Neue Tanker für die Marine: Deutlich überteuert für weniger Leistung?

Die veralteten Tankschiffe der Deutschen Marine müssen seit Jahren, nein eher seit Jahrzehnten ersetzt werden. Nun hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages bereits vergangenes Jahr das Geld dafür bewilligt, nach langem Gezerre wurden der Auftrag an eine deutsche Werft vergeben – und nun stellt sich heraus, dass daran möglicherweise einiges nicht stimmen könnte.

Über deutlich überhöhte Preise für die beiden neuen Tanker berichtet am (heutigen) Dienstag der Rechercheverbund von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung:

Den Zuschlag für den Bau von zwei neuen Tankern erhielt im Juli 2021 die Rüstungstochter der Bremer Lürssen-Werft, Naval Vessels Lürssen (NVL). Sie war als einzige im Bieterverfahren übriggeblieben. Bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass der von NVL geforderte Preis massiv über den Kostenvorstellungen der Bundeswehr lag.
Um die Kosten zu drücken, akzeptierte die Bundeswehr eine schlechtere technische Ausstattung der Schiffe. So wurde unter anderem auf eine zweite Antriebswelle verzichtet und das Fassungsvermögen der Tanker reduziert. Vertrauliche Unterlagen der Bundeswehr zeigen, dass Lürssen trotz der erheblichen Einschnitte in der Leistungsfähigkeit der Schiffe den Angebotspreis offenbar nicht wesentlich reduzierte. Die Werft forderte von der Deutschen Marine 870 Millionen Euro für beide Schiffe – ein Preis, der bundeswehrintern bereits zu diesem Zeitpunkt als „exorbitant hoch“ eingeschätzt wird.

Nun hatten bereits die Bundestagsabgeordneten bei der Billigung von 914,3 Millionen Euro für diese Beschaffung im vergangenen Jahr Vorgaben gemacht – unter anderem deshalb, weil es nur noch einen Anbieter gab, nämlich die Lürssen-Tochter NVL:

Der Haushaltsausschuss fordert die Bundesregierung auf,
1. eine vorkalkulatorische Preisprüfung durchzuführen, da nur ein zuschlagsfähiges Angebot verblieben ist.
2. die maximal erlaubte Vorkrängung mit einem Änderungsvertrag noch nachzuverhandeln.
3. das Projekt nach einer Analyse rechtzeitig hinreichend personell auszustatten, um die ungünstigen Vertragsbedingungen durch eine enge Baubegleitung zumindest teilweise zu kompensieren.

Diese vorkalkulatorische Preisprüfung wurde erst im Januar dieses Jahres abgeschlossen; der Vertrag wurde deshalb auch erst 2022 geschlossen.

Dabei war diese Beschaffungsentscheidung schon das Ergebnis, oder besser die Folge eines langen, immer wieder stockenden Prozesses. So hatte das Verteidigungsministerium Ende 2020 die Vergabe zunächst gestoppt, weil die Angebote der Werften deutlich über dem veranschlagten Preis lagen. Anschließend wurde, wie es damals hieß, ein Angebot mit verringerten Forderungen der Marine von den Werften erbeten.

Ein wesentlicher Punkt, der sich aus dem heutigen Bericht ergibt: Die Marine hat offensichtlich dabei auch auf Leistungen verzichtet, die eigentlich der Grund waren, warum diese Tanker als Kriegsschiffe in Auftrag geben wurden. Unter anderem wurde immer wieder die zweite Antriebswelle genannt, die dieses Schiff auch unter den widrigen Umständen eines Konflikts betriebssicher machen sollte. Aus diesem und aus anderen konstruktiven Gründen wurde immer wieder abgelehnt, einfach zivile Tanker zu kaufen und mit militärischer Ausstattung wie Funkgeräten nachzurüsten.

(Ich bemühe mich um eine Stellungnahme der Lürssen-Werft)

(Archivbild Mai 2016: Betriebsstofftanker Spessart (A1442) beim Versorgungsmanöver für die  Fregatte Bayern in der Antipirateriemission Atalanta vor Somalia – Christin Krakow/Bundeswehr)