Gericht bestätigt Stopp für Vergabe des Schweren Transporthubschraubers für die Bundeswehr (m. Nachträgen)

Das seit Jahren laufende Vergabeverfahren für einen neuen schweren Transporthubschrauber für die Bundeswehr wurde ordnungsgemäß gestoppt und kann neu beginnen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte einen Beschluss der Vergabekammer beim Bundeskartellamt und wies die Beschwerden sowohl des Rüstungsunternehmens Lockheed Martin als auch des Verteidigungsministeriums zurück. Damit war der Stopp des Verfahrens zwar rechtswidrig, dennoch durfte die Ausschreibung ohne Ergebnis beendet werden.

Seit Jahren plant das Ministerium, den seit Anfang der 1970-er Jahre genutzten und inzwischen anfälligen Transporthubschrauber CH-53G in verschiedenen Varianten durch ein neues Modell zu ersetzen. Dafür waren bereits grundsätzlich die beiden US-Helikopter CH-53K von Sikorsky (Foto oben), einer Tochter des weltgrößten Rüstungskonzerns Lockheed Martin, und die CH-47 des Luftfahrtkonzerns Boeing ausgesucht worden.

Im September vergangenen Jahres stoppten Verteidigungsministerium und das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) jedoch das Verfahren, weil angesichts der deutschen Forderungen an die Maschinen die Angebote der Unternehmen deutlich über den geplanten Kosten lagen.

Das Bundeskartellamt hatte im März den Stopp des Projekts bestätigt, wenn auch mit einer Aussage, die für Nicht-Kenner des Vergaberechts nicht ganz einfach zu verstehen ist:

Die Vergabekammer des Bundes hat in ihrem Beschluss die Wirksamkeit der Aufhebungsentscheidung bestätigt und damit der Fortsetzung des Vergabeverfahrens eine Absage erteilt. Gleichzeitig wurde in dem Beschluss der Vergabekammer aber die Rechtswidrigkeit der Aufhebungsentscheidung festgestellt. Grund für die Feststellung war, dass die durch die Bundeswehr vorgenommene Schätzung der Beschaffungskosten für die Hubschrauber, die Grundlage für die Beantragung der Haushaltsmittel bildeten, nicht nachvollziehbar dokumentiert waren.

Dagegen hatten sowohl Lockheed Martin als auch das Verteidigungsministerium Beschwerde beim zuständigen Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. Das Gericht bestätigte am (gestrigen) Mittwoch diese Entscheidung, wie eine Gerichtssprecherin am Donnerstag mitteilte:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin und die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin sind jeweils zurückgewiesen worden. In der Sache ging es um die Überprüfung, ob die Aufhebung der EU-weit bekannt gewordenen Ausschreibung der Transporthubschrauber vergaberechtswidrig war. Mit der gestrigen Entscheidung hat der Senat die Entscheidung der Vergabekammer (VK 1-124/20 BKartA) bestätigt. Die Vergabekammer hat danach zu recht den Nachprüfungsantrag auf Fortsetzung des Vergabeverfahrens durch Zuschlagserteilung an sich selbst zurückgewiesen und festgestellt, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig gewesen ist.
Das Verfahren ist rechtskräftig.

Weitere Details nannte die Sprecherin nicht, weil das Verfahren in Rüstungsangelegenheiten Verschlusssache sei. Sowohl das Verteidigungsministerium als auch Lockheed Martin nahmen dazu zunächst nicht Stellung.

Mit der rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts scheinen zwei Dinge klar zu sein: Das Unternehmen kann nicht Schadenersatz dafür fordern, dass vor dem Stopp der Ausschreibung bereits Leistungen für ein Angebot zum Kauf des Hubschraubers CH-53K erbracht wurden. Und das Ministerium kann das Verfahren für die Beschaffung des Schweren Transporthubschraubers neu beginnen.

Denkbar ist, dass dafür beide Helikopter bei den USA als so genannte Foreign Military Sales angefragt werden und damit ein Vertrag zwischen der US-Regierung und der Bundesregierung Grundlage für die Beschaffung wird.

Allerdings muss auch das Ministerium überlegen, wie es mit der – nun gerichtlich bestätigten – Warnung des Bundeskartellamtes umgeht: Durch die Forderungen aus dem Beschaffungsamt, aber auch durch zusätzliche Forderungen aus dem Parlament wie Überlassung von Urheberrechten (Intellectual Property Rights) waren die veranschlagten Kosten von zunächst rund fünf Milliarden Euro für das Hubschrauberprogramm auf fast das Doppelte gestiegen. Diese Praxis, das haben sowohl Kartellamt als auch das Gericht deutlich gemacht, ist nicht (mehr) zulässig. Das könnte auch Auswirkungen auf andere große Rüstungsprogramme bekommen.

Nachtrag: Inzwischen äußerte sich, denkbar knapp, das Verteidigungsministerium dazu:

Wir haben das Urteil des OLG Düsseldorf zur Kenntnis genommen, welches nun ausgewertet wird.
Anschließend werden für das Projekt STH die nächsten Schritte ausgeplant.

… und, Nachtrag 2, die deutlich ausführlichere Stellungnahme von Lockheed Martin dazu:

Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf hat die Rechtswidrigkeit der Aufhebung des Vergabeverfahrens zum Schweren Transporthubschrauber (STH) vollumfänglich bestätigt. Das OLG stellte in seinem Beschluss vom 15. Dezember zum einen fest, dass der Angebotspreis von Lockheed Martin die geschätzten Gesamtkosten für Beschaffung und Betrieb nur unwesentlich überstieg. Darüber hinaus hielt das Gericht die vom Bundesverteidigungsministerium (BMVg) vorgenommene Schätzung der Beschaffungskosten aus mehreren Gründen für nicht nachvollziehbar und unrealistisch niedrig im Verhältnis zur geforderten Sonderausstattung der Hubschrauber. Damit folgte das Gericht der Ansicht von Lockheed Martin und der Vergabekammer des Bundes, nach der der Stopp des Vergabeverfahrens im September 2020 nicht gerechtfertigt war. Das OLG hielt es nicht für notwendig, dem Auftraggeber die Fortsetzung des ursprünglichen Vergabeverfahrens aufzugeben, solange im stattdessen initiierten Regierungskaufverfahren keine Anhaltspunkte für eine einseitige, willkürliche Bevorzugung eines Wettbewerber vorlägen.
Dr. Dennis Göge, stellvertretender Europachef bei Lockheed Martin, kommentierte die Entscheidung: „Wir sind in unserer Auffassung, dass der damalige Abbruch des Verfahrens unbegründet war und nicht durch überhöhte Angebotspreise der Bieter verursacht wurde, vollends bestätigt worden. Der Bund hätte auch im damaligen Beschaffungsverfahren seine Anforderungen an die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel anpassen können. Das Gericht hat dem Auftraggeber damit auch aufgegeben, im FMS-Verfahren einen Bieter auf der Basis realistischer Forderungen auszuwählen. Wir sind daher zuversichtlich, dass die CH-53K bei Beschaffung und Betrieb einer Flotte marktverfügbarer, schwerer Transporthubschrauber mit den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln im FMS-Verfahren die Anforderungen am besten erfüllt. Der dringende Bedarf dafür in der Bundeswehr besteht ohne Zweifel weiterhin.“

(Archivbild 2016:  CH-53K – Sikorsky/Lockheed Martin)