Bundestag billigt Eurodrohne – für Deutschland erstmal nur unbewaffnet

Trotz haushaltsrechtlicher Bedenken hat der Haushaltsausschuss des Bundestages der Entwicklung und Beschaffung der  Eurodrohne gemeinsam mit Frankreich, Italien und Spanien zugestimmt. Das Gremium billigte am (heutigen) Mittwoch die entsprechende Vorlage des Verteidigungsministeriums für den Anfangsflugbetrieb eines zukünftigen Medium Altitude Long Endurance Unmanned Aircraft System Ziellösung (MALE UAS ZI), setzte in einem so genannten Maßgabebeschluss aber auch Grenzen sowohl für die weitere Freigabe von Geldern – und für eine in Deutschland vorerst nicht gewollte Bewaffnung.

Der Weg für die Zustimmung mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen von Union und SPD wurde frei, nachdem die Regierungspartner Anfang Februar grundsätzlich grünes Licht für die Beschaffung gegeben und dabei bereits den Wunsch der Sozialdemokraten nach einem unbewaffneten System akzeptiert hatten:

Die Eurodrohne ist ein primär als Aufklärungssystem konzipiertes, multinationales Gemeinschaftsprojekt gemeinsam mit Frankreich, Italien und Spanien. Die Koalitionspartner vereinbaren, die notwendigen Beschlüsse herbeizuführen, damit die Verträge zur Entwicklung und Beschaffung der Eurodrohne wie geplant im März unterzeichnet werden können. Der Industrievertrag umfasst keine Bewaffnung der Eurodrohne.

Das unbemannte System soll langfristig eine eigene europäische Drohnen-Herstellung in der Größe der unbemannten Systeme mittlerer Flughöhe und langer Reichweite (MALE, Medium Altitude Long Endurance) ermöglichen und damit in einen Markt vorstoßen, der derzeit vor allem von den USA und Israel dominiert wird, in dem aber auch andere Länder wie Russland, China oder die Türkei zunehmend aktiv sind.

Die Fähigkeitslücken, die damit geschlossen werden sollen, definiert das Verteidigungsministerium so:

• Abbildende Aufklärung und Überwachung im Einsatzgebiet
• Signalerfassende luftgestützte Aufklärung im Einsatzgebiet
• Reaktionsschnelle, skalierbare und hochpräzise Wirkung einschließlich Luftnahunterstützung für Bodentruppen im Einsatzgebiet, wenn zu einem späteren Zeitpunkt realisiert

Gerade der letzte Punkt ist angesichts des Widerstandes der SPD, die sich bereits gegen eine Bewaffnung der bereits für die Bundeswehr beschafften israelischen Heron TP-Drohnen ausgesprochen hatte, bis auf Weiteres nicht im deutschen Anforderungskatalog enthalten. Im Maßgabebeschluss, den der Haushaltsausschuss fasste, heißt es dazu konkret:

a. Es darf keine Munition für das System Eurdrohne beschafft werden.
b. Es darf keine taktische Waffenausbildung des Bedienpersonals des Systems Eurodrohne erfolgen.
Über die Aufhebung des Beschlusses zu a. und/oder b. wird auf Basis einer gesonderten Vorlage an den Haushaltsausschuss und den Verteidigungsausschuss entschieden werden.

Das orientiert sich weitgehend an dem bereits zur Beschaffung der Heron TP verabschiedeten Beschluss, auch wenn in diesem Fall nicht auf die umfassende ethische und rechtliche Debatte abgehoben wird.

Bedeutsamer für die Zukunft der Eurodrohne aus deutscher Sicht dürften allerdings die finanziellen Bedingungen ausfallen. Gut drei Milliarden Euro kostet das Vier-Nationen-Projekt in den kommenden Jahren allein für Deutschland (wenn auch als geplant größten Kunden für das System), hinzu kommen noch mal mehr als 700 Millionen Euro zur vollständigen Nutzbarkeit des Systems.

Das Bundesfinanzministerium hatte angesichts der Vertragskonstruktion und dieser Summen (und nicht wegen der umstrittenen Bewaffnung) Vorbehalte, die zwischendurch noch zu intensiver Beratung zwischen Finanz- und Verteidigungsministerium geführt hatten. (Die Luftwaffe hatte zwar bereits am 24. März gejubelt Die Eurodrohne ist auf dem Weg; die für jenen Tag geplante Abstimmung im Haushaltsausschuss war aber angesichts der Finanz-Unklarheiten dann noch mal verschoben worden.)

Die warnenden Worte aus dem Finanzressort finden sich so auch in der jetzt gebilligten Vorlage, unterschrieben von der Parlamentarischen Staatssekretärin Bettina Hagedorn:

Ich weise daraufhin, dass aus Sicht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) auch nach Austausch mit dem BMVg erhebliche Bedenken an der Beschaffungsmaßnahme verbleiben, die sich nicht auf den zu beschaffenden Gegenstand, sondern auf die mit dem Vertragsentwurf verbundenen folgenden Risiken beziehen:
• Der Entwurf enthält eine – offenbar auch aus Sicht des BMVg selbst – im Vergleich zu anderen Verträgen ungewöhnlich einseitig zu Lasten der Auftraggeberseite ausgestaltete Risikoverteilung, die zu nicht prognostizierbaren Mehrkosten in der Zukunft führen könnte.
• Im Rahmen einer „außerordentlichen Preiseskalationsregelung“ wird eine aus hiesiger Sicht nicht akzeptable Verknüpfung mit den beiden Großvorhaben „FCAS“ und „Eurofighter Tranche 5“/Tornadonachfolge hergestellt, die keinen inhaltlichen Zusammenhang erkennen lässt, aber eine mögliche/faktische Vorbindung für die beiden außerordentlich kostenintensiven noch nicht etatreifen Zukunftsprojekte herstellt (Präjudizgefahr). Der bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen erzielten Preisreduzierung steht das Risiko einer späteren Preiserhöhung je nach Anzahl der nicht geschlossenen bzw. später geschlossenen Verträgen gegenüber.
• Das Beschaffungsvorhaben wird auch in künftigen Haushaltsjahren, insbesondere nach 2025, unter Berücksichtigung der weiteren Zusatzverträge Finanzmittel im hohen dreistelligen Mio. Euro Bereich erforderlich machen, für die eine Haushaltsvorsorge nicht erkennbar ist.

Mit anderen Worten: Ob die Bundeswehr all die Drohnen bezahlen kann, die sie  bestellt, ist jetzt schon fraglich. Wenn aber bei den – formal von der Eurodrohne unabhängigen, aber über den Auftragnehmer Airbus mittelbar damit verknüpften – Projekten Future Combat Air System (FCAS) oder der geplanten künftigen Bestellung von Eurofightern Probleme auftauchen, könnte sich das finanziell auf die Eurodrohne auswirken.

Die ist ohnehin schon ein ziemlich teures Projekt – für die fast vier Milliarden Euro ist vorgesehen:

Der für Deutschland bestimmte Anteil der Produktion umfasst den Bau und die Lieferung von sieben Systemen, bestehend aus 21 Luftfahrzeugen, 12 Bodenkontrollstationen sowie vier verlegefähigen Simulatoren. Darüber hinaus sind nicht-querschnittlich nutzbare Bodendienst- und Prüfgeräte zu liefern.

Grob gerechnet (auch wenn das nicht so geht, ich weiß, aber der Einfachhheit halber dieses Mal doch): Jede einzelne Eurdrohne kostet die Bundeswehr knapp 200 Millionen Euro. Für das Geld bekäme man mehr als zwei F-35 und nicht ganz zwei Eurofighter. Diese Überschlagsrechnung mag mit zur Zurückhaltung im Finanzministerium geführt haben.

Deshalb zog der Haushaltsausschuss in seinem Maßgabebeschluss auch ein paar Kontrollmöglichkeiten für die weiteren Ausgaben ein:

Im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr wird eine separate Projektorganisation Eurodrohne eingerichtet, die auch das Kostencontrolling des Gesamtprojekts Eurodrohne überwacht. Der Haushaltsausschuss fordert die Bundesregierung auf, ihm zu den Ergebnissen des Kostencontrollings halbjährlich (jeweils 31. Januar/ 31. Juli) – beginnend ab dem 31. Januar 2022 – zu berichten.
Das Bundesministerium der Verteidigung hat sicherzustellen, dass beim Gesamtprojekt Eurodrohne die industrielle Fähigkeit zur Anpass- und Weiterentwicklung sowie zur Herstellung national durchgehend gewährleistet wird und die vertraglich vereinbarten Teile der Wertschöpfung in Deutschland bleiben. Der Sachstand ist in dem halbjährlichen Bericht zu den Ergebnissen des Kostencontrollings darzustellen.
Sofern der Auftragnehmer Preisnachlässe gewährt, die im Zusammenhang mit anderen (zukünftigen) Vorhaben stehen, ist die Vorteilhaftigkeit dieses Vorgehens in der jeweiligen 25 Mio. Euro-Vorlage darzustellen. Die Finanzierung des Vorhabens im Einzelplan 14 muss sichergestellt sein, auch unter der Annahme, dass sich die Preisnachlässe nicht realisieren. Zu einer vertraglichen Verknüpfung von Rüstungsverträgen mit einem Volumen von über 25 Mio. Euro mit künftigen 25 Mio. Euro-Vorlagen ist eine vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses einzuholen.

Allerdings: Das unbemannte System ist ein Arbeitsplatzprogramm für Deutschland. Denn die Drohnen, auch die für die anderen Nationen, sollen in Manching in Bayern produziert werden, wie Airbus bereits im vergangenen Jahr angekündigt hatte. Und, auch das gehört dazu: Dass diese Flugzeuge ohne Besatzung zwei Triebwerke haben (für eine Drohne etwas ungewöhnlich) und zum dem ITAR-free sein sollen, also ohne Teile unter Ausfuhr/Weitergabekontrolle der USA gebaut werden, zielt offensichtlich in eine bestimmte Richtung: Nicht auf die vergleichsweise wenig Maschinen, die Militär so bestellt. Sondern langfristig auf den viel lukrativeren Markt der zivilen Nutzung unbemannter (Fracht)Flugzeuge.

(Grafik: Airbus)