Zu teuer: Verteidigungsministerium will Vergabeverfahren für neue Betriebsstofftanker der Marine stoppen (m. Korrektur)

Erneut will das Verteidigungsministerium ein wichtiges Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr stoppen, weil die absehbaren Kosten die eingeplanten Mittel weit übersteigen: Das Vergabeverfahren für neuen Tankschiffe der Deutschen Marine soll neu begonnen werden, weil nach Kalkulation der beteiligten Werften die Anforderungen der Marine fast doppelt so viel kosten wie vorgesehen. Aus ähnlichen Gründen war bereits im September das Vergabeverfahren für den neuen Schweren Transporthubschrauber der Luftwaffe gestoppt worden.

Nach Informationen von Augen geradeaus! wurde in dieser Woche im Ministerium entschieden, für die dringend benötigten Betriebsstoffversorger  deutsche Werften demnächst zu einem neuen, dann abgespeckte Angebot aufzufordern.

(KORREKTUR: Die Entscheidung fiel über die Absicht, das Verfahren aufzuheben und neu zu beginnen – noch ist es nicht aufgehoben. Das hatte ich missverstanden.)

Zuvor war klar geworden, dass die geplanten zwei Schiffe mit den derzeitigen Leistungsanforderungen rund 850 Millionen Euro kosten würden – eingeplant sind dagegen lediglich rund 500 Millionen Euro.

Nach mehr als 40 Jahren Dienst sind die zwei Betriebsstofftanker Rhön und Spessart der Marine veraltet und technisch unzuverlässig. Da ihre Einhüllen-Technik schon seit langem nicht mehr internationalen Umweltschutzvorschriften entspricht, dürfen sie teilweise auch in NATO-Verbänden einzelne Hoheitsgewässer nicht befahren und Häfen nicht mehr anlaufen. Hinzu kamen in den vergangenen Jahren zunehmend Ausfälle der alten Maschinen, die zeitaufwändig instandgesetzt werden mussten. Schon vor mehr als einem Jahrzehnt hatte deshalb ein Ersatz dieser Schiffe, die für NATO-Verbände wie für Auslandsmissionen ein kritischer Enabler sind, zur Entscheidung angestanden.

In diesem Jahr hatte das Ministerium zwei deutsche Werften zu einem Angebot für neue Tankschiffe aufgefordert, die deutlich größer und leistungsfähiger sein sollten als die bisherigen, umgebauten zivilen Tanker. Da der neue Schiffstyp Betriebsstoffversorger Klasse 707 als Kriegsschiff und damit als nationale Schlüsseltechnologie eingestuft wurde, wurden diese Tanker nicht EU-weit ausgeschrieben. Die – nicht öffentlich verfügbaren – Kriterien für die künftigen Betriebsstoffversorger sehen technische Merkmale vor, die in der Regel bei zivilen Schiffen nicht vorhanden sind.

Die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) hatte gegen dieses Verfahren geklagt, weil die Werft an dieser beschränkten Ausschreibung nicht beteiligt worden war. Die aufschiebende Wirkung ihrer Klage, die der FSG noch Anfang Dezember vom Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigt worden war, dürfte allerdings mit der Entscheidung zu einer neuen Vergabeaufforderung hinfällig sein. Unklar bleibt, ob die FSG an der Einschätzung festhält, dass die Betriebsstoffversorger keine Kriegsschiffe seien – wenn sie an der neuen Angebotsaufforderung beteiligt wird.

Ergänzung: Zu dem Komplex Marineschiffbau als nationale Schlüsseltechnologie hier zum Nachlesen:

Schnellere Beschaffung für die Bundeswehr: Einschränkung für EU-weite Ausschreibung

Kabinett beschließt wie erwartet: Marineschiffbau wird Schlüsseltechnologie

(Foto: Der  Betriebsstoffversorger Rhön bei einem Manöver mit der Fregatte Brandenburg in der Deutschen Bucht im Juli 2020 – Kim Couling/Bundeswehr)