Vergabeverfahren für neues Bundeswehr-Sturmgewehr vorerst gestoppt

Der Auftrag für ein neues Sturmgewehr der Bundeswehr, das die bisherige Standardwaffe G36 ablösen soll, wird vorerst gestoppt. Die Vergabestelle, das  Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) hob nach einer Beschwerde der unterlegenen Firma Heckler&Koch die Entscheidung über den Auftrag wegen einer möglichen Patentrechtsverletzung durch den siegreichen Bieter C.G. Haenel auf. Das Verteidigungsministerium hatte Mitte September angekündigt, den Auftrag für 120.000 neue Gewehre an die Suhler Firma zu vergeben.

Aus der Mitteilung des Ministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestages:

Auf Grundlage des am 30. September 2020 bei der 1. Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt eingegangenen Nachprüfungsantrags der Firma Heckler&Koch hat die Vergabestelle des Bundes, das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, erstmalig nachprüfbar von einer möglichen Patentrechtsverletzung durch die Firma C.G. Haenel Kenntnis erlangt.
Die darauf eingeleiteten internen Prüfungen haben zum Ergebnis geführt, dass eine entsprechende Patentrechtsverletzung durch den Bieter C.G. Haenel zulasten des Bieters Heckler&Koch nicht auszuschließen ist.
Vor diesem Hintergrund war die Vergabestelle des Bundes angehalten, das Informationsschreiben (§134 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) an die Bieter über die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Firma C.G. Haenel aufzuheben.
Die Vergabestelle des Bundes wird damit in eine Neubewertung der Angebote unter Berücksichtigung aller Aspekte eintreten.

Unklar ist bislang, um welches Patent es sich dabei handelt. Zusätzlich kompliziert wird die Lage voraussichtlich dadurch, dass der Entwickler der Waffe, die bestellt werden soll, früher auch für Heckler&Koch tätig war.

Das Verteidigungsministerium hatte Mitte September die überraschende Entscheidung für Haenel  als Lieferanten des künftigen Sturmgewehrs bekannt gegeben. Gegen die Auswahl des Sturmgewehrs MK556 der Firma, die ein Tochterunternehmen eines Konzerns in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist, hatte der unterlegene Konkurrent Heckler&Koch rechtliche Schritte eingeleitet, die jetzt zu einem vorläufigen Erfolg führten.

Es ist bereits das zweite – und ebenfalls seit Jahren laufende – Vergabeverfahren für Ausrüstung der Bundeswehr, das innerhalb kurzer Zeit gestoppt wird: Erst Ende September war die Beschaffung des künftigen Schweren Transporthubschraubers für die Streitkräfte abgebrochen worden.

Damit ist vorerst auch unklar, wie lange sich ein Ersatz der seit Mitte der 1990-er Jahre genutzten Sturmgewehre G36 von Heckler&Koch hinziehen wird. Das jetzt abgebrochene Vergabeverfahren war bereits 2017 begonnen worden.

Der Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner, der auch im Haushaltsausschuss sitzt, fand harsche Worte für die Entscheidung:

Dieser Vorgang ist eine gigantische Blamage für das Verteidigungsministerium. Ein Jahre andauerndes Vergabeverfahren, bei dem man alles superrichtig machen wollte, kippt wegen eines dummen Anfängerfehlers. Für die Bundeswehr ist dieser Vorgang bitter: nicht nur wird die Truppe noch weitere Jahre auf ein neues Sturmgewehr warten müssen, ein Abbruch des Vergabeverfahrens würde einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Ich erwarte, dass das Verteidigungsministerium nun unverzüglich transparent macht, ob und in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist und wo die Verantwortung liegt. Anschließend müssen auch personelle Konsequenzen aus diesen Vorgängen gezogen werden.

Nachtrag: Heckler&Koch reagierte auf die Entscheidung mit einer Mitteilung, die leider zum Thema Patentverletzung auch keine weiteren Informationen bietet:

Heckler & Koch ist seit 60 Jahren ein zuverlässiger, seriöser und enger Ausrüstungspartner der Bundeswehr. Unsere Soldaten sowie unsere Nato-Partner können sich auf die Qualität unserer Waffen verlassen. Das gilt heute ebenso wie für die Zukunft. Insofern ist Heckler&Koch dem Verteidigungsministerium ausgesprochen dankbar, die Vergabeentscheidung für das neue Sturmgewehr der Bundeswehr vor dem Hintergrund unserer Rügepunkte noch einmal überprüfen zu wollen.

(Archivbild: Abgelegte Sturmgewehre G36 bei der NATO-Übung Noble Jump auf dem polnischen Übungsplatz Zagan)