Erneuter Heron-Absturz in Afghanistan: Jetzt nur noch eine Drohne im Einsatz am Hindukusch (Update 13. März)

Erneut ist eine Heron-Aufklärungsdrohne der Bundeswehr in Afghanistan abgestürzt und dabei vollständig zerstört worden. Der kontrollierte Absturz ereignete sich nach Angaben der Bundeswehr gegen 08:15 Uhr Ortszeit am (heutigen) Freitag. Dem deutschen Kontingent in Nordafghanistan steht damit nur noch eine dieser Drohnen im Einsatz zur Verfügung.

Den Vorfall meldete das Einsatzführungskommando der Bundeswehr via Twitter:

Bei Resolute Support kam es heute um 04:45 Uhr MEZ zum kontrollierten Absturz einer HERON 1 in freiem Gelände 40 km östlich von Masar-i Scharif. Vermutete Ursache ist ein technischer Defekt.
Das sicherheitsrelevante Material wurde durch deutsche Kräfte an der Absturzstelle geborgen und das Luftfahrzeug unbrauchbar gemacht. Es kam zu keinen Personenschäden oder weiteren Sachschäden. Der Vorfall wird untersucht.

Der kontrollierte Absturz ist ein deutlicher Unterschied zum letzten vorangegangenen Verlust einer solchen Drohne über Afghanistan im November 2020: Damals hatte die Bundeswehr betont, es habe sich um eine Notlandung gehandelt, die der Drohnen-Pilot noch habe steuern können; das scheint diesmal nicht der Fall gewesen zu sein.

Nach dem Verlust im vergangenen November zwar die Zahl der einsatzbereiten Heron 1-Drohnen von drei auf zwei zurückgegangen; die Bundeswehr hatte im Dezember erklärt, dass die verloren gegangene Maschine nicht ersetzt werden sollte:

Der Einsatz von zurzeit nur 2 Luftfahrzeugen wird aus operationeller Sicht derzeit als ausreichend bewertet. Da das Deutsche [sic] Einsatzkontingent RS [Resolute Support] die Dauerpräsenz in Kunduz beendet hat, muss dieser Raum nicht mehr so ausgiebig wie bisher aufgeklärt werden. Die zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten im Einsatzland derzeit erforderliche Aufklärungsleistung kann somit mit den verbliebenen zwei RPA [Remotely Piloted Aircraft] und unter Nutzung anderer Aufklärungsmittel zurzeit gewährleistet werden.
Aufgrund laufender Redeployment-Eventualfallplanungen, unverändert beabsichtigter Ablösung durch das System German HERON TP (ab Mitte 2021) und zurzeit sichergestelltem operativem Bedarf wird deshalb derzeit von einer Kompensation des Luftfahrzeugs HERON 1 abgesehen.

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob ein Einsatz von nunmehr nur einem Luftfahrzeug aus operationeller Sicht als ausreichend bewertet wird – zumal vor dem Hintergrund der Entwicklung in Afghanistan: Für den Fall, dass der mit den USA vereinbarte Abzug aller internationalen Truppen zum 1. Mai nicht wie vereinbart umgesetzt wird, haben die Taliban bereits mit Angriffen auf Soldaten der USA und ihrer Verbündeten gedroht. Auch nach Einschätzung des deutschen Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr steigt die Gefährdung der deutschen Soldaten im Norden Afghanistans dann an.

Ich habe mich am Freitag bemüht herauszufinden, wie die Planung nach dem Absturz aussieht (deshalb der Eintrag auch jetzt erst). Ein Sprecher von Airbus Defense&Space, die die Drohnen betreiben und der Bundeswehr formal die Flugstunden zur Verfügung stellen, sagte dazu lediglich, über das Wochenende werde das weitere Vorgehen geprüft.

Die Optionen, die Airbus und die Bundeswehr haben, sind allerdings nicht allzu zahlreich: Eine der noch in Israel vorhandenen Heron 1-Drohnen wird nach Afghanistan verlegt – oder, wie realistisch das ist weiß ich nicht, die ohnehin zur Jahresmitte geplante Verlegung einer (unbewaffneten) Heron TP-Drohne wird vorgezogen. Allerdings ist dafür noch nicht einmal die Betriebshalle in Mazar-e Sharif fertig gestellt, s. Foto oben beim Besuch von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer Ende Februar.

Fürs Archiv: Es ist mindestens der fünfte Verlust einer Heron-Drohne im Bundeswehreinsatz am Hindukusch; die bisherigen Fälle:

• 17. März 201o: Aufgrund eines Bedienungsfehlers rast eine bereits gelandete Heron am Boden in eine geparkte Transall, das unbemannte Flugsystem ist ein Totalverlust.

• 19. Dezember 2010: Die Drohne geriet knapp 70 Kilometer westlich von Kunduz außer Kontrolle und stürzte ab.  Ursache war vermutlich ein Motorausfall durch Ölverlust.

Einen Tag später versuchten Bundeswehrspezialisten zusammen mit einem Chinook-Hubschrauber der U.S. Army, diese abgestürzte Drohne zu bergen. Dabei wäre fast der Transporthubschrauber abgestürzt; die Überreste der Heron wurden durch Beschuss eines Apache-Kampfhubschraubers zerstört, wie das Bundeswehr-Kontingent meldete:

Das UAV konnte nicht  zurückgeführt werden, da bei dem Versuch es als Außenlast zu transportieren, es erneut zu einem Absturz kam, da das UAV zuviel  Auftrieb produzierte, obwohl die äußeren Flügelflächen schon abgenommen waren. Aus diesem Grund konnte nur noch der nun mittlerweile sehr stark beschädigte Motor geborgen werden. Die Reste des UAV wurden dann noch mit LFK und Bordkanone (BMK) einer AH 64 zerstört.

• 8. November 2013: Nach dem Abbruch der Verbindung zur Bodenstation prallte eine Heron in der Provinz Badakshan östlich von Mazar-e-Scharif gegen einen Berg; eine Bergung der Trümmer wurde auf Grund der geografischen Gegebenheiten an der Absturzstelle sowie des Zustandes der Drohne nicht in Betracht gezogen.

• 16. November 2020: Bei der Rückkehr von einem Aufklärungsflug muss eine Heron 1-Drohne 20 Minuten vor der Landung in Mazar-e-Scharif notlanden. Im Unterschied zu einem Absturz habe der Pilot die Drohne unter Kontrolle gehabt und diese Notlandung noch steuern können, erläuterte ein Bundeswehrsprecher.
Die Heron ging zwar in unwegsamem Gelände nieder, dennoch konnten Soldaten der NATO-geführten Resolute Support Mission Teile der Drohne bergen. Dabei wurde nach Bundeswehrangaben nicht bergefähiges Material zerstört – eine Umschreibung dafür, dass die Maschine ein Totalverlust ist.

Update: Am 13. März hat die Bundeswehr eine neue Heron 1-Drohne in Israel abgeholt und nach Afghanistan gebracht, wie die Luftwaffe mitteilte. Damit stehen wieder zwei dieser Fluggeräte am Hindukusch zur Verfügung:

(Foto:  Beim Besuch in Mazar-e Sharif ließ sich die Verteidigungsministerin am 26. Februar 2021 über den Baufortschritt der neuen Halle für die Heron TP – im Hintergrund – informieren – Sabine Oelbeck/Bundeswehr)