Drei Tage nach Anschlag in Mali: Noch wenig Klarheit über Angriff auf die Aufklärungskompanie (Nachtrag: Transkript)
Drei Tage nach dem schweren Anschlag auf eine Bundeswehrpatrouille in Mali bleiben die Informationen über den Hergang des Angriffs noch spärlich. Bei dem Angriff mit einer Autobombe im Norden des westafrikanischen Landes am vergangenen Freitag (25. Juni) waren zwölf deutsche Soldaten verwundet worden, drei davon schwer; außerdem ein belgischer Soldat. Alle Verwundeten sind seit dem Wochenende wieder in Deutschland.
Das Verteidigungsministerium erläuterte am (heutigen) Montag weitgehend die bekannten Fakten: Die Patrouille der gemischten Aufklärungskompanie des Bundeswehr-Kontigents in der UN-Mission MINUSMA war von einem Selbstmordattentäter rund 180 Kilometer nordöstlich des deutschen Stationierungsorts in Gao angegriffen worden, nachdem die Soldaten die Nacht dort in einem temporären Camp verbracht hatten. Der Fahrer hatte seinen mit Sprengstoff beladenen Wagen in Richtung der deutschen Soldaten gelenkt; wie es dazu kommen konnte, ist noch unklar.
Nach Angaben des Ministeriums war die deutsche Einheit mit einem Aufklärungsauftrag für MINUSMA unterwegs. Inwieweit sie eine Einheiten der malischen Armee auf dem Weg nach Kidal weiter im Norden Malis begleitete, wie die Führung der UN-Mission meldete, ist nicht so klar – damit ist auch offen, ob der Angriff mit den malischen Soldaten zusammenhing (wie hier vermutet) oder generell Truppen von MINUSMA galt.
Ebenso unklar ist bislang, ob die unbewaffnete Heron-Drohne, die die Bundeswehr in Mali zur Aufklärung nutzt, zur Begleitung und Überwachung dieser Patrouille eingesetzt wurde. Auf Fragen dazu wollte der Sprecher des Verteidigungsministeriums nicht Stellung nehmen.
Recht klar äußerte sich das Ministerium dagegen zu der Rettungskette, die in Mali derzeit mangels deutscher Hubschrauber überwiegend durch eine deutsche Firma gestellt wird. Die Rettungskette habe einwandfrei funktioniert; Meldungen, dass die zivilen Hubschrauber der Vertragsfirma 50 Kilometer vom Anschlagsort entfernt gelandet seien, träfen nicht zu.
Die Aussagen von Kapitän z.S. David Helmbold vom Verteidigungsministerium vor der Bundespressekonferenz zum Nachhören; zudem äußert sich auch Regierungssprecher Steffen Seibert:
Ergänzung: Zu dem Anschlag und zur Lage in Mali äußerte sich Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in einem Interview des Deutschlandfunks – unter anderem auch zu der Kritik an der Rettungskette.
Das Transkript des obigen Auszugs aus der Bundespressekonferenz:
Frage: Herr Helmbold, der Anschlag in Mali ist jetzt etwa vier Tage her. Können Sie uns vielleicht zusammenfassend sagen, was Sie bislang über den Anschlag selbst wissen, unabhängig von der politischen Debatte, die in Deutschland läuft?
Helmbold: Ich kann kurz rekapitulieren, welche Daten wir im Augenblick haben. Es beginnt am 25. Juni gegen 8.28 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Das entspricht in Mali 6.28 Uhr. In Mali herrscht Z-Zeit, Zulu-Zeit, militärisch gesprochen. Der Anschlag fand ca. 180 km nordöstlich von Gao statt, und zwar in der Nähe der Ortschaft Tarkint. Nach unseren jetzigen Erkenntnissen handelt es sich um einen Autobombenanschlag. Wir nennen das im Nato-Jargon SVBIED, ein „Suicide Vehicle Borne Improvised Explosive Device“, also einen Selbstmordanschlag mithilfe einer Bombe, die auf einem Auto transportiert wurde. Zu dem Zeitpunkt des Anschlages befanden sich die Kräfte vor Ort in einer sogenannten Nachtaufstellung. Das bedeutet, dass zum Schutz des Kontingentes die Fahrzeuge in einer bestimmten Aufstellung aufgestellt worden sind.
Dabei wurden zwölf deutsche Soldaten zum Teil schwer verwundet. Ein weiterer Soldat einer Partnernation wurde ebenfalls verwundet. Alle verwundeten deutschen Soldaten befinden sich jetzt in Deutschland in den Bundeswehrkrankenhäusern Koblenz und Ulm. Das Wichtigste für uns ist im Moment, dass alle Verwundeten derzeit stabil sind – das erleichtert uns – und dass sie entsprechend ihrer Verletzungsmuster durch hoch qualifizierte interdisziplinäre medizinische Teams behandelt werden.
Wichtig ist mir, noch auf eines hinzuweisen, und zwar auf das Funktionieren der Rettungskette. Die deutsche Rettungskette inklusive ziviler Anteile sowie die Unterstützung durch Partnernationen und die VN hat sich bewährt. Medienberichte, denen zufolge die Hubschrauber 50 km entfernt gelandet sein sollen, sind unzutreffend. Die Hubschrauber sind in unmittelbarer Umgebung des Anschlagsortes gelandet. Die Rettungskette hat entsprechend funktioniert. Die Verwundeten wurden in Role-1- und Role-2-Einrichtungen behandelt. Dabei handelte es sich um eine französische Role-2-, eine chinesische Role-2- und eine deutsche Role-1-Einrichtung. Nach den ersten Behandlungen und auch den entsprechenden Operationen der schwer Verwundeten dort ist es dann auch gelungen, den Transport über StratAirMedEvac durchzuführen. Es gab zwei Flüge. Ich denke, das ist so weit auch bekannt gewesen. Es handelte sich zum einen um einen A400M aus Wunstorf. Dieser verlegte sieben Patienten am 26. Juni aus Gao nach Köln. Die Patienten wurden anschließend zur Weiterbehandlung an das Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz verbracht. Ein weiterer Flug holte sechs Patienten am 26. Juni nach taktischer Verlegung mit einer entsprechenden Firma von Gao nach Niamey und von Niamey aus in derselben Nacht nach Stuttgart. Diese verwundeten Soldaten wurden zur Weiterversorgung ins Bundeswehrkrankenhaus Ulm verlegt. Dort vor Ort sind sie jetzt stabil und befinden sich in der entsprechenden interdisziplinären Behandlung. In den Bundeswehrkrankenhäusern in Ulm und Koblenz befinden sich Spezialisten, die für entsprechende Verletzungsmuster von Schuss- und Explosionsverletzungen besonders ausgebildet sind.
Dann gibt es die Folgemaßnahme und die Rückführung. Unmittelbar nach Meldung des Anschlags durch die Aufklärungskompanie wurden deutsche Sicherungskräfte, eine sogenannte Quick Reaction Force, zum Anschlagsort entsandt. Diese haben die angegriffenen Kräfte verstärkt und die Rückführung vorbereitet. Nach Eintreffen der Sicherungskräfte vor Ort haben sie auch die Führung vor Ort übernommen. Die betroffene Aufklärungskompanie hat dann den Rückmarsch nach Gao angetreten. Sie hat das Camp Castor am 26. Juni um 3.40 Uhr erreicht. Zusätzlich nahmen Feldjäger und Kampfmittelabwehrkräfte die Ermittlungen am Anschlagsort auf. Am 26. Juni wurde ein Konvoy zur Rückführung des Schadmaterials, eine sogenannte Recovery Task Force, in Gao in Marsch gesetzt. Der Rückmarsch dieses Konvoys vom Anschlagsort begann am 27. Juni, also gestern, um 3.30 Uhr Z-Zeit, also Ortszeit. Diese Kräfte sind um 12.50 Uhr Ortszeit gestern im Camp Castor eingetroffen. Damit ist die sogenannte Bergeoperation abgeschlossen worden.
Die betroffenen Soldaten der Aufklärungskompanie werden derzeit psychologisch betreut.
Zu den weiteren Dingen und zu taktischen Details kann ich heute nichts sagen. Die Untersuchungen laufen noch. Im Moment wollen wir dem Kontingent vor Ort auch die Ruhe und die Zeit geben, um das zwar zügig, aber natürlich in aller Sorgfalt aufzuklären.
StS Seibert: Ich will auch bei diesem Thema diese Bundespressekonferenz noch einmal nutzen, um zu sagen, wie sehr die Bundeskanzlerin in Gedanken bei den Verwundeten und bei ihren Familien ist, die ja sehr bange Stunden und Tage durchmachen. Sie hofft, dass alle vollständig genesen können.
Der Dank geht auch an alle, die diese rasche und – das wurde gerade beschrieben – gut funktionierende Rettungskette aufgebaut haben. Er geht auch an die internationalen Partner, die in den ersten Stunden wichtige Unterstützung geleistet haben.
Zusatzfrage: Herr Helmbold, nach Angaben von MINUSMA sollte die Bundeswehr eine Einheit der malischen Armee nach Kidal begleiten. Verstehe ich es richtig, dass vorgesehen war, dass die Aufklärungskompanie ihren Auftrag bis Kidal fortsetzt?
Helmbold: Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass es sich um eine gemischte Aufklärungskompanie gehandelt hat und dass sie im Rahmen einer mehrtägigen Aufklärungsoperation unterwegs war und sie auch in einem entsprechenden Kreis durchgeführt hat. 180 km nördlich von Gao hat dann der Anschlag stattgefunden.
Weitere Details dazu, auch zu den Fragen, wie das taktisch abgelaufen ist, will ich heute bewusst nicht weitergeben. Denn diese Dinge werden jetzt in aller Sorgfalt aufbereitet. Dann werden wir erst das Parlament und dann die Öffentlichkeit darüber informieren.
Zusatzfrage: Entschuldigung, aber Sie widersprechen direkt der Darstellung der UN. Die UN spricht davon, dass die Deutschen eine malische Einheit begleitet hätten. Sie sagen, sie hätten einen Aufklärungsauftrag gehabt. Das muss sich nicht gegenseitig ausschließen, aber Sie könnten ja sagen, ob sie den Auftrag hatten, die Malier zu begleiten, oder nicht.
Helmbold: Das ist überhaupt kein Widerspruch. Ich widerspreche auch nicht der UN. Das geht auch weder aus ihren Worten noch den entsprechenden Meldungen hervor. Wir befinden uns in Abstimmung mit der UN, wenn es darum geht, darüber zu kommunizieren. Das, was ich Ihnen dazu sagen kann, habe ich Ihnen jetzt gesagt.
Frage: Gehen Sie davon aus, dass bis zur Sondersitzung des Verteidigungsausschusses am Mittwoch mehr über den Hintergrund und die Täter und Täterinnen des Anschlages zu erfahren sein wird?
Helmbold: Ich kann eigentlich nur das wiederholen, was ich jetzt gesagt habe. Wir klären das vor Ort auf. Gerade das Kontingent vor Ort muss im Moment die nötige Ruhe haben, um das in Sorgfalt aufzuklären. Alle Informationen, die wir in dem Augenblick gesichert zur Verfügung haben, werden wir dem Parlament und der Öffentlichkeit selbstverständlich mitteilen.
Frage: Wurde die angegriffene Einheit zum Zeitpunkt der Attacke durch eine Heron-Aufklärungsdrohne begleitet? Was hat diese Drohne gesehen beziehungsweise aufgezeichnet?
Helmbold: Ich habe im Moment keine Ergänzungen zu dem zu machen, was ich bis jetzt gesagt habe.
Frage: Das Attentat hat zu verstärkten Rufen nach bewaffneten Drohnen zum Schutz von Bundeswehrsoldaten geführt. Wie können solche Selbstmordattentäter durch Drohnen abgehalten werden? Etwa durch präventiv gezielte Massenangriffe auf potenzielle Gewalttäter in Auslandseinsatzgebieten, also quasi durch massives präventives Töten?
Helmbold: Ich will mir an dieser Stelle die ganzen Annahmen, die dieser Frage zugrunde liegen, nicht zu eigen machen. Ich will auch ganz klar sagen, dass wir uns zu der Drohnenthematik bereits sehr intensiv informiert haben und es entsprechende Untersuchungen gab. Ich will mich heute, nachdem die Bergeoperation gerade abgeschlossen ist, mit den Schlussfolgerungen bewusst zurückhalten. Erst einmal müssen wir in aller Ruhe die Ergebnisse der Aufklärung vor Ort abwarten. Danach ist der Zeitpunkt, zu dem wir uns in Auseinandersetzung mit diversen Themen, die sich rund um den MINUSMA-Einsatz ergeben, äußern können.
Frage: Eine Klärungsfrage zur Rettungskette: Es ging ein bisschen durcheinander. In Meldungen war von einem französischen Chinook die Rede. Die Franzosen haben keine Chinooks. Handelte es sich um den britischen Chinook, der den Franzosen im Rahmen der Operation Barkhane unterstellt ist?
Helmbold: Diejenigen, die eingesetzt wurden, waren ja erst einmal diejenigen der zivilen Unterstützungen und gleichzeitig noch etwas als Absicherung von Partnernationen. Mit Blick auf die Chinook-Frage habe ich im Moment keine Informationen, mit denen ich Ihnen helfen könnte.
(Archivbild Januar 2020: Bundeswehrsoldaten übernachten in der Wüste in der Nähe von Gao/Mali – Philipp Hoffmann/Bundeswehr)
@Trevor Faith
Daher meine Wortwahl „praktisch aussichtslos“ und „wenig bis gar nichts“.
Man kann Rückstände des verwendeten Sprengstoffes analysieren, gewisse Fragmente untersuchen und man kann versuchen über das verwendete Fahrzeug die Rückverfolgung aufzunehmen.
Aber dann treten auch sofort die Probleme auf.
Als Sprengmittel dient entweder alte Munition (wie Artilleriegranaten) oder ANFO.
Um aus dem erstem einen Sprengsatz herzustellen braucht es keinen Feuerwerker, denn das sind schon fertige Sprengsätze. Und ANFO wird ebenso einfach aus unscheinbaren Stoffen hergestellt.
Und für beides wird man keine Quittungen herumliegen sehen, die einen Kauf belegen.
Genau so siehts auch mit dem Fahrzeug aus. In Kabul sind teilweise über 80% der Autos auf den Straßen Toyota Corollas. Die meisten davon in Weiß. In Mali ist die Situation ähnlich.
Und so wie beim Sprengstoff lässt sich auch hier kaum etwas zurückverfolgen, weil keine Quittungen erstellt werden und der Staat alle paar Jahre (Monate) gestürzt wird und keine Zulassungspapiere vorhanden sind. Im Zweifel wurde das Kennzeichen vorher abgeschraubt.
Dann kann man höchstens über Seriennummern gehen. Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass ein Auto auch schonmal gerne 4, 6, 8 verschiedene Seriennummern auf verschiedenen Bauteilen hat.
Malische Autohändler nach Seriennummer der von ihnen verkauften Fahrzeuge zu fragen klingt nach einer schönen Beschäftigung.
Bei einem Auto als Tatwaffe lässt sich ja nicht Mal ein klar definierter Umkreis um den Tatort ziehen. Der Täter kann aus 20km Entfernung gekommen sein, er kann aber auch aus 800km Entfernung mit 2 Tankstopps gekommen sein. Bei einem neben der Straße vergrabenen IED hat man zumindest noch eine gute Chance, dass der Täter aus dem nächstgelegenen Dorf kommt.
Außerdem sprechen wir hier über Organisationen die sich mit dem Schmuggel von Menschen, Waffen und Drogen finanzieren. Entweder gibt es gar keinen Schriftverkehr oder der findet über verschlüsselte Krypto-Handys statt.
Und weil der eigentliche Täter nicht mehr aussagen kann, lässt sich ihm ganz bequem jede Schuld zuschieben. Das gleiche sehen wir bei Wirecard und dem flüchtigen Jan Marsalek. Solang die Justiz ihn nicht in die Finger bekommt kann er ohne Konsequenzen als Sündenbock herhalten.
So sehr mir auch Gerechtigkeit am Herzen liegt, lässt sich mit solchen Untersuchungen wenig erreichen und noch weniger gewinnen.
Denn es geht nicht darum den malischen Staat zu ersetzen oder ein Exempel zu statuieren (deshalb der Verweis auf Wilhelm II Hunnenreden-Rhetorik).
Torsten Angerer sagt:29.06.2021 um 11:50 Uhr
Stichwort: Wagenburgen
Das funktioniert bei der BW genauso.
Einverstanden, um dauerhaft wirksam zu sein, erfordert politische Kontrolle über die Bundeswehr in Deutschland, klare und verlässliche Regeln zu schaffen, die Entscheidungs- und Kontrollbefugnisse so verteilen, dass sie den Primat der Politik sichern.
Ich vestehe es allerdings so dass das Militär einen ungefilterten militärischen Ratschlag gibt, um die Politik zu beraten und vice versa die Politik lernend versteht, was ein militärischer Ratschlag ist sowie wie sie ihn bewertet und nutzt.
Sollte nicht auch dazu gehören, Erfolg messbar und evaluierbar zu machen, Auschlusslriterien festzulegen und auch bei der Formulierung des zu erreichenden Zielzustandes beizutragen?
Ist es denn nicht schon vorgekommen, dass Miltär einen Erfolg ausschloss?
Oder folgt man der Politik um „jeden Preis“?
Ein militärischen Ratschlag für den künftigen Umfang des deutschen Mailieinsatzes ist das eine, die Empfehlung bei mangelnden Erfolgsaussichten für „Abbruch“ das andere? Die Entscheidung verlangte natürlich sorgfältiges Abwägen, also nicht nur formal die Sicherung des Primates der Politk.
Die deutschen Soldatïnnen erwarten von ihren militärischen Führern auch Klartext nach ‚oben‘ und ‚außen‘: hin zu den außen- und verteidigungspolitisch Verantwortlichen, hin zur Öffentlichkeit. Über die Notwendigkeit von Auslandseinsätzen zum Beispiel entscheidet das Parlament, es bauftragt in der Umsetzung das BMvg aber beide sollten ruhig erfahren, dass sich darüber auch die Soldatïnnen ihre Gedanken machen, vor allem wenn sie erleben, dass in einem Einsatzgebiet auch nach Jahren noch keine nennenswerten Fortschritte erzielt wurden oder dass die Zeit, die ihr Einsatz „kauft“ (sie sagen wohl – gewinnen), nicht für den energischen zivilen Aufbau genutzt wird oder die Sicherheitslage unkontrollierbar schlechter wird
Die Soldatïnnenbei sagen doch dazu: „eine ebenso höfliche wie unmissverständliche Meldung, was im Argen liegt“.
Soldaten und politische Verantwortung bedingen einander. Aber auch Beratung generiert sich aus Verantwortung.
Ich bin interessiert, wie denn ‚rein praktisch“ die Rahmenbedingungen und Anforderungen an die Politikberatung durch Militär aussehen. Kann das jemand beschreiben? Zu gern auch mit aktuellem Bezug.
Danke!
[Jetzt muss ich doch noch mal fragen: Geht’s Ihnen um das Thema dieses Threads, oder um eine Grundsatzdiskussion über die Bundeswehr? T.W.]
@ Sindbad
„Diese 50+ Jahre alten Erfahrungen von franzoesischen Offizieren wie Roger Trinquier und David Galula hat u.a. General Petraeus dann fuer sein COIN-Manual 2006 wieder ausgegraben.“
Völlig d’accord. Die Grundprinzipien der Aufstandsbekämpfung (@ T.W. wenn auch nicht die konkreten Methoden!) muss man nicht neu erfinden. Eine sorgfältige Literaturanalyse samt Inkorporation der entsprechenden Erfahrungen in die Ausbildung würde völlig reichen.
Aber nennen Sie mal Trinquier bzw „französische Doktrin“ in einer entsprechenden Debatte. Hysterische Schnappatmung inklusive panischem physichen und metaphorischen Stühlerücken weg von Ihnen ist garantiert.
Gesinnugsethik frisst sich doch schon länger auch in die BW. Was unter Anderem einer der GRünde für die hier mangelnde „Kriegstauglichkeit“ und realitätsferne Ausbildung in der deutschen Armee ist
Aus dem Faden „Mali-Roundup“/Auszug
Die Planungen dafür liefen, sagte der Abteilungsleiter Strategie und Einsatz im Verteidigungsministerium, Generalleutnant Bernd Schütt. (Nutzung Bw-HubSchr „nach“ Afg)
Schütt und Oberst Christoph Rittelmann, deutscher Kommandeur in der MINUSMA-Mission in Mali, bei einer Videkonferenz mit AKK und Abgeordneten des Verteidigungsausschusses …
Oberst Rittelmann wie Oberstleutnant Martin Sonnenberger, Kommandeur in der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali, ihre Sicht auf die Lage.
Einige Kernpunkte:
• Trotz der allgemein schlechten Sicherheitslage in Mali sieht Rittelmann die deutschen Soldaten im UN-Einsatz gut geschützt. Auch wenn die Bundeswehr ihre Operationen demnächst auf einen Raum 80 bis 130 Kilometer südlich ihres Stationierungsortes Gao und damit mitten in die die Kampfzone islamistischer Gruppierungen ausweiten werde, sei das Risiko für die Bundeswehreinheiten kalkulierbar. Einen offenen Angriff müssten sie in ihren geschützten und bewaffneten Fahrzeugen nicht befürchten. Zwar gebe es eine Gefahr durch Sprengfallen (die im vergangenen Jahr Belgier und Iren in deutschen Konvois getroffen hatten), die Bedrohung durch diese IED (Improvised Explosive Devices) sei jedoch mit der bisherigen Gefährdung in Afghanistan nicht vergleichbar“ (Ergänzung und Fett/KPK)
Feststellung dazu:
Zu den HubSchr, viel Erfolg dem Abteilungsleiter Strategie und Einsatz.
Wie man sich in seiner Beurteilung der Lage (BdL) innerhalb weniger Wochen doch täuschen kann.
Auch wenn hier der DEU Kdr für den Einsatz spricht, die Gegnerlage bei MINUSMA bewies jüngst anderes. Der Gegner unterscheidet keine einzelnen Operationen, bei denen im politischen Berlin gern Auftrag und Gefährdung national/multinational differenziert werden.
Feind schlägt unterschiedslos zu. Er hat die Freiheit des Handelns, zeitlich und räumlich.
In realer BdL wird aktuell festgestellt, so meine Erwartung:
es ist eine wesentliche Änderung der Lage eingetreten, es wird ein neuer, anderer Entschluss erforderlich sein. Nur welcher Art?
Die Kanzlerin gestern im RND:
– „Angesichts des Anschlags auf deutsche Soldaten in Mali ruft Bundeskanzlerin Angela Merkel zu mehr internationaler Zusammenarbeit gegen den Terror auf.
– Besonders Frankreich müsse unterstützt werden“.
Damit ist ein Einschwenken auf die Macron’sche Erwartung gegeben?
Möglichkeiten des Handelns
– politische Unterstützung à la TAKUBA?
– FRA bei Barkhane entlasten?
– gleichzeitig Minusma verstärken?
Worüber denkt man im Kanzleramt nach?
[Was soll das, hier absatzweise aus einem früheren Eintrag rüberzukopieren, aber den noch nicht mal zu verlinken?
https://augengeradeaus.net/2021/05/mali-roundup-eventuell-wieder-eigene-hubschrauber-kommandeur-sieht-ausreichend-schutz-vor-ied/
T.W.]
@Petra(med02)
Sie scheinen mir zum einen die Position der Bundeswehr in Sachen politische Einflussnahme gehörig zu überschätzen bzw falsch einzuordnen und zum anderen existieren die von Ihnen geforderten Kontrollmechanismen doch unter anderem durch die Mandatierung von Bundeswehreinsätzen und die engen Grenzen des Grundgesetzes.
Mir ist weiterhin unklar worauf sie eigentlich in diesen Thread hinaus wollen. Mit dem Anschlag auf die Kameraden in Mali bzw den MINUSMA Einsatz hat das doch recht wenig konkret zu tun.
Cheers
Flip
Wenn ich mir die Gedanken / Thesen von @Eric Hacen und @ Wacaffe genauer betrachte, dann habe ich eine zentrale Frage, deren Antwort Schwerpunktbildung ( analytisch 😉) bei einigen der sehr interessanten Gedankengängen zulässt.
– Wie werden die Soldaten der BW von der breiten Masse der Bevölkerung und darin auch von entsprechend radikalisierten sozialen Bewegungen in Nordmali eher wahrgenommen; Eher als Soldaten der BW oder eher als Soldaten der UN?
Denn wenn die Anti-IS Koalition Mali fokussiert, dann schwingt da der Aspekt ,System Kollektiver Sicherheit‘ mit. Die könnte bei entsprechender Integration von Takouba das Thema Hausbesuche in greifbare Nähe rücken.
@ Petra (med02) 29.06.2021 um 13:51 Uhr —> @ T.W. „Jetzt muss ich doch noch mal fragen: Geht’s Ihnen um das Thema dieses Threads, oder um eine Grundsatzdiskussion über die Bundeswehr? T.W.“
Es geht um das Thema, die Anwendung der Grundsätze auf die konkrete Diskussion zum Thema Bundeswehreinsatz in Maii, nicht verengt, sondern mit offenem, weitem Blick.
Ich habe höflichst erbeten, zu erfahren, wie Politikberatung durch Militär aussieht, ich wiederhole dies noch einmal gern mit Bezug auf aktuelle Ereignisse in Mali, ich erwähnte auch den morgigen Verteidigungsausschuss.
Gerade mit Blick auf Mali kommt viel zusammen, z.B. seit einiger Zeit wird der Norden Malis von verschiedenen fundamentalistischen Organisationen kontrolliert. Diese Entwicklung u.a ist eine direkte Folge der Überschwemmung Nordwestafrikas mit Waffen aus libyschen Beständen infolge der dortigen NATO-Intervention im vorigen Jahr.
Die jetzige Situation im Norden Malis ist u.a. ein Ergebnis des Angriffs auf Libyen. Bereits damals hatten Kenner der Region vor einer Destabilisierung der gesamten Sahel-Zone gewarnt. Was dann innerhalb nur weniger Monate passierte, überraschte selbst die Experten. Dem Aufstand der Tuareg, von denen Tausende in libyschem Militärdienst gestanden hatten, wurde durch einen Militärputsch in Mali der Weg zum Erfolg geebnet.
Das zu erwähnen führt doch sicherlich nicht zu OT. Es ist halt ein komplexes Thema, welches von mehrenen Ebenen her beleuchtet werden muss. Grundsätze und übergreifende Entwicklungen gehören doch dazu.
Auch den Punkt, ob nicht ähnliche Fehler wie in Afghanistan erneut zugelassen werden, ist nicht nur meine Einzelmeinung und hier schon erwähnt worden.
Beim Einsatz in Nordafrika reagiert die Politik ja wieder erst in einer Krise, die sie selbst befördert hat.
Wieder dreht sich die Debatte um den Sinn militärischer Mittel, nicht aber beispielsweiseum die sozialen Nöte der Bevölkerung oder gar Konfliktursachen.
Auf fatale Weise steht wahrscheinlich auch dieser der Militäreinsatz vor dem Scheitern.
Das Scheitern der Militärmission in Afghanistan vor Augen hat sich in der deutschen Politik doch durchaus Ernüchterung breitgemacht. Erstmals werden Fehler eingestanden, erstmals zeigt sich eine Kultur der Niederlage: eine Voraussetzung, um aus dem Misserfolg wenigstens für künftige Situationen lernen zu können. Aber in die Hoffnung, dass das überfällige Umdenken wirklich stattfinden wird, mischen sich Zweifel, wenn man Entwicklungen in Mali verfolgt.
Ich will doch nur wissen, legt das Militär schonungslos die Probleme in Mali bloß?
Angefangen mit der Analyse des Kriegsschauplatzes, der tatsächlichen Möglichkeiten des Militärs uvm.
Mali ist doch zunehmend konfrontiert mit erweiterten und stärkeren Aufständen, während gleichzeitig seine Institutionen geschwächt sind durch interne Machtkämpfe und Korruption. Was folgt daraus für die deutsche militärische Beteiligung? Was beinhaltet in einer solchen Situation der militärische Ratschlag? Wie sehen Handlungsalternativen aus?
Hier sind doch die Spezialisten für militärische Fragen. Sagen sie es mir bitte einfach, denn sie wissen dazu doch sicher viel
Ich finde es wirklich prima, wie durch T.W. die unterschiedlichen und entgegengesetzten Meinungen als legitim betrachtet und als wünschenswert anerkannt werden.
Nach sorgfältigem Lesen sind Nachfragen zwar nicht überall so deutlich, doch dies halte ich gern aus, um mich auf Sachargumente zu freuen.
Sollte ich falsch liegen, wäre ein nicht pauschales Abwerten meiner Ansichten nicht hilfreich. Darauf wird ja durch den Betrieber und einigen Kommentatoren sehr genau geachtet.
Stärke zeigt sich doch in der Kraft der Argumente, nicht in ausgrenzenden Pauschalurteilen. Interessanterweise reagieren einer Foristen weniger aufgeregt und fordern im Meinungstreit klare Positionierung an Hand von Argumenten ein.
[Entschuldigung, so kommen wir nicht weiter:
Diese Entwicklung u.a ist eine direkte Folge der Überschwemmung Nordwestafrikas mit Waffen aus libyschen Beständen infolge der dortigen NATO-Intervention im vorigen Jahr.
Klären Sie uns kurz auf, welche „dortige NATO-Intervention im vorigen Jahr“ Sie meinen. So wird es langsam absurd.
T.W.]
Nochmal zum Verständnis. Wenn es eine gemischte Kompanie war die angegriffen wurde, warum gab es dann bei den anderen Beteiligten in der Wagenburg keine Opfer? Wurde das getrennt im Sinne “ Der eine Zug da, der Nächste 500 m weiter“usw?
Es kommt mir so vor, dass man zwar an den Symptomen der kriegerischen Auseinandersetzung in Mali herumdoktert, aber die Ursachen des Konflikts über Jahre ignoriert. Wäre es nicht an der Zeit, die Ursachen dieses Bürgerkrieges zu analysieren und zu bekämpfen ?
Da wären als erstes die Tuareg im Norden. Die lebten schon immer vom Schmuggel und den Transport von Menschen und Gütern durch die Wüste. Denen ihre Existensgrundlage zu verbieten (d.h. ihr Lebensmodell zu zerstören) ist aussichtslos.
Dann wären die islamistischen Gruppen im Norden. Die müsste man konsequent bekämpfen und gleichzeitig die Dorfbevölkerung vor den Übergriffen der islamistischen Gruppen beschützen !
Dann die ca. 1000 malischen Söldner, die auf der Seite Gadaffis in Libyen gekämpt haben und in einem langen Trek wieder nach Mali gezogen sind. Bekanntlich ernährt der Krieg den Krieger, das gilt insbesondere für Afrika, wie es auch Prof Münkler in den „Neuen Kriegen“ schön heraus gearbeitet hat.
Dann wäre das Volk der Hirten (nomadenartig) und das Volk der Bauern in Mali.
Nachdem die Sahelzone in den Süden vordringt haben die Hirten mit ihren Herden immer weniger Weideflächen. Sie grasen dann manchmal in ihrer Not die Felder der Bauern ab. Konflikt vorprogrammiert. Lösungsmöglichenkeiten ? Auf jeden Fall nicht das Volk der Bauern von der Regierung in Bamako aus zu bewaffnen, damit sich die gegen die nomadisierende Hirten wehren zu können.
Bleibt die reiche frankophile Oberschicht im Süden, in Bamako. Mali hat die fünftgrößten Goldvorkommen in Afrika. Wie kann es sein, dass davon nur die Oberschicht im Süden profitiert ?
Wenn der Bundesentwicklungsminister Gerd Müller fordert, die Staaten in Afrika müssen föderale Strukturen entwickeln und alle Bevölkerungsgruppen müssen von den nationalen Ressourcen profitieren, dann passiert was in DEU ?
Deutschland entsendet Truppen nach Mali, aber nicht um dieses Ziel umzusetzen, sondern um die reiche Oberschicht im Süden zu schützen, damit sie die nationalen Ressourcen nicht mit allen Bevölkerungsgruppen teilen müssen und dann spielt auch ein zweimaliger Putsch durch das malische Militär gegen die demokratisch gewählte Regierung in Bamako keine Rolle mehr für unsere Truppenentscheidung, oder ?
@ Petra (med02) 29.06.2021 um 15:09 Uhr —->@ T.W “ Klären Sie uns kurz auf, welche „dortige NATO-Intervention im vorigen Jahr“ Sie meinen. So wird es langsam absurd.
T.W.]
Es sollte heißen, im vorherigen Jahrzehnt……………….(Im Zuge des „Arabischen Frühlings“ gingen im Februar 2011 die Libyer auf die Straße, um gegen das autoritäre Regime von Machthaber Muammar al-Gaddafi zu protestieren. Der hielt sich seit mehr als 40 Jahren, seit 1969, an der Macht und regierte das Land mit harter Hand. Der Protest mündete bald in eine militärische Auseinandersetzung. Teile der Militärs liefen zu den Demonstranten über, andere blieben auf Seiten Gaddafis.
Rasch eskalierte die Gewalt. Am 17. März ermächtigten die Vereinten Nationen die internationale Staatengemeinschaft zu militärischen Maßnahmen, die dem Schutz der Bevölkerung dienen sollten und folglich Gaddafis Gegner unterstützten. Nur zwei Tage später begannen die USA, Großbritannien und Frankreich mit Luftangriffen auf die Truppen Gaddafis. Am 31. März übernahm die NATO das Kommando über den Einsatz.)
@Petra (med02) sagt: 29.06.2021 um 15:09 Uhr
„Ich will doch nur wissen, legt das Militär schonungslos die Probleme in Mali bloß?
Angefangen mit der Analyse des Kriegsschauplatzes, der tatsächlichen Möglichkeiten des Militärs uvm.“
Wer ist denn „das Militär“?
Der BefH EinsFüKdo? Der GI? Die Abteilung Politik des BMVg (die übrigens zu einem guten Teil aus Zivilisten besteht? Das GIDS?
„Sollte ich falsch liegen, wäre ein nicht pauschales Abwerten meiner Ansichten nicht hilfreich. Darauf wird ja durch den Betrieber und einigen Kommentatoren sehr genau geachtet.“
Vielleicht sehen Sie augengeradeaus.net als Plattform falsch.
Das hier ist ein sicherheitspolitischer Blog von T.W. mit einer Kommentarfunktion.
Wenn Sie also zum o.a. Blogeintrag „Drei Tage nach Anschlag in Mali: Noch wenig Klarheit über Angriff auf die Aufklärungskompanie (Nachtrag: Transkript)“ bzw. dem Thema an sich kommentieren wollen, dann tun Sie das doch einfach.
Aber Sie scheinen ja eher an einer Globaldiskussion über den Wert militärischer Instrumente in Konfliktszenaren führen zu wollen und da wunder es Sie, dass daran hier wenige Interesse haben?!
@T.W/@Petra(med02):
Erstmal denke ich Streiche „Jahr“ und setzte „Jahrzehnt“ und was sie fragt, ist wie nimmt die Regierung sicherheitspolitische Informationen / Analysen wahr.
Grundsatzproblem: wir haben keinen Nationalen Sicherheitsrat und außenpolitische Wahrnehmung macht vor allem das Außenministerium. Hätten wir einen würden indirekt auch diese Informationsflüsse für die Öffentlichkeit deutlicher. denn dabei darf man die BW nicht überschätzen, welche den Auftrag hat, der Politik in Mali Zeit zu verschaffen, Konfliktursachen auf sozialer und polit-ökonomischer Ebene zu heilen.
Daher, @Petra: Richtige Fragen am falschen Ort?
@Dante: das ist davon abhängig, wie aufgelockert die Kräfte standen und wo der Pickup „umgesetzt“ hat. Nehmen wir an, dass der Pickup am äußeren Ring vor einem LKW Multi umsetzte, dann haben eben andere Kameraden in gewissem Abstand großes Glück gehabt. Ich vermute, dass dazu morgen im VtdgA nach Vorliegen eines FIR (FirstImpressionReport) ausgeführt wird. Dann wissen sicher auch wir mehr.
@Petra (med02)
Ich finde inzwischen fehlt es dieser Debatte hier am nötigen Pragmatismus.
Einerseits wird immer wieder vom „gescheiterten Einsätzen“ gesprochen und andererseits wird eine mangelnde Zielsetzung kritisiert. Wie kann man denn ein Ziel verfehlen, dass angeblich nie ein Ziel gewesen sein soll?
So wie ich die Einsätze in Afghanistan und Mali beurteile, sind die Primärziele erreicht worden.
Denn es ging sich in erster Linie immer darum unseren Verbündeten gegenüber Solidarität und Engagement zu symbolisieren.
Die deutsche Beteiligung an Enduring Freedom, ISAF und Resolute Support standen unter Artikel 5 des Nordatlantikvertrages den die USA nach den 911-Anschlägen ausrufen ließen.
Für Mali sieht es ähnlich aus. Man will Frankreich loyal zur Seite stehen.
Als Frankreich dann nach den Anschlägen in Paris (13.11.2015) den EU Artikel 42 Abs.7 geltend machte wurde vom Deutschen Bundestag (Januar 2016) beschlossen das Mandat erheblich auszuweiten (in Kompetenz und Größe: 150 auf 650).
https://www.sueddeutsche.de/politik/terror-in-paris-frankreich-ruft-eu-buendnisfall-aus-von-der-leyen-sichert-deutsche-hilfe-zu-1.2740669
Wenn man die Einsätze darauf reduziert seinen Verbündeten gegenüber Solidarität ausdrücken zu wollen, dann sind (waren) beide erfolgreich.
Und wenn man bedenkt, wie weit die Amerikaner für Deutschland im Falle eines heiß gewordenen Kalten Kriegs gegangen wären, dann sind unsere Verluste in Afghanistan ein vergleichsweise kleiner Preis.
Deshalb kann man einen Einsatz auch nicht einfach beenden, wenn man „keine Lust mehr“ hat.
[Damit sich das nicht falsch festsetzt: Enduring Freedom war unter Artikel 5, ISAF und Resolute Support nie.
(Und warum Sie zu Mali/EU-Bündnisfall lieber die SZ verlinken als Augen geradeaus!, weiß ich auch nicht…)
T.W.]
@ Petra (med02)
Zitat: „Nur zwei Tage später begannen die USA, Großbritannien und Frankreich mit Luftangriffen auf die Truppen Gaddafis. Am 31. März übernahm die NATO das Kommando über den Einsatz.)“
Und genau dieser Luftkrieg gegen einen Gegner im Süden des Mittelmeers wurde 1 Jahr vorher an der Mittelmeerküste in Zusammenarbeit von Frankreich und Großbritannien in einem großen Manöver geübt.
Es gibt halt noch zeitliche Zufälle im Verlauf der Geschicht (Manöver Frankreich / GB und ein Jahr später arabische Revolution in Libyen), gelle
@wacaffe
Auch die Römer hatten sehr effektive Methoden, um mit aufmüpfigen Stämmen umzugehen. Aber jeder, der so was heute versucht wird eine ziemlich miese Presse bekommen (Vorsicht: Ironie). Die Armee des Staates Mali hat das mehr als einmal versucht, und dadurch nur noch heftigeren Widerstand ausgelöst.
Die „Gesinnungsethik“ ist das Egebnis der bösen Erfahrungen aus der jüngeren deutschen Geschichte und sie ist gewollt.
Von den Teilnehmenden Truppen bei MINUSMA wird auch gar nicht erwartet, dass sie den Konflikt gewinnen. Bei Peacekeeping und Stabilisierung geht darum, der Armee von Mali dabei zu helfen, die Probleme selbst zu lösen.
Das tun auch die beiden EU-Mission EUCAP und EUTM seit inzwischen acht Jahren. Man könnte es als einen Erfolg verkaufen, dass dank der Ausbildungsmissionen, der Waffenhilfe und der MINUSMA, der Staat Mali immer noch existiert.
Der Putsch gefolgt von einem weiteren Coup haben gezeigt, wie fragil die Verhältnisse in Mali sind. Petra (med02) hat die politisch-militärische Situation schon ganz zutreffend zusammengefasst. In den Konflikt sind einfach zu viele Akteure verwickelt, als dass man ihn politisch lösen könnte. Die Analysten, deren Meinung ich dazu bislang gelesen habe, sind sich einig, dass dieser Konflikt aber auch nicht militärisch zu lösen ist. Wenn die MINUSMA mission schaffen soll, was die Streitkräfte von Mali allein seit Jahren nicht gebacken bekommen, dann wird sie dass vermutlich auch die nächsten acht Jahren tun müssen.
Wir werden uns also auf mehr solcher traurigen Meldungen einstellen müssen.
Der Staat Mali leidet unter grassierender Korruption und die Streitkräfte gelten als unterbezahlt. Da dürfte es für die Rebellen ein leichtes sein, Informationen zu kaufen. Wer weiss, wie lange die Terroristen schon gewusst haben, dass die Bundeswehr Patrouille genau dort rasten würde, wo sie es getan hat? Diese rollende Bombe wird ja nicht einsatzfertig, in einer Garage darauf gewartet haben, das eine UN oder andere militärische Patrouille zufällig vorbei kommt.
Was das von T.W. gepostete Transkript anbetrifft, so hoffe, dass die Bundeswehr für dieses Mushrooming einen richtig guten Grund hat.
wacaffe sagt:
29.06.2021 um 14:13 Uhr
„…..Roger Trinquier und David Galula…….Die Grundprinzipien der Aufstandsbekämpfung ….muss man nicht neu erfinden. Eine sorgfältige Literaturanalyse samt Inkorporation der entsprechenden Erfahrungen in die Ausbildung würde völlig reichen.“
Ich gebe hier mal meine 50 cent an diejenigen Kameraden hier weiter die nicht auf alte Erfahrungen pfeifen. Wer an COIN/Counterinsurgency etwas verwerfliches findet nur weil trinquier in seinem Buch eine Lanze für die Folter bricht, der hat die ganze Sache nicht verstanden. Trinquier war übrigens mal Vorgesetzter von peter Scholl-Latour in Indochina, wie man bei PSL nachlesen kann. Er war dann im Algerienkrieg INTEL-Offizier in der ‚berüchtigten‘ Schlacht um Algier. Sein Buch ‚La Guerre Moderne‘ ist bis heute die beste Darstellung, wie eine Guerrilla/IED-Zelle organisiert ist. Seine Ansichten über die Folter muss man dabei ja nicht unbedingt teilen. Hier sein Buch in der englischen Übersetzung:
https://www.armyupress.army.mil/Portals/7/combat-studies-institute/csi-books/Modern-Warfare.pdf
Der andere Klassiker ist David Galula. Dieser ehemalige französische Offizier hat bei einem RAND Symposium zum Thema Counterinsurgency im Jahr 1962…
https://www.rand.org/pubs/reports/R412-1.html
…so einen großen Eindruck hinterlassen, das man ihn gebeten hat seine Erfahrungen niederzuschreiben. Daher sind seine beiden Bücher in Englisch verfasst. Sein bekanntes und vielzitiertes Werk ‚Counterinsurgency Warfare – Theorie and Practice‘ bildet die Grundlage aller modernen Militärvorschriften über ‚Population-Centric Counterinsurgency‘. Ich persönlich finde dieses Buch allerdings noch etwas zu abstrakt für den Praktiker. Daher empfehle ich sein anderes Buch, das er in den USA verfasst hat, nämlich das über seine eigenen Erfahrungen im Algerienkrieg: ‚Pacification in Algeria, 1956-1958‘. Hier der Link für alle Interessierten:
https://www.rand.org/pubs/monographs/MG478-1.html
An modernen Abhandlungen für die COIN Praxis mangelt es etwas, da fast alle Bücher zu diesem Thema einfach einen Aufguss von Galula darstellen, und seine Theorie dabei eher mehr verwässern als zu verdeutlichen. Es gibt allerdings ein ganz hervorragendes kurzes Werk für den COIN Praktiker das sich genau auf Galulas Theorie abstützt, und diese in ganz einfachen Schritten in die Praxis umsetzt . Es ist von einem ehem. US Offizier (LTC Crider) geschrieben, der hier seine Praxiserfahrungen als Bataillonskommandeur während der ‚Surge‘ in Baghdad 2007/2008 festgehalten hat. Es handelt sich also um fundierte Einsatzerfahrungen: Der Titel lautet ‚Inside the Surge: One Commander’s Lessons in Counterinsurgency‘ Hier für alle Interessierten zum Studieren:
https://s3.us-east-1.amazonaws.com/files.cnas.org/documents/CNAS_Working-Paper_Surge_CriderRicks_June2009_ONLINE.pdf?mtime=20160906082150&focal=none
Wer danach noch nicht genug über Counterinsurgency gelesen hat, für den habe ich dann noch einen absoluten Geheimtipp: Jean-Yves Alquier: „Nous avons pacifie Tazalt“. Das Tagebuch eines französischen (wehrpflichtigen!) Fallschirmjäger-Leutnants der in Algerien als Kommandeur einer sog. Section-Administrative-Specialisee (quasi eine Art PRT) in einem Distrikt tätig war und diesen von einem insurgent-verseuchten Drecksloch (eine Art algerisches Dschahar Darrah!) in einen Musterdistrikt verwandeln konnte. Seine Erfahrungen stammen aus 1956/57 und das Buch ist bereits 1958 verfasst. daher sind einige Namen und Ortsnamen im Buch aus PERSEC Gründen geändert worden, da der Krieg damals ja noch andauerte. So gibt es den Ort ‚Tazalt‘ gar nicht, es handelte sich in Wirklichkeit um den Ort Texenna in dem Alquier tätig war.
Dieses Buch gibt es nur im französischen Original, aber es ist mit Abstand DAS BESTE BUCH zum Thema COIN das ich der jüngeren Offizier-Generation zum Studium empfehlen kann.
MkG
Die von mit geforderte enge Konzentration auf des Thema wie von T.W. und @ Koffer gefordert legt bei mir einen äußerst Maßstab an, der bei anderen Foristen deutlich großzügiger gehandhabt wird.
Umso mehr freue ich mich, über Beiträe wie @ CallSignRomeo (29.06.2021 um 16:56 Uhr) oder @ AoR (29.06.2021 um 16:20 Uhr), die auf meine Fragen und Problemstellungen eingehen. Danke dafür. Schade das AOr urteilt „Daher, @Petra: Richtige Fragen am falschen Ort?“
Wenn doch die Fragen richtig sind, warum ist der Blog dann falsch. Wenn dessen Betreiber schreibt: „Thomas Wiegold schreibt über Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, über die Bundeswehr, ihre Struktur, ihre Technik und ihre Einsätze.“
Konkrete Antworten habe ich leider wenig erhalten, doch ich spüre eine latente Ablehnung. Ich weiche mit meiner Meinung ab, habe mich vertrauensvoll und hoffe doch höflich an die Blogteilnehmer gewandt.
Ich hofft auf spannende Einblick in den Alltag internationaler Friedenseinsätze aus der Perspektive von erfahrenen Soldaten und Interessierten.
Einige Anmerkungen.
Auch mit abweichender Meinung zum Einsatz der Bundeswehr kann amn sich für Fragen der Sicherheit interessieren.
Trennschärfe in der Fragestellung und der Verwendung von Begriffen wie Militär fällt schwer, da, wie ich schrieb, ich nicht aus der militärischen Welt komme und mich daher mit Neugier an sie wandte Die Darstellungen von Problem und auch Überzeugungen weicht m.E. nicht allzu sehr von vielen anderen Blogteilnehmern ab.
Schaue ich auf Mali, gehört z.B. auch Desertifiktaion und Klimawandel und deren Auswirkungen auf die Staaten der Sahel Zone zur Sicherheitspolitik.
Zum direkt und indirekt angeführten „falschen Ort“
Frieden und Sicherheit keine isolierten Themenfelder
Sicherheitspolitik beinhaltet ein breites Spektrum sicherheitspolitischer Themen von den europäischen und transatlantischen Sicherheitsbeziehungen bis hin zu globalen Fragen der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, der Rüstungskontrolle, der Entwicklung rüstungsrelevanter Technologien und der Rüstungswirtschaft, einschließlich Rüstungskooperation und Rüstungsexport.
Dieses Politikfeld ist geprägt von großen Herausforderungen (neue Sicherheitsbedrohungen, regionale Konflikte, instabile Staaten, Armut und grenzüberschreitende Umweltzerstörung), aber auch Chancen für weltweite Förderung von Demokratie, Frieden und Entwicklung.
Ich dachte, dieser Blog ermuntert ausdrücklich zu einen komparativen und übergreifenden wie auch interdisziplinären Zugang zur Thematik Sicherheitspolitk.
Ich hoffte, man kann sich dem Thema politische, friedens- und sicherheitspolitische Verantwortung Deutschlands auch von unterschiedlichen Seiten nähern.
Meine Ansicht ist nicht neu, aber offenkundig leider m.E. viel zu wenig beachtet, dass es Strategien der Vermeidung bewaffneter Konflikte geben muss.
Ich empfinde es daher als eher als ungerecht, wenn jemand Neues sofort wegen mangelnder Trennschärfe und Ungenauigkeit von militärischen Begriffenausgeschlossen wird, jemand der sich von anderen Meinungendes main streams dieses Blogs offenbar unterscheidet.
Gelebte Toleranz in Medien bedeutet nicht nur, andere Auffassungen zu dulden, sondern auch, dass wir aufeinander zugehen und auch andere Meinungen kennenlernen. Es bedeutet, sich in die Situation anderer hinein zu versetzen und dafür Verständnis zu haben. Denn erst dann können wir andere verstehen und eine andere Meinung ablehnen oder annehmen.
Wichtig ist, sich für den anderen zu interessieren und niemanden für besser oder schlechter zu halten, nur weil er oder sie eine andere Meinung hat. Es ist doch eher ziemlich spannend, fremde Standpunkte, Lebensweisen und Meinungen kennenzulernen, denn neue Eindrücke und Erlebnisse können unser eigenes Leben sehr bereichern!
Es hätte sie nicht viel gekostet, zu versuchen wie z.B. AoR mir eine Brücke zu schlagen und sachlich zu antworten oder ganz einfach zu helfen.
Ok, bleiben sie unter sich, wenn es ihrem Anspruch genügt.
Alles Gute.
Petra
[Danke, jetzt sind wir an dem Punkt, wo Sie mir vorwerfen ‚Wenn nicht mein globalgalaktischer Anspruch akzeptiert wird, dann ist das intolerant‘. Ich denke, Sie haben Ihren Punkt gemacht, diejenigen, die nicht auf Ihre Debatte einsteigen wollen, ausreichend beschimpft und dabei belassen wir das jetzt auch. T.W.]
@Georg: Und kaschiert die fatale Politik auch noch mit „Krieg gegen den Blitzkrieg“ Chiffre. Tschuldigung „Terror“. Braucht man sich nicht wundern, wenn nachher doch r2g im Bundestag sitzt.
Mal sehen wie erfolgreich die Anti IS Koalition sein wird, sobald sie Kurdischen Bodentruppen hat. Tschuldigung „Tuareg Bodentruppen“. Tschuldigung, hat die mal jemand gefragt?
Problem, ich glaube Goita ist tatsächlich der Meinung, er müsse südmalinesische Privilegien in Allianz mit Islamisten gegen Tuareg verteidigen. Also so ein bisschen Erdogan…
Problem, da haben die Sovieterben in Tandem mit Islamisten die probate AgitProb parat ( vgl. Wagner Group, Sputnik, Aljazeera und TRT)
/SCNR
P.S: Wir Deutschen können es ohne politische Partner nicht alleine richten.
@all
Hier der Nachtrag einer weitaus besseren Quelle zum EU Bündnisfall Art.42 Abs.7, ausgerufen von Frankreich in Folge der Terroranschläge am 13. November 2015:
https://augengeradeaus.net/2015/11/nach-den-anschlaegen-von-paris-frankreich-will-europas-beistand/
😉
Was NATO Artikel 5 und ISAF bzw. Resolute Support betrifft gebe ich zu einen Fehler gemacht zu haben. Vielen Dank für die Richtigstellung @T.W.!
Es lässt sich aber nicht von der Hand weisen, dass auch ISAF und Resolute Support vornehmlich im Zeichen der Solidarität mit den USA standen.
@Sindbad:
Unter den neueren Büchern finde ich „Accidental Guerilla“ von Kilcullen sehr lesenswert. Er war selbst in Afghanistan und in Asien im Einsatz und zeigt ziemlich gut, dass wir meistens mit Leuten streiten, die mit uns eigentlich gar kein Problem haben.
Wo wird solche Literatur in der Regelausbildung in der Bundeswehr gelesen und diskutiert und warum gibt es kein einziges Buch auf dem Niveau eines deutschen Offiziers?
Daher bin ich bezüglich Mali auch sehr skeptisch, da das BMVg und die Bundeswehr sich nie tiefgründig und ernsthaft mit den Kernfragen von Kleinkriegen beschäftigt haben.
Entsprechend sieht dann auch der militärische Ratschlag aus.
Wir sind Laien, die so tun als wären wir Vollprofis von denen die ganze Welt lernen sollte (vernetzte Sicherheit!).
Gibt es in Mali keine Informationskampagne durch die VN, wie die malische Bevölkerung sich gegenüber Konvois, Wagenburgen etc. verhalten sollte, um Missverständnisse zu vermeiden?
Einfach mal über die lokalen Würdenträger, über Lehrer, Ärzte und sonstige Respektspersonen, unter Beachtung der kulturellen Eigenheiten des Landes, die Bevölkerung informieren. Dazu noch Flugblätter, TV und Radio und was weiß ich nicht alles nutzen. Ich meine, es kann sein, dass ich ein bisschen blauäugig bin, weil ich die Verhältnisse im Land nicht kenne. Aber man sollte doch wohl weite Teile der Bevölkerung erreichen können. Bei einem Konvoi ist der Schutz natürlich schwierig. Da kann sich immer einer reindrängen. Oder ein IED ist am Straßenrand vergraben liegen.
Aber das Befehlen zwei Sperrkreise, einer in 300m Entfernung und einer in 200m Entfernung, um eine Wagenburg, sollte doch möglich sein. Bei Eindringen in den 300m-Kreis gibt es Warnschüsse. Beim Unterschreiten von 200m Feuerzusammenfassung. Oder so etwas in der Art. Natürlich dem Gelände und der Lage angepasst. Das kommunizieren und auch erklären, was die Leute tun sollen, wenn sie mit der Truppe Verbindung aufnehmen wollen, weil sie z.B. Hilfe brauchen. Dann weiß die eine Seite (unsere) was sie zu tun hat. Und die andere auch. Ist eine Idee von mir.
Den Kameraden wünsche ich gute Besserung und den Familien Stärke.
Wenn es noch zugelasen wird, den Weggang von @ Petra bedaure ich sehr.
Warum?
Wenn wir jeden Tag die selben Meinungen aufgetischt bekommt – dann empfinden wir das im Alltag unausgewogen. In Blogs, wie diesem allemal.
Daher ist dieser Blog doch ein Segen.
Denn zu dessen Wesenskern gehört die Meinungsvielfalt und der Diskurs über unterschiedliche Positionen.
Doch ich sage auch, Vorsicht: Genau im Zeitalter der Blogs und sozialen Netzwerke passiert es schon mal schnell und zack ist ist in einer Filterblase gefangen – und bekommt so eine sehr einseitige Sicht der Dinge. Dabei ist es doch so wichtig, sich alle Seiten anzuhören. Nur so kann man sich selbst eine Meinung bilden. Und die sollte man doch dringend haben. Eigene Argumente schärfen zu können und dürfen, dies ist ein weiterer Aspekt.
Es sollten auch „unbequeme Meinungen“ nicht einfach an den Rand gedrückt werden. Es ist wirklich schon kompliziert, was man zulassen sollte und was nicht. Ja, ich weiß es ist das Recht, wie man hier sagt des „Hausherren“
Die Bewertung „globalgalaktisch“ könnten sich viele anziehen, auch ich bin nicht frei davon. Doch im Diskurs entwickeln wir uns doch weiter.
Solche Blogs sind im Prinzip wie ein Hammer. Mit diesem Werkzeug können Foristen verletzt werden, aber der Hammer kann jedoch auch dazu dienen, einen Nagel in die Wand zu schlagen, um ein schönes Bild daran aufzuhängen, also uns voran zu bringen.
Es ist Stärke, andere Meinungen zuzulassen und neuen Teilnehmern zu helfen sich an die Regeln zu halten, schlicht besser zu werden – im Vorbringen auch unterschiedlicher Standpunkte+ dem Umgang damit!
Meiner Erfahrung (auch in der Bundeswehr) nach sind unterschiedliche Meinungen der „Motor der Demokratie“ – aber nur im Plural. Es sollte auch nicht als Schwäche verstanden werden, den eigenen Standpunkt zu ändern und sich argumentativ überzeugen zu lassen.
@ Petra kam doch eher zufällig zu diesem Blog. Ganz offensichtlich hat sie versucht, ihren Standpunkt einzubringen aber auch Fragen zu stellen. Ihr Auftritt ist nicht immer gelungen, doch wir wissen, es ist kompliziert, komplexe Sachverhalte kurz und knapp darzustellen. Das betrifft nicht nur @ Petra. Das wissen wir doch, mit Blick in den Spiegel.
@Petra war doch durchaus höflich und sicher auch wißbegierig. „Beschimpft“ finde ich nicht die richtige Beschreibung, da gab es hier schon ganz andere Auftritte.
Die respektvolle Auseinandersetzung zweier Gesprächspartner, die sich „im sonstigen Leben vielleicht nie begegnen würden“, ist doch immer ein wertvoller Beitrag, im Alltag und auch hier im Blog.
Blogs wie dieser sind ein Segen für für Meinungsvielfalt und Kontroversität im Bereich der Sicherheitspolitik, daher finde ich es schade, @ Petra verloren zu haben.
Die Ministerin fordert, dass man sich in Mali „untereinander“ besser abstimmt:
https://mobile.twitter.com/BMVg_Bundeswehr/status/1409909111026769920
Dafür hätte man eigentlich genug Zeit auch in der Zeit in der Deutschland im UN-Sicherheitsrat war. Vielleicht könnten wir ja zur besseren Abstimmung Verbindungsoffiziere zu Takuba entsenden.
Ab dieser Woche ist auch der COM EUTM ein Deutscher.
Die obige Pressekonferenz zeigte mir eher, dass man sich mal im BMVg „untereinander“ besser abstimmen sollte.
Damit wäre schön viel geholfen.
@Petra
tl;dr
Die Fragestellungen von Petra (med02) finde ich ganz interessant. Nicht wegen der Fragen an sich, wohl aber, weil sie zeigen, welche Vorstellungen in der Gesellschaft (außerhalb des kleinen interessierten Kreises) bzgl. der Aufgaben und Einflussmöglichkeiten der Bundeswehr bestehen …. und wie weit diese von der Realität entfernt sind. Das wäre mal ein Kapitel im nächsten Podcast wert.
@@Petra (med02) Sie haben sicherlich Recht, wenn Sie von einem erweiterten Sicherheitsbegriff reden. Das ist ein Konzept, daß Ende 80er / Anfang der 90er im Trend war, weiterentwickelt wurde und sich bis heute gehalten hat. Aber: Die Bundeswehr macht weder Sicherheitspolitik noch hat sie einen großen gestalterischen Einfluß; sie ist ein Teil im Werkzeugkasten der einer ganzheitlichen Außen- und Sicherheitspolitik.
Hier im Blog geht es mehr um das Militär an sich, dessen Ausrüstung, Einsätze und Einsatzkonzepte als kleiner Baustein im großen sicherheitspolitischen Bild. (Der Hausherr möge mich korrigieren, wenn ich zu weit daneben liegen sollte.)
Das war wohl das, was mit ‚richtige Frage am falschen Ort‘ gemeint war.
@ AoR um 29.06.2021, 15:03 Uhr
Es tut sich mglw. etwas um den IS in Afrika stärker anzugehen. ( hoffe, link ist ok)
https://www.defenceweb.co.za/joint/diplomacy-a-peace/us-backs-initiative-to-focus-anti-isis-fight-on-africa-blinken/
Nimmt man das geplante Engagement der EU in MOZ hinzu, das am 12.07. mandatiert werden soll, sehe ich allerdings die Gefahr der Zersplitterung.
Eine kohärente Strategie folgt….vielleicht…oder so.
@ Sindbad
zum Thema Coin und den lesenswerten Koryphäen absolute Zustimmung. Meine These war ja eher das die intellektuelle „Angst essen Sehle auf“ Mentalität in der Bw mittlerweile solche Ausmaße angenommen hat, das selbst der militärtheoretische Diskurs nicht mehr vor vorauseilender Selbstzensur und diskursiver Tabuisierung von Ansätzen geaprägt ist, die nicht in den zivildeutschen Innepolitikrahmen passen. Und das selbst wenn durch diese geistige Unterlassung der operative Erfolg bzw die Sicherheit der eigenen Truppe gefährdet wird.
Eine nüchterne Bestandsaufnahme der lessons learned vergangener Kampangnen (inklusive der eigenen in Afgh) zur Aufstandsbekämpfung wäre jedenfalls überfällig. ICh bezweifle aber das es dazu kommt. Dazu ist der Apparat schlicht zu träge, risikoavers und für eine Armee zu zivil geworden.
————-
Alquier kannte ich noch gar nicht, muss ich wohl das Schulfranzösisch ins Feld führen. Danke für den Tip
@ eric hagen
„Es tut sich mglw. etwas um den IS in Afrika stärker anzugehen. ( hoffe, link ist ok)“
Dreimal dürfen Sie raten wer sich bei einer solchen Initiative frühzeitig in die Büsche schlagen wird…..
Garniert mit den üblichen, auch durch notorische Wiederholung nicht richtiger werdenden, Hinweisen auf nebulöse „verfassungsmäßige beschränkungen“ , den „ganzheitlichen Ansatz“ Ausflüchte a la „man steuere ja schon viel Logistik und Sanität bei“ und natürlich nicht zu vergessen, der Klassiker „wir wurden nicht gefragt“
Eignet sich auch gut als bullshit bingo
Nach dem Bekanntwerden des Anschlages in der Öffentlichkeit war es nicht so ruhig in Deutschland,, wie heute nach dem verlorenem EM-Spiel… (subjektiv empfunden) #Wie gehen wir mit unserer Armee in der Öffentlichkeit um, wie werden wir wahr genommen…
Schlammstapfer 29.06.2021; 17:48 Uhr
„Von den Teilnehmenden Truppen bei MINUSMA wird auch gar nicht erwartet, dass sie den Konflikt gewinnen. Bei Peacekeeping und Stabilisierung geht darum, der Armee von Mali dabei zu helfen, die Probleme selbst zu lösen. Das tun auch die beiden EU-Mission EUCAP und EUTM seit inzwischen acht Jahren. Man könnte es als einen Erfolg verkaufen, dass dank der Ausbildungsmissionen, der Waffenhilfe und der MINUSMA, der Staat Mali immer noch existiert.“
„zu helfen, die Probleme selbst zu lösen“ = „Ertüchtigungsinitiative“ = Hilfe zur Selbsthilfe durch Ausbildung, Beratung und Ausrüstung von Sicherheitskräften?
Die Grundsätze sind klar:
Das Engagemnt der Bundesregierung in Mali folgt einem vernetzten Ansatz, in dessen Rahmen militärische, zivile und entwicklungspolitische Maßnahmen einander ergänzen. Während die Mission der Vereinten Nationen – MINUSMA – die Umsetzung des Friedensabkommens von Algier und damit den politischen Reformprozess ermöglichen soll, entspricht die Bundesregierung durch ihr Engagement im Rahmen der EU-Trainingsmission EUTM Mali der Bitte der malischen Regierung, sie beim Aufbau von dringend benötigten Kapazitäten im Bereich der Sicherheitskräfte zu unterstützen. Über den militärischen Bereich hinaus übernimmt die Bundesregierung dies auch im zivilen Sicherheitssektor im Rahmen der EU-Mission EUCAP Sahel Mali, die Ausbildungs- und strukturelle Beratungsleistung für das malische Innenministerium sowie für Polizeikräfte durchführt. Durch zusätzliche Maßnahmen im Bereich der Sicherheitskooperation und Ausbildung trägt die Ertüchtigungsinitiative in Mali zur weiteren Stabilisierung bei.
Jedoch:
„Ertüchtigungsinitiative“, also Hilfe zur Selbsthilfe durch Ausbildung, Beratung und Ausrüstung von malischen Sicherheitskräften, folgt wieder einmal der Überzeugung, dass lokale Akteure Konflikte vor Ort prinzipiell besser lösen können als Staaten oder Bündnisse, die von außen einwirken.
Es geht also darum, wie oben beschrieben, den „lokalen Partner“ – militärischerseits also Malis Streitkräfte – in die Lage zu versetzen, selbst für seine eigene Sicherheit zu sorgen.
Das klingt erst einmal nachvollziehbar. Das haben Fachleute schon oft gehört, es kommt in der Politik gut an.
Doch es gibt ein Problem mit diesem Konzept: Es hat noch nirgendwo wirklich funktioniert.
Mali gibt nun überhaupt keine Hoffnung.
Grundlegende Strukturen des Sicherheitssektors in Mali benötigen keine Reform, sondern müssten überhaupt erst einmal geschaffen werden. Das macht es noch komplexer.
Selbst bei optimalen Rahmenbedingungen bedarf es dann sehr, sehr viel Zeit und Mühe bis die malischen Sicherheitskräfte selbstständig und erfolgreich auf die zahlreichen Herausforderungen in ihrem Land reagieren können, welche ja zusätzlich noch im Kontext regionaler Konfliktdynamiken betrachtet werden müssen.
Optimal ist jedoch nichts, Malis Streitkräfte selbst sind schon viel zu lange selbst Teil des malischen Sicherheitsproblems. Regelmäßig unglaubliche Korruption und schwere Menschenrechtsverletzungen sind offensichtlich. Angehörige der Mission MINUSMA als auch der EU-Trainingsmission EUTM Mali werden regelmäßig durch hohe Offiziere der Streitkräfte Malis belogen und hintergangen.
Ein Ziel was also bei genauem Hinsehen unereichbar scheint. (u.a. Lektion Afghanistan)
Deutschland und die EU-Staaten befinden also sich „Ertüchtigungsinitiative“ in einem Dilemma. Das Problem sei, dass nun auch wieder durch Frau BM und Hr Außenminister gesagt wurde, von Mali gehe eine große Bedrohung für die europäische Sicherheit aus.
Wenn das nun der erneute „Befund“ ist, dann werden die Akteure in Mali wissen, dass Deutschland und die EU-Staaten sie nie alleine lassen werden, weil Mali als Bedrohung ein Fall ist, bei dem die Unterstützung aus Deutschland, aus Europa, alternativlos ist.
Damit aber fehlen weiter die Anreize für die malischen Eliten, Reformen durchzuführen. Das ist eine recht positive Formulierung.
Ich hatte heute nachmittag auch eine Antwort auf @Petra (med02) geschrieben. Leider ist die entweder im Spam-Filter verschwunden oder sie war zu allgemein zu dem Mali-Thread gehalten.
Nichtsdestotrotz finde ich es schade, das wir zwar über Counterinsurgency diskutieren, aber nicht die Frage stellen warum die Bw in Mali ist.
Früher, also in Zeiten des kalten Krieges, war die politische Begründung des Einsatzes der Bw stets ein Wesensmerkmal der Bw und deren Soldaten. In der Diskussion mit z.B. amerikanischen Soldaten hat man als Bw-Soldat oft von den amerikanischen Kameraden auf die Frage nach dem „Warum“ eines Einsatzes von den US-Streitkräften die Anwort „Ask my president“ erhalten. Wir Bw-Soldaten waren immer stolz darauf auch die politischen Zusammenhänge und die Begründung für einen Einsatz erklären zu können.
Dies scheint mir seit AFG abhanden gekommen zu sein. Den wahren Grund, wir sind da aus Solidarität mit den Amerikanern oder den Franzosen will in DEU keiner hören, also erfindet man ein Geschwurbel von Frauenrechnten, Mädchenschulen, Brunnen bohren, bewaffnete Entwicklungshilfe und solchen Dingen.
Ich würde es schade finden, wenn wir hier auf augengeradeaus auf die Frage nach dem „Warum“ eines Einsatzes auf die amerikanische Diskussionkultur „Ask my President“ zurückfallen würden.
[Im Spam-Filter ist nix, und ich habe den fraglichen Kommentar auch nicht gesehen… T.W.]
Memoria sagt:
29.06.2021 um 19:49 Uhr
„… „Accidental Guerilla“ von Kilcullen …“
Herr Kilcullen hat davon profitiert, dass er als sog. COIN-Berater dem General Petraeus während der Surge über die Schulter gucken durfte.
Was er geschrieben hat ist sicher ganz vernünftig, allerdings ist es alles nur aufgebrühter Galula, also ‚population-centric COIN‘. Ich bevorzuge lieber das Original.
Ich habe festgestellt, dass mit jeder weiteren ‚Auflage‘ der Theorie von Galula, diese immer schwammiger wurde. Im übrigen fand ich auch den Final-Draft des COIN Manuals von 2006 …
https://fas.org/irp/doddir/army/fm3-24fd.pdf
….noch einen Ticken besser als die letztlich herausgegebene Vorschrift. Man kennt das ja, dass zum Schluss noch die ganzen politischen Bedenkenträger und Rechtsberater alle Klarheiten im Text beseitigen, bevor er veröffentlicht werden darf. :-)
Mittlerweile wurde ja auch diese Vorschrift dann 2014 durch eine neue ersetzt, wobei man den Begriff ‚Counterinsurgency‘ dann wohl aus politischen Gründen komplett ersetzt hat durch den Titel ‚Insurgencies & Countering Insurgencies‘.
Ich empfehle lieber die originalen Bücher die ich oben verlinkt habe. Dort handelt es sich um Primärliteratur und noch um die unverfälschten Einsatz-Erfahrungen bzgl. COIN.
Und noch etwas: Ich empfehle allen jüngeren Kameraden (nicht nur, aber gerade auch wenn sie gerne etwas larmoyant daherkommen) auch ab und zu mal ein Buch wie Ernst Jüngers ‚In Stahlgewittern‘ zu lesen, um die eigene Perspektive gelegentlich mal zu korrigieren, gerade wenn man denkt man wäre bereits im Krieg gewesen, nur weil man mal ne Dose Bier im Lager in Mazar-e-Sharif getrunken hat.
@ Instler 29.06.2021 um 21:40 Uhr
„Nach dem Bekanntwerden des Anschlages in der Öffentlichkeit war es nicht so ruhig in Deutschland,, wie heute nach dem verlorenem EM-Spiel… (subjektiv empfunden) #Wie gehen wir mit unserer Armee in der Öffentlichkeit um, wie werden wir wahr genommen…“
Das ist sicher eine richtige Anmerkung aber die Maßstäbe bei @ Petra betrachtend, doch ganz weit vom Thema entfernt. Was hat das denn mit dem Thema zu tun?
Nicht mit zweierlei Maß messen!
Das Phänomen kennen wir bereits aus der Antike: Gleiches Verhalten wird unterschiedlich bewertet, erlaubt oder sanktioniert, je nachdem welche Personengruppe betroffen ist. Schon Julius Cäsar ging so vor.
Um das Verkehrschaos in Rom zu bändigen, erließ er ein Fahrverbot während der Tageszeit. Die Einschränkung betraf indes nicht die Wagen der Inhaber von öffentlichen Ämtern. Einem Magistrat war der Weg zu Fuß nicht zuzumuten. Ein erstes Beispiel für differenziertes Ordnungsrecht, ganz nach dem Motto: „Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt “.
Und heute? Immer wieder werden gleichartige Sachverhalte zu rasch unterschiedlich bewertet – oftmals zulasten eines hier gewollten Erkenntnisgewinns.
Für die COIN Anhänger.
Eine entscheidende Frage bei der Durchführung von COIN ist die Beurteilung der Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen. Nur erfolgreiches Agieren findet die Unterstützung der Bevölkerung.
Ein dafür langfristiges militärisches Engagement mit (vor allem) Kampftruppen ist angesichts des wachsenden innenpolitischen Widerstands in Deutschland nicht „machbar“ und offenbar gar nicht (mehr) leistbar. (Umwandlung der DSO zu DSK mit dem für COIN notwendigen Fähigkeitsverlust)
Geschichte zeigt, konventionelle Streitkräfte scheitern regelmäßg an in der Bevölkerung integrierten Terror- /Guerillagruppen/Aufständischen.
Als die COIN- Strategie von den Amerikanern im Irak das erste Mal zu Anwendung kam, wurde auch deren Konsequenz offen ausgesprochen. Durch die Notwendigkeit, eroberte Räume auch dauerhaft zu besetzen und zu verteidigen und zivile Opfer so weit wie möglich zu vermeiden, kommt es zu einem höheren Blutzoll für die eigenen Kräfte. Das gilt nun auch für die deutschen Soldatenin Mali. Dank Gott, keine Gefallenen!
Die o.g. Erkenntnis ist nicht neu, mittlerweile lassen sich zusätzlich viele Beispiele anführen, in denen militärische Kräfte in solchen Konflikten „am Ende die Waffen strecken müssen“. Niederlage wird ja als Begriff gern vermieden.
Was machen wir (DEU) also in Mali?
@Georg
„Dies scheint mir seit AFG abhanden gekommen zu sein. Den wahren Grund, wir sind da aus Solidarität mit den Amerikanern oder den Franzosen will in DEU keiner hören, also erfindet man ein Geschwurbel […]“
Aber wissen wir denn wirklich, ob das in Deutschland Keiner hören möchte?
Persönlich ist mir die Begründung mit der Solidarität deutlich angenehmer als irgendwelche eigenen Interessen dort hinein zu interpretieren, welche dann aber doch nicht erreicht werden.
Für meine Begriffe ist es nichts für das man sich schämen müsste, wenn Deutschland nur in den Auslandseinsatz zieht um Solidarität zu bekennen.
Ganz im Gegenteil: Es ist eine Bekundung unserer Loyalität den USA (im Fall Afghanistan) und Frankreich (in Mali) gegenüber. Teil einer starken Gemeinschaft zu sein, in der man füreinander einsteht, ist doch etwas auf das man eher stolz sein darf.
Und dass ich hier nicht von „blindem Gehorsam“ oder „Gefolgschaft“ spreche sollte der 3.Golfkrieg beweisen, an dem sich Deutschland bekanntlich nicht beteiligt hat.
Ein kleiner historischer Exkurs der mir bitte erlaubt sei, weil er hier thematisch gut passt:
Die Südkoreaner haben sich im Rahmen der „Many Flags Initiative“ massiv am amerikanischen Krieg in Vietnam beteiligt.
Südkorea stellte nach den USA die meisten Truppen im Vietnamkrieg. Das Kontingent sah eine Mannstärke von 50.000 vor und wurde aus Freiwilligen zusammengestellt. Die Anzahl der Freiwilligen überstieg die Größe des Kontingents aber um ein Vielfaches. Die Koreaner haben mit außerordentlicher Härte gekämpft und hinterließen einen bleibenden Eindruck bei den Amerikanern, obwohl sie keine eigenen Interessen verfolgten.
Damit schließt sich der Bogen zu unserem Thema, denn den Koreanern ging es darum ihre empfundene „Schuld“ bei den Amerikanern (aus dem Koreakrieg) zu begleichen und ihre Loyalität unter Beweis zu stellen. Wie die Freiwilligen beweisen war nicht nur die politischer Ebene dieser Ansicht.
Angesichts dessen, was die Amerikaner für Deutschland geleistet haben (Die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus, der Marshallplan und Wiederaufbau, der Schutz gegen die Sowjetunion, etc.), sollte sich niemand dafür schämen, ihnen Solidarität und Loyalität entgegen bringen zu wollen.
Das ist doch überhaupt der Mörtel, der die NATO zusammenhält.
3-ana sagt:
29.06.2021 um 22:55 Uhr
„Eine entscheidende Frage bei der Durchführung von COIN ist die Beurteilung der Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen. Nur erfolgreiches Agieren findet die Unterstützung der Bevölkerung.“
In der Aussage völlig richtig.
Auch bei dem mangelnden Willen der Bundesregierung, die notwendigen militärischen Massnahmen mitzutragen und zu unterstützen gebe ich ihnen recht.
Allerdings kann die Bundeswehr nicht alle Verantwortung an die politische Ebene wegdrücken. Immerhin hatten wir ja durchaus mal viereinhalb tausend Mann in AFG und ein vollständiges Manöverbataillon im Raum Kunduz.
Der Leutnant Alquier hatte in seinem algerischen ‚Dschahar Darrah‘ gerade mal einen Infanteriezug zur Unterstützung, bestenfalls konnte er im Distrikt auf maximal eine Kompanie Fallschirmjäger (mit ungeschützten Jeeps!) zurückgreifen. Das bedeutete, dass die Soldaten ein immenses Pensum an Patrouillen durchführen mussten, denn sie mussten TAG UND NACHT patrouillieren. Das gleiche schreibt LTC Crider über die Surge in Baghdad. Auch sein Bataillon war rund um die Uhr im Einsatz. Für den einzelnen Soldaten war das enorm anstrengend, alleine schon rein physisch. Bei Crider kann man das sehr schön nachlesen wie die 24/7 Präsenz auf den Strassen in Doura/Bagdad einer der entscheidenden Faktoren für den Erfolg war.
Und ebenso bei Alquier. Die stärkste Szene die mir aus seinem Buch in Erinnerung geblieben ist, ist wenn er beschreibt, wie die Bevölkerung – gerade diejenigen Bauern, die etwas abseits der Ortschaft wohnten morgens an ihrer Tür einen Zettel gefunden haben. – Aber nein, keinen ‚Night-Letter‘ der Taliban wie ihn die Bevölkerung in AFG morgens vorgefunden hat, sondern im Gegenteil! – Einen Zettel mit der französischen Trikolore und dem Aufdruck ‚L“ARMEE FRANCAISE VEILLE‘ (DIE FRANZÖSISCHE ARMEE WACHT ÜBER DICH) Diesen Zettel hinterliessen die französischen Fallschirmjäger bei ihrem nächtlichen Kontrollgang an allen Häusern an denen sie vorbeikamen. DAS hat die Bevölkerung sicher mehr überzeugt, als die Afghanen im Raum Kunduz wenn sie ab und zu mal tagsüber eine DEU Patrouille auf Dingo vorbeirauschen gesehen haben.
Ohne eine 24/7 Präsenz ist kein Erfolg in COIN möglich – völlig unabhängig von Politik und Ausrüstung.
Sind unsere DEU Soldaten in AFG auch nachts zu Fuss durch die Dörfer Dschahar Darrahs patroulliert?! – Haben sie dabei an allen Häüsern einen Zettel hinterlassen auf dem in dari und pashtu stand: ‚DIE BUNDESWEHR BEWACHT EUCH!‘
Warum nicht?
Hat sie die Politik daran gehindert?
Seien wir doch mal ehrlich und geben wir Peter Scholl-Latour mal wieder recht, der bereits 2003 über die DEU Soldaten in AFG sinngemaess festgestellt hat: „Die Bundeswehr ist durchaus gut ausgestattet und die Soldaten grundsätzlich motiviert und nett – aber für einen COIN Einsatz halte ich sie für zu harmlos und nicht geeignet.“
„Alternativlos“ ist ein häufig gebrauchtes Wort in der Politik. Es erfährt seine ‚Renaissance‘ bei der Diskussion um Mali.
Soldaten stellen sehr konkrete Fragen nach der Sinnhaftigkeit des Einsatzes der Bundeswehr. Da ist es nun wieder, dieses Wort, Frau AKK betont erneut, der multinationale Engagement in Mali wäre „alternativlos“. Ein Zusammenbruch des Staates sei andernfalls in wenigen Wochen zu befürchten.
Wie oft seit Beginn dieses Einsatzes hörte man „alternativlos“?
Gute Begründungen bestehen für Frau AKK aus „sinnvoll“ und „alternativlos“?
Ist das nicht einen Bankrotterklärung? Hinein ohne Weitsicht. Bleiben ist nun „nicht gut. Doch „gehen“ ist nicht mehr möglich, weil „alternativlos“?
„Demokratie hat Zukunft!“ Das war die naive Hoffnung des Westens nach dem Arabischen Frühling.
Die Welt bewegte sich trotz all der Mühe vieler engagierter Aktivisten, Politiker und Soldaten immer weiter in die falsche Richtung. Die Schere zwischen Reichtum und Armut wurde immer größer. Afrika wurde weiterhin abgehängt.
Rund um die EU rücken die Bürgerkriege immer näher: Sudan, Mali, Libyen.
Der „Siegeszug“ der Demokratie ist schon lange ins Stocken geraten.
Denn, demokratische Entwicklungen werden massiv bekämpft und in Frage gestellt. Werte, die diese Gesellschaft tragen sollten, werden gezielt destabilisiert.
Umso wichtiger wäre es, dass heute im Verteidigungsausschuss die richtigen Fragen aufgeworfen und diskutiert werden, damit man die scheinbare Alternativlosigkeit überwindet.
Mali ist nun ein weiteres Exempel dafür, dass politische Initiativen und Entwicklungshilfe zwar gut gemeint, aber keine Allheilmittel sind. Die Terrorbereitschaft ist dadurch nie verringert geworden. Und korrupte Eliten sind fast immer Teil des Problems, dass solche Staaten Armenhäuser bleiben.
Das Beispiel Mali zeigt folglich, dass militärische, politische und ideelle Interventionen (Werte) den islamistischen Terror nie beseitigen, sondern bestenfalls kurzzeitig bremsen können.
Mittlerweile droht sich Terror weiter von Generation zu Generation zu vererben und von einem schwachen Staat zum nächsten überzuspringen. (Einen neuen Rückzugsort haben wir gerade in AFG geschaffen.
Konflikte in Afrika sind leichter zu lösen als am Hindukusch – so klang es in politischen Äußerungen deutscher Spitzenpolitiker zu Beginn des Einsatzes durch. UN in Afrika klang irgendwie friedlicher als der Krieg in Afghanistan. Das war ein Trugschluss!
Die Beteiligung an militärischen Interventionen war gerade in afrikanischen Kontexten vorsichtig abzuwägen. Die mahnenden Experten und Fachleute wurden ignoriert.
Solches Herangehen galt auch für offenbar „weniger gefährliche“ Einsätze wie die Ausbildung malischer Soldaten durch die Bundeswehr. ( Nur nebenbei, Kunduz wurde zu Beginn auch „Bad Kunduz“ genannt, was daraus wurde, war Krieg (!) – offenbar hat diese Erfahrung bei Einsatzplanern nur eine geringe Halbwertszeit.)
Solch eine malischer Soldaten durch die Bundeswehr, wie auch andere militärische Beiträge, tragen nur zu Stabilität und Frieden bei, wenn sie mit politischen und sozialen Prozessen verzahnt wird. Sonst tritt, wie gerade zu beobachten, eine Bekämpfung der Symptome ohne(!) die Behebung struktureller Konfliktursachen ein.
Damit setzt sich der seit den 1960er Jahren virulente Konflikt endlos fort.
Es konzentriert sich dann das weitere Vorgehen „alternativlos“ auf die militärische Aufgaben der Mandate für die Missionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union in Mali.
Während sich ein Teil der malischen Streitkräfte in Ausbildung befindet, muss die gesamte Bevölkerung im Norden des Landes vor kriminellen Machenschaften von Schmugglerbanden und islamistischen Terroristen geschützt werden.
Duch das Illusion und wird zunehmend noch unrealistischer. Konesequente Aufstandsbekämfung ist nicht gewollt und auch nicht leistbar!
Für den militärischen Beitrag der Mandate für die Missionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union in Mali geht deshalb ganz pragmatisch nur noch um Selbstschutz und Eindämmung.
Die heutige Überprüfung der deutschen Beiträge böte eine Gelegenheit, die Politik den veränderten Annahmen anzupassen.
Letztlich geht es doch nur noch um gesichtswahrende Verzögerung.
Die malischen Sicherheitskräfte selbst müssten viel mehr strategische Initiative zeigen.
Doch da leigt das Problem. Korruption, Unfähigkeit wurden in unterschiedlichen Beiträgen zu Mali ja schon angedeutet.
Und vielleicht ist, wie das Beispiel Afghanistan zeigt, sogar ein Dialog mit den Terroristen und Verbrechern nötig – eine erschütternde Idee.
Da bleiben dann Werte auf der Strecke, ‚was solls‘. „Wir machen eine werteorientierte Außenpolitik“ hieß es zu Beginn des Einsatzes.
Es wird wohl, wie beim Abzug aus Afghanistan, denselben auch noch als Erfolg zu verkaufen.
@Sindbad:
Das es sinnvoll ist sich intensiv mit COIN zu beschäftigen ist ja unstrittig – es wird aber gerade in der Bundeswehr nicht gemacht.
Weil zu unbequem?
Was in der amerikanischen COIN-Literatur oft fehlt ist ein Blick in den politischen Kontext. Auch da war Galula schon weitsichtiger:
Die vorgeschlagenen Maßnahmen greifen nur, wenn auch ein positiver Zweck verfolgt wird (dafür sollte man Clausewitz lesen und verstehen). Mali zeigt recht gut, dass der positive Zweck fehlt, da die malische Regierung keine positive Perspektive für die Bevölkerung gibt.
Zudem kommen die COIN-Theorien oft aus der Taktik – zeigen ja auch ihre Hinweise auf die französische Literatur.
Am Ende scheiterte auch Frankreich in Algerien daran, dass der Krieg zu lange dauerte und zu verlustreich war.
Demokratien können kaum lange Kriege führen. Auch in Afghanistan gab es nur kurze Zeiten in denen genug Kräfte zur Verfügung standen. Ja man kann aus wenig Kräften viel heraus holen. Aber auch das hat Grenzen.
COIN erfordert vergleichweise viele Kräfte, braucht viel Zeit, politischen Mut (Risikobereitschaft, innenpolitisch Kontroverse Maßnahmen).
Daher sollte man sich auch mit Blick auf Mali mit den Alternativen intensiv beschäftigen (Counter-Terrorism, Military Assisstance).
Genau diese Abstraktionsebene der Diskussion fehlte in der Debatte zu Afghanistan und fehlt auch nun zu Mali.
Der militärische und wissenschaftliche Ratschlag bleibt zumeist in Plattitüden zu vernetzter Sicherheit stecken.
Also machen wir weiter irgendwelche Stabilisierungseinsätze ohne Ziel und Plan.
Die Ministerin sprach gestern von MINUSMA als Friedenseinsatz, das erinnert dann schon an BM Jung zu Afghanistan („Friedlische Entwicklung“).
Mit einer solchen politischen Bequemlichkeit ist man einfach dauerhaft eine Zielscheibe für die unterschiedlichen bewaffneten Gruppierungen in Mali.
Ein ernsthafter COIN Einsatz in Mali wäre durch die Bundeswehr rein militärisch nicht leistbar, und dies selbst dann wenn der politische Wille dazu da wäre und die Bevölkerung hierzulande dies mitmachen würde. Es nützt auch rein gar nichts irgendwelche Theorien zu dieser Thematik aufzustellen oder zu zitieren, denn die Einsatzerfahrungen auf denen diese beruhen, resultierten aus anderen Gesamtumständen. Im Krieg gibt es keine Axiome.
Wie es andere hier auch schon geschrieben haben ist der Einsatz in Mali – wie der in Afghanistan – im Prinzip ein Erfolg in Bezug auf seine Zielsetzung, nämlich mit so minimalem Einsatz wie möglich wichtige Verbündete nicht allzu zu sehr vor den Kopf zu stoßen. Das ist in Wahrheit das politische Ziel dieser Einsätze und dieses wurde bis dato erreicht.
Und so hart (oder auch befremdlich) das für viele klingen mag, die Verluste sind absolut marginal. Es zeugt in Wahrheit von einem hohen Können an Eigensicherung und massiver Zurückhaltung und Übervorsicht, dass bis dato so wenige Soldaten der Bundeswehr getötet wurden.
Da der Gegner genau so lernfähig ist wie wir, wird es sich auf diese übervorsichtige Nicht-Kriegsführung natürlich einstellen und so einfach erklärt sich das aktuelle Ereignis. Und dann passen wir uns wieder an usw. bis man abzieht weil der Einsatz nicht mehr dem eigentlichen politischen Zweck dient, und dieser hat keinerlei Ziele in Mali, dient nicht der Stabilität von Mali und hat genau genommen mit Mali eigentlich sogar gar nichts zu tun.
Memoria sagt:
30.06.2021 um 6:53 Uhr
„Mali zeigt recht gut, dass der positive Zweck fehlt, da die malische Regierung keine positive Perspektive für die Bevölkerung gibt.“
Selbstverstaendlich duerfen wir nie vergessen, dass wir POLITISCH nicht selbst COIN betreiben, sondern immer nur eine fremde Regierung (AFG, MLI) bei deren COIN unterstuetzen. (FRA war in Indochina/Algerien damals Regierung, da Kolonialmacht!)
TAKTISCH laeuft das fuer unsere Soldaten allerdings auf das selbe raus.
Zurueck zu Mali: Die dortige Regierung ist nicht legitimiert, sie hat keine COIN Strategie (die bekannt waere) und daher bedeutet das fuer uns (und andere auslaendische Truppen): Raus da! – Solange die MLI Regierung keine vernuenftige COIN Strategie entwickelt und wir darin einen adaequaten Anteil fuer uns definieren koennen, gibts dort keinen Job fuer uns.
Der UN Einsatz (MINUSMA) ist voellig plan- und zielllos. Bei UN Einsaetzen „ist man halt einfach dabei“, aber sinnvoll sind sie nicht.
An die Strategen: Ich bin hin und weg von der Qualität der Debatte. Dennoch, kleiner Einwurf von der Seitenlinie.
COIN / Surge also Patreus / Nicholson sind sehr intensiv. Daher die Frage an die Logistikspezialisten: WASSER?
Nichts für ungut, denn in Afghanistan lässt sich dieses Problem logistisch lösen, im Irak auch, aber erinnere ich mich zum Beispiel an die Damalige Darfour/Sudan Debatte und da war Wasser ein Problem, Aspekt für die BRD, im Konflikt nicht aktiv zu werden.
Würde nicht gerade hier @Commander Z‘s Ansatz zu SoF und begleitende Drohnen greifen?
P.S: Gerade die Indigenen Völker, hier Tuareg, kennen jedes Wasserloch, jeden Unterschlupf. Und ich denke, eben davon profitieren die Djihadisten.
@ Memoria:
30.06.2021 um 6:53 Uhr
Zwar genießen die UN im Weißbuch als internationales Gestaltungsfeld Deutschlands Priorität, noch vor der Nato und der EU. An Friedenseinsätzen der Weltorganisation beteiligte sich Berlin aber bis zur MINUSMA-Operation in Mali nur in geringem Umfang.
Konsens war, dass vielschichtige globale Veränderungsprozesse erhebliches Konfliktpotenzial in sich bergen und Bedrohungen heute gleichermaßen von nicht- staatlichen Akteuren wie von Staaten ausgehen. Failed States und Rogue States bestimmen gleichermaßen die Agenda.
Das war es dann auch, Ziele, Wege Mittel für ein langfristiges Engagement Deutschlands in UN-Friedensmissionen kam nicht über Überschriften und z.T. gelungenen, allerdings sehr übergeordneten, hochfliegenden Papieren heraus.
Zitat Memoria: „Plattitüden zu vernetzter Sicherheit „
Ein langfristiges Engagement Deutschlands in UN-Friedensmissionen erfordert eine nationale Strategie, die sich an drei Charakteristika orientiert: Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Kontinuität.
Das nicht nur als Worte nach besonderen Ereignissen oder wenn es um einen Sitz im Sicherheitsrat geht.
Worte hörte man ja nun genug! Nun wieder vollmundige Äußerungen, geschmückt mit Dramatik.
Wie bringt man „die PS auf die Straße?“ – Keine Antworten, selbst die Ankündigungspolitik selbst versinkt im wolkigem ‚Überschriften’sprech.
Der Einsatz in Mali ist nun sichtbar zum Testfall für das vollmundig angekündigte verstärkte Engagement europäischer Truppensteller, besonders DEU, geworden.
Die bisherige militärische Operation dient schon DEU nationalen Interessen – allerdings nicht nur durch die praktische Entsendung von Soldaten, sondern eher durch die Symbolik der Beteiligung. Es ist nicht so, dass bereitgestellte Fähigkeiten nun gar nicht bedeutsam sind, doch es ist zweitrangig.
Bekannt ist, dass man von DEU gern Hochwertfähigkeiten hätte. „Hochwertfähigkeiten für Friedensmissionen nach dem Rotationsprinzip” war das Motto.
Doch da glauben die UN und andere Länder immer noch in gewissen Naivität, dass z.B. taktischer Lufttransport durch Hubschrauber für DEU kein Problem sei. (führt sicher zu OT)
Sanität wird auch gern genommen, doch in diese Lücke springen nun bezeichnenderweise die Chinesen. (So nebenbei, China stellt auch sehr gut ausgebildete, ausgerüstete und diziplinierte Kampftruppe für solche Einsätze.(auch OT)
Etc, etc….
Jeder Soldat kennt es, aus Einsätzen lernen:
Dieses Prinzip setzt auf der polotischen/strategischen Evaluationen der bisherigen Strategien und Einsätze voraus.
Das würde für Mali bedeuten, endlich echte Kriterien für wirksames und sinnvolles Engagement entwickeln. Gesamtstaatlich! Natürlich auch militärisch durch das BMVG
Es sollten bisherige Erfahrungswerte, beispielsweise aus den Auslandseinsätzen in Afghanistan bzw. anderen UN Einsätzen (national/international) einbeziehen, um zu identifizieren, wo und wie man sich effektiv und sinnvoll engagieren kann. Solche Analyseergebnisse zu nutzen und sich mit Partnern zu koordinieren, sind weitere entscheidende Aspekte, die mit einfließen müssen.
Doch was erleben wir? Gefühlt wenig bis nichts. Ach doch, Kurznachrichten ersetzen fundierte mediale Wirksamkeit.
Die Inhalt sind natürlich nicht mit Trump vergleichbar, die Methodik schon.
Nach meiner Einschätzung gibt es bisher in den letzten 120 Jahren überhaupt nur 2 Beispiele, in denen das nation building geklappt hat und am Ende gefestigte demokratische Staaten herausgekommen sind. Das sind Deutschland und Japan. Mit einer Einschränkung (wg. Nord-) kann man Korea zu den fast geglückten Beispielen zählen. Und sollte daran denken dass schon 85% des Territoriums vor der Gegenoffensive verloren waren.
Aber zu einem commitment in der Größenordnung wie 1945 bzw. 1952 waren und sind die Staaten heute nicht (mehr) bereit. Das ist nicht nur in Deutschland so. Und natürlich sind die Voraussetzungen nach vollständigen Niederlagen, der „Faust des Riesen“ bzw. einer knapp vermiedenen Niederlage andere. Auch fehlen heute die Soldaten, es ist ernüchternd wenn man prüft wie viele alliierte Soldaten bis 1949 und dann bis 1994 noch in Deutschland stationiert waren. Wobei das natürlich auch mit der Ost-West Konfrontation zusammenhing. Aber noch vor dem 4+2 Vertrag schwang in Äußerungen aus Frankreich und UK der Unterton der Kontrolle mit.
Für Einsätze in failed states würde dies bedeuten:
Präsenz mit Größenordnungen militärisch (eher Armeekorps als Kampfgruppen)
Übernahme exekutiver Funktionen bis auf lokale Ebene hinunter und erst allmähliche Übergabe an überprüfte einheimische Funktionsträger.
Schaffen von prosperierenden (denken Sie an das deutsche und japanische „Wirtschaftswunder“ der 1050er und 1960er Jahre!) Zonen mit gesicherten, friedlichen, rechtsstaatlichen Strukturen.
Ganz langer Atem – denken Sie in mehreren Jahrzehnten.
Unterhalb solcher politischen Perspektiven sollte man eher überhaupt nicht tätig werden, weil nur die Gefahr besteht dass man eskalatorisch wirkt ohne auf Dauer etwas zu bewirken.
Trennung:
Auf der taktischen Ebene kann man versuchen aus früheren Erfahrungen zu lernen und entsprechende Konzepte zu beachten. Man kann auch technisch optimieren. Allerdings sind solche Anschläge mit Selbstmordattentätern und improvisierten Autobomben nicht völlig zu verhindern und unterhalb des Schusses aus der Leo-Bordkanone auch nicht sicher zu verhindern, Man soll Terroristen auch nicht unterschätzen, der Sohn eines bekannten somalischen Clan-Führers hatte einen technischen bachelor Abschluss am MIT in Harvard gemacht bevor er zurückkam um Papa zu helfen. Die kennen sich in bestimmten Technologien schon aus.
Zum Thema Selbstnordattentaeter in Mali, hier ein kurzes Interview eines afrikanischen Experten zum Selbstmordattentaeter auf FRA BARKHANE Truppen am 21.Juni in Gossi/Mali.
https://www.youtube.com/watch?v=YxiEvk26j1M&t=16s
Ab count 06:00 spricht er eine nur zu bekannte Tatsache an, die man in Berlin und Paris aber anscheinend immer mal wieder vergisst: „…no foreign power can solve our local African problems…“
In der Schlussfolgerung heisst das: wenn die Malische Regierung keine ernsthaften Strategien und Massnahmen gegen den islamistischen Terror/Radikalisierung entwickelt, dann sollten wir ganz einfach abziehen. Es ist nicht unser Land und wir koennen dort von aussen ohne/gegen die Malische Regierung GAR NIX erreichen, selbst wenn wir es politisch wollten und militaerisch koennten.
@sindbad/memoria
Alternativ zu den COIN Ansätzen könnt man sich ja auch auf eine konsequente counter terrorism (CT) Strategie für den Sahel verlegen.
Also Nachrichtendienste/ und SOF eng verzahnt in permanenter Aktion vor Ort halten. (Ähnlich dem McCrytsal Ansatz im Irak)
Geht man in der politischen Analyse davon aus, dass man die dortigen Regierungen nur marginal beeinflussen kann und das Konzept des militärisch geschützten „Nation Bildung“ schon in Afghanistan krachend gescheitert ist wäre das doch überlegenswert.
So löst man die Probleme der Region zwar nicht nachhaltig ( das können aber auch nur die Gesellschaften vor Ort selbst) hält aber zumindest die negativen Emissionen für Europa im Rahmen.
Die Israelis nennen das übrigens die „Rasenmäherstrategie“
Ich bezweifele nur stark, dass es bezüglich eines solchen CT Ansatzes hierzulande im Hinblick auf mindset/Verständnis/Wille und Mitteln besser aussieht als bei COIN.
———
(Laut BND ist der anschlag wohl auf lokalen Al quaida Nachfolger zurückverfolgbar. Siehe Pressemeldungen dazu)
@Ulrich Reinhardt
„Wie es andere hier auch schon geschrieben haben ist der Einsatz in Mali – wie der in Afghanistan – im Prinzip ein Erfolg in Bezug auf seine Zielsetzung, nämlich mit so minimalem Einsatz wie möglich wichtige Verbündete nicht allzu zu sehr vor den Kopf zu stoßen. Das ist in Wahrheit das politische Ziel dieser Einsätze und dieses wurde bis dato erreicht.“
Wie sind denn die definierten sicherheitspolitischen Ziele oder Konzepte für Afrika oder Zentralasien?
@dieandereMeinung, Sindbad, wacaffe et. al.:
Ich fasse für mich mal mit Blick auf Mali zusammen uns fehlen auf allen Ebenen (taktisch, operativ und strategisch) die konzeptionellen und vorallem auch mentalen Grundlagen, um in einer Stabilisierungsoperation mit einem aktiven Gegner (oder sogar mehreren wie in Mali) Erfolg haben zu können.
Einige Verbündete insbesondere die USA haben zwar taktische Konzepte entwickelt (insbesondere aufbauend auf französischen Erfahrungen), aber auch diese haben das Grundproblem fragiler Staaten (unterstützen wir die richtigen politischen Entscheidungsträger?) nicht lösen können.
COIN wurde dabei oft als Lösung gesehen und hätte hierbei im Irak ja durchaus Erfolge, aber eine gute Taktik ohne Strategie führt eben nicht zu einem guten Ergebnis.
Das ist alles nicht wirklich neu, sondern war schon rundum 2014 klar und deutlich erkennbar. Die USA haben sich in verschiedenen Grundlagendokumenten (National Defence Strategy) von „Long Term COIN“ abgewendet.
In Deutschland scheint mir schon das Grundproblem der unzureichenden Vorbereitung militärischer und ziviler Instrumente (COIN sollte ja auch primär eine Polizeiaufgabe sein) bei politischen Entscheidungsträgern immernoch nicht im Bewusstsein zu sein. Gleiches gilt für die militärische Führung (Wer LV/BV kann…).
Daher fand ich die Diskussion sehr interessant, da es derlei hier schon länger nicht mehr gab.
Vielen Dank.
Der breiten und anregenden Diskussion in diesem Thread entnehme ich insgesamt eine gewisse Ratlosigkeit was das DEU Engagement in MLI betrifft bzw. wie es weitergehen soll. Dem politisch immer wieder geäußerten Mantra einer „Übernahme von mehr Verantwortung“ und dem (gesichts-)wahrenden Bedürfnis nach Beständigkeit und Partnerschaft mit FRA und der EU stehen die Realitäten in MLI seit Jahren teilweise diametral entgegen. Dies wurde sogar für die „Post-heroische“ DEU Öffentlichkeit un-ignorierbar mit dem Anschlag am 25.06.2021.
Gerne würde ich der Diskussion hier einige Impulse anbieten:
1. Die G5-Sahelzone ist gigantisch und nur gelegentlich interpunktiert mit einzelnen militärischen Basen. Sie ist verbunden mit rudimentären Verkehrswegen. Der Anspruch, dass westliche Armeen im Verbund mit regionalen Akteuren hier den Raum beherrschen und engen Kontakt zur Zivilbevölkerung pflegen ist einfach nicht realistisch. Das sind unregierbare Bereiche für Zentralregierungen im (un-)demokratischen Umbruch. Aus hiesiger Sicht muss diese Tatsache einfach akzeptiert werden.
2. Diese „Tyranny of Distance“ ist neben dem Klima der wahre Gegner militärischer Bemühungen, da der Schwerpunkt jeder Operation in diesem Raum unweigerlich der Logistik zufällt, wenn man die vorgegebenen Standards der Versorgung einhalten möchte. Die Herausforderung ist also nicht nur das Ausbilden, COIN, Sicherheit oder Nation Building, sondern das „Durchhalten und Ankommen“, salopp gesagt.
3. Zu dieser Logistik zählt auch die hier viel diskutierte Frage der adäquaten sanitätsdienstlichen Versorgung. Hier sind die von der UN gesetzten Zeitvorgaben zu berücksichtigen: Diese sehen vor, dass innerhalb von 2 Stunden nach Verwundung eine notfallchirurgische Erstversorgung stattfinden muss. (Quelle: “Medical Support Manual for United Nations Field Missions”, 2015, Seite 25, ENG Version, http://dag.un.org/bitstream/handle/11176/387299/2015.12%20Medical%20Support%20Manual%20for%20UN%20Field%20Missions.pdf?sequence=4&isAllowed=y)
4. Die verletzten DEU Kräfte waren Teil der MINUSMA, also der UN unterstellt. Sie waren damit Bestandteil einer UN geführten Missionsplanung und wurden entsprechend auch versorgt und evakuiert durch UN-assoziierte Logistik und Sanität. Hier steht also, aus hiesiger Sicht, nicht die Bundeswehr im Fokus der Diskussion um Führung, Tathergang und Rettungskette, sondern die UN. Die UN hat eine zivil unterstützte Rettungskette in ihrer medizinischen Planung inkorporiert und Deutschland diese (vermutlich mangels Alternativen) akzeptiert. Bei der EUTM ist dies übrigens auch so. (Quelle: https://eutmmali.eu/eutm-mali-medical-exercise-the-golden-hour-rule/)
5. Wenn die UN-Missionsplanung also DEU Soldaten 180 km von der nächsten medizinischen Versorgungseinrichtung mit notfallchirurgischen Kapazitäten entsendet (hier scheinbar: GAO), rückt sie, nach meiner Bewertung, diese Kräfte an den äußersten Rand des vertretbaren Radius zum Einhalten dieser Zeitlinien. Evtl. darüber hinaus, wenn man die Zeiten berücksichtigt, die die Hubschrauber am Boden benötigen.
Aus meiner Sicht stellt sich also vor allem die Frage wie der Bundestag einer UN Mission, welche unter derartigen Bedingungen operiert, regelmäßig die Mandate verlängern kann.
Allen Kameraden dort vor Ort weiter viel Soldatenglück.
Und soweit der Hausherr es erlaubt:
Zum OFF-Topic Thema „Counterinsurgency“ noch ein Link zu einem sehr interessanten Paper der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik von 2011. (https://www.swp-berlin.org/publikation/zivil-militaerische-aufstandsbekaempfung)