Ukraine/Russland/NATO – Sammler 15. Februar 2022 (Nachtrag: Scholz/Putin-Pressekonferenz)
Die diplomatischen Bemühungen um eine Beilegung der Krise um die Ukraine – und eine Entspannung zwischen Russland und dem Westen – gehen unvermindert weiter. Einen Tag bevor nach Einschätzung von US-Geheimdiensten ein russischer Angriff auf die Ukraine beginnen könnte, reiste Bundeskanzler Olaf Scholz nach Moskau. Aus militärischer Sicht bedeutsam: Russland stellte einen Abzug seiner bereitstehenden Einheiten in Aussicht. Der Sammler am 15. Februar 2022:
• In einer Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums ist, das ist nicht neu, die russische Truppenpräsenz an den Grenzen zur Ukraine als Teil ganz normaler Übungen dargestellt. Bedeutsam ist aber der letzte Absatz, in dem von einem bereits begonnenen Rückmarsch von Einheiten die Rede ist:
Erklärung von Generalmajor Igor Konaschenkow, Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, zur Rückkehr von Verbänden und militärischen Einheiten an ihre ständigen Einsatzorte
Die Streitkräfte der Russischen Föderation setzen eine Reihe groß angelegter operativer Ausbildungsmaßnahmen für Truppen und Kräfte fort. Fast alle Militärbezirke, Flotten und die Luftlandetruppen sind daran beteiligt.
Eine gemeinsame russisch-weißrussische Übung mit dem Titel „Union Resolve 2022“ wird auf dem Territorium der Republik Weißrussland als Teil der Überprüfung der Reaktionskräfte des Unionsstaates durchgeführt.
Die Truppen des Militärbezirks Ost und die Luftlandetruppen, die an dieser Übung teilnehmen, üben in Zusammenarbeit mit den belarussischen Streitkräften die Abwehr eines Angriffs auf den Unionsstaat im Rahmen einer Verteidigungsoperation.
Am 19. Februar findet auf dem Truppenübungsplatz Obuz-Lesnovsky eine Übung mit scharfer Munition statt. Während dieser Veranstaltung wird die Marinebrigade zusammen mit Formationen und militärischen Einheiten der Streitkräfte der Republik Belarus, unterstützt durch die operativ-taktische und militärische Luftfahrt, die Durchführung von Verteidigungskämpfen und Manövern in andere Richtungen üben.
Die Militärattachés für Verteidigungsangelegenheiten in den ausländischen Botschaften in der Republik Belarus und die Vertreter der Medien wurden eingeladen, die praktischen Übungen zu beobachten.
Eine Reihe von Marineübungen, an denen Überwasserschiffe, U-Boote und Marineflieger beteiligt sind, werden in den operativ wichtigen Gebieten der Weltmeere und in den an das russische Hoheitsgebiet angrenzenden Gewässern durchgeführt.
Die Übungen mit Verbänden und militärischen Einheiten auf anderen Truppenübungsplätzen auf russischem Gebiet werden fortgesetzt. Eine Reihe von Kampftrainingsaktivitäten, einschließlich Übungen, wurden wie geplant durchgeführt.
Wenn die Gefechtsübungen zu Ende gehen, werden die Truppen wie immer in gemeinsamen Märschen zu ihren ständigen Einsatzorten marschieren. Die Untereinheiten der Militärbezirke Süd und West, die ihre Aufgaben erfüllt haben, haben bereits mit der Verladung auf Schienen- und Straßentransporte begonnen und werden sich heute auf den Weg zu ihren Militärgarnisonen machen. Einzelne Einheiten marschieren allein als Teil von Militärkolonnen.
(Übersetzt mit www.DeepL.com)
Die entscheidende Frage wird natürlich sein, welche Truppen und welches Gerät tatsächlich in ihre Garnisonen zurückkehren. Und, auch das gehört dazu: Wenn die Einheiten der Militärbezirke Süd und West zurück verlegt werden, nicht aber die aus dem Fernen Osten Russlands – bleibt die Frage, ob die Rückkehr der Einheiten in nicht so weit von der ukrainischen Grenze gelegene Garnisonen überhaupt von Bedeutung ist.
• Das russische Außenministerium verwies auf diese Abzüge und erklärte, damit seien die Behauptungen des Westens in sich zusammengefallen:
Russian Foreign Ministry spokeswoman Maria Zakharova just now: “February 15, 2022 will go down in history as the day Western war propaganda failed. Humiliated and destroyed without a single shot fired.”
— Mark MacKinnon (@markmackinnon) February 15, 2022
• Fun Fact am Rande: In einem Bericht der BBC geht es um die Stimmung in Russland, und darin werden auch Ausschnitte aus russischen Medien gezeigt. Unter anderem: Die Vorführung des Deutschen Heeres für Verteidigungsministerin Christine Lambrecht vergangene Woche in Munster als Beleg für die Kriegsvorbereitungen der NATO:
„The picture presented to the Russian public is the polar opposite of how the West sees things.“ Ukraine tensions as seen from Moscow. Camera/edit @mattgodtv Producer @BBCWillVernon @BBCNews @BBCWorld https://t.co/ndgdtTVeXd pic.twitter.com/r8wkFP6EHs
— Steve Rosenberg (@BBCSteveR) February 15, 2022
• Update: In der Pressekonferenz vor dem Treffen der NATO-Verteidigungsminister ab dem (morgigen) Mittwoch sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg, die Zeichen aus Moskau stimmten vorsichtig optimistisch. Aber auch: So far, we have not seen any sign of de-escalation on the ground.
(Von dieser Pressekonferenz gibt es bislang nur das Statement Stoltenbergs als Transkript, noch nicht die Fragen und Antworten; wird ggf. nachgeliefert)
• Nach dem rund dreistündigen Treffen von Scholz und Putin in Moskau gab es eine lange Pressekonferenz. Ein Punkt sticht dabei hervor: Der russische Präsident betonte: Nach unserer Einschätzung ist es so, dass das, was im Donbass geschieht, heute Völkermord ist. – bewusst als Analogie zum Eingreifen der NATO im Konflikt um den Kosovo 1999. (KORREKTUR anhand des offiziellen Transkripts der Bundesregierung, s. unten, nicht, wie zunächst geschrieben, an Völkermord grenzt)
Das Transkript der Pressekonferenz:
P Putin: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, wir freuen uns, im Kreml den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu empfangen. Herr Scholz ist zum ersten Mal als Chef des Bundeskabinetts in Russland. Als er als Erster Bürgermeister der Stadt Hamburg regiert hat, hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass die Partnerschaft mit Sankt Petersburg nach vorne gebracht wurde. Diese Städtepartnerschaft jährt sich übrigens im laufenden Jahr zum 65. Mal.
Bei den heutigen Gesprächen, die sachlich verlaufen sind, haben wir uns in der Sache eingehend mit bilateralen Fragen beschäftigt. Auch haben wir über die Zukunft dieser Beziehungen gesprochen. Ein besonderes Augenmerk galt besonders drängenden internationalen Fragen. Ich habe mehr als einmal gesagt, dass Deutschland zu den wichtigsten Partnern Russlands gehört. Immer wollten wir diese Zusammenarbeit zwischen unseren Staaten stärken.
Ich habe den Eindruck gewonnen, dass auch der Herr Bundeskanzler gewillt ist, weiter pragmatisch und gegenseitig vorteilhaft mit Russland zusammenzuarbeiten. Das bezieht sich vor allem auf Wirtschaftsverbindungen, die traditionell sehr intensiv sind. Deutschland rangiert nach der chinesischen Volksrepublik unter den Außenhandelspartnern Russlands auf Rang zwei. Trotz der schwierigen Situation, die durch die Coronapandemie ausgelöst wurde, und trotz der Volatilität der globalen Märkte ist es so gewesen, dass wir 2021 den bilateralen Handel im Aufwärtstrend gesehen haben. Er hat um 36 Prozent zugenommen und liegt bei knapp 47 Milliarden US-Dollar. Die deutschen Investitionen in die russische Wirtschaft belaufen sich auf mehr als 21 Milliarden US-Dollar, und die Investitionen aus Russland belaufen sich auf 10 Milliarden US-Dollar. Insgesamt gibt es in Russland ca. 4000 Firmen mit deutschem Kapital. Regelmäßig treffen wir uns mit den Spitzenvertretern der größten deutschen Unternehmen. Ich kann Ihnen sagen, dass diese Treffen natürlich fortgesetzt werden. Die sind sehr wichtig, weil wir die Meinung der deutschen Partner dazu hören wollen, wie das entsprechende Gesprächsklima auf dem russischen Markt gestaltet werden kann. Das ist sehr hilfreich für uns; denn Unternehmer sprechen häufig aktive Vorschläge aus, wie das Geschäftsklima beziehungsweise das Investitionsklima in Russland verbessert werden kann. Viele dieser Vorschläge berücksichtigen wir, durchdenken sie und setzen sie dann in unserem praktischen Leben um.
Eine besondere Rolle in der bilateralen Zusammenarbeit spielt die Energiewirtschaft. Schon in den Siebzigerjahren haben unsere Länder ein zeichensetzendes Projekts realisiert, das Röhrengeschäft. Seit dieser Zeit ist es so gewesen, dass deutsche und europäische Verbraucher zuverlässig mit russischem Gas versorgt werden. Russland sorgt momentan für mehr als ein Drittel des deutschen Energiebedarfs, bei Erdöl mit 34 Prozent und bei Gas mit mehr als 35 Prozent. 2021 hat Deutschland 15,7 Millionen Kubikmeter an russischem Gas erhalten. Auch in der Zeit der hohen Börsenpreise auf Gas und auch in der Zeit des mangelhaften Angebots in Europa haben wir deutsche Verbraucher mit Gas versorgt, und zwar auf der Grundlage von Preisen, die sich aus langfristigen Verträgen ergeben.
Der deutsche Regulator führt jetzt eine Zertifizierung von Nord Stream 2 durch. Technisch gesehen ist diese Pipeline seit Ende vergangenen Jahres fertig. Das ist eines der größten Infrastrukturprojekte in Europa. Mit diesem Projekt soll die Energiesicherheit auf dem Kontinent verbessert werden, und durch dieses Projekt soll dazu beigetragen werden, dass europäische, wirtschaftliche und umweltpolitische Aufgaben gelöst werden. Ich habe mehr als einmal gesagt, dass das ein rein privatwirtschaftliches Projekt ist. Es gibt hier keinerlei politische Schattierung.
Ich möchte an dieser Stelle auch deutlich machen, dass wir bereit sind, unsere Gaslieferungen durch die Ukraine fortzusetzen, auch über das Jahr 2024 hinaus, wenn der laufende Transitvertrag durch die Ukraine auslaufen wird. Natürlich werden europäische Importeure wollen, dass sich dieses Projekt rentiert und das Pipelinenetz der Ukraine technisch intakt ist.
Große Aussichten eröffnen sich in unseren Augen auch in anderen Energiebranchen. Es geht dabei um Entwicklung, Kommerzialisierung und Einsatz von erneuerbaren Energieträgern. Heute haben wir darüber in Bezug auf den Wasserstoff gesprochen. Der Dialog in all diesen Fragen gestaltet sich weiter im Rahmen der bilateralen Arbeitsgruppe für nachhaltige Energie.
Außerdem haben wir ein Interesse daran, dass wir mit Blick auf den Klimaschutz enger mit deutschen Partnern zusammenarbeiten. Unter den Vorschlägen dazu, wo wir uns gemeinsam bemühen können, befinden sich zum Beispiel eine gemeinsame Überwachung von CO2-Emissionen und die Erarbeitung von Methoden, mit denen diese Schadstoffe gebunden werden können. Es geht dabei um einen breiten Einsatz von Wasserstoff als grünem Brennstoff.
Wir haben auch über humanitäre Beziehungen gesprochen. Beide Seiten sind daran interessiert, bilaterale wissenschaftliche Bildungsaustauschprogramme weiterzuentwickeln. Das deutsch-russische Zivilgesellschaftsforum „Petersburger Dialog“ soll jetzt eine Rolle dabei spielen.
Natürlich haben wir uns offen über russische Initiativen und Vorschläge an die USA und an die Nato ausgetauscht, die sich auf langfristige juristisch verpflichtende Sicherheitsgarantien für Russland beziehen. Gesprochen haben wir auch über die wichtigsten Forderungen. Die wichtigsten davon sind die Nichtzulassung der weiteren Nato-Erweiterung, der Verzicht auf die Installation von Angriffswaffen in der Nähe russischer Grenzen und der Rückzug des militärischen Potenzials und der Infrastruktur der Allianz in Europa auf den Zustand von 1997, als die Russland-Nato-Grundakte unterzeichnet wurde. Russland kann sich nicht davor verschließen, wie die USA und die nordatlantische Allianz ziemlich willkürlich und zu ihren eigenen Gunsten die wichtigsten Grundsätze der gleichen und unteilbaren Sicherheit interpretieren, die in vielen gesamteuropäischen Dokumenten verankert sind. Dieser Grundsatz umfasst nicht nur die Bestimmung, dass es das Recht gibt, seine Sicherheit frei zu gewährleisten und jeglichen militärischen Allianzen beizutreten, was unsere Kollegen immer wieder betonen, sondern es gibt auch Verpflichtungen, seine eigene Sicherheit nicht auf Kosten von anderen Staaten zu gewährleisten. Die Nato bezieht sich auf die Politik der offenen Tür. Wir wissen von Artikel 10 des Nordatlantikvertrags. Ich habe mich bei den früheren Pressekonferenzen nach meinen Gesprächen mit unseren europäischen Partnern dazu geäußert. In Artikel 10 gibt es eine solche Bestimmung nicht. Man kann einladen, aber man ist nicht verpflichtet, neue Mitglieder einzuladen. Das war es dann schon.
Die militärische Eindämmung Russlands wird von uns als direkte und unmittelbare Sicherheitsstörung wahrgenommen. Dieser Bedrohung begegnen sollen juristisch verpflichtende Abkommen, deren Entwürfe wir eingereicht haben. Die Antworten, die wir von den USA und den Nato-Mitgliedsländern erhalten haben, entsprechen aus unserer Sicht nicht den wichtigsten Anforderungen Russlands. Doch in den Antworten, die vorgelegt wurden, gibt es, wie Außenminister Lawrow mir gestern berichtet hat, einige Überlegungen, die wir nicht nur besprechen wollen. De facto haben wir diese Überlegungen ja unseren Partnern in früheren Zeiten angeboten und vorgeschlagen. Es ging um europäische Sicherheit, es ging um bestimmte Waffengattungen – ich meine Kurz- und Mittelstreckenraketen -, und es geht um militärische Transparenz. Wir sind bereit, diese Zusammenarbeit weiter zu pflegen. Wir sind auch bereit, diesen Gesprächsprozess fortzusetzen. Doch alle Fragen, die ich benannt habe, müssen in einem Paket betrachtet werden, ohne Loslösung von den wichtigsten russischen Forderungen, deren Umsetzung für uns eine absolute Priorität ist.
Die Thematik der europäischen Sicherheit wurde auch im Kontext der ukrainischen Konfliktlösung erörtert. Die Kiewer Regierung verweigert sich, wie bekannt ist, der Erfüllung der Minsker Vereinbarung und der Umsetzung der Vereinbarung von 2015 beziehungsweise der Vereinbarungen, die auf den späteren Normandie-Gipfeln erreicht wurden, insbesondere in Berlin und in Paris. Es gibt auch keine Bewegung in Grundsatzfragen wie Verfassungsreform, Amnestie, Kommunalwahlen und rechtliche Aspekte des Sonderstatus des Donbass. Bislang ist auch die Formel des ehemaligen Bundesaußenminister und heutigen Bundespräsidenten Steinmeier nicht in das ukrainische Recht überführt worden. Diese Steinmeier-Formel hatte er als Kompromiss zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen vorgeschlagen. Bedauerlicherweise ist es so, dass auch diese Formel nicht umgesetzt worden ist. Man ignoriert Möglichkeiten, die territoriale Integrität des Landes friedlich wiederherzustellen, indem man in einen direkten Dialog mit Donezk und Lugansk eintritt. Massenhaft werden Menschenrechtsverletzungen zugelassen. Gesetzlich verankert ist eine Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung.
Wir sprachen über einige weitere drängende internationale Fragen. Insbesondere ging es um das iranische Nuklearprogramm. Auf der Ebene der Außenministerien stehen wir im Austausch miteinander. Ich muss an dieser Stelle deutlich machen, dass unsere Positionen hier ziemlich ähnlich sind.
Abschließend möchte ich dem Herrn Bundeskanzler für diese Zusammenarbeit und für das hilfreiche und aufschlussreiche Gespräch danken. Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit.
BK Scholz: Meine Damen und Herren, es ist gut und wichtig, heute hier in Moskau zu sein. Ich bedanke mich für den Empfang und für das lange, ausführliche Gespräch. Wir haben, wie Sie ja schon der Darstellung des Präsidenten entnommen haben, kein Thema ausgelassen, das gegenwärtig in den Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern, aber auch in den europäischen Beziehungen und den internationalen Beziehungen eine Rolle spielt. Das ist gut so; denn natürlich ist es wichtig, dass wir tatsächlich miteinander reden.
Unsere beiden Länder sind historisch und kulturell eng miteinander verflochten. Die Beziehungen sind tief und vielfältig. Das zeigen beispielsweise die mehr als 90 aktiven Städtepartnerschaften und der rege Kultur-, Jugend- und Bildungsaustausch. Gerade ist das Deutschlandjahr in Russland zu Ende gegangen. Etwa 1000 Veranstaltungen in mehr als 70 Städten behandelten das ganze Themenspektrum unserer Beziehungen, von Kultur über Wissenschaft, Umwelt und Nachhaltigkeit bis hin zu Diversität.
Auch unsere Wirtschaftsbeziehungen haben nach wie vor großes Potenzial – das haben Sie eben schon gehört -, insbesondere bei zentralen Zukunftsthemen wie der Dekarbonisierung, den erneuerbaren Energien, Wasserstoff und der Digitalisierung. Unserer Verantwortung für das Menschheitsthema des Klimawandels können wir nur gerecht werden, wenn wir es gemeinsam angehen. Deshalb ist es wichtig, dass das auch in den Beziehungen zwischen Deutschland und Russland für die Zukunft von zentraler Bedeutung bleibt. Energie wird auch heute geliefert, aber die Frage ist, wie wir es hinbekommen, dass das auch in einer industriellen Welt gelingen kann, die CO2-neutral ist, was notwendig ist, wenn wir auf diesem Planeten gut leben können wollen.
Ein unverzichtbarer Pfeiler unserer Beziehungen ist der zwischengesellschaftliche Dialog, der viel zur Verständigung und zur Aussöhnung zwischen unseren Völkern nach dem Zweiten Weltkrieg beigetragen hat. Diese Entwicklung gilt es weiter zu fördern. Darum haben wir heute auch schon über den Petersburger Dialog gesprochen. Er steht seit Jahren für die deutsch-russische Verständigung und ist gerade jetzt wichtiger denn je. Ich habe daher meine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass bei weiteren hochrangigen Gesprächen in nächster Zeit eine Lösung für die aktuelle Blockade erreicht werden kann. Denn wir brauchen einen Raum für einen offenen und ehrlichen Dialog, in dem alle Themen besprochen werden können und in dem sich alle, die es wollen und die dazugehören, in diese Debatte einbringen können.
Mit Sorge sehen wir, wie die Räume für die Zivilgesellschaft enger werden. Das gilt für uns insbesondere im Hinblick auf Partner, mit denen wir lange und wichtig zusammengearbeitet haben. Ich will hier die Gruppe Memorial nennen. Es ist in Deutschland auf großes Unverständnis gestoßen, dass sie ihre Tätigkeit nun nicht fortsetzen kann, ausgerechnet eine Organisation, die unter anderem einen zentralen Beitrag zur Aufklärung des Schicksals der sowjetischen Zwangsarbeiter in Nazideutschland geleistet hat. Wir hoffen, dass dort eine gute Perspektive möglich ist. Ich habe in unseren Gesprächen auch die Erwartung geäußert, dass die Deutsche Welle in Russland weiterhin journalistisch tätig sein kann.
Wie schon gesagt, ein breites Themenspektrum von bilateralem Interesse. Wir haben dabei auch die kritischen Fragen nicht vermieden. Das zeichnet solche Gespräche aus und ist wichtig.
Mein Besuch heute steht aber natürlich ganz wesentlich im Zeichen der wohl schwersten und bedrohlichsten Krise, die wir seit sehr, sehr langer Zeit in Europa erleben. Die militärischen Truppenzusammenstellungen und Aktivitäten Russlands an der ukrainischen Grenze haben einen breiten Raum in unseren Gesprächen eingenommen wie natürlich auch die Fragen nach den Sicherheitsgarantien, die Russland formuliert hat. Ich habe dabei unsere, meine Einschätzung der Sicherheitslage erläutert und auch, wie wir und unsere europäischen Partner diese Entwicklung bewerten, aber auch natürlich den Truppenaufmarsch als Bedrohung empfinden. In diesem Zusammenhang kann man gar nicht genug betonen, dass wir sehr besorgt darüber sind, was wohl aus den 100 000 Soldaten und ihren Aktivitäten in nächster Zeit werden wird. Wir können keinen vernünftigen Grund für diese Truppenzusammenstellung erkennen. Deshalb ist die Deeskalation dringend geboten. Das ist in dieser angespannten und schwierigen Situation wichtig, damit es keinen Krieg in Europa gibt.
Präsident Putin hat mir in unserem Gespräch von den gestrigen Beratungen mit seinem Außenminister und dem Verteidigungsminister berichtet. Er hat davon eben auch erneut gesprochen. Ich stimme ausdrücklich zu: Die diplomatischen Möglichkeiten sind bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. – Jetzt muss es darum gehen, entschlossen und mutig an einer friedlichen Auflösung dieser Krise zu arbeiten. Dass jetzt, wie wir hören, einzelne Truppen abgezogen werden, ist jedenfalls ein gutes Zeichen. Wir hoffen, dass noch weitere folgen.
Wir sind bereit, gemeinsam mit allen Partnern und Verbündeten in der EU und der Nato und mit Russland ganz konkrete Schritte zur Verbesserung der gegenseitigen oder noch besser der gemeinsamen Sicherheit zu unternehmen. Dazu hat die Nato bereits zu konkreten thematischen Gesprächen im Nato-Russland-Rat eingeladen. Dazu sind die USA in ihrem bilateralen Gespräch mit Russland bereit. Im Rahmen der OSZE hat der polnische Vorsitz einen neuen, hochrangigen Dialogprozess initiiert. Dieser Dialog wird im Geist der Gegenseitigkeit und in Anerkennung der Gesamtheit von Prinzipien und Verpflichtungen erfolgen, die wir alle gemeinsam in der OSZE vereinbart haben. Dazu gehören die Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa und die Souveränität und territoriale Unversehrtheit aller Staaten, auch der Ukraine. Sie sind für uns unverhandelbar.
Mein dringender Wunsch: Lassen Sie uns diese Dinge im Wege des Dialogs weiterbereden. Wir dürfen nicht in einer Sackgasse enden. Sie wäre ein Unglück für uns alle.
Für die Bundesregierung ist klar, dass eine weitere militärische Aggression gegen die Ukraine schwerwiegende politische, wirtschaftliche und strategische Konsequenzen zur Folge hätte. Mein Eindruck ist: Das wissen alle ganz genau. – Eine solche Eskalation gilt es deshalb jetzt mit aller Kraft und Entschlossenheit und mit aller Klugheit zu vermeiden. Die Suche nach diplomatischen Lösungen ist ein zentraler Grund meiner Reise nach Kiew gestern und nun nach Moskau. Präsident Putin und ich, wir sind uns darin einig, dass das Normandie-Format neben den Gesprächen zwischen den USA und Russland, im Nato-Russland-Rat und in der OSZE ein weiteres wichtiges Format zur Beilegung des Konflikts darstellt. Hier brauchen wir Bewegung und natürlich auch Fortschritt.
Deshalb ist es gut, dass Präsident Selensky gestern fest zugesagt hat, dass der Trilateralen Kontaktgruppe, die im Rahmen des Minsker Prozesses festgesetzt worden ist und in der alle Beteiligten zusammenkommen, in Kürze alle drei vorgesehenen Gesetzestexte zum Status der Ostukraine, zur Verfassungsänderung und zur Wahlvorbereitung vorliegen werden. Das ist ein guter Fortschritt, und daran gilt es anzuknüpfen. Ich habe den Präsidenten ermuntert, seine Verhandler mit einem entsprechenden konstruktiven Mandat auszugestalten, sodass wir dort Fortschritte erreichen.
Zum Abschluss auch noch dieses: Für uns Deutsche, aber auch für alle Europäer ist klar, dass nachhaltige Sicherheit nicht gegen Russland, sondern nur mit Russland erreicht werden kann. Darüber sind wir uns alle in der Nato und der Europäischen Union aber auch einig. Deshalb müsste es möglich sein, eine Lösung zu finden. So schwierig und ernst die derzeitige Lage auch scheint, ich weigere mich, sie als aussichtslos zu beschreiben. Von allen ist jetzt mutiges und verantwortungsbewusstes Handeln gefragt.
Das will ich noch sagen: Für meine Generation ist Krieg in Europa undenkbar geworden, und wir müssen dafür sorgen, dass das so bleibt. Es ist unsere verdammte Pflicht und Aufgabe als Staats- und Regierungschefs, zu verhindern, dass es in Europa zu einer kriegerischen Eskalation kommt.
Frage: Präsident Putin, Sie haben gleichzeitig signalisiert, dass Sie den Dialog sehen und haben gleichzeitig Kritik geübt. Hat der Bundeskanzler nicht genug mitgebracht, besonders von Präsident Selensky mit diesen Zusicherungen?
Und die Frage, die sich alle Europäer stellen, ist: Trotz dieser engen Beziehungen zu Russland, wird es noch mal Krieg geben in Europa? Schließen Sie jetzt im Augenblick Krieg aus? … (Die Rednerin setzt auf Englisch fort. Eine Dolmetschung erfolgt nicht.)
Und Herr Bundeskanzler, an Sie die Frage: Wie schätzen Sie denn jetzt die Lage nach diesem Gespräch ein? Gab es Fortschritte so, wie Sie sich das vorgestellt haben, und was muss der nächste Schritt sein?
P Putin: Zum Stichwort Krieg in Europa: Herr Bundeskanzler hat gerade gesagt, dass sich die Menschen seiner Generation – und ich gehöre nun einmal seiner Generation an – nur schwer vorstellen können, dass es in Europa einen Krieg geben wird. Das hat er in Bezug auf die Situation rund um die Ukraine gesagt.
Aber wir haben doch bereits Krieg in Europa erlebt. Dieser Krieg wurde von der Nato gegen Jugoslawien entfesselt. Das war eine groß angelegte militärische Operation mit Raketen- und Bombenangriffen gegen eine der europäischen Hauptstädte, gegen Belgrad. Das gab es doch schon, und zwar ohne dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das irgendwie genehmigt hat. Das ist ein sehr schlechtes Beispiel, aber dieses Beispiel hat es gegeben. Das ist mein erster Punkt.
Mein zweiter Punkt: Wollen wir das oder nicht? – Natürlich nicht. Gerade deshalb haben wir unsere Vorschläge unterbreitet, einen Gesprächsprozess zu starten, der dazu führen soll, dass wir uns über gleiche Sicherheit für alle einschließlich Russlands einigen. Leider – das haben wir schon deutlich gemacht – ist eine sachliche, konstruktive Antwort auf unsere Vorschläge bei uns nicht eingegangen.
Nichtsdestoweniger gehen wir davon aus, dass die Dokumente, die unsere Partner aus der Nato, aus Washington uns übermittelt haben, doch einige Elemente enthalten, die verhandelt werden können. Aber wir sind nur dann dazu bereit, wenn das in einem Paket mit den Grundsatzfragen geschieht, die für uns von allergrößter Bedeutung sind. Wir hoffen – das habe ich dem Bundeskanzler heute gesagt -, dass sich der Dialog genau so gestalten wird. Je nachdem, wie sich dieser Dialog gestalten wird, wird sich auch die Situation in Bezug auf alle weiteren Fragen entwickeln, die Sie und uns umtreiben. Uns machen sie genauso Sorgen wie Ihnen.
BK Scholz: Ich denke, dass wir jetzt eine Situation haben, in der es darauf ankommt, alle Möglichkeiten zu nutzen, keinen Faden ungenutzt zu lassen und dafür zu sorgen, dass wir eine friedliche Entwicklung möglich machen. Das ist der Grund, aus dem ich berichtet habe, dass jetzt wichtige Voraussetzungen für den Minsker Prozess angekündigt sind, was die entsprechenden Gesetzesvorhaben betrifft. Aus meiner Sicht muss das auch dazu beitragen, dass jetzt die Gespräche in der Trilateralen Kontaktgruppe über diese Vorschläge aufgenommen werden können, und das ist auch ein Ausgangspunkt für eine friedliche Lösung der Situation in der Ukraine mit dem Donbass und mit der ukrainischen Regierung. Für mich ist wichtig, dass die Gespräche dort in dieser Trilateralen Kontaktgruppe stattfinden. Das ist das, was in Minsk miteinander vereinbart worden ist. Wir arbeiten daraufhin, dass das möglich wird.
Ich will gerne noch einmal sagen, dass ich glaube, dass es in Jugoslawien eine etwas andere Situation gab. Es gab die Gefahr eines Völkermordes. Das musste verhindert werden. Ich bin froh, dass wir mittlerweile eine friedliche Entwicklung haben und dass die Länder des Balkans alle jeweils aus sich heraus eine eigene Perspektive in Richtung der Europäischen Union gefunden haben. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen.
P Putin: Gestatten Sie mir, Folgendes nachzuschieben: Nach unserer Einschätzung ist es so, dass das, was im Donbass geschieht, heute Völkermord ist.
Frage: Ich habe viele Fragen in Bezug auf viele Themen, wenn Sie gestatten.
Herr Bundeskanzler, Sie sind gerade aus Kiew zurück, wo Sie Präsident Selensky getroffen haben. Wird Kiew die Minsker Vereinbarungen in der Form erfüllen, in der sie abgeschlossen wurden? Was ist Ihr Eindruck? Wie sind aus Ihrer Sicht die Aussichten auf eine friedliche Lösung?
Herr Putin, heute Morgen gab es Meldungen, dass Truppen teilweise abgezogen werden. Dann gab es Meldungen aus der Staatsduma. Die Abgeordneten rufen Sie mit der Bitte an, die Volksrepubliken Donezk und Luhansk anzuerkennen. Wie kommentieren Sie das?
Außerdem muss ich beide Leader fragen: Was ist das Schicksal von Nord Stream 2? Was sind die Aussichten, was die Umsetzung dieses Projektes mit Blick auf die Spannungen und die Drohungen angeht, die im Zusammenhang mit diesem Projekt ausgesprochen wurden?
Herr Putin, gestatten Sie mir eine weitere Frage. Ich bitte um Nachsicht. Ihr langjähriger Bekannter, Herr Schröder, wurde auf die Kandidatenliste des Aufsichtsrats von Gazprom gesetzt. Danach gab es heftige Kritik an seiner Person. Was können Sie dazu sagen?
P Putin: Zum ersten Punkt in Bezug auf die Abstimmung in der Staatsduma: Gerade vor der Pressekonferenz haben mich die Mitarbeiter der Präsidialadministration über den teilweisen Abzug unserer Truppen aus den Arealen unterrichtet, wo Übungen stattgefunden haben. Was gibt es hier zu kommentieren?
Was die Exekutive anbelangt, insbesondere der militärpolitischen Führung des Landes, so gibt es hier nichts zu kommentieren. Hier gibt es einen Beschluss über den teilweisen Abzug. Die Abstimmung in der Staatsduma ist so oder so damit verbunden, denn die Abgeordneten des russischen Parlaments gehen von der öffentlichen Meinung aus, wie das anderswo auch der Fall ist. Sie gehen von der Meinung der Wählerinnen und Wähler aus. Sie haben einen feinen Sinn für diese Meinung. Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Russland sympathisiert und hat Mitleid mit den Einwohnern des Donbass, unterstützen sie und hoffen, dass sich die Situation dort radikal zum Besseren für sie und in ihrem Sinne verändern kann. Ich weiß, dass es zwei Entwürfe gab. Der eine Entwurf wurde von der Partei Einheitliches Russland eingebracht, die die überwiegende Mehrheit im Parlament hat. Der zweite Entwurf ist heftiger formuliert und ist ein direkter Appell an den Präsidenten, die beiden Republiken anzuerkennen. Es war eine offene, eine freie Abstimmung, wie mir berichtet wurde. Die Parteidisziplin hat hier nicht gegriffen. Die meisten Abgeordneten unterstützten die Resolution, die von der de facto Oppositionspartei, der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation, eingebracht wurde.
Ich werde davon ausgehen, dass wir alles daransetzen müssen, die Probleme des Donbass zu lösen. Aber das muss so geschehen, wie es vom Bundeskanzler bereits verlautbart wurde. Wir müssen davon ausgehen, dass die Möglichkeiten bei der Erfüllung der Minsker Vereinbarungen noch nicht ausgeschöpft sind. Wir hoffen sehr, dass unsere Partner aus Übersee und in Europa, insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich, entsprechenden Einfluss auf die Kiewer Regierung von heute ausüben werden und Lösungen gefunden werden.
Zu Herrn Schröder und Nord Stream 2: Schauen Sie, ich habe das heute dem Bundeskanzler erzählt. Zu Beginn der 2000er-Jahre haben wir uns zusammen mit der Ukraine – die Ukraine wurde damals von Präsident Kutschma regiert; für die Bundesregierung sprach Herr Schröder und für Russland Ihr ergebener Diener –darauf verständigt. Wir haben ein Abkommen unterzeichnet, dass ein internationales Konsortium aus Russland, der Ukraine und Deutschland geschaffen werden soll, an dem womöglich auch andere europäische Staaten beteiligt werden könnten. Dieses Konsortium hätte das Pipelinenetz der Ukraine verwalten können. Es ging nicht um einen Verkauf. Es ging nicht um Übereignungen. Es ging um das Management. Dieses Konsortium hätte das Pipelinenetz entsprechend ausbauen und darin investieren können.
Die neue ukrainische Regierung mit Juschtschenko an der Spitze hat sich geweigert, diese Vereinbarung zu erfüllen. Danach gab es Fragen über eine sichere Gaslieferung nach Deutschland und Europa. Herr Schröder unterstützte damals den Bau von Nord Stream 1. Heute bezieht Deutschland 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas über diese Route. Dieses Gas wird auf der Grundlage von langfristigen Verträgen geliefert, die – das habe ich schon gesagt – dreimal, viermal, siebenmal oder fünfmal so gering waren wie auf dem Spotmarkt. Der deutsche Verbraucher, der Industrieverbraucher, der Haushaltsverbraucher bekommt Gas, dessen Preis um den Faktor fünf günstiger ist. Der deutsche Bürger soll in seine Tasche gucken und sich die Frage beantworten, ob er bereit ist, dreimal so viel, fünfmal so viel für Gas, für Strom zu zahlen. Wenn er das nicht machen will, dann soll er Herrn Schröder danken. Denn das ist das Ergebnis seiner Arbeit. Das ist sein Ergebnis.
Was seine Präsenz in den Verwaltungsgremien von Gazprom anbelangt, so möchte ich Folgendes sagen: Viele in Europa machen sich Sorgen, ob es regelmäßige Energielieferungen aus Russland nach Deutschland und nach Europa geben wird. Wenn eine solche Entscheidung getroffen wird, dass Herr Schröder in den Aufsichtsrat von Gazprom einzieht, so wird diese Entscheidung gerade der Aufgabe dienen, dass insbesondere ein unabhängiger Experte, der er natürlich ist – – – Er ist ein anständiger Mensch, den wir respektieren, dessen Aufgabe es natürlich ist, den Interessen seines eigenen Landes, der Bundesrepublik, zu dienen. Dann werden also die Bundesrepublik und die Europäer mit ihm eine Person haben, die sowohl die Entscheidungen im Aufsichtsrat beeinflussen als auch direkt von Gazprom objektive Informationen bekommen kann. Ich glaube, das wird nur gute Dienste für unsere Zusammenarbeit leisten. Man kann sich nur darüber freuen. Ob das so geschehen soll oder nicht – ich glaube, die Wahlen werden im Juni stattfinden -, ist Sache von Gazprom und die von unabhängigen Experten, insbesondere die Sache von Herrn Schröder.
Stichwort Nord Stream 2: Seine Präsenz im Direktorenrat von Gazprom ist eine natürliche Sache, denn er war mit Nord Stream 1 und mit Nord Stream 2 befasst. Er ist Vorstandsvorsitzender von Nord Stream 2. Ich möchte Sie daran erinnern, dass es dort fünf deutsche Firmen gibt, die an der Finanzierung beteiligt sind, einschließlich zweier deutscher Firmen. Die Pipeline Nord Stream 2 ist fertig und ist bereit, in Betrieb genommen zu werden. Es gibt nur die Frage an den deutschen Regulator, die entsprechende Entscheidung zu treffen, dass Lieferungen über diese Route aufgenommen werden. – Das war es.
BK Scholz: Zunächst zu der Frage nach den Minsker Vereinbarungen: An die müssen sich alle halten. Das gilt für die Regierung der Ukraine. Das gilt selbstverständlich für Russland, Deutschland und Frankreich, die an dem politischen Prozess beteiligt sind, der dazugehört. Deshalb ist es so wichtig, dass alle ihren Beitrag leisten.
Der eine Beitrag ist, dass jetzt all die Gesetzentwürfe zur Verfügung stehen werden, die notwendig sind, um darüber zu reden, wie die drei großen Aufgaben gelöst werden, die ich bereits in meinem Eingangsstatement erwähnt habe und die etwas mit dem speziellen Statut zu tun haben, mit den Wahlen, mit der Steinmeier-Formel und selbstverständlich mit den Verfassungsfragen. Alles das wird vorliegen. Dann wird in dem trilateralen Format zwischen der Ukraine, Russland, der OSZE und den weiteren Beteiligten darüber zu sprechen sein. Das ist das, was vereinbart ist. Dieser Prozess sollte von allen unterstützt und von niemandem aufgehalten werden. Jeder neigt natürlich dazu, die Dinge zu seinen Gunsten auszulegen. Aber in Wahrheit steht alles aufgeschrieben.
Mein Wunsch ist, dass sich alle einen Ruck geben und jetzt das schon einmal Vereinbarte in eine Verständigung übersetzen, in der es noch viel zu diskutieren gibt, aber wo jetzt einmal der nächste Schritt erfolgen soll. Das ist jedenfalls mein Wunsch. Die Voraussetzungen dafür sind da. Wenn sich alle einen Ruck geben, kann es auch klappen, aber nur dann.
Selbstverständlich würde das bedeuten, die Minsker Vereinbarungen zu missachten, wenn die Resolution, die das Parlament heute getroffen hat, Realität würde. Ich glaube, das wissen auch alle Beteiligten. Deshalb geht es nicht um diese Resolution – die würde dagegen sprechen; dann wäre der Prozess abgebrochen und beendet und das wäre eine politische Katastrophe -, sondern es ginge nur, wenn dann gewissermaßen alle wieder zu dieser Minsker Vereinbarung zurückkehren, nach der Sie eingangs gefragt haben. Die hat eben klare Kriterien.
Was Nord Stream 2 betrifft, will ich die privatwirtschaftlichen Aktivitäten eines früheren Politikers nicht weiter kommentieren. Er spricht nicht für die Bundesrepublik Deutschland, sondern für sich.
Was die Pipeline selber betrifft, wissen alle, was los ist. Wir haben uns verpflichtet sicherzustellen, dass der Gastransit in Europa über die Ukraine, über Belarus und Polen mit Nord Stream 1 insgesamt funktioniert, entsprechend der Vereinbarung, die wir haben. Dafür werden wir auch Sorge tragen.
Wir wollen sicherstellen, dass wir eine friedliche Entwicklung in Europa zustande bekommen, dass es nicht zu einer militärischen Konfrontation in der Ukraine kommt. Wenn es doch so ist, dann wird es weitreichende Konsequenzen haben. Darüber sind sich auch alle klar. Wir jedenfalls wissen, was dann zu tun ist. Mein Eindruck ist, dass das auch alle anderen ganz genau wissen. Sie verstehen, was los ist, und sie verstehen auch die politischen Realitäten, in denen wir uns dann bewegen. Deswegen geht es ja jetzt darum, dass wir alles dafür tun, exakt diese Situation zu vermeiden, indem wir auf eine friedliche Entwicklung setzen und uns als wahre politische Führer erweisen, die den Beitrag dazu leisten, dass nicht nur jeder mit dem Finger auf den anderen zeigt, sondern jeder seinen Beitrag dazu leistet, dass der Friede bewahrt werden kann. Das ist die Aufgabe, die wir haben.
Frage: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler. Zuerst an Sie eine Frage: Sie haben eben schon gesagt, dass Sie in Ihrem Gespräch mit Präsident Putin schwierige Themen in den deutsch-russischen Beziehungen angesprochen haben. Sie haben Memorial genannt; Sie haben die Deutsche Welle genannt.
Es gibt ja noch andere Themen, zum Beispiel den Fall Nawalny. Da hat heute ein Prozess begonnen. Es gibt die medizinischen Zwangstests für Ausländer. Es gibt die russischen Cyberattacken auf Deutschland. Haben Sie auch das angesprochen? Auf welche Resonanz sind Sie da bei Präsident Putin gestoßen, und wie würden Sie den Zustand der deutsch-russischen Beziehungen insgesamt beschreiben?
An Sie, Herr Präsident Putin, noch eine Nachfrage zu den ersten Schritten des Truppenabzugs heute: Wie wird das in den nächsten Tagen und Wochen weitergehen? Werden weitere Truppen abgezogen? Können Sie einen Angriff auf die Ukraine heute ausschließen?
Und eine Frage zum Nato-Beitritt der Ukraine: Bundeskanzler Scholz und auch andere Staats- und Regierungschefs der Nato sind ja nicht bereit, eine Garantie dafür abzugeben, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen wird. Können Sie sich vielleicht ein Moratorium vorstellen? Denn es wird ja jetzt von Nato-Seite gesagt, dass ein solcher Beitritt in den nächsten Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten, unrealistisch ist.
BK Scholz: Wir haben viele Themen angesprochen. Ich habe über einige berichtet.
Was Herrn Nawalny betrifft, ist meine Haltung sehr klar. Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen ist seine Verurteilung nicht vereinbar. Diese Position habe ich schon bei vielen Gelegenheiten zum Ausdruck gebracht.
P Putin: Wie wollen wir denn weiter planmäßig vorgehen und woraus setzt sich dieser Plan zusammen? Er wird sich nach den Realitäten vor Ort richten.
Wer kann denn genau sagen, wie sich die Lage vor Ort gestalten wird? Niemand. Das hängt nicht nur von uns ab. Aber wir wollen und werden es anstreben, dass wir Vereinbarungen mit unseren Partnern über die Fragen treffen, die wir in den Raum gesetzt haben, damit diese Fragen diplomatisch gelöst werden können.
Was sind das für Fragen? In Bezug auf die russische Sicherheit geht es dabei um die Nichtausdehnung der Nato, um den Rückzug der militärischen Infrastruktur der Allianz auf Stand von 1997 und die Nichtaufstellung von Angriffswaffen in der Nähe unserer Grenzen. Ich glaube, alles liegt hier auf der Hand und ist verständlich.
Wir sind bereit, auch über weitere Fragen und Aspekte zu sprechen, die in der Antwort enthalten sind, die wir erhalten haben. Aber in erster Linie geht es dabei um die Schwerpunkte, die für uns von größter Priorität sind.
Was war der zweite Teil Ihrer Frage? Ich habe hier etwas gekritzelt.
Zusatz: Es ging um den Truppenabzug von der ukrainischen Grenze und um die Nato-Erweiterung.
P Putin: Was den Truppenabzug anbelangt, so habe ich mich dazu geäußert. Ich glaube, ich habe diesen Teil Ihrer Frage beantwortet.
Stichwort Nato-Ausdehnung. Sie haben einen wunderbaren Satz gesagt: Die Ukraine soll in den nächsten Jahren nicht in die Nato aufgenommen werden. Was heißt denn, die Ukraine soll nicht aufgenommen werden? Wir müssen ja verstehen, was es heißt, wenn man etwas in den zwischenstaatlichen Beziehungen sagt. Schon seit 30 Jahren heißt es, die Nato würde sich um keinen Inch weiter gegen russische Grenzen erweitern. Momentan erleben wir die Nato-Infrastruktur direkt an unserer Haustür. Mehr noch: Es wird darüber diskutiert, dass die Ukraine der Nato beitreten soll. Es soll nicht morgen kommen, wie Sie gesagt haben. Wann soll das dann kommen? Übermorgen? Was würde das für uns – historisch gesehen – ändern? Das ändert nichts für uns.
Wir bekommen zu hören, dass die Ukraine nicht reif für eine Nato-Mitgliedschaft sei. Wir kennen diese These. Gleich heißt es, dass die Ukraine morgen nicht aufgenommen werde. Wann wird sie denn aufgenommen? Es heißt, wenn sie darauf vorbereitet ist, und dann kann es schon zu spät für uns sein. Deshalb wollen wir diese Frage jetzt lösen, direkt in der nächsten Zeit im Rahmen eines Gesprächsprozesses, in dem friedliche Mittel verwendet werden. Davon wollen wir ausgehen. Wir hoffen sehr, dass unsere Sorgen von unseren Partnern gehört und ernst genommen werden.
Frage: Guten Tag, meine erste Frage geht an Herrn Putin. Gestern haben Sie im Gespräch mit Sergej Lawrow die Antwort in Bezug auf die Sicherheitsgarantien abgestimmt. Sie sind darin übereingekommen, dass es eine Zukunft für die Gespräche gibt. Heißt es, dass es langjährige Gespräche bereits gegeben hat und Washington und der Westen diese wichtigsten Forderungen ablehnen? Habe ich Sie richtig verstanden?
Meine nächste Frage geht an den Bundeskanzler. Ich spreche für RT. Meine Frage bezieht sich auf das Verbot von RT in Deutschland. Kann eine Bewegung in dieser Frage möglich sein? Ist eine konstruktive Lösung in dieser Frage möglich? Vielleicht sollte man eine gemeinsame Arbeitsgruppe einrichten, damit wir in Deutschland und die Deutsche Welle in Russland weiter senden können.
P Putin: Hier wurde die Frage nach der Deutschen Welle an unseren Gast gestellt. Herr Bundeskanzler und ich haben uns heute über die Deutsche Welle in Russland und RT in der Bundesrepublik ausgetauscht. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, um die Situation nicht zu verkomplizieren. Aber wir sind darin übereingekommen, dass wir uns Gedanken darüber machen werden, wie diese Probleme einer Lösung zugeführt werden können. Das wäre mein erster Punkt.
Der zweite Punkt: Sie fragten nach langjährigen Gesprächen, die zu nichts führen können. Mit dem Außenminister und meinen Kollegen aus dem Verteidigungsministerium, aus dem Sicherheitsrat denken wir immer wieder darüber nach. Natürlich haben wir die Sorge und die Befürchtung, dass der Gesprächsprozess zu den für uns wichtigsten Sicherheitsfragen von unseren Partnern unbegründet verschleppt werden kann und dass im Rahmen dieses Gesprächsprozesses Entscheidungen getroffen werden, die unsere Lage in einer gravierenden Weise verkomplizieren werden, so wie das in den vergangenen Jahren geschehen ist. Das ist eine Frage, die in unserem Fokus steht. Das ist etwas, was wir verstehen. Das ist etwas, was wir natürlich mit unseren Partnern besprechen wollen, und das ist etwas, was wir nicht zulassen werden.
BK Scholz: Zunächst einmal die Frage nach RT, die Sie gestellt haben: Das ist ein rechtsstaatliches Verfahren. Darin können Anträge gestellt werden – auch solche, die bisher nicht gestellt wurden. Sie werden dann ordnungsgemäß von den zuständigen Behörden bearbeitet. Das geschieht nach Gesetzen, die bereits existieren und auf die sich jeder gleichmäßig berufen kann. Darauf können sich alle verlassen. Aber es gibt immer ein rechtsstaatliches Verfahren, und dafür müssen jeweils die Voraussetzungen stimmen.
Ich will noch etwas zu der Situation der Gespräche sagen: Die Positionen sind unterschiedlich. Das ist klar geworden. Darum haben wir uns so lange unterhalten. Das ist auch richtig. Aber es ist immerhin so, dass mittlerweile gesprochen wird. Ich finde es richtig, dass die Nato und die Europäische Union auf die Briefe Russlands geantwortet haben. Es ist ein gutes Zeichen, dass Russland mit der Antwort zwar nicht einverstanden ist, aber sagt: Darin sind ein paar gute Dinge.
Umgekehrt ist es so, dass mit den Vorstellungen, die Russland formuliert hat, die Nato, die EU und auch wir nicht einverstanden sind. Aber wir finden, darin sind ein paar Punkte, über die es lohnt miteinander zu reden.
Wir alle müssen vermeiden, dass es zu einer gefährlichen Situation in Europa kommt. Deshalb ist es jetzt notwendig – jeder weiß, das sind schon ganz viele kleine Ansätze für Gespräche -, diese auch real über all die Fragen zu führen, die wichtig sind. Das fängt an bei der Frage der Lösung der Problematik der Ukraine mit den Minsker Vereinbarungen und dem Prozess, der dazu vereinbart ist. Daran müssen sich alle präzise halten und mit innerem Willen auf einen Erfolg miteinander sprechen.
Das gilt auch für die unterschiedlichen Positionen zur Frage der Nato-Osterweiterung. Da ist ja die etwas eigenwillige Situation, dass sie gar nicht ansteht. Sie steht nicht auf der Tagesordnung. Jeder weiß es ganz genau. Das ist kein Thema, das uns wahrscheinlich wieder in unseren Ämtern begegnen wird, solange wir sie ausüben. Ich weiß jetzt nicht, wie lange der Präsident vorhat, im Amt zu sein. Ich habe jedenfalls das Gefühl, das könnte länger dauern, aber nicht ewig. Insofern werden wir deshalb jetzt doch die Aufgabe haben, aus diesem Punkt etwas zu machen. Es geht darum, dass man miteinander zu einer politischen Verständigung kommen kann, ohne dass irgendjemand dabei seine Grundsätze und Prinzipien aufgeben muss. Das ist politische Führung, und das ist Verantwortung, die wir gegenüber unseren Ländern, die wir regieren, und dem internationalen Frieden und der Zusammenarbeit in Europa haben.
Darum geht es dann auch, wenn wir insgesamt über die Fragen von Transparenz und Rüstungskontrolle sprechen, die für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa wichtig sind. Der Wunsch ist von allen formuliert. Die Nato hat das positiv beantwortet – wenn auch anders als gewünscht, aber immerhin. Da ist ein Ausgangspunkt, und wir sollten die Ausgangspunkte nutzen, um unserer Verantwortung gerecht zu werden.
@Der Realist sagt: 15.02.2022 um 21:43 Uhr
Doch. Genau das ist der Fall. Da wird ein Beschluss gefasst und Mitgliedsstaatwn gefragt, ob sie Truppen stellen wollen. Das ist Bach EU-Vertrag sogar einfacher als in der NATO. Wo sehen Sie da den Unterschied zwischen Mali und der Ukraine? Alles eine Frage der Einladung.
@Wacaffe
Mag alles sein, aber so lange es noch ein kleines gallisches Dorf gibt, dessen Bewohner weiterhin in der Lage sind, die wahren Zusammenhänge in ihrem vollen Ausmaß einzuschätzen, solange ist die Ukraine nicht verloren.
Ich begrüße die entsprechenden Kommentare als sehr belebend.
Mir ist gerade aufgefallen dass auf n-tv.de Herr Wiegold ein Interview gegeben hat was hier noch garnicht zur Sprache gekommen ist: „Experte: So könnte NATO Russland entgegenkommen“
Nach wie vor bin ich verwundert dass „nur“ über die 130.000 zusätzlichen Soldaten an der Ukrainischen Grenze geredet wird. Von den ohnehin regulär stationierten 30.000 Soldaten sowie 30.000 in Weissrußland, 5.000 in Transnistrien, 30.000 auf der Krim redet keiner, Und von den insgesamt 250.000 die sich weniger als einen Tagesmarsch weiter hinter der Grenze befinden auch nicht.
[Uff, welches Interview der vergangenen Tage meinen Sie? Bisweilen sind die Überschriften dazu recht, äh, knapp…T.W.]
@Stefan: Sie stellen die wichtigen Fragen. Ich hoffe, dass u.a. TW mehr Licht ins Dunkel bringen kann, vermute aber, dass es zuerst einiger journalistischer Nacharbeit bedarf.
Der Nachtrag auf der PK von Putin auf zum „Völkermord“ deckt sich mit den Aussagen von Dmitri Kisseljow am Sonntag abend im russischen Fernsehen.
Meiner Meinung nach rasselt Russland mit dem Säbel aus von den verschiedenen Diskutanten vorgestellten Gründen, welche in Summa das Regime in Unsicherheit versetzten, wie die Nato Osterweiterung etc.etc.. Einfacher ausgedrückt will sich der „russische Bär“ nicht in die Enge treiben lassen und will sein echtes oder vermeintliches Revier sichern.
Aber werden russische Mütter in einem längeren Konflikt mit der Ukraine das Sterben Ihrer wehrpflichtigen Söhne ohne Widerspruch hinnehmen ?
Wird die russisch orthodoxe Kirche nicht auch versuchen im tatsächlichen Kriegsfall Einfluß welcher Art auch immer auszuüben ?
Könnte es nicht wieder ein ukrainisches Partisanenwesen geben, was es in der Nachkriegszeit gegen die Sowjetarmee anscheinend eine zeitlang gab ?
Wir sahen Bilder von Satelliten. Auf dem Boden hat aber niemand in die Truppenzelte hineingeschaut. Was , wenn die Hälfte der Zelte leer sind ?
Schon die Engländer haben einen gewissen Österreicher und die Luftwaffe 1944 so getäuscht.
Und den Bau potjemkinscher Dörfer werden die Russen auch können.
Krieg in Europa ist ein Verlustgeschäft für alle Beteiligten. Dessen ungeachtet sollte man kämpfen können um es nicht zu müssen.
Nun, die „Völkerrechtskarte“ zum Schutz russischer Minderheiten bzw. die Schärfe/Unschärfe der Definition von „humanitärer Intervention“ ist – zumindest nach russischer Lesart – etwas, was immer zum außenpolitischen Drohpotential (oder anders… zum diplomatischen Instrumentarium) dazu gehört.
Das betrifft v.a. die Analogien zur Legitimation des Kosovo-Kriegs bzw. des Kriegs gegen Serbien und die völkerrechtliche Einordnung des NATO-Einsatzes. Aber es geht auch darüber hinaus durch gefühlte enttäuschte Sicherheitsgarantien und ein anderes Verständnis der „Verantwortung“ in Systemen kollektiver Sicherheit (siehe aktuell Kasachstan oder Armenien-Aserbaidschan oder auch Tadschikistan-Afghanistan).
Effektiv hat sich erstmal in der Ukraine wenig geändert, die „hard power“ ist ja noch da und substanziell muss sich – aus russischer Sicht – erst noch eine Menge hinsichtlich von Vertrauen und Verträgen ändern. Aktuell erntet man das, was vor 20+ Jahren in der Russland-Politik verbauert wurde. Daher ist der verlinkte SWP-Artikel auch so gut, er betrachtet die Genese des Konflikts und spricht Akteure und ihre Handlungen an. Und es gibt wenig differenziertes bei „Moskau“ was nach außen dringt. Ja, es gibt unterschiedliche Positionen und Cliquen um den „neuen Zaren“. Aber außenpolitisch (und sicherheitspolitisch) ist eine Kontinuität seit dem ersten Tschetschenien-Konflikt vorhanden.
Es ist daher nicht ohne Grund, dass Putin die Kosovo-Karte spielt. Er möchte für den Donbas ähnliches erreichen. Und setzt damit – notta bene – die EU unter Druck, die eingefrorene Situation im Kosovo und in Bosnien entweder zu lösen oder das scheitern der damaligen Politik einzugestehen.
Selbiges dann für Belarus, die Kaukasus-Politik und die restliche Ukraine. Die Krim steht ja als Föderationssubjekt eh nicht zur Debatte. Egal wie es weitergeht… er wäscht seine Hände in Unschuld und ein „Weiter so!“ der NATO (und der USA) führt nur zu neuen, kleinen Siegen Russlands. Beim nächsten Zapad geht alles wieder von vorne los und demokratischer Wandel bleibt wohl ein ferner Traum (nicht dass es auch Repression der Zivilgesellschaft u.a. in Polen und Ungarn gibt, also Werteüberlegenheit der EU ist auch nicht da).
@Paradox77 sagt: 16.02.2022 um 0:31 Uhr
„Nun, die „Völkerrechtskarte“ zum Schutz russischer Minderheiten bzw. die Schärfe/Unschärfe der Definition von „humanitärer Intervention“ ist – zumindest nach russischer Lesart – etwas, was immer zum außenpolitischen Drohpotential (oder anders… zum diplomatischen Instrumentarium) dazu gehört.“
Sie haben Recht, das ist RUS Lesart. Aber wir sollten immer wieder klar stellen, dass das nicht unsere Lesart ist und auch nicht die der Mehrheit der Völkerrechtler weltweit.
Nur weil Putin einen „spin“ versucht, müssen wir ihm ja nicht auf den Leim gehen.
„(nicht dass es auch Repression der Zivilgesellschaft u.a. in Polen und Ungarn gibt, also Werteüberlegenheit der EU ist auch nicht da).“
Auch das ist hoffentlich nur der Putinsche „spin“?! Denn 1. ist die Position der EU ja ziemlich klar und 2. ist die Situation in POL und HUN ja nicht vergleichbar mit der in RUS. Was da läuft ist zwar unschön, aber auf einem komplett anderen Level als in RUS.
Welcher „Völkermord“ soll dass denn im Donbass sein? Dass die Ukraine versucht, abspenstiges Territorium zurückzuholen? Dass man dort ansässigen Freischärlern und Separatisten nicht unbedingt traut und diese bekämpft? Dass man sich nicht einfach bamboozeln lässt, wenn Putin dort Hetze und prorussischen Nationalismus schürt? Das alles hat, wie gesagt, seinen gesellschaftlichen Ursprung gerade auch in der Nationalitätenpolitik der Sowjetunion, in der die Nationalität in ganz alltäglichen Dingen objektiv wie subjektiv wichtiger war, als die Sowjetbürgerschaft. So wie auch in manchen Ländern in Afrika die eigene Stammeszugehörigkeit mehr zählt, als die Staatsangehörigkeit, die infolge der kolonialen Geschichte in dereinst am grünen Tisch in Europa willkürlich festgelegten Grenzen stattfindet.
Man muss zwar auch anerkennen, dass es zwar nicht die feine, englische Art ist, wenn beispielsweise in Estland die dort lebende russischstämmige Minorität (die in einigen Fällen die lokale Mehrheit stellt) dort als Staatenlose leben müssen. Andererseits kann ich auch die Esten verstehen, die nicht im eigenen Land in die Minderheit gedrängt werden wollen, und gern verhindern möchten dass da irgendwann ein bizarrer Kasperkopf von Gnaden Putins auftaucht, der dann (ggf. sogar demokratisch gewählt) anfängt, wie in Abchasien, Südossetien oder im Donbass „Heim ins Reich“-Politik zu fahren und ganze Landesteile in ein korruptes Oligarchen-Mini-Wunderland unter der mehr oder weniger direkten Kontrolle Russlands verwandelt. Denn so sieht es ja praktisch überall dort aus, wo de-facto-Regimes von Russlands Gnaden existieren.
Da die noch existierenden Demokratien in den ehemaligen Sowjetrepubliken jung sind, und demokratische Prozesse und Strukturen im Denken der Bevölkerung noch nicht nachhaltig verankert, gibt es selbstredend Probleme mit Korruption, Nationalismus und autokratischen Ausschlägen in der Bevölkerung. Allerdings muss man auch gar nicht so weit hinter den ehemaligen eisernen Vorhang, um solche Tendenzen viel näher am eigenen Heim zu beobachten. Polen, Ungarn, selbst ein Blick nach Sachsen oder Thüringen reicht ja, um an einer freiheitlich-demokratischen Einstellung gewisser Leute ernsthaft zu zweifeln.
Aber „Völkermord“ im Donbass? Wo soll der denn bitte sein? Den gibt es weder dort, noch in Georgien oder Moldawien/Transnistrien. Das einzige, wovor Putin echte Angst hat, ist, dass seine propagierte russische Identität Risse bekommt, weil die Leute erst einmal merken, dass es ihnen unter jedem anderen als einem korrupten Selbstbedienungsregime nach seinem Vorbild ökonomisch sehr viel besser geht. Und sich gewahr werden, dass ihnen ihr „Russentum“ real keinen schmalen Pfifferling bringt, solange „Russe sein“ bedeutet, von einem ehemaligen Geheimdienst-Zampano und seiner Clique an der Nase herumgeführt und nach Strich und Faden ausgenommen zu werden. Jegliche wirtschaftliche Entwicklung im Donbass, auf der Krim oder in den de fakto-Republiken Transnistrien, Abchasien und Südossetien hängt bekanntlich am Tropf aus Russland.
Und das eigentlich schlimmste ist, dass wir durch Rohstoff- und Energielieferung dem Zampano letztendlich die Zeche zahlen. In Devisen, die er sonst nie realisieren könnte, weil wir uns friedensverliebt auf Jahrzehnte von russischem Gas abhängig gemacht haben. Was unsere diplomatischen Handlungsoptionen empfindlich lähmt – ganz abgesehen vom aktuellen Zustand unserer Streitkräfte.
Energiepolitik ist nun einmal auch Bestandteil der Sicherheitspolitik.
@Rotstift
zu “ Was bezweckte Bush? … Die Freiheit Georgiens retten?“
Es geht immer primär um Innenpolitik. Die NATO-Osterweiterung, der Wunsch der osteuropäischen Staaten danach, wurde in Washington deswegen erhört, weil es in den USA starke Minderheiten mit Wurzeln allda gibt. Dazu gehören auch Ukrainer und Georgier. Das US-Wahlsystem mit dem „winner take all“-Prinzip gibt solchen swing-Minderheiten einen großen Einfluss.
Die Politik der NATO-Osterweiterung hat Clinton schon im Rahmen seines Wahlkampfes für seine zweite Amtszeit eingefädelt – mit dem Ziel, die Ukraine und Georgien einzubeziehen. Das ist weder außenpolitisch/militärstrategisch kalkuliert noch Bush jr. anzukreiden.
Anders gesagt: Außen- und Sicherheitspolitik vornehmlich aus innenpolitischen Motiven zu konzipieren, ist kein Spezifikum Russlands. Das ist in den USA und in der Ukraine dasselbe. Da das so ist, fällt es anhand dieses Maßstabs so leicht, die Parteilichkeit der Berichterstattung in den eigenen Medien zu erkennen. Das Wegblenden der innenpolitischen Motive der Ukraine in der gegenwärtigen Krise z.B. macht mich skeptisch.
@Metallkopf
zu „das … schlimmste ist, dass wir durch Rohstoff- und Energielieferung dem Zampano letztendlich die Zeche zahlen. …, weil wir uns friedensverliebt auf Jahrzehnte von russischem Gas abhängig gemacht haben.“
Ich rate, die Kirche im Dorf zu lassen. In zwei Jahrzehnten (2045) ist Deutschland beim Erdgasbedarf bei Null. Die Amortisation von Nord Stream 2 ist auf Kante genäht. In diesem radikalen Wandel steckt ein hohes disruptives Potenzial, aber auch eines an Kooperation. Schließlich kann Russland nicht nur fossiles Gas liefern.
@Wait&C, es macht aber einen Unterschied ob ich Truppen irgendwo regulär in einer Kaserne stationiert habe oder die im Feld mit kompletter Logistik für x Tage Kampf liegen.
Schon aus Sicherheitsgründen werde ich in einer Kaserne planmäßig nur das an Munition vorhalten was ich absehbar zum üben in einem Zeitraum x brauche und auch das wird entsprechend gelagert. Plane ich einen Angriff werde ich deutlich mehr Munition brauchen und die auch so lagern das ich schnell ran komme.
Auch mit Blick auf die nötige Logistik wird es Unterschiede geben. Fest in der Kaserne kommt alle x Tage der Lkw mit frischer Munition, kampfbereit im Feld stehen entsprechende Kapazitäten und Vorräte in sicherer Entfernung bereit.
@ Koffer: Sie geben gut die klassische „deutsche“ bzw. „westliche“ Position zu beiden Themen wieder. Aber in einem solchen Konflikt komme ich nun mal nicht daran vorbei, auch die anderen Positionen zu hören oder anzuerkennen, dass andere Akteure andere Ansichten haben. Und völkerrechtlich ist der Aspekt der Legitimation humanitärer Interventionen umstritten, da hat sich seit den Debatten zwischen 2001-2013 wenig geändert. Und die Interventionen vor R2P und seit R2P haben halt in der nicht-westlichen Welt einen schalen Nachgeschmack.
Zur Vertiefung: https://www.sicherheitspolitik-blog.de/2013/09/04/die-legalisierung-der-legitimitaet/
In Fragen der Krim-Annexion ist man sich sehr einig – aber da geht es ja bei den „Genozid“-Vorwürfen gar nicht drum. Hier geht es um krude Analogien i.S.v. Bosnien, Kosovo und Ruanda.
Die völkerrechtlichen Positionen sind hier eigentlich gut zusammengefasst:
https://www.unibas.ch/de/Aktuell/Uni-Nova/Uni-Nova-126/Uni-Nova-126-Der-Ukraine-Konflikt-und-das-Voelkerrecht.html
https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783845283876-191/der-ukraine-konflikt-und-das-voelkerrecht-wie-gelingt-die-rueckkehr-zu-einem-voelkerrechtskonformen-zustand
Grad das Buch von Justenhoven von 2018 geht auf die Konfliktwurzeln und Spannungsfelder ein. Und letztendlich fällt es vielen schwer, sich auf die russischen Positionen einzulassen bzw. zu akzeptieren, dass es diese gibt. Viele sind mehr als krude und teilweise offen falsch (nicht vergessen, dass auch diese definitorischen Auseinandersetzungen gern populistisch oder vereinnahmend genutzt werden). Aber einige haben valide Punkte, die von „uns“ (Europäern oder „Westlern“) gern übersehen oder übergangen werden, eben weil es nicht in unser Weltbild passt.
Und da sind wir bei der Außensicht auf das Handeln der EU. Das ist kein „Whataboutism“, sondern Teil interkulturellen Verstehens, dass es auch bzw. grade bei diesen politischen Streitigkeiten Fremd- und Selbstbilder gibt. Und was wir Putin und Co. in dieser Hinsicht vorwerfen, das gilt ebenso für uns.
Wir (als D bzw. EU) haben uns auf sein Niveau runterziehen lassen und uns ein Spiel aufzwingen lassen, in dem wir nicht gut sind (als Fußball-Analogie: Wir wurden gedarmstadtett). Zeit für Änderungen im Gameplan …
Mehrfach wurde schon der Aspekt eingebracht, dass der Durchmarsch russischer Panzerarmeen wohl nicht die wahrscheinlichste Option ist.
Doch nicht immer sind (militärische) Gefahren so plastisch, in der Form von Panzern sichtbar.
Abgelöst wurde der konventionelle Krieg von asymmetrischer Kriegführung, einer Grauzone, irgendwo zwischen Krieg und Frieden. Militärische Mittel können sich dabei mit nicht-militärischen, zivilen Mitteln abwechseln. Letztlich kommt es immer darauf an, welchem politischen Zweck das Ganze dient.
Die als „hybride Bedrohungen“ bezeichneten Taktiken sind im militärischen Bereich nichts Neues. Angriffe durch staatliche oder nichtstaatliche Akteur:innen die versuchen, die Schwachstellen des Gegeners zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen. Das kann diplomatische, militärische, wirtschaftliche und technologische Mittel beinhalten, ohne dass dabei die Schwelle zur formellen Kriegsführung überschritten wird. Staaten können sich dabei auch sogenannter Stellvertreterakteure („proxy actors“) bedienen, die dann als Vehikel für „hybride Bedrohungen“ dienen. Ich schreibe bewusst Staaten, den dies ist nicht nur Russland vorbehalten.
Auch eine Drohkulisse mit „militärisch-technischen Massnahmen“ gehört zur hybriden Kriegsführung. Die russische Armee bedrängte mit einer Truppenkonzentration von 120 000 Soldatinnen und Soldaten die Souveränität der Ukraine. Der Kreml diktierte den Diskurs, ganz egal, ob er eine Offensive nach Westen auslöste oder nicht.
Dazu kommt, Nachrichtendienste, Spezialkräfte, private Sicherheitsdienste oder Gruppen der organisierten Kriminalität arbeiten neben-, aber oft auch miteinander.
Die Muster sind bekannt, gerade im Cyberspace haben sich die Möglichkeiten für Sabotageakte vervielfacht. Synchronisiert verbreiten die sozialen Netzwerke Desinformationen lauter als jeder Störsender. Wie einfach die Spaltung der Gesellschaft funktioniert, demonstriert die Ukrainekrise. Man liest es auch im Blog.
Hacker demonstrieren immer wieder die Verwundbarkeit der sensitivsten Bereiche. Übrigens, der wohl einfachste und aussichtsreichste Angriffsvektor in Sachen CyberSecurity subsumiert sich neuerdings im Begriff „Social Engineering“ (Trickbetrug, Bestechung, Erpressung). Klingt kleinkariert, doch gerade in der Ukraine ist es ein wirksames Mittel. Es kann auch staatlich aus Russland gelenkt eingesetzt werden.
@diandereMeinung & all
Dringende Bitte: Ausführliche Grundsatzbetrachtungen mögen reizvoll sein, bringen die Debatte hier aber nicht wirklich weiter. Deshalb wäre es schön, wenn dem Reiz widerstanden werden könnte.
@Paradox77 sagt: 16.02.2022 um 9:03 Uhr
„@ Koffer: Sie geben gut die klassische „deutsche“ bzw. „westliche“ Position zu beiden Themen wieder. Aber in einem solchen Konflikt komme ich nun mal nicht daran vorbei, auch die anderen Positionen zu hören oder anzuerkennen, dass andere Akteure andere Ansichten haben.“
Ich stimme zu, dass man die andere Position hören muss, aber wenn sie offensichtlich nur ein „spin“ ist und bei ehrlicher Analyse ohne inhaltliche Berechtigung, dann muss man auch nicht so tun als wäre es so.
Und die aktuelle Lage ist wirklcih sehr, sehr einfach. Es gibt keine rechtliche Grundlage für das RUS Verhalten auf der Krim und in der Ost-UKR.
Und von daher sind alle Drohungen, die Putin daraus ableitet zurück zuweisen.
Einem Räuber kommt man nicht entgegen, indem man ihm zugesteht, dass sein Überfall vielleicht doch nur Mundraub ist. Es ist ein Überfall.
@KPK: Die Aussage Gen a.D Naumann deckt sich mit den sich herauskristallisierenden Minimalzielen Putins. Dennoch wäre auch Odessa Teil der Besatzungszone mit Blick auf Moldavien.
Zudem gebe ich zu bedenken was RUS Kampagne SYR an Implikationen bereithält: Dort wurde der Gegner bis zur Unkenntlichkeit mit RakArt und LuWa gebombt und erst dann am Boden angegriffen (Städte Aleppo, Hama, Homs). Und so erklärt sich mir auch die lineare Aufstellung – genug um UKR vorrücken (z.B Donbass) aufzuhalten aber maximale Abdeckung UKR durch Art und LuWa.
Mit den vereinten Sanktionsdrohungen verblasste dann die W‘keit der Invasion.
@Commander Z: Inwieweit konterkariert Leidensfähigkeit und Entbehrungswille der RUS Zivilbevölkerung die Analyse genereller Kriegsunfähigkeit Russlands?
NATO meldet, dass es keine Anzeichen für einen substanziellen Rückzug der russischen Armee von der ukrainischen Grenze gäbe. Die Frage, die sie stellt, wie lange kann man eine solche Zahl an Truppen in dieser Jahreszeit im Gelände stehen lassen? War der Optimismus von gestern verfrüht?
Ein meines Erachtens noch wenig beachteter Aspekt ist die Tatsache, dass die ukrainische Armee anscheinend bisher ihre Einheiten komplett in den Kasernen lässt. Das ist entweder a) sehr mutig im Angesicht der aufgefahrenen Iskander-Einheiten, b) sinnvoll, um die Russen nicht zu provozieren oder c) nachlässig (siehe Iskander).. Die Gefahr besteht schon, dass die ukrainische Armee wie auf dem Präsentierteller steht. Weiß da Jemand mehr?
@Paradox77, @Koffer: Mit R2P wurde eine Norm geschaffen, um unter gegebener Blockade des VN-Sicherheitsrats, militärisches Vorgehen zu legitimieren, wenn dadurch Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhindert werden.
Das zunächst ehrenhafte Ziel wird dann ausgehöhlt, wenn die zu verhindernde Straftat nicht nachgewiesen werden kann. Es stellt also eine mögliche PayOps dar um so entgegen dem Völkerrecht militärisch vollendete Tatsachen zu schaffen.
Hier aber von juristischer Seite der Politik die Schuld an einem öffnen der Pandora einseitig zuzuschieben greift dennoch zu kurz. Gerade die Juristen kennen einen Ausweg: Der Bergriff des Feststellungsverfahrens durch höchstrichterliche Instanzen wie z.B Den Haag.
Es kann nur im Interesse der regelbasierten Ordnung sein Den Haag mit entsprechenden Kompetenzen auszustatten. Dies hätte praktisch zur Folge, dass Staaten entsprechende Beobachtermissionen bestellen könnten welche den Richtern zuarbeiten.
P.S: Völkerrecht, eine übrigens typisch deutsche Sichtweise. Will meinen, den meisten großen Atommächten ist das Völkerrecht ziemlich egal. (Republikanisch-USA, Russland, China)
Wer war noch alles am Irak-Krieg beteiligt und hat jetzt Angst vor dem Russen? Die komplette Ostflanke der NATO und die Ukraine Karma?
Wer nicht? z.B DEU und FRA
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Koalition_der_Willigen#/media/Datei%3AOriginal_coalition.png
@KPK danke für die Einordnung bzgl. Seefernaufklärer.
@ SanDino Natürlich können die Russen potjemkinsche Dörfer bauen. Die haben sie ja schließlich erfunden.
@TW Ach schade, so eine Grundsatzbetrachtung ist doch auch was nettes. :-)
Ich muss mal sagen, dass ich die Diskussion hier echt gut finde, und es beruhigt mich ein bisschen, dass es Austauch auf diesem Niveau gibt.
Heute gibts auf Zeit Online (leider Paywall und natürlich ohne Link) ein paar Fragen an Joschka Fischer und an Sigmar Gabriel. Die ordnen das, wie ich finde, sehr schön ein, und machen eben klar, dass es Putin in erster Linie um die Wiederherstellung des russischen Großmachtstatus geht, zu Lasten Europas, und das verhängnisvolle Wort von den russischen „Sicherheitsinteressen“ da eben als Vehikel dient. Ich finde die Dynamik schon besorgniserregend, dass man offenbar nur seine Nachbarn heftigst bedrohen, erpressen und mit hybriden Taktiken unterminieren muss, und schon kommen alle Staatsmänner angeflogen um mit einem zu reden, und man wird auf einmal mit den eigenen „Sicherheitsbedürfnissen“ ernst genommen. Das kann kein gutes Signal sein. Aber gut, die Ukraine wurde dieses Mal vom Westen eng eingebunden und es gab glaubhafte Solidarität. Der Westen ließ sich nicht spalten und hat eine glaubwürdige Drohkulisse aufgebaut. Jetzt kommt es auf die strategische Geduld an, denn die russischen Truppen sind zunächst gekommen um zu bleiben.
Es ist wirklich anspruchsvoll, zum einen anzuerkennen, was in den 90ern und frühen 2000ern falsch gemacht wurde vom Westen, insbesondere den USA, (wo Russland ignoriert wurde, wo man nicht geholfen, nicht genug geredet, nicht zugehört hat und auch nichts dagegen getan hat, dass Russland zur reinen Rohstoff-Autokratie wird, die letztlich nichts mehr anzubieten hat als Gas, Waffen und Unterdrückung) – und deshalb aber nicht in Selbstverzwergung zu verfallen, sondern dem „neuen“ aggressiven, manipulativen Russland unter Putin mit der gebotenen Entschiedenheit entgegen zu treten. Denn aus den eigenen Versäumnissen der Vergangenheit kann man ja keinen Blankoscheck für gewaltbasierte Großmachtpolitik ableiten. Das ist, wie ich finde, eine Gefahr bei dem hier viel besprochenen SWP-Papier: Dass man schlussfolgert „Ah so, naja, dann hat der Herr Putin ja doch recht mit seinen Sicherheitsbedürfnissen“. Nein. Hat er nicht.
@AoR sagt: 16.02.2022 um 12:34 Uhr
Ich kann Ihren Ausführung zu R2P weitgehend folgen (mit Ausnahmen, wenn es z.B. um Den Haag geht, aber das spielt in der Substanz keine Rolle).
Aber wir sollten mEn dieses Thema hier nicht weiter verfolgen. R2P hat nichts, aber auch gar nichts mit der UKR zu tun. Das sind reine Nebelkerzen von Putin und seinen Trollen.
Ich sagte ja, nur weil der Räuber behauptet kein Räuber zu sein, ändert das nichts an den Fakten seines Verbrechens.
Klare Benennung des Täters: RUS. Und des Opfers: UKR.
Das hilft mEn mehr als zu versuchen Putins Argumente zu widerlegen. Das führt nur in die Irre…
Perspektivisch muss wir damit rechnen, dass Russland und China derartige Operationen gleichzeitig durchführen. Was wäre, wenn Russland eine Invasion der Ukraine und China eine Invasion Taiwans gleichzeitig vorbereiten/durchführen? Würde da politisches Chaos im Westen ausbrechen? Die jetzige Situation ist verfahren, aber relativ unkomplex. Auch hat Russland geschafft, allein durch den Aufmarsch von Truppen Gräben in der Nato weiter sichtbar zu machen bzw. zu vertiefen, die jeweiligen Eigeninteressen von USA, Deutschland und Frankreich sowie den Anreinerstaaten (Polen, Baltikum etc) sind zuletzt ziemlich klar sichtbar geworden, auch indem die jeweiligen Staaten einzeln verhandelt haben, anstatt geschlossen aufzutreten und mit einer Stimme zu sprechen, Gut möglich, dass RUS das als positiven Nebeneffekt einkalkuliert hat. Die Pandemie ist weitgehend überwunden, in Deutschland ist frisch gewählt, in Frankreich steht die Wahl vor der Tür, die USA stabilisieren sich gerade erst wieder und haben mit sozialen, gesellschaftlichen Problemen und mit China zu kämpfen und international einem massiven Vertrauensverlust, das Vertrauen in die Türkei ist seit einigen Jahren innerhalb des Westens ebenfalls massiv geschwächt und Putin weiß, dass er nur noch ein paar Jahre hat und vielleicht nicht nochmal in so einer starken Position sein wird. Vielleicht ist das hier eine seiner letzten großen Aktionen, die Zeit scheint perfekt um genau jetzt Druck auf den instabilen Westen auszuüben. Auch scheint eine russische Annektion der Ostukraine nun als das kleinere Übel im Vergleich zu einem großen Einmarsch. Ob bei einem Einmarsch Polen, Deutschland, Frankreich, Litauen, die USA und die Türkei wirklich koordiniiert und mit einer Stimme sprechen würden? Und wenn wir jetzt China berücksichtigen und einen möglichen gleichzeitigen Aufmarsch Richtung Taiwan?
„Wer war noch alles am Irak-Krieg beteiligt und hat jetzt Angst vor dem Russen? Die komplette Ostflanke der NATO und die Ukraine Karma? Wer nicht? z.B DEU und FRA“.
Skurrile Aussage!!! Was genau hat das eine mit dem anderen zu tun??
DEU und FRA brauchen sich ja auch keine Sorge machen….da ist dann ja noch die gesamte Ostflanke der NATO als Pufferzone, bevor auch nur ein Russe einen Fuss auf DEU oder FRA Boden setzen könnte. Und das der Russe seine neu in Kaliningrad stationierten KINZHAL mit ca 2000km Reichweite gegen Berlin, Paris oder London einsetzt, halte ich dann auch für eher unwahrscheinlich. Und so können wir schön auf unserem moralischen Maulwurfshügel stehen und der Dinge harren die da kommen werden, frei nach dem Motto:“ Some of you may die, but it’s a sacrifice I am willing to make!“
@Ökonom:
Ich schrieb „auf Jahrzehnte“. Check. Kirche war stets im Dorf und ist es noch.
@Paradox77:
Danke für die aufschlussreichen Links. Besonders die Einschätzung von Frau Brühl-Moser erscheint mir nicht nur sehr gut informiert, sondern sowohl im Ergebnis, wie auch in der Herleitung schlüssig und zutreffend. Insbesondere was die Annexion der Krim angeht.
Die Krim wurde m.E. auch vor allem wegen der Schwarzmeerflotte annektiert. Und kostet richtig Geld. Der Donbass wird deshalb voraussichtlich eher in der gleichen Rolle wie Abchasien, Transnistrien oder Südossetien gehalten werden. Kostet zwar auch Geld, aber weniger.
@Koffer: Absolute Zustimmung, da wird Konstruiert. Auf Ukraine.liveuamap.com ist nachzuvollziehen, wie sich RUS nun auf angebliche Massengräber russischstämmiger Zivilisten beruft.
Wie sich R2P generell als Gut internationalen Rechts weiterentwickelt, steht auf einem anderen Blatt. Denn in oben genanntem Beispiel gibt es keine unabhängige und glaubwürdige Instanz, welche die Vorwürfe untersucht.
Putin versucht jetzt seine Minimalziele durchzusetzen und übt Druck auf Kiew zur Umsetzung Minsk nach eigener Lesart aus.
Der aktuelle Situation könnte man auch etwas Positives abgewinnen. Sie hat das Potential die Aufmerksamkeit der Bundesregierung auf die 2 wichtigsten sicherheitspolitischen Aspekte der BRD zu richten.
Abhängigkeit von Exporten aller Art und der Notwendigkeit einer einsatzfähigen Armee.
Ich bin kein Öko. Aber ich kann Nordstream 2 nicht mehr hören. Radikale Energiewenden zeitnah! Und zwar aus strategischen Gründen.
Niemand hat die Absicht aus deutscher Sicht der Ukraine im Falle eines Angriffs beizustehen. Aber die entscheidende Frage wäre doch: Wenn die Absicht bestünde… Könnten wir das überhaupt?
Gerne kann mir das hier jemand mit Ja beantworten und begründen. Ich würde sagen nein.
Damit sind jegliche diplomatische Bemühungen eigentlich obsolet. Wir sind abhängig und haben kein Drohpotential außer die Nato ist im Boot.
Von da her: Vielleicht kommt was gutes bei rum. Energiewende 2.0 und ein ordentlicher Rüstungsetat. Man kann nur hoffen.
IamGroot schrieb: „Und so können wir schön auf unserem moralischen Maulwurfshügel stehen und der Dinge harren die da kommen werden, frei nach dem Motto:“ Some of you may die, but it’s a sacrifice I am willing to make!““
Die Ukraine ist weder NATO- noch EU-Mitglied. Und was sind deine Argumente, dass das derzeitige Szenario von Russland gegen EU- oder NATO-Mitgliedern durchgeführt werden könnte.
Eine nicht besonders intelligente moralische Keule zu schwingen, ist in der derzeitigen Situation kein Ersatz für Fakten, die kommen aber nicht von dir.
Die Verteidigungsministerin Lamprecht untergräbt heute wieder jede Abschreckung von Russland, und lässt die Ukraine im Stich, indem die Verteidigungsministerin eine schnelle Entscheidung über die Aufstellung von Battlegroups in Rumänien und Bulgarien verhindert hat. Über eine Verstärkung der Nato Ostflanke soll erst in einigen Monaten entschieden werden. Im Sommer hat Russland die Ukraine aber vielleicht längst erobert…. Richtigerweise entscheidet man vor der Krise, die sich Monatelang abgezeichnet hat für Verstärkung. Aber jetzt in der aktuellen Krise immer noch nicht zu entscheiden, zeigt, dass die Ministerin den Gedanken der Abschreckung nicht versteht und Deutschland weiterhin das schwächste Glied der Nato ist, welches weiterhin nur Russland unterstützt und Russland damit gerade zu zum Krieg einlädt, bevor die Battlegroups verstärkt werden.
[Das ist jetzt ein bisschen… merkwürdig. Der NATO-Generalsekretär sagt gerade, die Verteidigungsminister hätten beschlossen, dass die Militärs jetzt Pläne für solche Battlegroups erarbeiten und „innerhalb von Wochen“ vorlegen sollen. Sie waren näher dran? T.W.]
@Closius: NATO BTGs schrecken RUS nicht ab, da die UKR kein NATO-Mitglied ist.
@Closius: „Last time I checked“ hatten die Bulgaren die Stationierung von NATO Truppen als nicht wünschenswert kommuniziert.
@IamGroot: Was soll an dem Hinweis skurril sein, dass Völkerrecht kein Rosinenpicken ist? Eigene territoriale Integrität soll vom Völkerrecht geschützt werden, aber ansonst ist man für jede Schandtat zu haben. @Paradox77 hat recht, man sollte sich an die Spielregeln erinnern.
Und was das mit DEU und FRA zu tun hat. Simpel, wir sind in Völkerrechtsfragen noch glaubwürdig. Putins Artr und Weise, dinge zu begründen erscheint mir zunehmend eine bizarr-brutale Persiflage auf den eigenen Dreck am Stecken mancher NATO-Staaten zu sein. Oder wie Peter Scholl-Latour es so schön betitelte: „Der Fluch der Bösen Tat“
P.S: Wenn es nach mir ginge, stünden seit Beginn RUS Übung NATO-BTGs am Stadtrand von Kiew.
Apropos, wie tief stehen die Russen denn jetzt gerade in der Ukraine? Habe noch keine Nachrichten gesehen.
Heute ist doch der Mittwoch, wo Rußland nach amerikanischen Aussagen in die Ukraine einmarschiert, oder? Die US-Geheimdienste haben das doch bestätigt, stimmts? Der US-Präsident belügt doch nicht die versammelte Presse und die amerikanischen Verbündeten! Wir wissen alle, daß es die Russen sind, die die Welt belügen. Immer diese Russen. Denen kann man nicht trauen. Dem US-Präsidenten schon. Der ist immer ehrlich zu uns.
Also, wo stehen die Russen jetzt? Und wird Selenski bei uns Asyl bekommen? Ich hoffe doch. Nein, ich bin mir sicher. Das ist schließlich unsere moralische Pflicht.
@TW und Closius
Ich habe auch beide Aussagen gelesen und bin unsicher, was nun stimmt.
[Wäre vielleicht mal gut, die Quelle für die erste Aussage anzugeben, die offensichtlich nicht erwähnenswert scheint? T.W.]
@Felix
„Das ist, wie ich finde, eine Gefahr bei dem hier viel besprochenen SWP-Papier: …“
Inwiefern kann von einem objektiven FactSheet eine Gefahr ausgehen?
Und wie muss ein objektives FactSheet verfasst sein, damit von ihm keine Gefahr ausgeht?
Mir ist auch klar, dass selbsständig schlussfolgern hier & heute nicht mehr so trendy sind aber wenn solche Sätze rauspurzeln, wird offensichtlich: wir sind zivilisatorisch eher nicht im Vorwärtsgang.
Satellitenbilder zeigen eine neu errichtete Pontonbrücke über den Pripyat, nur 6 km von der ukrainischen Grenze entfernt. Südlich davon liegt Kiew, es wäre der kürzeste Invasionskorridor dorthin.
( Forbes, 16.2.22, Russian Troops Just Built A Pontoon Bridge Near Chernobyl)
Den Spruch mit den Amtszeiten verstehe ich nicht.
Das ist doch ein Zeichen, dass Scholz und Putin aneinander vorbei geredet!
Putin: Ukraine ist von strategischem und historischem Interesse für Russland. Ich will jetzt eine Entscheidung, und entweder ihr gebt mir die Garantien, die ich will, oder ich nehme mir was ich für nötig halte in Absenz solcher Garantien. (Erpressung)
Scholz: lass mal noch ein paar Jahre ins Land ziehen. Morgen sieht die Welt wieder anders aus.
Als ob es hier um die Gefühle des russischen Staatschefs ginge… – warten wir einfach bis jemand im Amt ist, der sich weniger bedroht fühlt, und weniger nostalgisch an vermeintlich russisches Heartland in der Ukraine rangeht. Oder vielleicht verändert sich ja die Meinung in der Ukraine über NATO und EU – viellicht ist man ja irgendwann froh, wenn man da kein Clubmitglied ist. Oder vielleicht ist die Frage ob die Ukraine selbstständig über ihre Allianzen entscheiden können soll sekundär, weil es in der NATO ein Veto geben könnte gegen den Beitritt. (Der deutsche Bundeskanzler könnte ja mit dem NATO Austritt drohen, wenn die USA auf einer Beitrittsoption für die Ukraine beharren: im Sinne von “Die oder Wir” – unter Merkel war vollkommen klar, dass Deutschland gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine ist (Länder mit einem ungelösten Konflikt / Bürgerkrieg können nicht beitreten hieß es damals).
Welche von beiden Vorstellungen soll ich da ernst nehmen? Dass Länder strategische Interessen haben, die unabhängig von den Gefühlen und Moden sind? Oder, dass im Prinzip alles im Wandel und im Fluss ist, und ständig neu ausgehandelt werden kann?
Meiner persönlichen nach wird es auch in Zukunft noch kalt, und bis ganz Deutschland auf Wärmepumpen umgestellt hat, vergeht noch ein Lebenszyklus von Heizungen. (15 Jahre? 20?).
Von daher sollte man sich schon die Mühe machen, die strategischen Interessen zu verstehen, und auch mal Verträge für 20 oder 40 Jahre machen… – z.B. gab es doch im Falle Hong Kongs einen Vertrag über 99 Jahre (iirc)…
Wofür braucht die EU eigentlich Nato BTGs. Ist nicht die Beistandsregelung innerhalb der EU nicht viel härter? Oder funktioniert ohne die Amerikaner und die Briten überhaupt nichts. Dann ist die Beistandsregelung innerhalb der EU das Papier nicht wert auf dem sie steht.
[Die Verwirrung greift jetzt langsam weit um sich. Den Zusammenhang dieser NATO Battlegroups mit Beistandsverpflichtung verstehe ich nicht ganz. Oder wollten Sie sagen, NATO ist überflüssig, weil es die EU gibt? Ich wäre schon sehr dafür, heir bei sachlicher Argumentation zu bleiben. T.W.]
Beachtenswerte Zahlen.
Christian Mölling@Ce_Moll
UKR 🇺🇦 Mil Equipment … ARMOURED FIGHTING VEHICLES
MBT 858:
385 T-64BV; 235 T-64BV mod 2017;
100 T-64BM Bulat; 82 T-72AV/B1; 4 T-72AV mod 2021;
47 T-72AMT; 5 T-84 Oplot;
(34 T-80; 500 T-72; 578 T-64; 20 T-55 all in store)
Source: @IISS_org military balance
Bei diesen Zahlen ist ein RUS Durchmarsch unwahrscheinlich. Als naheliegend muss hingegen ein „Angriff mit begrenztem Ziel“ angenommen werden.
Dazu kommt maximal die Dnjepr-Linie in Frage, wahrscheinlicher sogar nur die Besetzung des Donbas, Herstellen eines Landkorridors zur Krim und schließlich die Besetzung des Oblast Saporischschja mit dem 2155 km² großen Kachowkaer Stausee, DEM UKR Süßwasserreservoir, bis 2014 auch für die Krim.
Die Krim hat Sommer für Sommer erhebliche Probleme in der Wasserversorgung.
@AoR: Aber darum geht es doch gerade. Putin will die Nato aus Osteuropa weg haben und versucht mit militärischer Erpressung Zugeständnisse zu erzwingen. Die Stationierung sagt: jede neuerliche Aggression führt umgehend zu mehr Nato in Osteuropa.
@Stadtpark
Vielleicht hat Putin ganz einfach Torschlußpanik? Er wird nicht ewig Präsident bleiben, er fürchtet, daß ihm die Zeit davon läuft für seine Pläne. Das war bei Hitler auch der Fall (was aber kein direkter Vergleich sein soll). Er soll ja auch etwas paranoid in Gesundheitsdingen sein.
Ob er seine Nachfolge geregelt hat?
@Mitleser sagt: 16.02.2022 um 18:04 Uhr
„Heute ist doch der Mittwoch, wo Rußland nach amerikanischen Aussagen in die Ukraine einmarschiert, oder?“
Nach US-amerikanischer Prognose über Planungen Stand letzter Woche!
„Also, wo stehen die Russen jetzt?“
Aggressiv und einmarschbereit an der Staatsgrenze.
„Und wird Selenski bei uns Asyl bekommen? Ich hoffe doch.“
Ich hoffe das wird nicht nötig sein. Zum einen zuckt Putin in letztem Moment ja vielleicht doch noch zurück. Es gibt ja hoffnungsvolle Zeichen seit gestern.
Zum anderen sehe ich auch bei einem Einmarsch keine vollständige Besetzung der UKR als realistisch an. Vom Donbass über Kiew bis nach Lemberg ist es eine große Strecke, da könnten UKR Kräfte hoffentlich lange verteidigen. Ich stimme hier @Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) zu, wenn er eher ein begrenztes Angriffsziel vermutet.
Schlussendlich aber wären wir in der Tat in einer moralischen Verpflichtung Flüchtlinge aufzunehmen, wenn wir schon nicht mehr tun…
@TW Ach so, diese Lambrecht-Aussage. Ich habe es im Tagesspiegel gelesen unter der Überschrift „Nato-Staaten erwägen weiteren militärausbau in Osteuropa“, ziemlich weit hinten im Text.
@leie Mein Gott sind wir gut gelaunt. Natürlich kann jeder seine eigenen Folgerungen ziehen. Aber jeder Text hat einen Analyserahmen, der manche Dinge ein- und andere Dinge ausschließt. Und da kann halt immer ein Bias entstehen. Objektivität gibt’s nicht.
Metallkopf sagt:
16.02.2022 um 7:41 Uhr
Sehr gelungener Beitrag.
Dazu nochmal zur Einordnung der Lage im Donbass: Vor einigen Tagen war ein recht aufrüttelnder Bericht auf tagesschau.de zu den Menschenrechtsverletzungen – begangen durch die separatistischen Soldateska (!) – in den sog. „Volksrepubliken“ zu lesen. Aus Abchasien und Südossetien kennen wir das schon. DAS ist die Realität in den Gebieten, wo Moskau den Nationalismus anheizt, Pässe verteilt und Staaten destabilisiert – nicht der herfabulierte „Genozid“ an Russen.
Scholz implizierte, dass die Ukraine die nächsten vier Jahre der NATO nicht beitreten wird.
Putin implizierte, dass nütze ihm gar nichts: strategische Interessen Russlands waren schon vor 30 Jahren die gleichen, und wurden missachtet (… und werden in 30 Jahren noch die gleichen sein).
Die USA argumentieren: die Freiheit der Ukraine ihre Allianzen selbst zu wählen könne man nicht einschränken, da sie eben bei der Ukraine liegt als souveräner Staat.
Aber natürlich könnten die USA signalisieren, dass sie ein Gesuch der Ukraine für NATO-Mitgliedschaft ablehnen würde, aber das wollen sie nicht. Natürlich könnte die NATO einen Gipfel machen, in dem sie erklärt, keine neuen Mitglieder mehr aufzunehmen. Aber das limitiert dann ihren Nutzen im politische Tagesgeschäft, weil es Verhandlungsmasse vom Tisch nimmt.
Meines Erachtens ist der einzig gangbare Weg eine Art 2+4 Vertrag: aller Beteiligten. Der Mittelweg wäre relativ offensichtlich Neutralität (- vgl. auch was Herr Daniele Ganser dazu sagt).
Aber anstatt sowas als Ziel auszugeben und anzustreben, wird noch ein bisschen im Medienwald geraschelt, dass ja Schweden und Finland vielleicht ihre Neutralität aufgeben würden und der NATO beitreten, sollte Russland seinen Willen bekommen / mit seiner Erpressung auch nur irgendwie durchkommen. Währenddessen Putin mit Nuklearem Krieg droht, sollte die Ukraine versuchen die Krim wieder zurück zu holen.
Ist es nicht ein Fortschritt, wenn Putin anstatt einer immer währenden Wunde (die ja angeblich in seinem Interesse sei, wenn man westlichen Medien glaubt), nun eine endgültige Entscheidung anstrebt, und so nett ist, seine unverhandelbaren Punkte offen zu legen (Krim bleibt Teil Russlands, Ukraine wird nicht Teil der NATO)? Auf was wartet der Westen denn?
Wenn sich der Westen jetzt nicht hinsetzt zum Verhandeln, dann sieht das so aus, als sei die “Offene Wunde” letztendlich im Interesse des Westens! Es impliziert, dass ein Offenhalten des Status der Ukraine für vielleicht noch eine Generation dann den Anspruch Russlands schwächt ( – wie als wenn nach 40 Jahren wie im Computerspiel dann irgendwann der Casus Belli verjährt / die Gebiete den russischen “Core” Status verlieren würden). – Das ist ja aber überhaupt nicht gegeben: es würde weiter einen Kulturkampf geben um die öffentliche Meinung der Ukraine und weiter einen Keil in die Einigkeit der Ukraine treiben.
Putin hat hoch gepokert, und jetzt will er “sehen”. Jetzt zeigt sich, wer die Wunde heilen will, und wer möchte, dass sie weiter Das schwächt meines Erachtens den moralischen Anspruch des Westens.
Machtpolitisch sieht es aus, als ob die Uhr gegen Putin tickt. Aber das macht ihn m. E. nur gefährlicher: der wartet keine 4 Jahre mehr. Entweder gibt es eine Einigung, oder es kracht. Nach dieser Eskalation wird der Westen wieder mehr zusammenstehen und stärker werden, wohingegen Russland jetzt im Zenit ist.
@Felix:
Entschuldige die Überemfpindlichkeit. Ist einfach die Verzweiflung darüber, dass heutzutage selbst ein Papier der eigentlich recht unverdächtigen SWP als Grundlage politischer Beratungstätigkeit in DE angreifbar wird, weil es Schlüsse nahelegen könnte, die im heutigen Kontext schlicht nicht opportun erscheinen.
Dass mir die DE-finanzierte SWP nicht demnächst noch als „zu putinfreundlich“ gebrandmarkt wird oder mit welcher Masche wir uns auch immer gern selbst verzwergen.
Sonst sitzen wir bald nur noch auf einem Berg von „Councils of Foreign Opinion“.
@Mitleser
Ihr Kommentar ist natürlich sehr zynisch und zeugt auch von wenig Verständnis von Zusammenhängen.
Es ist immer etwas schwierig, die Nachrichten von vor 2-3 Tagen zu finden, aber die Meldung die ich gefunden hatte enthielt die Formulierung „as soon as Feb 16“. Also AB DEM 16. Februar.
(Ich weiss nicht, wo man den O-Ton dieser Meldung findet. Lasse mich da auch gern vom Gegenteil überzeugen)
Die US Dienste haben also gem. ihren Informationen bewertet, dass RUS ab dem 16. Feb einmarschieren könnte(!), weil bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (Truppenstärke/-fähigkeiten. Witterung, politisches Umfeld etc…).
Wenn die USA nun solche Erkenntnisse haben und sie im Vorfeld offenlegen, ist das für RUS natürlich eine wesentliche Lageänderung. Abgesehen vom Verlust des militärischen Überraschungsmomentes, würde RUS mit einem Einmarsch ja die US Bewertung bestätigen. Das will man natürlich nicht…die ganze Storyline, die sich RUS ggf als Begründung ausgedacht hat, ist ja dadurch dahin…
Und genau das war auch ggf das Ziel der US Meldung.
Nach ihrer Lesart ist ja alles Quatsch…dann brauchen wir ja auch gar keine diplomatischen Bemühungen und können einfach bei dieser nur zufällig sehr großen RUS Übung zuschauen.
RUS will nicht in die UKR einmarschieren?
RUS verlangt Sicherheitsgarantien und will verhandeln?
Aber wenn RUS doch überhaupt gar nicht androht in die UKR einzumarschieren, was ist denn dann überhaupt die Verhandlungsmasse?
@Metallkopf; 160741Afeb22
+1
Volltreffer!
„12.45 Uhr: Über eine dauerhafte Verstärkung der Nato-Ostflanke soll nach Angaben von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht erst in einigen Monaten entschieden werden. Es sei wichtig, dass man klare Signale setze, dass die Ostflanke wichtig sei, sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch in Brüssel am Rande eines Treffens der Verteidigungsminister der Bündnisstaaten. Beschlüsse über eine dauerhafte Präsenz sollten aber »nicht in dieser aktuellen Situation«, sondern im Sommer »nach einer intensiven Prüfung und unter Beobachtung der Situation dann« getroffen werden, meinte die SPD-Politikerin.“ (Ich hoffe ein Zitat in der Länge ist in diesem konkreten Fall erlaubt, sonst entsprechend kürzen).
@Wiegold: Ich habe mich auf die obige Spiegelmeldung von Spiegel Online von gestern bezogen und die dortigen Aussagen der Verteidigungsministerin kritisiert! Ich weiß es nicht besser als der Generalsekretär der Nato, aber dieser hat sich auf Pläne bezogen, die Verteidigungsministerin aber auf Beschlüsse! Der Generalsekretär der Nato hat versucht mit seiner Formulierung die Einheit der Nato zu betonen und den deutschen Widerstand zu verschweigen.
Ich schließe daraus, daß die Verteidigungsministerin Abschreckung nicht versteht, Putin nicht versteht, ständig in die russische Falle tappt und eine Fehlbesetzung im Amt ist! Russland kann als größte Atommacht der Welt gar nicht bedroht oder angegriffen werden, ohne den eigenen Untergang zu riskieren. Frau Lambrecht macht alles um 180 Grad falsch! Immer das Gegenteil von dem was Frau Lambrecht sagt ist richtig, jetzt auf , neue Battelegroups und Waffenlieferungen bezogen.
[Ich schließe daraus, dass wir vielleicht über den Umgang mit Nachrichten noch mal reden müssen. Der NAT0-Generalsekretär gegen 17.00 in der Pressekonferenz:
Therefore today, Ministers decided to develop options for further strengthen NATO’s deterrence and defence.
Including to consider establishing new NATO battlegroups in central and eastern, south-eastern Europe.
And I welcomed the offer by France to lead such a battlegroup in Romania.
Our military commanders will now work on the details and report back within weeks.
Also: ein Beschluss, die Militärs mit dem Plan zu beauftragen. Und wir verwenden nicht solche zumindest merkwürdigen Schlussfolgerungen, nur um der Abneigung gegen bestimmte Politiker Raum zu geben. Sie können natürlich Ihre Meinung dazu sagen, aber verzichten Sie darauf, die als Tatsachen darzustellen. Danke. T.W.]
Da hier häufig das Swp Papier zitiert wird, dass vermeintlich Beschwichigung gegenüber Russland propagiert hier eine Gegenmeinung zur „finnlandisierung“ (die letztlich ja nichts anderes wäre als ein zugestehen von Einflusszonen an Russland) aus dem gleichen haus
https://www.swp-berlin.org/publikation/warum-finnlandisierung-keine-option-fuer-die-ukraine-ist