Neues Landeskommando für Berlin: Erstmal ohne Grundgesetz

Berlin ist nicht nur Bundeshauptstadt, sondern auch ein eigenständiges Bundesland (was in diesen Corona-Zeiten bisweilen besonders auffällt). Aber anders als in den übrigen 15 Bundesländern hatte die Bundeswehr in diesem Land bislang zwar ihr Ministerium mit 2. Dienstsitz, ein Kommando Territoriale Aufgaben und etliche andere Dienststellen – nur kein Landeskommando. Das wurde jetzt zum 1. Oktober neu aufgestellt, mit einem kleinen formalen Fehler: Nach dem Grundgesetz dürfte es dieses Landeskommando vorerst gar nicht geben.

Der Grund dafür liegt nicht, wie vor der deutschen Einheit, im formalen Status Berlins, sondern im Haushaltsrecht. Das Grundgesetz legt recht eindeutig im Artikel 87a fest:

Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.

Der Grund dafür ist natürlich, dass die Streitkräfte nicht am Parlament vorbei ihre Struktur einfach verändern können sollen. Und in der Tat, der Haushaltsplan mit den Grundzügen der Organisation ist eine recht umfangreiche Übersicht. Im Haushalt für dieses Jahr 2020 findet er sich im Kapitel 1403 des Verteidigungshaushalts, Einzelplan 14. Da ist unter der Überschrift Grundzüge der Organisation (Artikel 87 a GG) zum Beispiel für die Streitkräftebasis penibel aufgelistet, dass es unter anderem 1 Amt für Militärkunde, 1 Bundesakademie für Sicherheitspolitik oder 1 Deutscher Militärischer Vertreter im Militärausschuss der NATO gibt. Aber auch:

15 Landeskommandos mit 11 Sportfördergruppen der Bundeswehr

Berlin ist Landeskommando Nr. 16.

Ich hab‘ deshalb mal das Verteidigungsministerium gefragt, wie das zusammenpasst. Die Antwort dauerte etwa zwei Wochen und kam am (heutigen) Dienstag:

Im Organisationsbereich der Streitkräftebasis wurde zur Stärkung der zivil-militärischen Zusammenarbeit mit den Stellen für polizeiliche Gefahrenabwehr und den Stadtbezirken in Berlin unter Heranziehung von Teilen des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr und Nutzung bereits bestehender Infrastruktur ein Landeskommando Berlin zum 1. Oktober 2020 organisatorisch neu aufgestellt. Unter Berücksichtigung der Zeitlinien für die Vorbereitung der Entwürfe zum jeweiligen Haushaltsgesetz soll die Abbildung des Landeskommandos Berlin im parlamentarischen Verfahren zum Haushalt 2021 erfolgen.
Das Landeskommando Berlin wird seinen Auftrag unter Abstützung auf das in Berlin stationierte Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr uneingeschränkt erfüllen können.

Nun ja, in dieser recht generellen Antwort ist ein Satz versteckt, der offensichtlich verwaltungsjuristische Philosophie offenbart: Unter Berücksichtigung der Zeitlinien für die Vorbereitung der Entwürfe zum jeweiligen Haushaltsgesetz soll die Abbildung des Landeskommandos Berlin im parlamentarischen Verfahren zum Haushalt 2021 erfolgen. Das bedeutet nämlich im Klartext: Im Entwurf für den Haushalt 2021 hat das Ministerium das schlicht verschlafen.

Das zeigt ein Blick in den Haushaltsentwurf fürs nächste Jahr. Da steht nämlich, wortgleich zum Haushalt 2020:

15 Landeskommandos mit 11 Sportfördergruppen der Bundeswehr

Aber Zeitlinien sind sicherlich flexibel, und bis zur Verabschiedung des endgültigen Haushalts wird da bestimmt nachgebessert. Vorher wird das Kommando, das bereits seit zwölf Tagen ohne Berücksichtigung dieser Zeitlinien existiert, am kommenden Donnerstag mit einem feierlichen Aufstellungsappell offiziell in Dienst gestellt.

(Archivbild 2010: Luftaufnahme der Julius-Leber-Kaserne in Berlin, Sitz unter anderem auch des neuen Landeskommandos – Andrea Bienert/Bundeswehr via Wikimedia Commons unter CC-BY-Lizenz)