Nachfolger für die Orion: USA billigen Verkauf von P-8 für 1,5 Mrd Euro – aber das Geld fehlt
Bei der Suche nach einem Nachfolger für ihre betagten Seefernaufklärer vom Typ P-3C Orion, die bis 2025 ausgemustert werden sollen, ist die Bundeswehr formal einen Schritt weiter gekommen: Die USA erklärten sich zum Verkauf von fünf Flugzeugen des Typs P-8 Poseidon samt Ausstattung für rund 1,77 Milliarden US-Dollar bereit. Eine solche Zusage auf eine deutsche Anfrage über das so genannte Foreign Military Sales-Verfahren (FMS) sagt allerdings noch nichts über die tatsächliche Beschaffung aus – zumal im deutschen Verteidigungshaushalt dafür bislang kein Geld vorhanden ist.
Die Genehmigung des Verkaufs der Boeing-Flugzeuge machte die U.S. Defense Security Cooperation Agency am (heutigen) Freitag öffentlich bekannt*:
WASHINGTON, March 12, 2021 – The State Department has made a determination approving a possible Foreign Military Sale to the Government of Germany of P-8A Aircraft and Associated Support, and related equipment, for an estimated cost of $1.77 billion. The Defense Security Cooperation Agency delivered the required certification notifying Congress of this possible sale today.
The Government of Germany has requested to buy five (5) P-8A Patrol Aircraft; nine (9) Multifunctional Distribution System Joint Tactical Radio Systems 5 (MIDS JTRS 5); and twelve (12) LN-251 with Embedded Global Positioning Systems (GPS)/Inertial Navigations Systems (EGls). Also included are commercial engines; Tactical Open Mission Software (TOMS); Electro-Optical (EO) and Infrared MX-20HD; AN/ AAQ-2(V) I Acoustic System; AN/APY-10 radar; ALQ-240 Electronic Support Measures; NexGen Missile Warning Sensors; AN/PRC-117G Manpack radios include MPE-S type II with SAASM 3.7; Global Positioning Systems (GPS) 524D Precise Positioning System (PPS) for APY-10 Radar; AN/ALQ-213 Electronic Counter Measures; AN/ALE-47 Counter Measures Dispensing Systems; AN/UPX IFF Interrogators; APX-123A(C) IFF Digital Transponders; KIV-78 IFF Mode 5 Cryptographic Appliques; CCM-701A Cryptographic Core Modules; KY-100M, KY-58, KYV-5 for HF-121C radios; AN/PYQ-10 V3 Simple Key Loaders (SKL) with KOV-21 Cryptographic Appliques; aircraft spares; spare engine; support equipment; operational support systems; training; training devices; maintenance trainer/classrooms; publications; software; engineering technical assistance (ETA); logistics technical assistance (LTA); Country Liaison Officer (CLO) support; Contractor Engineering Technical Services (CETS); repair and return (RoR); transportation; aircraft ferry; and other associated training and support; and other related elements of logistics and program support. The total estimated program cost is $1.77 billion.
Hintergrund ist die Entscheidung des deutschen Verteidigungsministeriums im vergangenen Jahr, die eigentlich geplante Modernisierung der acht gebraucht gekauften Seefernaufklärer vom Typ P-3C Orion zu stoppen und nach einem Nachfolgemodell zu suchen, mit dem die Zeit bis zu einem geplanten neuentwickelten deutsch-französischen Maritime Airborne Weapons System (MAWS), geplant ab 2035, überbrückt werden kann. Anfang des Jahres wurde dann klar, wie dringend der Ersatz ist und dass die vorhandenen Maschinen selbst bis zum neuen Ausmusterungsdatum 2025 nur mit Schwierigkeiten die Anforderungen erfüllen können.
Als mögliche neue Maschinen ab 2025 sollten nach Angaben des Ministeriums alle marktverfügbaren Plattformen, wie beispielsweise C-295 MPA, RAS 72 und eben die P-8A untersucht werden. Als Teil dieser Betrachtung ist offensichtlich die jetzt beantwortete Anfrage an die USA zu sehen, ob die P-8 von Boeing via FMS-Verfahren zur Verfügung stünde.
Die positive Antwort aus Washington muss allerdings im Lichte der deutschen Haushaltssituation betrachtet werden. Im Februar hatte das Verteidigungsministerium dem Bundestag eine Liste der Rüstungsprojekte zukommen lassen, deren Finanzierung zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesichert ist. Und darauf steht auch der Nachfolger Seefernaufklärer, als Zwischenlösung für den Ersatz der P-3C Orion. Ob also dieser Kauf für die umgerechnet knapp 1,5 Milliarden Euro zustande kommt, wie es sich die Marine offensichtlich wünscht, ist derzeit mehr als fraglich.
(Danke für den Leserhinweis auf die DSCA-Mitteilung!)
*Fürs Archiv die Mitteilung als Sicherungskopie:
20210312_DSCA_Germany_P-8A
(Archivbild Februar 2021: A U.S. Navy P-8A Poseidon departs after receiving fuel from a U.S. Air Force KC-135 Stratotanker during a mission over the U.S. Central Command area of responsibility on Feb. 5, 2021. Designed to secure the U.S Navy’s future in long-range maritime patrol capability, the P-8A Poseidon has transformed how the Navy’s maritime patrol and reconnaissance force will man, train, operate and deploy. The P-8A efficiently conducts anti-submarine warfare, anti-surface warfare, intelligence, surveillance, reconnaissance and humanitarian response – U.S. Air Force photo by Staff Sgt. Trevor T. McBride)
@ Peter Eberl
Zitat: „Allerdings hinkt dieser Vergleich ein wenig, denn die P 3C sollte auch strukturell auf Vordermann gebracht werden.“
Das ist schon klar, dass für die das „Rewinging“ andere Hausnummern für die Kosten existieren. Der Rüstungsbericht des BMVg hat ja in Punkto Orion P3C, drei Punkte aufgelistet: „IFR-Upgrad“, Rewinging und neue Mission Avionik.
@ Milliway hat zitiert, dass das BMVg wegen dem IFR-Paket die Reißleine gezogen hat. Das halte ich für falsch.
Wenn Airbus technologisch in der Lage gewesen wäre, die P3C Flügel technologisch mit dem bereits vorhandenen, vom BMVg für 300 Mio Euro bezahlten und eingelagerten Überholungskit des Herstellers zu überholen, wäre es nicht zu dem Vorhabenabbruch gekommen. Wenn man für die Überholung einer einzigen Maschine 54 Monate (4 1/2 Jahre) benötigt und vertraglich waren 9 Monate vorgesehen, dann stimmt etwas nicht bei dem Luftfahrttechnischen Betrieb der den Auftrag durchführen soll.
Wie so oft in Deutschland – Airbus kann nur Zivilflugzeuge/-hubschrauber und keine Militärflugzeuge/-hubschrauber !
@ Georg
Ich glaube nicht, dass man pauschal Airbus die Schuld in die Schuhe schieben kann.
Bei alten Flugzeugen, die modernisiert werden, ist es oft mehr ein Problem der vorhandenen (analogen) Dokumentation, als des technischen Know-Hows.
Unsere Politik hat versagt. Man will sich in Deutschland nicht eingestehen, dass für Luftfahrtzeuge, egal welcher Bauart, nach rund 30 Jahren das Ende eines wirtschaftlichen Betriebs gekommen ist.
Der finanzielle Aufwand einer Überholung übersteigt dann die Kosten einer Investition in modernes Gerät, die durch die Überholung nur etwas rausgezögert wird und sowieso ansteht.
Ich meine, bei der P-3C liegen diese Kosten jetzt bei einer knappen Milliarde Euro.
Dafür hätte man vermutlich 6 C295 oder eben 3 P-8A kaufen können.
@ Der Realist
Das kommt eben davon, wenn man mit dem Militärhaushalt auf Teufel komm raus Wirtschaftförderung betreiben will !
Es gibt ja durchaus auch in Europa Firmen, die das Rewinging der P3C gut hinbekommen haben.
Nur ist das eben nicht Airbus, sondern kleine Firmen, die sich auch nicht scheuen, alte z.T. pensionierte Techniker für die Umrüstaufgaben zu engagieren.
Ich glaube nicht, das der Misserfolg an der mangelnden (?) analogen Dokumentation liegt. Man muss halt alte, analoge Wartungsvorschriften auch lesen können ! Außerdem sollte man schon mal die Tragflächen eines alten Flugzeuges demontiert und zerlegt haben, bevor man sich an die Aufgabe der Überholung der Tragflächenstruktur wagt.
Analoge USAF-Dokumentation aus den 60er und 70er Jahren kann ich in meinem Technikbereich noch absolut gut mit 35 Dienstjahren in der Branche handeln. Integrierte elektronische technische Dokumentation (IETD) der ersten Generation aus den Anfängen des letzten Jahrzehnts wird schon schwieriger.
Nichtsdestotrotz stimme ich Ihnen ja zu, dass wir die P8 kaufen sollten, nur die Begründung warum man die Überholung der P3C abbricht, die akzeptiere ich nicht.
@ Georg
Moment… ;-)
Ich habe nicht gesagt, dass wir die P-8A kaufen sollen, sondern generell etwas Neues.
WENN es die P-8A werden sollte, fände ich die Idee aus einem anderen Forum interessant, sie NICHT in Deutschland, sondern in Norwegen oder GB zu stationieren. Denn dort ist das Haupteinsatzgebiet.
Zwischen Europa und den Vereinigten Staaten eine neue (Rüstungs)zusammenarbeit, in der Deutschland eine Schlüsselrolle einnehmen soll?
Die Biden-Präsidentschaft bleibt bei den bekannten Forderungen bezüglich Lastenteilung.
Es ergibt sich allerdings eine Gelegenheit für Deutschland, die transatlantische Partnerschaft zu verstärken und zu stärken. Waffenlieferungs-Abkommen, so auch die P8, können die Funktion eines Lackmustests bilden
https://www.gmfus.org/publications/germanys-last-chance-partner-united-states-leadership
„Im Vorfeld der für September geplanten Parlamentswahlen ist es entscheidend, dass die deutschen politischen Entscheidungsträger konkrete Wege finden, um im Interesse des Landes, Europas und der transatlantischen Partnerschaft eine ehrgeizige Agenda zu verfolgen“.
Diese Erwartungshaltung betrifft jede real mögliche Koalition.
@Der Realist
„… in Norwegen oder GB zu stationieren. Denn dort ist das Haupteinsatzgebiet“.
Wirklich?
Ein Seefernaufklärer in/über dem UK oder NOR, wohl kaum.
Einige Hinweise hier.
https://augengeradeaus.net/2021/03/nachfolger-fuer-die-orion-usa-billigen-verkauf-von-p-8-fuer-15-mrd-euro-aber-das-geld-fehlt/comment-page-3/#comment-360080
Ich ergänze die derzeit/bis auf weiteres üblichen Einsatzgebiete bei den Op IRINI /ATALANTA.
@Der Realist: „Ich hatte das auch vermutet, aber anscheinend liegen auch bei den neuesten Aufträgen 4 bis 5 Jahre zwischen Kaufvertrag und Lieferung“.
In dem von Ihnen verlinkten Artikel (übrigens vielen Dank dafür) ist von einem Kaufvertrag im Mai 2020 mit Lieferbeginn 2022 (Neuseeland) bzw. 2023 (Süd-Korea) die Rede. Jeweils für einen vergleichbaren Umfang. Wenn seitdem nicht viel dazu gekommen ist, sollte für uns doch ein Lieferbeginn 2024 realistisch sein, oder? Corona hat zugegebenermaßen natürlich die Produktionslinie auch behindert.
@ KPK
Als Serfernaufklärer ja, aber dafür brauchen wir keinen teuren U-Bootjäger.
Da gibt es dann günstigere Alternativen.
Die U-Bootjagd dagegen findet hauptsächlich im Atlantik und der nördlichen Nordsee statt.
@ Nachhaltig
Der Artikel ist von 2000, aber die Vertragsunterzeichnung war weit früher:
https://www.airforce-technology.com/news/new-zealand-receive-p-8a-poseidon/
Bei uns gibt es weder eine finale Entscheidung für ein Muster, noch eine gesicherte Finanzierung. Und wir haben Ende März 2021…
@Der Realist
Die in Rede stehenden Lfz erfüllen beide Funktionen, SeefernAufkl&U-Jagd: „Bei der Boeing P-8 Poseidon handelt es sich um ein Seefernaufklärungs- und U-Boot-Jagdflugzeug“ usw.
Wo die Uboot-Jagd unter LV/BV Bedingungen durchgeführt werden müsste, siehe mein obiger Link, fußend u.a auf Bedarfe der Norweger, Briten und U.S. Navy, Royal CDN Navy im Nordatlantik.
Ihr „günstig“ misst sich woran? Sofern ausschließlich am Preis, wäre das zu kurz gesprungen.
Ihre „Alternativen“, die nicht beides können, kein „Multimission-Maritime-Aircraft“ beinhalten, sind keine.
@Der Realist Wenn man aber weltweit agieren will wie unsere Berufspolitiker, man hat ja auch Verbündete, den engsten am Ende des Atlantiks, die USA oder in Ozeanien. Wenn man allerdings „nur“ 5 Seeaufklärer, bislang sind diese 5 von der US Regierung genehmigt, die Entscheidungen des Bundestages über den Kauf steht aus, sind viel zu wenig. Idealerweise kaufe ich 8 und ersetze mindestens 1:1 das Material. Andere Seefernaufklärer gibt es nicht, die den Ansprüchen gerecht werden. Und normalerweise wird der Gesamtpreis niedriger, wenn ich 8-12/ 16 Seefernaufkläree kaufe, als bislang nur 5. Dazu kommt dass Airbus nicht „breit“ genug aufgestellt ist um allen Streitkräften in Europa, ihre Ausrüstung zu verkaufen, die die Streitkräfte benötigen. Airbus hat kein kurzstart Flugzeug das auf Flugzeugträgern starten kann, Airbus hat kein Mittelding als Seeaufklärer zwischen CASA und Boeing P8 Poseidon, Airbus hat kein Senkrechtstarter a la F-35B, Airbus hat kein Grossraumtransportflugzeug a la Boeing C-17 oder Antonov. Das verwundert ein wenig.
@ KPK
Ein Seefernaufklärer ist die deutsche Bezeichnung für MPA. U-Bootjagd wäre ASW.
Nicht jedes Muster kann beides. Und das ist auch nicht notwendig, wenn der Fokus regional verschieden ist.
Gute MPA gibt es im Angebot von Airbus mit der C295 und CN235, von Dassault auf Basis der Falcon und auch von Saab auf Basis des Global Jet von Bombardier. Auch Embraer und ATR bieten MPA-Varianten an.
Da sollte für uns etwas passendes dabei sein, ohne eine teure P-8A falsch einzusetzen.
@Der Realist
Da bleiben wir dann unterschiedlicher Auffassung.
Was ich bisher so lese, kommt für Deutsche Marine nur ein Muster in Frage, dass beides kann.
Die Franzosen nutzen beide Atlantic 2 für ASW und die neue Falcon 2000 für MPA
@ pak
Genau diese Aufteilung könnte ich mir auch vorstellen.
Die bislang einzige modernisierte P-3C Orion wurde gut drei Monate bei der Wehrtechnische Dienststelle für Luftfahrzeuge und Luftfahrtgerät der Bundeswehr (WTD-61) in Manching ausgiebig getestet, bevor die Maschine Anfang Februar 21 nach Nordholz überführt wurde.
Nach meiner Auflassung soll das WTD-61 eine Aussagetreffen ob die modernisierte P-3C Orion die Erwartungen erfüllt oder nicht ?
Wenn ja, wird das Programm unter Führung der Lockheed Martin Corporation fortgeführt.
Die Diskutierte Brückenlösung entfällt und man kann sich auf eine Nachfolge Lösung der P-3C Orion konzentrieren.
Was hat unsere P-3C, Gorch Fock, Euro Hawk, Eurofighter CH-53GA, oder A400M gemeinsam?
Alle Programme sind in Folge eines fehlenden Controlling Management aus den Rudergelaufen !
Da ist die Frage schon erlaubt was das BMVg, BAAINBw und der Bundesrechnungshof eigentlich genau machen, jedenfalls der Slogan „Wir Dienen Deutschland“ wird in keiner Weise erfüllt.
Annegret Kramp-Karrenbauer muss jetzt die Notbremse ziehen, einen Schlusspunkt setzen, bis hierher und nicht weiter, dabei endlich Lehren für die Zukunft ziehen.
Das heißt: Sämtliche großen Beschaffungsvorhaben die aktuell laufen werden abgebrochen, von unabhängig neuen Experten neu bewertet und korrigiert.
@Milliway
Was hat unsere P-3C, Eurofighter, oder A400M gemeinsam? Sie kommen alle von Airbus und nicht von Dassault…
[Äh. Nein. T.W.]