Drei Gefechtsverbände mit Leopard- und Abrams-Kampfpanzern für die Ukraine (2. Zusammenfassung, m. Transkript Biden)

Nach teils strittiger öffentlicher Debatte haben sich mehrere NATO-Staaten darauf verständigt, der Ukraine drei Gefechtsverbände mit Kampfpanzern westlicher Herkunft zur Verfügung zu stellen. Deutschland kündigte die Abgabe von 14 Leopard-Kampfpanzern der Bundeswehr und Exportgenehmigungen für Verbündete an, um damit der Ukraine zwei Bataillone mit diesen Gefechtsfahrzeugen bereitstellen zu können. Die USA erklärten sich zur Abgabe von 31 Abrams-Kampfpanzern bereit.

Die Ukraine fordert schon seit langem westliche Kampfpanzer, um einer erwarteten russischen Frühjahrsoffensive begegnen und grundsätzlich von Russland besetzte Gebiete zurückerobern zu können. Bislang hatte sich vor allem Deutschland zurückgehalten und damit nicht nur eigene Lieferungen blockiert, sondern auch Re-Exporte des Leopard, des am weitesten verbreiteten westlichen Kampfpanzers. Die USA, auf deren Beteiligung an einer Panzer-Lieferung an die Ukraine die Bundesregierung großen Wert legte, hielten sich ebenfalls zurück.

Die Haltung sowohl Deutschlands als auch der USA änderte sich am (heutigen) Mittwoch grundlegend und eröffnete damit die Möglichkeit, der Ukraine erstmals diese Waffensysteme aus westlichen Staaten zur Verfügung zu stellen. Die – bereits am Vorabend bekannt gewordene – neue deutsche Haltung machte das Bundeskabinett bei seiner Sitzung zur offiziellen neuen Linie:

Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Mittwoch im Kabinett
angekündigt, dass Deutschland die militärische Unterstützung für die
Ukraine weiter verstärken wird. Die Bundesregierung habe
entschieden, den ukrainischen Streitkräften Kampfpanzer vom Typ
„Leopard 2“ zur Verfügung zu stellen. (…)
Das Ziel ist es, rasch zwei Panzer-Bataillone mit Leopard-2-Panzern
für die Ukraine zusammenzustellen. Dazu wird Deutschland in
einem ersten Schritt eine Kompanie mit 14 Leopard-2-A6-Panzern
zur Verfügung stellen, die aus Beständen der Bundeswehr stammen.
Weitere europäische Partner werden ihrerseits Panzer vom Typ
Leopard-2 übergeben. Die Ausbildung der ukrainischen Besatzungen
soll in Deutschland zügig beginnen. Zu dem Paket werden neben der
Ausbildung auch Logistik, Munition und Wartung der Systeme
gehören.
Deutschland werde den Partnerländern, die zügig Leopard-2-Panzer
aus ihren Beständen an die Ukraine liefern wollen, die
entsprechenden Genehmigungen zur Weitergabe erteilen.

teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit.

Am Mittwochabend (deutscher Zeit) folgten die USA mit ihrer Ankündigung. Präsident Joe Biden sagte, es sollten 31 Abrams-Kampfpanzer zur Verfügung gestellt werden, das Äquivalent eines ukrainischen Bataillons (dann allerdings mit weniger Gefechtsfahrzeugen als die Leopard-Bataillone). Nach Informationen aus einem Briefing des Pentagon für US-Medien kommen acht Bergepanzer hinzu.

Aus dem Statement des US-Präsidenten:

This morning, I had a long conversation with our NATO Allies — German Chancellor Scholz, French President Macron, Prime Minister Sunak, and the Italian Prime Minister, Meloni — to continue our close coordination in our full support of Ukraine. Because you all know — I’ve been saying this a long time — the expectation on the part of Russia is we’re going to break up, we’re not going to stay united. But we are fully, thoroughly, totally united. (…)
And today — today, I’m announcing that the United States will be sending 31 Abram tanks to Ukraine, the equivalent of one Ukrainian battalion.
Secretary Austin has recommended this step because it will enhance the Ukraine’s capacity to defend its territory and achieve its strategic objectives.
The Abrams tanks are the most capable tanks in the world. They’re also extremely complex to operate and maintain, so we’re also giving Ukraine the parts and equipment necessary to effectively sustain these tanks on the battlefield.
And we begi- — we’ll begin to train the Ukrainian troops on these issues of sustainment, logistics, and maintenance as soon as possible.
Delivering these tanks to the field is going to take time, time that we’ll see — we’ll use to make sure the Ukrainians are fully prepared to integrate the Abram tanks into their defenses.
We also closely coordinated this announcement with our Allies.
The American contribution will be joined by an additional announcement, including that will be — will be readily available and more easily integrated for use on the battlefield in the coming weeks and months from other countries.
I’m grateful to Chancellor Scholz for providing German Leopard 2 tanks and will lead an effort to organize the European contribution of two tank battalions for Ukraine.
I want to thank the Chancellor for his leadership and his steadfast commitment to our collective efforts to support Ukraine.
Germany has really stepped up, and the Chancellor has been a strong, strong voice for unity — a close friend — and for the level of effort we’re going to continue.

Der Kanzler kündigte die geplante Lieferung persönlich vor dem Bundestag an. Der Regierungschef vermied es aber ebenso wie Verteidigungsminister Boris Pistorius zunächst, mehr Einzelheiten zu den erwarteten Leopard-Lieferungen anderer europäischer Länder zu nennen. Infrage kommt insbesondere Polen, das bereits seit Tagen auf eine Genehmigung für den Export von Leopard in die Ukraine gedrungen hatte. Auch Spanien und Finnland sollen zur Abgabe von Kampfpanzern bereit sein, dort wie bei Portugal oder Norwegen ist noch unklar, in welchem Umfang und vor allem welche Panzer geliefert werden könnten – Finnland verfügt zum Beispiel über das modernere Modell 2A6, aber auch über Bestände der älteren 2A4 in seinen Depots. Polen hatte bereits einen Antrag auf Re-Export der Variante 2A4 gestellt.

Die Niederlande haben ebenfalls ihre Bereitschaft deutlich gemacht, sich an dem Panzerpaket für die Ukraine zu beteiligen – obwohl das Land keine eigenen Kampfpanzer mehr besitzt. Allerdings, so hatte Regierungschef Mark Rutte am Vortag in der FAZ angekündigt, könnten die Niederlande die 18 Leopard 2A6, die von Deutschland geleast wurden und die derzeit als Teil des Panzerbataillons 414 der Bundeswehr in Bergen-Hohne betrieben werden, den deutschen Streitkräften abkaufen und dann an die Ukraine weitergeben.

Da voraussichtlich sowohl Leopard 2A6 – unter anderem von Deutschland – als auch die älteren Leopard 2A4 – unter anderem von Polen – an die Ukraine abgegeben werden sollen, zeichnet sich eine technische Aufsplittung in zwei Battaillonsäquivalente mit je drei Kampfkompanien ab, in denen möglichst einheitliche Fahrzeuge vorhanden sind. Damit würden vor allem Instandhaltung und die Versorgung mit Ersatzteilen vereinfacht.

Nach Angaben des deutschen Verteidigungsministers ist das Ziel, innerhalb von drei Monaten die ersten Leopard samt ausgebildeter Besatzung der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Sein stellvertretender Sprecher Oberst Arne Collatz nannte vor der Bundespressekonferenz das ehrgeizige Ziel, bis zum Ende des ersten Quartals 2023 einen Gefechtsverband bereitszustellen, der in die ukrainischen Streitkräfte integriert werden könnte.

Die Ausbildung der ukrainischen Soldaten am Leopard dürfte überwiegend in Deutschland stattfinden – sie sollen neben der Bedienung und Warten der Panzer auch, wie es Collatz ausdrückte, eine kleine Taktikschulung erhalten. Da parallel auch die Ausbildung der Ukrainer am deutschen Schützenpanzer Marder stattfindet, dürfte es dabei auch um das Zusammenwirken von Kampf- und Schützenpanzern gehen.

Zudem sind weitere Panzerlieferungen aus Deutschland in Vorbereitung. Der Verteidigungsminister kündigte an, dass sein Ministerium auch prüfe, ob zusätzlich zu den Leopard-2-Panzern auch Gefechtsfahrzeuge des älteren Typs Leopard 1 abgegeben werden könnten – davon gibt es bei der Industrie noch größere Bestände. Unklar sei aber bislang, wie es mit den Munitionsvorräten aussehe, sagte Pistorius. Der Leopard 1 verfügt über eine Kanone mit einem kleineren Kaliber als der Leopard 2. Außerdem müsse noch geklärt werden, wie lange eine Instandsetzung dieser älteren Panzer dauere.

Das komplette Statement des Verteidigungsministers nach der Sitzung des Verteidigungsausschusses, einschließlich der Fragen und Antworten:

230125 Statement BM nach Verteidungsausschuss orig     

 

(Archivbild : Polish Army Leopard tanks assigned to the 10th Armored Cavalry Brigade, 11th Armored Cavalry Division maneuver past a U.S. Army M1A2 Abrams assigned to 1st Battalion, 68th Armor Regiment, 3rd Armored Brigade Combat Team, 4th Infantry Division during a multinational Defender Europe live fire exercise, Drawsko Pomorskie, Poland, May 27, 2022.  – U.S. Army photo by Capt. Tobias Cukale)