Joker zieht nicht mehr: Kein Seefernaufklärer der Marine einsatzbereit

Die Bundeswehr hat ihre Beteiligung an der EU-Überwachungsmission Irini im Mittelmeer vorerst einstellen müssen, weil der dafür eingesetzte Seefernaufklärer defekt ist. Der Ausfall der Maschine vom Typ P-3C Orion war allerdings nur der letzte Schlag für die betagte Flotte dieser Flugzeuge der Deutschen Marine: Von den insgesamt acht gebraucht gekauften Maschinen sind inzwischen vier ausgemustert, drei in verschiedenen Stadien der Instandsetzung – und die letzte noch flugfähige Maschine steht seit nunmehr zwei Wochen am Boden.

Offiziell teilte das Einsatzführungskommando den Ausfall des Flugzeugs in der EU-Mission am (gestrigen) Mittwoch via Twitter mit:

Wie das Verteidigungsministerium dem Bundestag mitteilte, waren dadurch allein bis zum vergangenen Wochenende drei Aufklärungsflüge ausgefallen, die die Bundeswehr der EU-Mission zugesagt hatte. Die Marine hatte seit dem vergangenen Frühjahr im Wechsel mit Schiffen die Seefernaufklärer unter dem Rufnamen Joker in diese Mission im zentralen Mittelmeer vor Libyen geschickt; nach dem Abzug der Fregatte Hamburg sollte die deutsche Beteiligung nun durch diese Flüge sichergestellt werden.

Ein genauerer Blick auf die Materiallage der acht Flugzeuge, die die Bundeswehr gebraucht von den Niederlanden gekauft hatte und seitdem teilweise aufwändig immer wieder flugtauglich machte, zeigt ein verheerendes Bild:

• Vier der Maschinen gelten nach Angaben des Verteidigungsministeriums als nicht mehr reparabel und sind praktisch aus der Nutzung genommen

• Zwei Maschinen befinden sich im so genannten Rewinging-Prozess, bei dem die Flugzeuge unter anderem neue Tragflächen erhalten. Das war für alle P-3C der Marine vorgesehen, wurde allerdings im Juni vergangenen Jahres gestoppt – nur für die zwei Maschinen, bei denen das bereits begonnen wurde, soll diese Modernisierung auch zu Ende geführt werden. Eine der überholten Maschinen soll nach den bisherigen Plänen Ende Februar wieder einsatzklar sein, die andere später in die Flotte zurückkehren

• Ein Flugzeug, das im vergangenen Jahr in der EU-Antipirateriemission Atalanta vor Somalia im Einsatz war, ist derzeit in der 600-Stunden-Inpektion (KORREKTUR: nicht Instandsetzung) und steht nicht zur Verfügung

• und die letzte noch einsatzbereite Maschine fiel am 8. Januar aus, nachdem Verunreinigungen im Kraftstoffsystem festgestellt worden waren. Wie lange die Instandsetzung dauern wird, ist noch unklar.

Die Orion-Flotte muss, so die offizielle Planung, noch bis 2025 einsatzbereit sein (und nicht mehr, wie bis zum Sommer vergangenen Jahres offiziell festgelegt, bis 2035). Dann soll ein Nachfolgesystem für Seefernaufklärung und U-Boot-Bekämpfung einsatzbereit sein – allerdings auch nur als Übergangslösung, bis das deutsch-französische Projekt Maritime Airborne Weapons System (MAWS) als neuer Seefernaufklärer ab 2035 in die Streitkräfte eingeführt werden soll.

Für diese Brückenlösung, also den Seefernaufklärer für die nächsten zehn, fünfzehn Jahre, gibt es bislang nach Angaben des Ministeriums keine Entscheidung über die Beschaffung einer marktverfügbaren Plattform. Möglicherweise gibt es Anfang kommenden Monats eine Auswahl aus den dafür betrachteten Mustern

C-295 MPA von Airbus

RAS 72, eine in Deutschland militarisierte Version des Transportflugzeugs ATR-72 (Bilder dieser Maschine im Einsatz bei der Marine Pakistans gibt es hier)

P-8 Poseidon von Boeing.

Die Marine scheint die P-8 zu favorisieren, die zum Beispiel auch von der britischen Royal Navy genutzt wird. Allerdings: Das ist das teuerste der zur Auswahl stehenden Systeme, ist keine europäische Lösung und nicht zuletzt: Das Boeing-Modell könnte als langfristig nutzbares System den Willen dämpfen, das deutsch-französische Zukunftsprojekt MAWS auch voranzubringen.

(Archivbild Juni 2017: Seefernaufklärer Orion P-3C der Deutschen Marine – Thomas Leicht)