Nach umstrittenen Äußerungen zu Putin und Russland: Chef der Deutschen Marine von Posten entbunden (Update: Schönbach-Statement)

Nach seinen Äußerungen zu Russland und zum russischen Präsidenten Putin, die sich nicht mit der politischen Positionierung der Bundesregierung decken und auch auf internationale Kritik stießen, verliert der Chef der Deutschen Marine seinen Posten. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht entband Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach  am (heutigen) Samstagabend auf dessen eigenen Wunsch von seiner Aufgabe.

Update: Schönbach bestätigte in einer Erklärung am Abend seinen Rücktritt:

Ich habe soeben die Frau Bundesministerin der Verteidigung gebeten, mich von meinen Aufgaben und Pflichten als Inspekteur der Marine mit sofortiger Wirkung zu entbinden. Meine in Indien gemachten unbedachten Äußerungen zu Sicherheits- und Militärpolitik lasten zunehmend auf meinem Amt. Um weiteren Schaden von der Deutschen Marine, der Bundeswehr, vor allem aber der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen, halte ich diesen Schritt für geboten.
Frau Bundesministerin hat mein Gesuch angenommen.
Der Befehlshaber der Flotte und Stellvertreter des Inspekteurs der Marine, Konteradmiral Kaack, führt bis zu einer Nachfolgeentscheidung die Deutsche Marine.

Schönbach hatte sich am (gestrigen) Freitag bei einem Vortrag vor dem Think Tank Manohar Parrikar Institute for Defence Studies and Analyses in der indischen Hauptstadt Neu Delhi geäußert, unter anderem zum Verhältnis zu Russland und zum Ukraine-Konflikt. Seine These dabei: Es geht nicht um ein bisschen Land für Russland, sondern vor allem um Respekt für dessen Präsidenten Wladimir Putin – und den könne man ihm doch getrost geben, zumal Russland als Partner gegen China gebraucht werde.

Das ganze Video von Schönbachs Rede und der anschließenden Frage-und-Antwort-Runde ist hier zu sehen.

Die Passage, die Aufmerksamkeit erregt, ist keine fünf Minuten lang; ich habe sie mal gesondert hier als Audio-Datei eingestellt. In diesem Audio fallen die entscheidenden Sätze ab Minute 2:00 (die Tonqualität ließ sich leider nicht weiter verbessern):

20220121 Schoenbach India Putin Russland     

 

Nachgetragen: Die von einem Leser (vielen Dank) angefertigte deutsche Übersetzung dieser Passage:

Frage: Was ist Deutschlands Perspektive auf die NATO-Osterweiterung?

Antwort: (reflektiert) Die ist, ich sagte es in meiner Vorlesung, Deutschland hat immer abgewogen was Möglich ist im Rahmen der Nato-Perspektive und seinem Geist. Deutschland sagt, und ich denke das ist richtig, dass so lange ein Land souverän ist und entscheidet, der NATO beizutreten und erfüllt die Voraussetzungen, wie im Falle der EU, um Mitglied zu werden, würde ich sagen ja, und ich denke Deutschland hält das immer noch so. Ok, die Ukraine erfüllt die Voraussetzungen nicht, denn sie ist besetzt, zumindest die Region Donbass durch die russische Armee, oder wie sie es sagen durch Milizen.

Nehmen wir andere Länder wie Georgien. Georgien möchte Mitglied werden, das ist ein gutes Beispiel: Erfüllen sie die Voraussetzungen? Ja das tun sie. Ist es „smart“ sie als Mitglied zu haben. Nein ist es nicht. Aber für die baltischen Staaten macht es Sinn, denn sie waren souveräne Staaten, bevor Russland sie besetzte. (unverständlich) Aber all die anderen, schauen wir Schweden an und Finnland. Wenn Schweden die Entscheidung trifft ein NATO-Mitglied zu werden, dann ist das eine souveräne Entscheidung. Und sie erfüllen die Kriterien, und wir können und wir dürfen nicht, und das ist womöglich die Frage hinter der Frage, wir dürfen Russland keine Stimme geben: „Ihr fragt uns bevor sie (Schweden) entscheiden.“

Aber bitte sehr geehrte Damen und Herren, was denke ich, wenn mein Minister mich fragen würde, was Russland wirklich will, (unverständlich) ist auf der anderen Straßenseite, will Russland wirklich ein kleines Stück ukrainischen Boden, um diesen in ihr Land zu integrieren? Nein! Das ist Unsinn, Putin übt druck aus, weil er es kann. Er weiß er spaltet die europäische Union. Aber was er wirklich will ist Respekt. Er will Respekt auf Augenhöhe, und oh mein Gott erweist ihm Respekt -das kostet wenig, gar überhaupt nichts. Wenn ich gefragt werde, ich werde gefragt (Mimik, Gestik), wenn ich gefragt werden würde, es ist einfach ihm den Respekt zu zollen den er wirklich verlangt und womöglich auch verdient. Russland ist ein altes Land, Russland ist ein wichtiges Land, eben wie wir, wir Inder und Deutschland brauchen Russland, denn wir brauchen Russland gegen China.

Womöglich nicht aus eurer (Indien) Perspektive, aber aus meiner Perspektive, ich bin ein sehr radikaler Katholik, ich glaube an Gott und ich glaube an das Christentum, und da haben wir ein christliches Land, aber Putin ist Atheist, aber das bedeutet nichts. Ich denke, wenn wir dieses große Land haben, auch wenn es keine Demokratie ist an unserer Seite, ihm eine Chance geben als bilateraler Partner, eine Chance mit der EU und den USA auf derselben Augenhöhe geben, das wäre ein leichtfallendes Vorhaben, dann hält es uns evtl. Russland von China fern.

China braucht die Ressourcen von Russland, und sie sind gewillt sie ihnen zu geben, weil unsere Sanktionen (unverständlich) sie in die falsche Richtung. Aber das ist Außenpolitik, die wird von Außenpolitikern gestaltet. Natürlich können wir dem russischen Vorgehen in Tschetschenien zustimmen. Und das muss angesprochen werden. Auch das was auf der Krim passiert. Dennoch, die Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen, das ist ein Fakt.

Und wir müssen lernen, politische Fragen sind taktische fragen keine Emotionen. So jetzt weiß ich schon gar nicht mehr was die Frage war.

Frage: Ich denke sie haben sie beantwortet, wir könnten ihnen nicht intensiver zustimmen, denn Indien hat eine strategische Partnerschaft mit Russland und ist einer unserer nächsten Freunde. Die nächste Frage ist….

Am Samstagvormittag vereinbarten die Verteidigungsministerin und Generalinspekteur Eberhard Zorn daraufhin, Schönbach solle zunächst zum Rapport bei Zorn antreten, ehe über weitere Schritte entschieden werde. Dem kam der Drei-Sterne-Admiral mit seinem Rücktrittsgesuch zuvor, dem Lambrecht entsprach. Nach Paragraph 50 des Soldatengesetzes können Soldaten vom Brigadegeneral aufwärts jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden; eine Begründung ist dafür nicht erforderlich.

Der Vizeadmiral hatte sich zuvor via Twitter entschuldigt und  die Aussagen als seine persönliche Meinung bezeichnet:

Schönbach hatte das Amt an der Spitze der Marine im März vergangenen Jahres als Nachfolger des vorherigen Inspekteurs Andreas Krause angetreten. Schönbach, der unter anderem auch Adjutant des früheren Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan war, nahm als Marineoffizier an zahlreichen Auslandseinsätzen teil. Am Horn von Afrika kommandierte er sowohl in der Anti-Terror-Mission Operation Enduring Freedom als auch in der EU-Antipirateriemission Atalanta eine Fregatte. Bevor er als Unterabteilungsleiter ins Ministerium wechselte, war er Kommandeur der Marineschule Mürwik.

In der Marine galt der Admiral als eine der konservativeren Führungspersonen – wie bereits der offizielle Pressetext zur Übergabe des Amtes als Schulkommandeur 2018 auch nahelegte:

Flottillenadmiral Schönbach legte in dieser relativ kurzen Zeit den Schwerpunkt auf eine Ausbildung, die noch näher an der Einsatzrealität der Marine bzw. der Streitkräfte ist – getreu seinem Motto „Tradition, Strenge, Kampf“. Durch diese realitätsnahe Ausbildung werden die Kadettinnen und Kadetten somit noch intensiver für ihren späteren Einsatz in der Marine als Führungskräfte motiviert und vorbereitet.

(Foto: Screenshot aus dem Vortrag des Videos in Neu-Delhi)