Neuer Bericht zur „Einsatzbereitschaft der Streitkräfte“: Weiterhin nur eingeschränkt bereit
Die Bundeswehr kann nach Einschätzung des Verteidigungsministeriums zwar alle ihre Bündnisverpflichtungen in der NATO grundsätzlich erfüllen, muss aber in etlichen Bereichen weiterhin schwer wiegende Einschränkungen hinnehmen. Lücken bei Personal, Material, Ersatzteilen und Munition ließen sich nach Jahrzehnten der strukturellen Unterfinanzierung der Streitkräfte nicht mit einem Federstrich schließen, heißt es im neuen Bericht über die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte, den Ministerin Christine Lambrecht und Generalinspekteur Eberhard Zorn dem Bundestag vorlegten.
Die Unterrichtung ist eine veränderte Weiterführung der früheren Berichte zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr, die das Ministerium bis zum vergangenen Jahr dem Parlament vorgelegt hatte. Neben der Lage beim Material werden nun auch weitere Rahmenbedingungen wie die Personalsituation oder die Ersatzteillage berücksichtigt. (Über den neuen Bericht hatten zuerst der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung berichtet.)
In der Unterrichtung werden im neuen Format zunächst nur die Auslandseinsätze und die so genannten einsatzgleichen Verpflichtungen der Truppe in NATO und EU berücksichtigt. Dabei stehen zwar auch die herkömmlichen Auslandsmissionen wie die Beteiligung an der UN-Mission MINUSMA oder der EU-Mission Irini im Fokus. Interessanter sind jedoch die Angaben zu den Verpflichtungen im Rahmen der Bündnisverteidigung wie der NATO-Battlegroup in Litauen oder der NATO-Speerspitze, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), außerdem die so genannten Daueraufgaben wie die Sicherung des deutschen Luftraums.
Für die meisten Aufgaben kommt der Bericht dabei zu dem Schluss, dass die Bundeswehr ihre Aufträge erfüllen kann, allerdings oft nur mit Einschränkungen. So sei die Einsatzbereitschaft für die Sicherung des Luftraums über Deutschland ab dem kommenden Jahr eingeschränkt – erhebliche Obsolenzenzen bodengebundener Systeme, zum Beispiel im Bereich der Luftraumüberwachungsradare, Flugfunkgeräte, Einsatzführungssoftware der Gefechtsstände sowie des militärischen Radardatennetzwerks, berenzen – insbeonsdere in Verbindungen mit zeitlichen Verzögerungen anstehender Beschaffungen – die Auftragserfüllung ab 2023. Die Einsatzbereitschaft könne nur mit Altsystemen gesichert werden.
Einschränkungen gelten auch fürdie Verpflichtungen im Rahmen der Bündnisverteidigung. So müsse die ab Januar von der Bundeswehr geführte VJTF mit einer veralteten IT-Struktur auskommen, weil wichtige Projekte dafür nicht rechtzeit fertiggestellt werden konnten. Die Führungsfähigkeit sei zumindest eingeschränkt sichergestellt. Es werden allerdings lediglich Minimalanforderungen bzgl. der Kommunikationsbedarfe erfüllt.
Ein Hauptproblem für alle Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung ist der Mangel an Flugabwehr. Für die VJTF kann der Schutz im bodennahen Luftraum nur sehr eingeschränkt gewährleistet werden. Die NATO-Battlegroup in Litauen, die seit 2017 von der Bundeswehr geführt wird, muss inzwischen ganz ohne Flugabwehr auskommen: Nachdem im Sommer bereits das deutsche Leichte Flugabwehrsystem abgezogen wurde, machten sich am (heutigen) Dienstag auch die tschechischen Flugabwehrkräfte (Ground Based Air Defence, GBAD) auf den Heimweg, wie die NATO – unabhängig von dem deutschen Bericht – mitteilte:
After three rotations the Czech GBAD is leaving the #eFP BG 🇱🇹 and will be replaced by CBRN forces. But this is not a „Goodbye“ its a „See you later!“ We thank our 🇨🇿 #comrades for their service.#StrongerTogether #WeAreNATO #Czech #airdefence @ArmadaCR pic.twitter.com/LgMYUbqz2Q
— NATO eFP Battlegroup Lithuania (@BG_LTU_eFP) December 13, 2022
Die technischen Probleme der Waffensysteme der Bundeswehr, die in den Berichten der Vorjahre im Mittelpunkt standen, werden in der aktuellen Unterrichtung zwar nur mittelbar angesprochen – gebessert zu haben scheinen sie sich allerdings nicht. So wird nach dem Bericht zum Beispiel die Deutsche Marine vorerst kein Kriegsschiff für die Beteiligung an der UN-Mission UNIFIL vor dem Libanon stellen können: Aufgrund des technisch bedingten Ausfalls einer Korvette stehe zunächst kein Ersatz zur Verfügung, dies führt zunächst zu einer temporären Vakanz bis März 2023. Hinzu kommen die Probleme mit Mangel an ausgebildetem Personal in einzelnen Bereichen, fehlenden Ersatzteilen und ungenügend vorhandener Munition.
In der Gesamtbewertung des Berichts wird deshalb auch die Herausforderung formuliert: Für den Kernauftrag der Bundeswehr „Landes- und Bündnisverteidigung“ muss die Einsatzbereitschaft wieder für die gesamten Streitkräfte hergestellt werden. Dafür müsse vor allem neues Material beschafft werden – aber auch Organisation und Mindset sich ändern: Die Zeiten, in denen maßgeschneiderte Kontingente aus dem Gesamtbestand der Streitkräfte aufgestellt wurden, sind vorbei. Künftig müssen alle Truppenteile in ihrer Grundaufstellung einsatzbereit sein.
(Archivbild Mai 2022: Radar des Leichten Flugabwehrsystems im Einsatz bei der NAT-Battlegroup in Litauen)
@JoeW, natürlich kann man nicht alle Versäumnisse der letzten 30 Jahre in wenigen Monaten aufholen.
Das es an der einen oder anderen Stelle jetzt etwas Gehirnschmalz bedarf um Antworten auf die Fragen zu finden die sich aus dem Krieg in der Ukraine ergeben, um z.B. nicht selber lernen zu müssen das man die 20.000 Dollar Kamikazedrohne besser nicht mit einer Rakete für 1 Mio Dollar abschießt, verständlich.
Aber, warum verschließt man weiter die Augen vor dem offensichtlichen und liefert z.B. munter Material aus eigenen Beständen an die Ukraine ohne entsprechende Ersatzbestellungen bei der Industrie auszulösen? Und es kann mir keiner erzählen das dafür ja leider kein Geld im Haushalt eingeplant war. Wenn der Bundestag wirklich will, kann er sowas in wenigen Tagen schaffen.
Diejenigen, die das Sagen haben, sind z.T. nicht Soldaten, sondern öffentlich Bedienstete und darunter wesentlich Juristen. Im BMVg sind wesentliche Abteilungen zivil geführt und personnell zivil besetzt. Es handelt sich möglichwerweise um eine überproportionale Beteiligung von Funktionen, die mit den Folgen ihrer Entscheidung wenig bis gar nichts zu tun haben. Jemanden zur Verantwortung zu ziehen, ist im öffentlichen Dienst -und es kommt mir so vor, dass die Bundeswehr sich dahin entwickelt hat- schwer. Daher sollten Massnahmen ergriffen werden, die eine fachlich-militärische Führung begünstigen, damit die Bundeswehr auch mit ihrer Organisation weniger Behörde und wieder mehr Kampfkraft entwickelt.
Leider Zahlschranke, aber vielleicht kann @TW uns erhellen:
„»Einsatzbereitschaft wird zum Lotteriespiel« – General schreibt Brandmail
Der Kommandeur der 10. Panzerdivision schlägt Alarm: Von 18 hochmodernen Schützenpanzern »Puma« sei kein einziger einsatzbereit. Besonders brisant: Sie waren für die Schnelle Eingreiftruppe der Nato gedacht.“
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/schuetzenpanzer-puma-einsatzbereitschaft-wird-zum-lotteriespiel-general-schreibt-brandmail-a-255d0428-ba15-4664-aa79-4868ba86ca2c
Davon ab: gibt es im Kommandobereich der 10. PD nur 18 PUMA, so daß ein Ersatz aus eigenen Kräften nicht möglich ist?
Aber zum Glück hat BK Scholz es sich auf die Fahne geschrieben, die Bw zur stärksten Armee Europas zu machen 💪 👍
[Ich bin an dem Thema dran; aber am heutigen Samstagabend wird das voraussichtlich nix mehr. T.W.]
Danke @TW. Inzwischen gibt es auch einen freien Artikel auf ZEIT Online (über DPA):
„Bundeswehr hat neue schwere Probleme mit dem Schützenpanzer Puma – Von 18 Panzern des Typs Puma sind bei einer Übung für einen Nato-Einsatz in wenigen Tagen alle ausgefallen. Die Kompanie dürfte erst in Monaten wieder einsatzbereit sein.“
Die „Welt“ hat wohl bezahlt und liefert n Abriss vom Spiegel Artikel.
Kurzfassung, im Übungsbetrieb passiert und Reperatur dauert wohl 3-4 Monate, alles bekannte aber nun gehäufte Fehler.
Schlechte Karten für ukr. Marder?….