerade den Job, wenn Sie noch nicht einmal Kontakt haben und wir ja auch nicht? Wer macht den Job, wenn jetzt etwas passiert?

Thiels: Frau Kollegin, dass die Ministerin nicht physisch im Ministerium ist, bedeutet ja nicht, dass sie nicht ansprechbar ist und dass man sie nicht erreichen kann. Das ist selbstverständlich so. Das ist alles gewährleistet. Das ist ja klar. Insofern müssen Sie sich da keine Sorgen machen. Das Verteidigungsministerium ist nicht führungslos.

Zusatzfrage: Aha! – Frau Hoffmann, bleibt es bei dem Termin von Herrn Scholz heute in Ulm und auch bei der Zeitplanung, die Sie heute Morgen noch angegeben haben?

SRS’in Hoffmann: Ja.

Frage: Noch einmal zur Formulierung „zeitnah“. Die FAZ berichtet, dass es morgen soweit sein wird. Können Sie bestätigen, dass Dienstag die Nachfolge verkündet wird?

SRS’in Hoffmann: Ich würde jetzt gerne bei der Formulierung „zeitnah“ bleiben.

• Die Ministerin verabschiedete sich mit einem Tagesbefehl:

Soldatinnen und Soldaten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Reservistinnen und Reservisten!
Ich habe heute den Bundeskanzler um Entlassung aus dem Amt der Bundesministerin der Verteidigung gebeten.
Es ist für mich ein schmerzhafter Schritt, weil ich dieses verantwortungsvolle Amt mit voller Überzeugung und ganzer Kraft ausgeübt habe. Von Ihrem wertvollen Dienst war ich immer tief beeindruckt. Es waren die vielen Gespräche mit Ihnen, in den Einsätzen, auf Übungen und in den Standorten, die mich täglich aufs Neue motiviert haben. Sie alle stehen täglich mit vollem Einsatz für die Sicherheit der Menschen in unserem Land ein. Sie dienen der Gemeinschaft. Mein Anspruch war es immer, die Dinge in der und mit der Bundeswehr zum Besseren zu verändern.
Diesem Anspruch kann ich leider nicht mehr gerecht werden. Die monatelange Fokussierung auf meine Person überlagert unseren gemeinsamen Auftrag: die Sicherheit unseres Landes. Und sie hat dazu geführt, dass die Aufgaben, vor denen wir in der Zeitenwende stehen, nicht mehr durchdringen. Diese Aufgaben und Ihr wertvoller Dienst müssen im Vordergrund stehen.
Ich weiß, dass die Menschen in der Bundeswehr diese anspruchsvollen Aufgaben mit vollem Engagement anpacken und meistern werden. Allen, die sich jeden Tag für unsere Sicherheit engagieren, danke ich von Herzen! Bitte passen Sie auf sich, Ihre Familien und Kameradinnen und Kameraden gut auf. Für die Zukunft wünsche ich Ihnen Soldatenglück und alles Gute! 
Ihre
Christine Lambrecht
Bundesministerin der Verteidigung

Fürs Archiv die Originalquelle:
https://web.archive.org/web/20230116155032/https://www.bmvg.de/de/aktuelles/tagesbefehl-ministerin-anlaesslich-bitte-um-entlassung-aus-amt-5569440

(Archivbild 16. Dezember 2021: Lambrecht wenige Tage nach Amtsantritt im Cockpit eines A400M auf dem Weg zum Truppenbesuch beim Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ in Laage – Jane Schmidt/Bundeswehr)