Jahresbericht der Wehrbeauftragten: Pressekonferenz zum Nachhören)
Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Hoegl, hat ihren Jahresbericht für 2021 vorgelegt. Darin stand zwar das vergangene Jahr im Mittelpunkt, aber natürlich kam auch die aktuelle Lage mit dem Krieg in der Ukraine zur Sprache.
Aus Zeitgründen (die technischen Probleme mit diesem Blog haben mir den Zeitplan für den Tag ziemlich zerschossen) hier erstmal das Material dazu, ggf. später mehr.
Die Pressekonferenz von Högl am (heutigen) Dienstag in Berlin zum Nachhören:
Der Jahresbericht steht hier zum Herunterladen bereit, vorsorglich die Sicherungskopie:
Wehrbeauftragte_Bericht_fuer_2021
Die Pressemitteilung hier zum download.
Redaktionelle Frage an den Hausherrn:
der Tonmitschnitt der Pressekonferenz endet abrupt bei 59:23min.
Liegt der Fehler bei mir oder ist das so beabsichtigt gewesen Ihrerseits?
[Hm, bei mir geht es bis 1:03:17, also paar Minuten mehr – kann das also nicht nachvollziehen. T.W.]
@ T.W.: 2 sehr gute Nachfragen!
1.) Personalobergrenze
203k ist und bleibt unrealistisch. Wir werden in spätestens 5 Jahren eine Festlegung auf 170k – 180k bekommen.
2.) Strukturen der Reserve
Erschreckend, dass die Bundeswehr nicht die Voraussetzungen schafft, eine professionelle aktive Truppe mit einer motivierten Reserve zu verbinden.
In eine länger andauernde Auseinandersetzung mit einem gleichwertigen Gegner brauchen wir wirklich nicht mehr gehen.
Es darf bezweifelt werden, ob die Anhebung der Wertgrenze für den Direktauftrag gemäß § 14 UVgO von 1.000,- EUR auf 5.000,- EUR die epochale Wende im Beschaffungswesen darstellen wird.
Warum?
Diese Größenordnung spielt im BAAINBw und BAIUDBw nahezu keine Rolle. Bei diesen Beträgen kommt es lediglich auf die Schnittstelle Truppe – BwDLZ an. Hier geht es nicht um Rüstungsprojekte sondern beispielhaft um Bürobedarfbestellungen. Der Betrag gibt somit an, bis zu welchem Betrag die S4-Abteilung des PzBtl 123 selbst beschaffen darf. Darüber wird das zuständige BwDLZ tätig.
Die Ankündigung der Ministerin klingt gewaltig und basiert auf einer Auswertung in SASPF. In der Realität wird der Schub kaum spürbar sein.
@Florian Staudte
„Die Ankündigung der Ministerin klingt gewaltig…“
…und darauf kam es wohl auch an, leider!
@ T.W.
Besteht die Möglichkeit, im Rahmen der Bundespressekonferenz zu erfragen, warum das BMVg glaubt, mit der Anhebung der Wertgrenze im § 14 UVgO würden alle Probleme im Beschaffungswesen gelöst werden?
Aus meiner Sicht würden nur die BwDLZ profitieren, weil sie mehr Direktaufträge vergeben können und weniger Verhandlungsvergaben durchführen müssen.
Die Bundesoberhörden BAAINBw und BAIUDBw werden nicht wirklich tangiert. Dort hängt es aber.
Man vergleiche nur mal die RAF Webseite um Reservist zu werden, und die Bundeswehr Webseite….
https://www.raf.mod.uk/recruitment/find-your-role
Da kann sich die Bundeswehr noch was abschneiden von!
@Florian Staudte sagt: 15.03.2022 um 19:44 Uhr
„Erschreckend, dass die Bundeswehr nicht die Voraussetzungen schafft, eine professionelle aktive Truppe mit einer motivierten Reserve zu verbinden.“
Dabei wurden alle Voraussetzungen 2019 geschaffen, siehe hier:
https://augengeradeaus.net/2019/10/jetzt-offiziell-die-neue-strategie-der-reserve/
Es mangelt an Material, Unterkünften und an entsprechenden Reservisten. Die meisten ehemaligen Wehrpflichtigen sind mittlerweile zu alt oder hat man 2006 bei Auflösung der alten Strukturen nachhaltig vergrault.
Und die ausscheidenden Zeitsoldaten heutzutage haben meistens andere Sorgen oder ganz einfach die Nase voll. Da kann ich ein Lied von singen, das mindestens einen Akt einer Oper füllt. Selbst im Bereich der Offiziere und Portepees ist es schwierig.
Und die neuen Konzepte (FWDL Heimatschutz) werden auch nicht so wahrgenommen, wie man es bräuchte. Man hat ja auch nicht unbedingt einen Vorteil davon, vielleicht sogar einen Nachteil gegenüber Gleichaltrigen Mitbewerbern, die einem um diese Zeit beruflich voraus sind.
@ Pio-Fritz:
Volle Zustimmung.
Beispiel: Reservisten in Lüneburg müssen in Hotels untergebracht werden, weil es in der Theodor-Körner-Kaserne keine 30 freien Betten am Wochenende mehr gibt. Die TKK hat es sogar in den Bericht der Wehrbeauftragten geschafft.
Man muss schon in einem gewissen Maß positiv verrückt sein, um sich als Reservist das System Bundeswehr freiwillig anzutun. Kein Witz.
@FlorianStaude:
Vielen Dank für die Bewertung. Für mich las sich die Ankündigung wie ein schlechter Scherz – und keine Spur von Gewaltig. Ich hoffe das wird weiter aufgegriffen und im Hinblick auf Großgerät angepackt.
Ich meine gelesen zu haben, das z.B. Frankreich auf EU-Weite Ausschreibungen mit dem Verweis auf Landessicherheit verzichtet. Kann dies jemand verifizieren?
Wie wird es hier eingeschätzt. Besteht eine Chance, die seit Jahren nicht angepasste Obergrenze von 25 Mio.€ (ehemals DM und keine Inflationsbereinigung) mal anzugehen oder werden sich das die Abgeordneten nicht nehmen lassen?
Beste Grüße
Eine epochale Wende wird es definitiv nicht, die wäre eine Anpassung der 25 Mio auf z.B. 50 Mio. Die „Kleingeräte“ zu heben hilft aber auch schon. Beispiel? Aktuell ist eine Ausschreibung draußen für den Transport von Schmier- und Motorölen. Ausschreibungsvolumen auf Basis historischer Abrufe: gewaltige 2-5 Transporte pro Jahr laut LV. Da diese im EP wohl jeweils über 1.000 Euro liegen, aber unter 5.000, dürfte genau sowas in Zukunft nicht mehr ausgeschrieben sondern frei Hand vergeben werden. Und wer sich einmal die Menge an Unterlagen anschaut wird sehen, dass alleine hier ein Wegfall eher Mannwochen als Manntage im BW-Einkauf freischaufeln wird.
@ Flying-Tiger:
Die Anhebung der „25-Mio-Grenze“ wäre schon ein großer Fortschritt, gerade für das BAAINBw.
Vorschlag: 50 Millionen.
Aber mit einer intensiveren Befassung und echten Kontrolle durch den Verteidigungsausschuss und Haushaltsausschuss.
Zum Thema Reserve:
Ist denn da in Zukunft überhaupt noch so ein großer „externer“ Bedarf gegeben?
Durch die 6–jährige Grundbeorderung der Ausscheidenden hat man doch in Zukunft im Bedarfsfall automatisch einen riesigen Pool an Reservisten zur Verfügung, die obendrein noch einigermaßen im Saft stehen (nicht nur was das allgemeinmilitärische abgeht sondern vor allem auch was das das Know How im Fachdienst betrifft), dazu noch ergänzend die FWD Heimatschutz, da erkenne ich jetzt nicht die große Baustelle um im Fall des Falles an Personal zu kommen.
Wenn jedes Jahr ca. 20 ooo Neueinstellungen getätigt werden müssen, dann werden ja in etwa auch die gleiche Anzahl die Bundeswehr pro Jahr verlassen. Das heißt Jahr für Jahr 20 000 automatisch generierte beorderte Reservisten.
Habe gerade die Einlassungen zur Reserve, zum Beurteilungswesen, zur IT und materiellen Ausstattung gelesen und sämtliche Gedanken an eine Reservedienstleistung ad acta gelegt (kann ich gedanklich sehr gut, bin ja beamtet :P ). Auch wenn es mich interessiert (sozusagen als Hobby, aus Idealismus und weil ich Staatsbediensteter bin) wieder etwas bei der / für die / in der Armee zu tun: Ich sitze warm und trocken, Beurteilungen kriege ich auf meinem Dienstposten nicht, Vorgesetzte habe ich genau zwei, die lassen mich in Ruhe, danach kommt der liebe Gott, mein Material und meine IT verwalte ich selbst (man stelle sich das vor, Admin-Rechte auf dem eigenen PC), den ganzen Aufwand bei der Bundeswehr spare ich mir lieber („Sie wollen was? Ein Programm installiert haben damit Sie besser arbeiten können?“, „Herr , den Job von Oberst X im BAAINBw könnten Sie locker machen“ Klar könnte ich. Wenn man mich ließe… Geht aber nicht, weil der Oberst im Weg ist und versorgt sein will…, „Wir machen das mit der Meldung jetzt mit SASPF sagt das Ministerium. Dazu sollen wir dafür sorgen, dass die Datenqualität erhöht wird.“ Klar Herr Oberst, das mache ich schon seit einem halben Jahr so. Und nebenbei habe ich dafür gesorgt, dass die Datenqualität passt.). Nach mehr als zwanzig Jahren aktiver Dienstzeit eigentlich echt traurig, sowas für sich feststellen zu müssen. Uff, das war jetzt ein längerer Rant als ich eigentlich vorhatte. Aber so ist es eben. Und deswegen wird es nix mit dem qualifizierten Personal.
@Sailor sagt:
16.03.2022 um 22:04 Uhr
Zum Thema Reserve: …
Großer Denkfehler, denn: Die „Reservistendienstleistung“ ist nur auf f r e i w i l l i g e r Basis möglich, also nicht zwingend!! Nur auf dem Papier sind sie da! Dazu hat @Pio-Fritz sagt:
16.03.2022 um 14:07 Uhr… alles wie ich finde passend zusammengefasst.
Auch dieses „Konzept“ wird sich angesichts der aktuellen Lage wohl spätestens mittelfristig ändern müssen! Ich denke Wehrübungen mit Volltruppe werden irgendwann wieder kommen müssen, um die Durchhaltefähigkeit der aktiven Truppe langfristig sicherstellen zu können! Denn: Der Krieg in der UKR zeigt doch derzeit sehr deutlich, was eine motivierte Reserve leisten kann.
Da das Mittel „25-Mio-Vorlage“ lediglich eines Protokollzusatzes (!) einer Sitzung des Haushaltsausschusses aus dem Jahr 1981 (!) entspringt, und kein weiteres Ressort eine solche zusätzliche Hürde hat, gehört das Ganze eingestampft. Es gibt keinerlei Verordnung oder Gesetz, die diese Hürde vorsieht. Das Parlament ist bei der Aufstellung des Haushalts ja bereits beteiligt.
Siehe hierzu auch:
https://books.google.de/books?id=r3mLJOEdOA8C&pg=PA53&lpg=PA53&dq=25+mio+vorlage+gesetlicher+hintergrund&source=bl&ots=9-PztM8JEp&sig=ACfU3U2U6S8DjLDBPaPeEBs1I2PUla2v2A&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwiWzJnP9sz2AhWQhP0HHaUfBQUQ6AF6BAgvEAM#v=onepage&q=25%20mio%20vorlage%20gesetlicher%20hintergrund&f=false