KSK-Kommandeur droht Verfahren vor Truppendienstgericht – und: es gab keine „Amnestie-Boxen“

Nach der umstrittenen Sammelaktion von Munition beim Kommando Spezialkräfte (KSK) droht dem Kommandeur der Einheit ein Verfahren vor dem Truppendienstgericht. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte nach einer Sitzung des Bundestags-Verteidigungsausschusses an, nach rechtlicher Bewertung werde sie über die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens entscheiden. Die Ministerin, Generalinspekteur Eberhard Zorn und Heeresinspekteur Alfons Mais hatten zuvor den Abgeordneten die bisherigen Erkenntnisse zum Umgang mit Munition in der Eliteeinheit erläutert.

Vor dem Ausschuss nahmen Kramp-Karrenbauer und die beiden Generale am (heutigen) Mittwoch zu dem Bericht der der Task Force Munition und sicherheitsempfindliches Gerät des Heeres Stellung, den die Abgeordneten am Vortag erhalten hatten. Daraus geht unter anderem hervor, dass im KSK über Jahre gegen die Vorschriften zum Umgang mit Munition verstoßen wurde – vor dem Ausschuss sprach Heeresinspekteur Mais sogar davon, dass der Verband schon seit 2011 bei der Materialbewirtschaftung das Schlusslicht im Heer gewesen sei.

In ihrem Statement nach der Sitzung ging die Ministerin vor allem auf ein mögliches gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den KSK-Kommandeur, Brigadegeneral Markus Kreitmayr, ein: Dessen direkter Vorgesetzter, der Kommandeur der Division Schnelle Kräfte, Generalmajor Andreas Hannemann, hatte in dieser Woche das Verfahren wegen der von Kreitmayr befohlenen Munition-Sammelaktion im vergangenen Jahr an das Ministerium abgegeben – seine disziplinaren Möglichkeiten seien ausgeschöpft. Damit liegt es bei der Ministerin, die über die Einleitung gerichtlicher Disziplinarverfahren gegen Generale entscheidet. Die Ministerin im O-Ton:

20210303 AKK VA zu KSK     

 

Dabei spielt sicherlich auch das Motiv Kreitmayrs für die Sammelaktion eine Rolle, mit der er die anonyme Rückgabe von Munition in der Einheit ermöglicht hatte: Als Grund, sagte die Ministerin vor dem Ausschuss, habe er die Munitions-Inventur des KSK im Dezember 2019 genannt. Nach dem Bericht der Heeres-Arbeitsgruppe war das die erste vorschriftenkonforme Inventur seit Jahren – und ergab einen massiven Fehlbestand an Munition, der über Jahre nicht verzeichnet worden war. Der KSK-Kommandeur habe nach jahrelanger Misswirtschaft vor allem sicherstellen wollen, dass diese fehlende Munition auch wieder aufgefunden würde, sagte Kramp-Karrenbauer den Abgeordneten.

Die Ministerin räumte vor dem Ausschuss ein, dass der Eliteverband einen vollkommen inakzeptablen Umgang mit Munition gepflegt habe und Schlamperei, Disziplinlosigkeit und systematische Missachtung von Regeln Teil der Kultur in der Einheit geworden seien. Wo immer möglich müssten die Verantwortlichen ermittelt und disziplinar verfolgt werden.

Kramp-Karrenbauer wie auch der Generalinspekteur betonten vor dem Ausschuss, bei allen Ermittlungen im KSK hätten die Vorwürfe rechtsextremistischer Umtriebe und die Sicherstellung noch fehlender Munition im Vordergrund gestanden; die erst vor kurzem durch das Gerichtsverfahren gegen einen Kommandofeldwebel und darauf folgende Medienberichte bekannt gewordene Aktion zur Einsammlung fehlender Munition habe zunächst nicht im Vordergrund gestanden. Zorn räumte ein, rückblickend wäre es sinnvoller gewesen, die Erkenntnisse des Heeres zum Umgang mit Munition und die Sammelaktion eher auch dem Parlament mitzuteilen.

Der Generalinspekteur kündigte zugleich an, die Entwicklungen im KSK vor der Amtsübernahme des jetztigen Kommandeurs im Juni 2018 gezielt aufzuklären, die zu den inzwischen offenkundigen Fehlverhalten geführt hätten. Dabei gehe es um die Führungsebenen zwischen KSK und Ministerium. (Am Rande: Eine dieser Führungsebenen ist die Division Schnelle Kräfte, deren Kommandeur Zorn selbst in den Jahren 2014 bis 2015 war –  allerdings nannte der General im Ausschus insbesondere die Jahre 2017 bis 2019 für eine genauere Betrachtung der Führungsorganisation und der Verantwortung für die Bereiche Logistik und Innere Führung.)

Heeresinspekteur Mais räumte vor den Abgeordneten eine Fehl-Wahrnehmung aus, die sich in den vergangenen Wochen, aus welchem Grund auch immer, auch in der Öffentlichkeit festgesetzt hat: Die rechtlich zweifelhafte Sammelaktion von Munition sei nicht mit Amnestie-Boxen oder anderen Aufnahmebehältern gelaufen.

Tatsächlich habe es zunächst eine Sammlung in den Einheiten gegeben und danach eine geschlossene Abgabe bei der Fachgruppe Munition des KSK –  allerdings, und daran entzünden sich die Vorwürfe gegen den Kommandeur, ohne namentliche Erfassung der Soldaten, die Munition abgaben. Kreitmayr habe zwar gewusst, dass er damit seine Dienstpflichten verletze, sagte Mais. Dem Kommandeur sei es aber in erster Linie um die Gefahrenabwehr gegangen, als er seinen Untergebenen die anonyme Munitionsrückgabe ermöglichte – aus der Befürchtung, diese Munition könnte in falsche Hände gelangen.

Der Opposition im Bundestag reichten die Aussagen von Ministerin und Generalinspekteur im Ausschuss nicht – vor allem, weil nicht wirklich klar ist, wann Kramp-Karrenbauer selbst von der Munitions-Sammelaktion wusste. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie Agnes Strack-Zimmermann brachte das auf den Punkt:

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hat im Verteidigungsausschuss erneut die Chance verpasst, die Karten auf den Tisch zu legen. Die Verantwortlichen für die schlimmen Entwicklungen beim KSK sind anscheinend seit Jahren bekannt. Der Bericht ‚Aktion Fund Munition‘ hat mit Sicherheit auch die Ministerin erreicht, bevor die Presse darüber berichtet hat. Offensichtlich sollten die Vorgänge übersehen werden. Es drängt sich die Frage auf, was Generalinspekteur Zorn als ehemaliger Kommandeur der Division Schnelle Kräfte und der ehemalige Inspekteur des Heeres General Vollmer wirklich wussten. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Kramp-Karrenbauer nicht tätig geworden ist und sowohl Öffentlichkeit als auch Parlament nicht informiert wurden. Das System KSK muss dringend geändert und von oben nach unten aufgeräumt werden. Die Probleme sind auf die Führung zurückzuführen und haben die ganzen Skandale erst möglich gemacht. Wir brauchen dringend Aufklärung und Transparenz. Kramp-Karrenbauer hat diese heute nicht geliefert. Daher fordert die FDP-Fraktion eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses.

(Wird ggf. ergänzt)