Bundeswehr-Personalplanung: (noch) mehr Soldaten gesucht?
Die Bundeswehr soll möglicherweise noch stärker wachsen als bislang geplant: Das Verteidigungsministerium untersucht derzeit, ob es weiterhin bei der geplanten Verstärkung auf 203.000 Dienstposten für Soldatinnen und Soldaten (einschließlich Reservistenstellen) bleiben soll. Allerdings hat die Truppe derzeit um die 184.000 aktive Soldatinnen und Soldaten und verzeichnet keinen wirklichen Zuwachs.
In seinem am vergangenen Freitag veröffentlichten Sachstandsbericht zur Bestandsaufnahme der Bundeswehr hatte das Verteidigungsministerium angekündigt, die Zahl der Stellen für Reservedienst Leistende von bislang 4.500 auf 7.500 aufzustocken. Daraus folgt die Frage, was das denn nun für den Gesamtumfang der Bundeswehr bedeutet.
Die im Dezember 2020 beschlossene – und unverändert gültige – mittelfristige Personalplanung der Bundeswehr sieht vor, dass die Truppe bis 2027 dann 203.000 Soldatinnen und Soldaten umfassen soll, davon rund 186.300 Soldat*innen auf Zeit (SaZ) und Berufssoldat*innen, bis zu 12.500 Freiwillig Wehrdienst Leistende und 4.500 Reservistenstellen. Die angekündigte Erhöhung der Reservistenstellen um 3.000 muss damit also entweder zu einer Erhöhung des geplanten Gesamtumfangs führen – oder zu einer Verringerung der geplanten Zahl aktiver Soldatinnen und Soldaten.
Meine entsprechende Frage an das Verteidigungsministerium, was davon denn geplant sei, führte zu einer, nun, etwas kryptischen Antwort:
Im Rahmen der laufenden kritischen Bestandsaufnahme werden gleichwohl ergebnisoffen und planungskategorieübergreifend weitere Untersuchungen zur personellen Obergrenze für militärisches und ziviles Personal geführt. Die Erhöhung des Umfangs von Stellen für die Reserve bis 2027 auf 7.500 Stellen und deren dauerhafte Verstetigung auf diesem Niveau wurde als dringender Handlungsbedarf entschieden.
Das klingt eher danach, dass die 3.000 jetzt vorgesehenen neuen Stellen für Reservedienst Leistende oben drauf kommen – und damit ein Gesamtumfang der Bundeswehr von mehr Soldatinnen und Soldaten als die bislang geplanten 203.000 angestrebt wird.
Damit wird die Frage noch drängender, wie die angestrebte Vergrößerung erreicht werden soll. Nach den jüngsten veröffentlichten Zahlen für den April dieses Jahres – die Zahlen für Mai lagen auch am (heutigen) 12. Juli noch nicht vor – hat die Bundeswehr knapp 183.500 aktive Soldatinnen und Soldaten, davon knapp 174.000 Zeit- und Berufssoldat*innen.
Diese Gesamtzahl ist nicht nur seit einiger Zeit ziemlich unverändert, auch die interne Struktur hat sich verschoben: Die Zahl der Zeitsoldat*innen sank, die Zahl der Berufssoldat*innen stieg. Kein wirklicher Hinweis darauf, dass es der Truppe gelingt, Männer und Frauen neu für den Dienst zu werben.
(Foto: Vorführung eines Roboterhunds beim Stab Test- und Versuchsverband Digitalisierung Landbasierter Operationen in Munster am 11. Juli 2022 – Carl Schulze/Bundeswehr)
Nichts für ungut, aber es wird doch vom häufigen Wiederholen nicht richtiger.
Gerade bei den Unteroffizieren sind Versetzungen, bedingt durch die Bündelung A7-A9M, so selten geworden, dass man jemanden – wen überhaupt – nur noch auf einen A9MZ (OStFw)-Dienstposten bewegt bekommt. Wer etwas anderes erzählt, der schildert eine Bundeswehr, die es seit 2003 so nicht mehr gibt.
Und auch bei den Offizieren ist die Anzahl der Versetzungen durch die Bündelung A9G-A11 bzw. A13H-A14 spürbar zurückgegangen. Auch hier: Mit A12 oder A15 bekommt man vielleicht noch jemanden „bewegt“, sonst nicht.
Und wenn gar nichts mehr geht, wird versucht, die Besoldung des Dienstpostens der Förderungswürdigkeit des jeweiligen Soldaten anzupassen, den man um jeden Preis „halten will“.
Was es in den Streitkräften von USA und GBR gibt, haben wir sinngemäß schon seit Jahrzehnten: den BO 41.
Man müsste ihn nur flächendeckend einführen – die Behauptung, man kann könne ja mit 41 nichts neues mehr anfangen, ist auch ein Argument, das heute und in Zukunft nicht mehr greift.
Eine größere Bundeswehr wird eine leistungsschwächere Bundeswehr. Effektive Streitkräfte im 21. Jahrhundert – auch und ganz besonders als gewollte Führungsnation – folgen anderen Kriterien: flache Hierarchie (Auftragstaktik!), konsequente Jointness, strukturell überflüssiges Personal wird entlassen, persönliche Nicht-Einsatzbereitschaft sanktioniert. Mit der andauernden Verbeamtisierung der Anforderungen an unseren Beruf bleiben auch 100 Mrd unter ihrem Wert. All das ist kein Widerspruch zur InFü, sondern ihre logische Konsequenz.
@Hans Dampf sagt:
13.07.2022 um 17:14 Uhr
…..Was es in den Streitkräften von USA und GBR gibt, haben wir sinngemäß schon seit Jahrzehnten: den BO 41.
Man müsste ihn nur flächendeckend einführen – die Behauptung, man kann könne ja mit 41 nichts neues mehr anfangen, ist auch ein Argument, das heute und in Zukunft nicht mehr greift…..
Die Abkürzung BO41 steht meines Wissens nach für Berufsoffizier mit besonderer Altersgrenze 41 Jahre. Das gab es bei uns nur für Jetpiloten. Bei denen ist dann auch wieder das Pensionsproblem… Lebenslange Bezüge die den EP14 mit ihren Zukunftskosten jede Gestaltungsmöglichkeit verbauen.
Ein SaZ Modell hat genau kalkulierbare kosten.
Während der Dienstzeit kein Unterschied…. Wenn man jetzt aber zwei zwanzigjährige vergleicht…. nennen wir sie Max und Hans.
Beide gleich alt, gleicher Tag Dienstantritt (an ihrem 19. Geburtstag), gleiche Laufbahn, gleicher Dienstposten, gleicher Enddienstgrad und beide werden am gleichen Tag Sterben.
Max ist Hauptmann und BO41….
Hans ist Hauptmann und SaZ25…
Wir nehmen jetzt ferner an wir hätten ein System wie in einem früheren Beitrag von mir beschrieben. 10 Jahre Übergangsgebührnisse mit Pflichtübungstagen + Betriebsrente bis Altersrente.
Max geht an seinem 41. Geburtstag in Pension und wird 86. Jahre alt…. Der Bund muss also noch für ganze 45 Jahre Bezüge für ihn zahlen.
Hans geht erst an seinem 44. Geburtstag.
-bis zu seinem 54. Geburtstag ist er Beordert und bekommt seine Übergangsbezüge.
-er bekommt dann noch weitere 13 Jahre seine Betriebsrente und an seinem 67. Geburtstag endet der Bezug. Dann ist Hans Sache der Rentenversicherung Bund.
Im Falle von Hans ist die Sache nach 23 Jahren für den Bund erledigt.
Wenn der Bund diese Rentenzahlung auslagert ist Hans sogar an seinem 54. Geburtstag aus den Büchern der Bundeskasse verschwunden.
Diese Bundeswehr wird so wie sie ist nicht funktionieren. Wir schleppen zuviel Personalballast mit uns herum. Wie „Breitkeil“ schon sagt, persönliche Nicht-Einsatzbereitschaft sanktionieren. Nur so haben wir eine Chance. Wir brauchen nicht mehr Personal sondern geeignetes. Bedarf vor Eignung merkt man leider seit Jahren.
@Küstengang01 sagt: 12.07.2022 um 10:47 Uhr
„Ein guter Freund von mir hat es sich angetan…. er wollte unbedingt eine Wehrübung machen, es war ihm echt wichtig.“
Den Patriotismus Ihres Freundes in allen Ehren, aber ich mache hier vor allem dem KarrC einen Vorwurf: man hätte ihm klipp und klar von Anfang an sagen müssen: „Wir brauchen Sie nicht!“.
Die Zeit der „Edelreservisten“ ist schlicht vorbei.
Mit Ausnahme von ganz wenigen Subject Matter Experts, benötigen wir grundsätzlich nur zwei Arten von Reservisten in der aktuellen Situation: ehemaligen SaZ Kurzdiener, die regelmäßig geübt haben und so „gewachsen“ sind und ehemalige Zeitsoldaten/Berufssoldaten, die auf ihrem letzten Dienstposten üben.
Möglicherweise kommt mittelfristig noch eine weitere Kategorie dazu, wenn wir über echten Heimatschutz reden, dann können wir über eine Art „National Guard“ System nachdenken, wo Ungediente tatsächlich einen Nutzen entfalten, aber das ist derzeit noch nicht der Fall und auch in diesem Fall wäre Ihr Freund für die ersten 2-3 Jahre ja nur als „Gewehrschütze“ und Unteroffizieranwärter zu gebrauchen gewesen, bis er sich ausreichend militärische Grundfertigkeit angeeignte hätte um mehr zu sein.
Aber wie gesagt, soweit sind wir noch lange nicht. Jetzt müssen wir erst einmal die neuen Strukturen der GBO und der Verstärkungskräfte zum Laufen bringen.
Wir brauchen geeignetes Personal, was sich mit dem DP identifiziert und nicht wie in Zivilgesellschaft Vieles diskutieren will.
Das heisst zum Einen auch mehr an Kameradschaft orientiert und eben nicht an der eigenen Karriere und ebenso willig, den eigenen Nachwuchs in staatliche Betreuung abzugeben, wenn Einsätze anstehen und eben keine Verwandten zur Betreuung da sind.
Die aktuelle Besten Auslese orientiert sich nur an Karriere orientierten Personal seit der Schulzeit.
Konkurrenzdenken und Kameradschaft sind jedoch unvereinbar.
Hier ist ein anderes Verfahren zu entwickeln und einzuführen, um kameradschaftliches Personal zu bekommen, was sich mit dem Beruf Soldat und seinen Erfordernissen, Aufgaben und Aufträgen identifiziert.
Das heisst auch versetzungswilliges Personal,was sich nicht am Standort festhält.
Im neuen Rahmen von Kalter Krieg 2.0 ist Personal einzubeziehen, was bereits mit dem kalten Krieg in der Kindheit groß geworden ist und somit diesen Konflikt kennt. Ebenso Bosnien und Kosovo Kenner von Damals.
@Küstengang01:
Die Rentenversicherung bekommt für Hans Geld aus dem Bundestopf als Ausgleich. Damit wird ggf. EP14 entlastet, aber volkswirtschaftlich ist das egal.
@Koffer sagt:
14.07.2022 um 1:45 Uhr
Er war ex SaZ und ist in seiner letzten Verwendung in die Wehrübung gegangen. Es lagen nur einige Jahre zwischen DZE und seiner Übung. Er wollte ja auch ursprünglich wieder genau in seiner alten Verwendung üben. Nach der total enttäuschenden Erfahrung wird er das nun aber definitiv sich nicht nochmal ans Bein binden.
Wie so oft bei uns, können wir den Personalmangel auch totdiskutieren. Wie ich mitgelesen habe, gibt es den Königsweg nicht!
Also führen wir lieber über Jahre weiter diese Art von Scheindebatten, um uns doch logischerweise wieder einer wie auch immer gearteten Dienstpflicht anzunähern, da nur diese für einen signifikanten Aufwuchs garantieren kann.
Das bedeutet allerdings auch eine erhebliche Ausweitung der Standorte und die Rückkehr in die Fläche. Das hat den Vorteil einer wieder deutlicheren Verankerung der Dienenden – ich formuliere bewusst Dienenden – in der Gesellschaft, erdet hoffentlich dann auch wieder so manchen und erstickt überzogenes Anspruchsdenken gleich im Keim. Aber so weit sind wir leider noch nicht. Wir brauchen noch einige Jahre, wenn es schlecht läuft.
Hetfield sagt:
13.07.2022 um 16:18 Uhr
„(…)
Also, keine falschen Vorbilder, wäre mein Rat.“ —
Ich habe mich als deutscher Soldat während meiner mittlerweile 31-jährigen Dienstzeit fast 10 Jahre lang dienstlich im amerikanischen System bewegt … Lehrgänge, Austauschverwendungen, Housing (on und off post), Militärverwaltung, Provost Marshals, Gesundheitsversorgung, soziokulturelle Situation, politische und gesellschaftliche Wahrnehmung von Streitkräften usw usf. … das „volle Proogramm“.
Von einem solchen Maß an „Kümmern“ und „Verständnis“ und an „Eintreten für soldatische Belange“ sind wir hierzulande aber LICHTJAHRE entfernt. Es hat SPASS gemacht, in den USA und unter US-amerikanischen Rahmenbedingungen Soldat zu sein … und dann auch LEISTUNG zu bringen. In der Bundeswehr, mit „dieser“ politischen „Elite“ diesem nicht vorhandenen gesellschaftlichen Rückhalt, diesem – bestenfalls – „höflichen Desinteresse“ … da steht das „i.G.“ mehrheitlich für „innerlich gekündigt“. Wenn man selbst den eigenen Kindern nicht einmal mehr mit gutem Gewissen empfehlen kann, den eigenen Beruf zu ergreifen, dann stimmt etwas aber ganz gewaltig nicht …
„Kommentator sagt:
14.07.2022 um 13:14 Uhr
und dann auch LEISTUNG zu bringen. In der Bundeswehr, mit „dieser“ politischen „Elite“ diesem nicht vorhandenen gesellschaftlichen Rückhalt, diesem – bestenfalls – „höflichen Desinteresse“ … da steht das „i.G.“ mehrheitlich für „innerlich gekündigt“. Wenn man selbst den eigenen Kindern nicht einmal mehr mit gutem Gewissen empfehlen kann, den eigenen Beruf zu ergreifen, dann stimmt etwas aber ganz gewaltig nicht“
Vollste Zustimmung. Was z.B. hat ein A 14 zu verlieren, der genau weiß, A15 werde ich nicht mehr.
Solange er keine „goldenen Löffel klaut“ kann er/sie viel bewegen, wenn er/sie die Regelungslandschaft im Sinne des eigenen Verbandes kreativ nutzt.
Nie zu viele Fragen stellen, einfach machen.
Ich spreche hier aus eigenen Erfahrungen.
Wenn ich hier immer wieder die interessantesten Ideen höre:
– Personal, dass keine Leistung bringt, rauswerfen.
– Nur SaZ25 mit reserveübungspflicht + Betriebsrente etc. um Haushalt zu entlasten
– (Fast) Kein BS
– usw. usf
Ich bin jetzt kein Prophet, aber hat die Bundeswehr nicht ein Personalproblem? Wird tatsächlich geglaubt, dass man mit solchen Vorschlägen mehr (junge) Leute für die Bundeswehr gewinnen könnt? – Vor allem solche, die wir unbedingt benötigen.
Die Vorschläge stammen nach meiner Bewertung aus einer Zeit, in der man sich die Bewerber aussuchen konnte. Die Zeiten sind vorbei und kommen (so schnell) nicht mehr wieder. Stichwort: Demographie.
Wieso kein BS (nach Erprobung) für alle notwendigen Spezialisten ab Einstellung? – Die Wirtschaft macht das auch (Probezeit + unbefristetes Arbeitsverhältnis). Nicht viele haben Lust einen „Zeitvertrag“ einzugehen.
Bessere Arbeitsbedinungen (Gehalt, bessere Sanitätsversorgung, ggf. Einführen freie Arztwahl)?
Bessere Unterkünfte, Gebäude und Ausstattung… und vor allem: (Politischer) Rückhalt.
Ähnliches mit der Reserve. Hier wurde ja schon vieles gesagt. Jedenfalls: Mit Druck (Grundbeorderung) wird das auch nichts nachhaltiges.
Aber nach all den Dienstjahren habe ich keine Erwartung mehr, dass es substanziell und nachhaltig besser wird.
Noch zur Dienstpflicht:
Alles schön und gut. Aber hier reden wir von einer Zeitachse von mehreren Jahren bis 10 Jahre. Es gibt kein Ausbildungspersonal, keine DP, keine Unterkünfte und überhaupt keine Infrastruktur, um sowas wie eine allg. Dienstpflicht (für mich: Wehrpflicht light) einzuführen.
Die Planung und Umsetzung eines neuen Gebäudes vergehen allein schon 4-6 Jahre (Mängel und Nachbesserung nicht eingerechnet).
@DrStOffz sagt:
14.07.2022 um 18:49 Uhr
….Wieso kein BS (nach Erprobung) für alle notwendigen Spezialisten ab Einstellung…..
Sprechen wir doch über Zahlen… BS für alle? Was bedeutet das?
-1) eine totale Vergreisung der Streitkräfte. Da die BS ja bis 63 auf ihrem Dienstposten hocken.
-2) Pensionskosten die schnell den Verteidigungshaushalt auffressen.
-3) Streitkräfte deren Einsatzwert gen NULL tendiert, siehe Punkt 1)
-4) die BS Quote in den Streitkräften ist jetzt schon mit 1 BS auf 2 SaZ total aus dem Gleichgewicht geraten.
Es muss darum gehen weg vom BS zu kommen.
….Die Wirtschaft macht das auch (Probezeit + unbefristetes Arbeitsverhältnis)…..
Ja weil die Wirtschaft sich keine Beamten einstellt und die Leute notfalls auch wieder entlassen kann. Glauben sie nicht! Wenn die Firma das Werk/Standort schließt wird ein Sozialplan aufgesetzt und das war es. Wenn sie ihrem Chef sagen…. Nö, keinen Bock auf Überstunden gibt’s nen fristlosen Sack. Soll sich doch das Arbeitsgericht mit dem Fall befassen, dann handelt man ne Abfindung aus und das war’s.
Sind sie Monatelang krankgeschrieben wegen Unfall im Privatbereich gibt’s auch irgendwann die Kündigung.
Banken ist das mittlerweile total egal wie das Beschäftigungsverhältnis aussieht… saubere Schufa und drei Gehaltsnachweise, damit bekommt man auch für ne halbe Mille ne Hausfinanzierung.
Gucken sie Mal bei den diversen Stellen Portalen des Öffentlichen Dienstes wie viel Stellen da befristet ausgeschrieben werden. Eine Menge.
@Kommentator,
ich zweifele nicht an Ihren persönlichen-, und scheinbar durchaus positiven Erfahrungen mit der US Armee. Ich freue mich auch mal etwas positives zu lesen in diesem Thread. ;)
Persönlich habe ich ähnliche Erfahrungen im direkten Dienst mit US Kräften gemacht. Leistung wird tatsächlich unausweichlich eingefordert, Raucherpausen z.B. sind dagegen eher selten und es findet eine gefühlt „gerechtere“ Gleichbehandlung der Geschlechter statt. Die Stimmung war gut und viele Soldaten hatten eine wirklich professionelle Einstellung zum eigenen Beruf.
Und trotzdem möchte ich nicht tauschen. Prägend war ein kurzer Urlaubsbesuch an einer Einrichtung für „Veteran Affairs“, 2016 in Lousinana. Die Gespräche und die Beobachtungen die ich dort gemacht habe, waren erschütternd und haben deutlich eine „Schattenseite“ der (Verwundeten-)Medaille dargestellt.
Bezeichnend schien mir hier, wie Veteranen mit einer PTBS vorwiegend mit Medikamenten behandelt wurden. Die von T.W. angesprochenen Suizidraten geben ihr Übriges dazu.
Dies alles hat sich auch in den USA herumgesprochen und steigert nicht gerade die Attraktivität, trotz aller Privilegien.
Klar, eine Bw im Niedergang könnte vieles von den US-Methoden der Personalbindung lernen, was hat sie denn schon zu verlieren. Sie könnte aber auch vieles verlernen.
Ich empfehle hierzu einmal das Buch „Kampfkraft“ von Martin van Creveld anzuschauen. Er stellt ziemlich plastisch dar, welche Elemente die junge Bw direkt von den US – Mentoren übernommen zu haben scheint bei Neuaufstellung. Allem voran die zentralisierte Personalführung und Personalentwicklung, fielen mir hier auf.
Wozu die Kameraden in Köln so alles bereit sind um den berühmten „Bedarf“ zu decken, wurde hier ja schon oft diskutiert und benötigt auch von @Koffer keine Wiederholung. (Nichts für Ungut).
@Küstengang01 sagt: 14.07.2022 um 20:32 Uhr
„Sprechen wir doch über Zahlen… BS für alle? Was bedeutet das?
-1) eine totale Vergreisung der Streitkräfte. Da die BS ja bis 63 auf ihrem Dienstposten hocken.
-2) Pensionskosten die schnell den Verteidigungshaushalt auffressen.
-3) Streitkräfte deren Einsatzwert gen NULL tendiert, siehe Punkt 1)
-4) die BS Quote in den Streitkräften ist jetzt schon mit 1 BS auf 2 SaZ total aus dem Gleichgewicht geraten.“
100% Zustimmung.
@ Küstengang 01
Was meinen Sie denn, wie das Modell in den USA oder GBR funktioniert? Im Wesentlichen genau so. Nach 20 Jahren hat man sich 50% der Pension erdient. Bzw. in den USA scheidet man dann aus, wenn man die Karriere beendet ist, man also endgültig die letzte Beförderung erfahren hat.
Dass es den BO41 derzeit nur für Jetpiloten gibt, das ist mir bekannt – und ich habe auch nichts anderes behauptet. Aber das Instrument als solches ist vorhanden, man müsste es „nur“ flächendeckend nutzen (wollen). Das ist mein Punkt – und ähnliche Überlegungen gibt es ja bereits, „BS flex“ oder „BS vario“. Es wäre schlichtweg sinnvoll – und ist daher folgerichtig zu verwerfen.
Eins ist Fakt: Mit dem derzeitigen BS-Status wird man den Wasserkopf nie trocken legen, ganz im Gegenteil. Man versucht also weiterhin, mit angezogener Handbremse ein Rennen zu gewinnen.
@Hans Dampf sagt:
15.07.2022 um 11:04 Uhr
….Eins ist Fakt: Mit dem derzeitigen BS-Status wird man den Wasserkopf nie trocken legen, ganz im Gegenteil. Man versucht also weiterhin, mit angezogener Handbremse ein Rennen zu gewinnen…..
Ganz genau mit dem aktuellen Recht wird man da keinen Blumentopf mehr gewinnen. Deswegen radikaler Cut und weg mit dem BS oder der Anlehnung an das Beamtenrecht.
Ein Beamter/Berufssoldat/Richter der keinen Bock mehr hat und sich in seine Komfortzone zurückzieht, werde ich nicht mehr los außer durch wegloben.
Leider wird in diesem Land niemand die Privilegien dieser Statusgruppe antasten, deswegen geht es bei der Bundeswehr eigentlich nur noch in dem man fast gänzlich drauf verzichtet und halt für SaZ25 eine attraktive Übergangsversorgung schafft so das damit auch weiter Nachwuchs gewonnen werden kann.
Oder man verklickert den zig Millionen anderen Beamten warum Berufssoldaten knapp 20 Jahre früher in Pension gehen dürfen.
Da wird es nicht lange dauern bis die Polizisten und Feuerwehrleute auch den Finger heben…. und dann will auch der Oberbaurat sein Stück von der Frühpension haben… Bauamt ist ja auch irgendwie wie Krieg oder so ähnlich.
@Küstengang01
Interessant und wenn mein Chef zu mir kommt und verlangt heute länger braucht er sehr gute Gründe .
Ansonsten hat er einige Unterhaltungen mit seinen Vorgesetzten, RP etc.
Da unterscheiden sich die Wirklichkeiten
#Hetfield
Die Beschreibung kommt mir von amerikanischen Veteranen bekannt vor.
@ThoDan sagt:
15.07.2022 um 12:50 Uhr
….Interessant und wenn mein Chef zu mir kommt und verlangt heute länger braucht er sehr gute Gründe .
Ansonsten hat er einige Unterhaltungen mit seinen Vorgesetzten, RP etc…..
Mag in großen Unternehmen so sein. Wenn sie einmal das Vergnügen haben in einem Inhabergeführten Unternehmen zu arbeiten sieht das anders aus. Ich kenne Firmen in denen einzelne Mitarbeiter ihr KFZ nicht auf dem Firmenparkplatz parken dürfen, weil es nicht dem optischen Geschmack des Chefs trifft. Es gibt auch genug Unternehmen die nicht Mal einen Betriebsrat haben…. ein ex Chef von mir pflegte dazu zu sagen… Betriebsrat, klar können wir wählen aber ich bin dann der Vorsitzende.
Klar bei einem DAX Konzern geht das alles nicht so einfach aber bei vielen vielen Hunderttausenden Unternehmen wo es nur einen Chef und Eigentümer in Personalunion gibt sieht die Welt mit unter ganz anders aus.
Dann würde ihm das RP in womöglich den Laden dicht machen und ihm juristisch kommen
Die Horror Storys verbinde ich nur mit der Frage
Wer will dann bei so jemand arbeiten
In Stäben und Dienststellen wurden triviale Aufgaben auf der Ebene A14 (+) verstetigt, die vormals pfiffige Wehrpflichtige erledigt haben. Ich behaupte: nicht nur sind weit mehr als 50% aller Ü50 nicht mehr in der Lage und / oder willens IGF abzuleisten (Minimalstforderungen an Handwerk und Fitness), sondern ebenso viele sind schlichtweg überflüssig. Dafür bezahlt der Bund sehr fürstlich und durch großzügige Truppenärzte, Päuschen hier und da und eine Dosis Homeoffice kann die eigene Irrelevanz regelrecht institutionalisiert werden. Das Tragen einer Uniform hat auch immer etwas mit Ästhetik zu tun…Wampen und „Sich gehen lassen“ passen da in meiner Welt nicht dazu. All jene: raus!
Wir müssen das Thema „Arbeitgeber in der freien Wirtschaft“ nicht ausufern lassen.
Nur so viel:
Da gibt es vorbildliche Unternehmen:
– halten sich an alle Vorschriften/Gesetze
– tarifgebunden
– Betriebsrat
Dann gibt es eben das Gegenteil:
– Vorschriften/Gesetze werden absichtlich ignoriert
– keine Tarifbindung
– kein Betriebsrat, sogar inoffizielle mündliche Drohungen bei einem Betriebsrat den Standort zu schließen oder die Firma und der Zweck der Firma wird „outgesourct“ (also auch geschlossen)
Diese Punkte können auch nur teilweise oder in abgeschwächter Form auftreten, aber 5 ungefähr 50 % aller Arbeitnehmer arbeiten in ersteren Unternehmen und 50 % in zweiteren Unternehmen.
Da sollte man sich nichts vormachen.
BS (Berufssoldat) und „unbefristeter Arbeitsvertrag“ sind auf keinen Fall das selbe von der finanziellen und arbeitsrechtlichen Sicherheit aus gesehen.
Die Demographie wird in den nächsten Jahren zusätzlich in allen Bereichen (Bundeswehr, aber auch Wirtschaft) reinschlagen – da kann man nichts machen.
In der freien Wirtschaft könnte (!!!!) man vieles durch Zuwanderung oder Outsourcen (in andere Länder) lösen, aber bei der Bundeswehr nur sehr schwierig und kleinteilig.
Die einzige Lösung ist eine Schrumpfung des Personalkörpers
UND
eine verlässlichere schriftliche Garantie (Vertrag) bei der Unterzeichnung des Zeitvertrages eines Soldaten beim SaZ bei den Themen
a) Versetzung und
b) der Zeit nach dem Zeitvertrag:
a) – Probleme beim Thema Versetzung, die für einen potentiellen Bewerber in Betracht kommen:
Werde ich versetzt, wenn ja wie oft, wohin und wann.
Kann einem niemand am Anfang sagen und schon gar nicht vor der Unterzeichung.
Wünsche sind Wünsche und eben keine Garantie (ganz großer Unsicherheitsfaktor für den Soldatenberuf vor der Unterzeichung)
b) Nach den Jahren stehe ich dann wie da:
Habe ich eine Ausbildung (auch hier keine Garantie vor Unterzeichung, nur Planungen), kann ich mit dieser im Leben nach der BW was anfangen?
Wird die „Berufserfahrung“ im Leben nach der BW bei den neuen Arbeitgebern anerkannt (Einstellungsvoraussetzung) oder auch wertgeschätzt (Lohnhöhe)?
Es gibt keine Garantie für einen BS oder eine SaZ-Verlängerung. Auch da wieder nur Planungen und Möglichkeiten.
Diese beiden Punkte (der Sold ist nicht das Problem) muss man im Vorfeld vor der Unterzeichnung lösen.
Während der Dienstzeit kommt dann das Problem „Motivation“ dazu, aber das ist vor der Unterzeichung nicht erkennbar. Ich kenne leider mehrere Soldaten, die mit allen Punkte zufrieden sind, aber deren Dienst für sie unbefriedigend ist (unterschiedliche Gründe) und sie deshalb niemals verlängen würden und auch häufiger „krank“ sind.
In der freien Wirtschaft gibt es natürlich auch Probleme mit Unsicherheiten in Bezug auf Versetzungen. Niemand weiß ja zu 100 %, ob seine Arbeitsstelle oder sein „Werk/Filiale“ in 5 Jahren noch existiert oder zugemacht wird.
Aber ich kann eben im privaten Arbeitsrecht einfach kündigen und am gleichen Ort mir eine andere Arbeitsstelle suchen. Und momentan und die nächsten Jahre werde ich auch eine Arbeitsstelle finden, weil händeringend gesucht wird (auch Quereinsteiger).
Diesen Punkt mit den Versetzungen (und auch 2 Jahre Schule ist für mich eine Versetzung) ist ein sehr wichtiger Punkt und ich kenne niemanden den diese bundeswehrinternenen Regelungen egal sind.
Man hat keine Garantie und damit fallen massenweise Bewerber durch das Raster.
Übungen für 2 Wochen, seltene Wochenenddienste sind alles Punkte, über die hinweg gesehen wird.
Dann kommt noch die Wahlmöglichkeit dazu:
Selbst wenn der eigene Dienstposten aus welchem Grund auch immer wegfällt und ich versetzt werden muss (!), habe ich viel zu wenige Wahlmöglichkeiten.
SaZ ist damit ein zu enges Korsett und das ist für die heutige Zeit (Work-Life-Balance) und den neuen Generationen nicht mehr erklärbar.
@Luftikus sagt: 15.07.2022 um 21:13 Uhr
„verlässlichere schriftliche Garantie (Vertrag) bei der Unterzeichnung des Zeitvertrages“
Es gibt keinen „Vertrag“! Das wäre auch verfassungswidrig.
Und für Streitkräfte zudem kontraproduktiv.
Kontraproduktiv ist aber auch die momentan geltende Rechtslage und die absehbaren Folgen für die Bundeswehr und damit für die BRD.
Selbst dutzende Youtubefilmchen, große Marketingkampagnen und andere Maßnahmen (WLAN, Fernseher, Umstandskleidung usw.) können diese Probleme bei der Personalfindung nicht kaschieren.
Man sollte jetzt auch nicht glauben, dass in naher Zukunft durch eine schlechtere Wirtschaft auf einmal alle zur Bundeswehr wollen.
Denn gleichzeitig werden sehr viele Soldaten ausscheiden (müssen) und egal wie man es dreht oder wendet – die Bundeswehr muss im Gesamtpaket attraktiver sein als die Konkurrenz.
Die Konkurrenz schläft aber auch nicht, also muss man als BW hier die dicken Bretter bohren oder eben personell schrumpfen.