Munitions-Sammelaktion beim KSK: Im Ministerium schon lange bekannt (m. Nachtrag)

Die erst in diesem Jahr öffentlich bekannt gewordene Amnestie-Aktion für Munition beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr war im Heer und auch im Verteidigungsministerium schon lange bekannt. Entsprechende Medienberichte bestätigte eine Sprecherin des Ministeriums.

Bereits im Januar dieses Jahres war in einem Prozess gegen einen Oberstabsfeldwebel der Eliteeinheit, auf dessen Privatgrundstück Munition und Sprengstoff gefunden worden war, die Sammelaktion des KSK öffentlich geworden; in der vergangenen Woche hatten NDR und WDR dazu mehr Details bekannt gemacht. Danach sollen KSK-Soldaten die Möglichkeit bekommen haben, Munition abzuliefern, die sie zuvor rechtswidrig gehortet haben sollen.

Das Ministerium hatte bislang unter Hinweis auf die laufenden Untersuchungen eine detaillierte Stellungnahme zu den Vorwürfen vermieden. Auch die Wehrbeauftragte des Bundestages hatte erklärt, ihr sei von einer solchen Amnestie bislang keine Information über die Medienbericht hinaus zugegegangen.

Am (heutigen) Dienstag räumte das Wehrressort nun ein, dass das Thema sowohl im Heer als auch im Ministerium selbst seit Monaten bekannt sei. Zuvor hatte unter anderem die ARD darüber berichtet, eine ähnliche Meldung gab es vom Spiegel.

Laut Ministeriumssprecherin wurde das Thema in der so genannten Task Force Munition, die Heeresinspekteur Alfons Mais im Juli vergangenen Jahres auf Weisung von Generalinspekteur Eberhard Zorn zur Untersuchung von Munitions-Fehlbeständen im KSK eingerichtet hatte, von Anfang an mitbehandelt. Die Sammelaktion war bei Vorgesetzten im Heer und auch im BMVg bekannt und ist seit längerem Gegenstand von Ermittlungen, sagte die Sprecherin. Es handele sich deshalb nicht um einen neuen Sachverhalt.

Noch am Vortag hatte das Ministerium vor der Bundespressekonferenz keine konkreten Angaben zu der Frage machen wollen, inwieweit das Ressort selbst über diese Aktion informiert war. Als Nachtrag an dieser Stelle die am Vortag schon als Video verlinkten Aussagen von Ministeriumssprecher Oberst Arne Collatz dazu:

Frage: Herr Collatz, ich wüsste gerne – und hoffe, Sie können uns auf den Stand bringen -, wie das Ministerium über die Vorwürfe hinsichtlich der sogenannten Munitionsamnestie im KSK denkt. Sie kennen die Berichterstattung und die Vorwürfe. Insbesondere interessiert mich die Frage, was das Ministerium und auch die Ministerin von den Vorgängen im vergangenen Jahr wann wusste.

Collatz: Vielen Dank. – Sie beziehen sich auf die Berichterstattung vom Wochenende, die am Freitag schon eingesetzt hatte und sich heute Morgen fortgesetzt hat. Dort wird ja auch schon über Konsequenzen spekuliert.

Sie werden es ahnen: Ich kann mich an diesen Spekulationen von hier aus natürlich nicht beteiligen. Ich kann Ihnen aber sagen – das wird vielleicht wichtig sein, um hier den Prozess zu verdeutlichen -, wie es jetzt weitergeht. Im Moment finden im Auftrag der Ministerin noch Sachstandsermittlungen im deutschen Heer statt, und dort liegt auch derzeit noch die Erhebung der Daten. Es laufen Sachverhaltserklärungen, zum Teil unter Heranziehung von persönlichen Stellungnahmen der verschiedenen Verantwortlichen aller Ebenen und Zuständigkeiten. Auf dieser Basis wird der Inspekteur des Heeres gemäß Plan bis Ende der nächsten Woche – diese Zeitlinie ist, denke ich, bekannt – der Ministerin einen Bericht zum Munitionssachverhalt im KSK vorlegen.

Diese Ergebnisse, die für die nächste Sitzungswoche vorgesehen sind, werden nächste Woche dem Parlament zur Kenntnis gegeben und unmittelbar danach auch der Öffentlichkeit. Die Zeitlinien zeigen Ihnen schon, dass zumindest der Munitionssachverhalt kurz vor der abschließenden Klärung steht. Wir können aber erst dann etwas dazu sagen, wenn tatsächlich alle Ermittlungsergebnisse abgeschlossen sind.

Ich hatte es gesagt und möchte es wiederholen: Derzeit laufen noch Sachverhaltsfeststellungen, auch unter Heranziehung persönlicher Stellungnahmen. Danach ist es möglich, darunter den Zoomstrich zumindest für den Anteil der Munition zu ziehen.

Ich erinnere auch daran, dass es danach weitergeht. Wir befinden uns bei den Untersuchungen in Bezug auf das KSK in dem großen Zusammenhang des Rechtsextremismus. Für Ende März ist ein zweiter Zwischenbericht geplant. Auch hier gilt die gleiche Reihenfolge: Der Bericht wird zunächst dem Parlament und dann der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben.

Ich denke, wenn Sie die Maßnahmen, die wir bisher in Sachen KSK getroffen haben, rekapitulieren, besteht zumindest bei allen Personen, mit denen ich bisher gesprochen haben oder die mir Fragen gestellt haben, nicht der Eindruck, dass hier nicht entschlossen gehandelt wird, dass die Ermittlungen aber auf Basis der notwendigen Sorgfalt geführt werden und erst dann, wenn es so weit ist – auch aufgrund der Komplexität des Geschehens – über Konsequenzen gesprochen werden kann.

Zusatzfrage: Meine Fragen bezogen sich überhaupt nicht auf den Ermittlungsstand, sondern auf Dinge, die Sie ja alleine für sich im Ministerium klären können. Ich denke, seit Freitagabend war ausreichend Zeit. Meine Frage war: Wusste die Ministerin von der Amnestieaktion?

Eine weitere Frage, die, glaube ich, allein im Ministerium zu klären ist: Als der Generalinspekteur seinen Zwischenbericht zum Thema KSK vor einigen Monaten lieferte, wusste er seinerzeit, als er über Unterbestände und ungeklärte Fragen hinsichtlich der Munition sprach, von dieser Amnestieaktion?

Wenn ich eine weitere Frage hinterherschieben darf: Sind diese Amnestieaktionen für diejenigen, die nun etwas weiter fernab von der Bundeswehr stehen und sich mit den Dingen nicht so auskennen, in einer Einheit wie dem KSK gang und gäbe?

Collatz: Das, was ich zur Berichterstattung sagen kann, habe ich gesagt. Es handelt sich um Berichterstattung über die Rückgabe von Munition im KSK.

Die Reihenfolge der Schritte, also wer wann wie Berichte vorlegen muss, die dann fundiert eine Empfehlung, eine Bewertung seitens der Stellen im Ministerium zulassen, habe ich Ihnen auch dargestellt. Darüber hinaus beteilige ich mich hier nicht an Spekulationen.

Frage: Ich habe immer noch nicht verstanden, ob Ihr Ministerium und die Ministerin von einem Amnestieangebot gewusst hat.

Collatz: Ob es sich um eine Amnestie gehandelt hat, kann ich hier überhaupt noch nicht bestätigen. Ich kann Ihnen bestätigen, dass es Berichte über die Rücknahme von Munition im KSK gegeben hat. Das haben wir schon lange bestätigt. Die Bewertung – disziplinarrechtlich oder wie auch immer – muss auf einer sauberen Grundlage und einer abschließenden Bewertung entstehen. Diese liegt noch nicht vor.

Zusatzfrage: Es gab zwei Ultimaten, nämlich einmal im Frühjahr letzten Jahres und dann bis Oktober des letzten Jahres. Bei dem zweiten Ultimatum ging es um die Abgabe von weiterem sicherheitsempfindlichen Material in Sachen Munition. Zu dem Zeitpunkt, also im Herbst, war die Ermittlungsarbeit ja schon Chefinnensache, also Sache Ihrer Ministerin. Dementsprechend wäre es jetzt ja komisch – – – Entweder wusste sie nichts von diesem Amnestieangebot oder das war ihr Angebot, weil es ja Chefinnensache war.

Collatz: Die Ministerin hat von Beginn an deutlich gemacht, dass der Gesamtsachverhalt im KSK insbesondere zum Thema Rechtsextremismus – das war der Ursprung der Ermittlungen – Chefinnensache ist. Teilaspekte, die sich abseits dieses Handlungs- und Bewertungsstrangs ergeben, hat sie zunächst an eine andere Stelle delegiert. In diesem Fall – das sprechen Sie ja an – geht es um Munitionsfragen, die abseits des Vorwurfs in Sachen Rechtsextremismus betrachtet werden müssen, weil sie sehr komplexe Ermittlungsarbeit voraussetzen. Das hat sie delegiert. In diesem Fall stehen wir kurz davor, die Ergebnisse dieser an den Inspekteur Heer abgegeben und delegierten Prüfungsmaßnahmen nächste Woche vorlegen zu können.

Zusatzfrage: Lernfrage: Gab es, unabhängig von diesem Fall, in der Vergangenheit Amnestieangebote an Soldaten in Sachen Munition?

Collatz: Das ist Teil der Ermittlungen.

Frage: Können Sie erläutern, ob die aktuellen Vorwürfe in Sachen Munitionsamnestie eine Rolle für die Zukunft der KSK spielen? Hat in den Augen der Ministerin das Kommando damit gegen seine „Bewährungsauflagen“ verstoßen?

Collatz: Der Gesamtzusammenhang aller untersuchten Aspekte wird abschließend zu beurteilen sein. Die Ministerin und auch der Generalinspekteur haben immer deutlich gemacht, dass der Prozess ergebnisoffen verläuft und es tatsächlich darum geht, festzustellen, ob im KSK der nötige Veränderungswille, die Bereitschaft und die Fähigkeit vorhanden sind. Wenn dem Ausdruck gegeben wird, kann sich die Ministerin dazu ein abschließendes Urteil erlauben; das möchte sie vorher nicht.

Insofern kann ich bestätigen, dass nach wie vor über die Organisationsform KSK nicht abschließend geurteilt wurde.

Frage: Herr Collatz, sind Amnestienagebote grundsätzlich rechtlich zulässig? Ich weiß nicht, ob das nur eine Frage an Sie oder im Zweifelsfrage auch eine Frage an das Bundesjustizministerium ist. Ist das rechtlich zulässig?

Collatz: Das kann ich Ihnen hier nicht sagen, weil auch die rechtlichen Fragen abschließend erst beurteilt werden können, wenn die entsprechenden Gutachten vorliegen. Diese habe ich nicht.

Zusatzfrage: Sie können nicht sagen, ob es zulässig ist, wenn bei Rückgabe von Gegenständen, die sozusagen widerrechtlich in der Verfügungsgewalt Einzelner sind, Straffreiheit in Aussicht gestellt wird? Das ist ja der Mechanismus. Sie können nicht sagen, ob das rechtlich zulässig ist?

Collatz: Wie gesagt, ich kann mich nicht an Spekulationen beteiligen. Ich kann Ihnen nicht bestätigen, dass es diesen Sachverhalt so gegeben hat, wie er kolportiert wird.

Frage: Herr Collatz, das war doch eben gar nicht die Frage. Ich stelle die Frage also noch einmal neu: Liegt das Angebot von Straffreiheit für widerrechtlich einbehaltene Munition innerhalb der Befugnisse eines Kommandeurs einer Einheit wie des Kommandos Spezialkräfte?

Eine andere Frage in diesem Zusammenhang: Wird die Ministerin am Mittwoch im Ausschuss persönlich die Abgeordneten über diesen Sachverhalt aufklären?

Collatz: Ob es ein solches Angebot gegeben hat, ist Gegenstand der Untersuchungen. Diese laufen derzeit unter der Federführung des Inspekteurs Heer. Wie auch öffentlich angekündigt, werden diese Untersuchungen spätestens nächste Woche abgeschlossen sein.

Zuruf: Aber das ist doch nicht die Frage, Herr Collatz! Ich habe doch gar nicht gefragt, ob es einen solchen Ermittlungsstand gegeben hat.

Collatz: Doch!

Zusatzfrage: Ich möchte nur wissen, ob ein Kommandeur eine solche Straffreiheit anbieten kann. Das ist doch unabhängig davon, ob sie stattgefunden hat. Liegt das in den rechtlichen Möglichkeiten eines Kommandeurs?

Collatz: Ich würde hier gerne beim konkreten Fall bleiben. Ich kann derzeit nicht bestätigen, dass es im Fall des KSK ein solches Angebot des Kommandeurs gegeben hat. Das wird nächste Woche klarer sein.

Zusatzfrage: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich) und dem Ausschussbriefing. Wer wird das machen?

Collatz: Dazu, wer vortragen wird, kann ich Ihnen jetzt noch nichts sagen. Wenn das schon entschieden ist, kann ich die Antwort gegebenenfalls nachliefern.

Frage: Was bedeutet es denn für die Reformierbarkeit des KSK, wenn Sie nach so vielen Monaten so etwas nicht wissen?

Collatz: Das ist Teil der Bewertungen, die dann auch Ihnen spätestens mit dem zweiten Zwischenbericht Ende März zugänglich gemacht werden.

Zusatzfrage: Auch das wollen Sie jetzt nicht bewerten?

Collatz: Das kann ich nicht.

Frage: Dann möchte ich doch das Justizministerium bitten. – Liegt es, rechtlich gesehen, in der Befugnis von Einsatzleitern, -führern oder Offizieren der Bundeswehr, Amnestieangebote zu machen?

Kall: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Herrn Collatz’ Äußerungen nichts hinzufügen. Wenn das eine disziplinarrechtliche Frage wäre und es um Disziplinarmaßnahmen ginge, dann wäre das aus meiner Sicht allein Sache der Bundeswehr oder des Verteidigungsministeriums. Wenn es um strafrechtliche Maßnahmen ginge, dann wäre das allein Sache der Justiz. Insofern könnte ich mich auch dann nicht dazu äußern.

Zusatzfrage: Das Justizministerium kann nicht sagen, ob diese Menschen, die Befugnis haben, Amnestieangebote zu machen. Können Sie das gegebenenfalls nachreichen?

Kall: Aus meiner Sicht kann das, wie gesagt, eine allein disziplinarrechtliche Sache innerhalb der Bundeswehr sein. Dazu könnte höchstens Herr Collatz etwas nachreichen. Aber ich habe ihm nichts hinzuzufügen.

Vorsitzender Szent-Iványi: Herr Collatz!

Collatz: Nein, ich bleibe bei meinen Worten.

Alter: Ich weiß nicht, ob es in der Sache hilft. Denn zum Einzelfall können natürlich auch wir nichts sagen. Ich will aber noch einmal in Erinnerung rufen, dass es ganz grundsätzlich natürlich schon Waffenamnestien in Deutschland gab, auch über längere Zeiträume, von den entsprechenden Waffenbehörden angeordnet. Dabei wurde auch eine große Anzahl von Waffen entgegengenommen, darunter auch illegale Waffen.

Ganz grundsätzlich gibt es dieses Instrument. Aber natürlich kann ich keine Aussagen darüber treffen, wie das in einzelnen Behörden gehandhabt wird.

Zusatzfrage: Das heißt also, dass Sie sagen: Ja, grundsätzlich gibt es die Möglichkeit einer Amnestie, unabhängig von diesem konkreten Fall. Es gibt das Instrument grundsätzlich, und es wurde in der Vergangenheit davon auch schon Gebrauch gemacht. – Richtig?

Alter: Im Jahr 2009 gab es nach den Amokläufen in Winnenden eine größer angelegte Waffenamnestie. Meiner Erinnerung nach erstreckte sie sich über fast ein Jahr. Dabei wurden insgesamt 200 000 Waffen abgegeben. Etwa ein Viertel davon waren illegale Waffen. Das Instrument als solches ist also existent.

Frage: Sind Sie denn froh, dass jetzt mehr Munition und Sprengstoff aufgetaucht ist, als Sie eigentlich gedacht hatten?

Collatz: Ich kann Ihnen nicht bestätigen, dass das so ist.