Parlamentarier billigen Drohnen-Bewaffnung für die Bundeswehr – unter strengen Auflagen

Nach fast zehnjähriger politischer Debatte soll die Bundeswehr bewaffnete Drohnen erhalten. Der Haushaltsausschuss des Bundestages billigte die Beschaffung von Lenkwaffen für die bereits vor vier Jahren geleasten israelischen Drohnen des Typs Heron TP. Allerdings wird der Einsatz der bewaffneten unbemannten Flugzeuge an strenge Vorgaben gebunden.

Der Parlamentsausschuss, der letztendlich über die Freigabe von Geldern für Rüstungsprojekte entscheidet, genehmigte am (heutigen) Mittwoch rund 150 Millionen Euro für die Bewaffnung der Drohnen und hob damit einen Sperr-Beschluss des Gremiums aus dem Jahr 2018 auf. Die Abgeordneten, damals noch mit der Mehrheit einer schwarz-roten Koalition aus Union und SPD, hatten zwar die Beschaffung der fünf Drohnen mit Bodenstationen selbst gebilligt, die von der Union angestrebte zeitgleiche Beschaffung der Bewaffnung jedoch blockiert.

Mit der nun gefallenen Entscheidung darf die Bundeswehr für die vorerst nur zu Ausbildungszwecken in Israel stationierten Heron TP -Drohnen zwar die Bewaffnung kaufen und das Training auch mit den Waffen beginnen. Zugleich gaben die Abgeordneten der Koalitionsparteien SPD, Grüne und FDP jedoch scharfe Regeln für einen möglichen Einsatz vor.  In einem so genannten Maßgabebeschluss legte die Ausschussmehrheit fest:

1.) Verfassungsrechtlich bedarf jeder Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland grundsätzlich der vorherigen konstitutiven Zustimmung des Deutschen Bundestages (Parlamentsvorbehalt).
2.) Bewaffnete Drohnen können nur dann eingesetzt werden, wenn diese explizit im vorgelegten Bundestagsmandat gemäß Parlamentsbeteiligungsgesetz für den jeweiligen Auslandseinsatz der Bundeswehr vorgesehen sind.
3.) Der Einsatz bewaffneter Drohnen unterliegt völker- und verfassungsrechtlichen Grenzen sowie den Grenzen, die der Deutsche Bundestag durch den Einsatzauftrag, das Einsatzgebiet und die einzusetzenden Fähigkeiten mandatiert hat.
4.) Der Einsatz bewaffneter Drohnen ist nur zur Bekämpfung legitimer Ziele im Sinne des Humanitären Völkerrechts zulässig.
5.) Die verbindlichen Einsatzgrundsätze für bewaffnete Drohnen müssen durch die Bundesregierung erstellt und vom Verteidigungsausschuss und dem Auswärtigen Ausschuss beschlossen werden. Leitgedanke ist hierbei der Schutz der Soldatinnen und Soldaten. Genauso ist bei Veränderungen der verbindlichen Einsatzgrundsätze zu verfahren. Der operationelle Einsatz des bewaffneten Systems der German Heron TP außerhalb der Ausbildung darf erst nach Beschluss der Einsatzgrundsätze durch den Verteidigungsausschuss und den Auswärtigen Ausschuss erfolgen.
6.) Die Entscheidungs-, Kontroll- und Steuereinheiten für Drohnen und deren Einsatz sollen im mandatierten Einsatzgebiet stationiert sein;
7.) Gleichzeitig verstärkt die Bundesregierung ihren Einsatz, um bewaffnete Drohnen in internationale Kontrollregime einzubeziehen und unterstützt die internationalen Bemühungen zur verbindlichen Regulierung von Autonomie in Waffensystemen und zur Ächtung von Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze verstoßen.

Die Regeln für bewaffnete Drohnen gehen damit weit über die Bestimmungen für den Einsatz anderer Waffensysteme wie zum Beispiel Artillerie hinaus: Neben der – selbstverständlichen – Bindung ans Völkerrecht werden in Mandaten für Bundeswehr-Auslandseinsätze zwar grundsätzlich Auftrag und einzusetzende Fähigkeiten der Streitkräfte definiert, nicht aber einzelne Waffensysteme und Bedingungen genau für dieses System.

Mit ihrem Beschluss folgte die Koalitionsmehrheit im Haushaltsausschuss den Vorgaben des Koalitionsvertrags vom Dezember 2021, in dem SPD, Grüne und FDP vereinbart hatten:

Bewaffnete Drohnen können zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz beitragen. Unter verbindlichen und transparenten Auflagen und unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten werden wir daher die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr in dieser Legislaturperiode ermöglichen. Bei ihrem Einsatz gelten  die Regeln des Völkerrechts, extralegale Tötungen – auch durch Drohnen – lehnen wir ab.

Die Entscheidung zieht einen Schlussstrich unter eine Debatte, die bereits 2012 begonnen hatte und in den Jahren danach im Bundestag in zahlreichen Debatten und mehreren Anhörungen geführt wurde. Damals waren erste Überlegungen für bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr von der Luftwaffe, aber auch im Verteidigungsministerium aufgekommen. Die Diskussion der folgenden Jahre war im Wesentlichen auch vom Einsatz solcher Systeme durch die USA geprägt, die bewaffnete Drohnen zur gezielten Tötung von Aufständischen in Afghanistan und – völkerrechtlich umstritten – auch außerhalb von Kriegsgebieten in Pakistan und Somalia einsetzten.

In dieser Debatte hatten die Sozialdemokraten gleich zwei Mal – 2017 und 2020 – eine eigentlich vereinbarte Beschlussfassung über die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr gestoppt. Vor der Bundestagswahl im September 2021 setzte die SPD eine Kommission zu dieser Frage ein, die dann im Oktober vergangenen Jahres den Weg für eine Zustimmung der Partei frei machte.

Die eigentliche Ironie dieses langen Prozesses ist, dass die Zustimmung zu dieser Beschaffung zu einer Zeit kommt, in der diese Drohnen auch mit Bewaffnung weniger benötigt werden als noch vor einigen Jahren: Die Hauptaufgabe der Heron TP, der Schutz der Truppen am Boden bei Auslandseinsätzen wie in Afghanistan oder in Mali, ist inzwischen nicht mehr so dringend wie Ausrüstung für Landes- und Bündnisverteidigung. Zudem ist der Einsatz in Afghanistan beendet, ob und wie der in Mali fortgesetzt wird, ist derzeit noch offen.

Zwar erklärte das Verteidigungsministerium nach der Billigung der Beschaffung im Parlament:

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die sicherheitspolitische Lage in Europa grundlegend geändert und die Dringlichkeit der Vollausstattung der Bundeswehr noch einmal verstärkt. Dazu gehört auch, militärische Angriffe abzuwehren und die Soldatinnen und Soldaten sowie Partner im Einsatz und in einsatzgleichen Verpflichtungen bestmöglich schützen zu können.

Allerdings gehört dazu ehrlicherweise auch die Einschätzung: Für die veränderte sicherheitspolitische Lage in Europa nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sind diese Drohnen relativ bedeutungslos. Denn in einem so genannten contested airspace, in einer Kriegssituation mit einem Gegner, der über Luftverteidigung verfügt, haben diese bewaffneten Segelflieger nur geringe Überlebenschancen – im Unterschied zu einem Einsatz gegen Aufständische, die eben nicht diese unbemannten Systeme abschießen können.

(Archivbild Oktober 2021: Ein Einsatzoffizier des Taktischen Luftwaffengeschwaders 51 „Immelmann“ der Bundeswehr vor einer Drohne Heron TP bei der Ausbildung auf der israelischen Luftwaffenbasis Tel Nof – Falk BŠärwald/Bundeswehr)