DroneWatch: Folgt auf die Debatte über bewaffnete Drohnen die Entscheidung? (Nachtrag: Protokoll)

Die Debatte über eine Bewaffnung von Bundeswehrdrohnen im Verteidigungsausschuss des Parlaments am (heutigen) Montag hat nach meinem ersten Eindruck keine wirklich neuen Argumente zutage gebracht. Bedeutung hat sie aber aus einem anderen Grund: Ist damit die – im Koalitionsvertrag angelegte und vom Bundestags-Haushaltsausschus explizit geforderteausführliche völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und ethischen Debatte über die Beschaffung bewaffneter Drohnen damit abgeschlossen – und folgt jetzt die Abstimmung über die tatsächliche Beschaffung?

Die gesamte dreistündige Anhörung zur völkerrechtlichen, verfassungsrechtlichen und ethischen Bewertung einer möglichen Bewaffnung ferngeführter, unbemannter Luftfahrzeugsysteme der Bundeswehr habe ich, das muss ich zugeben, wg. anderer Termine nur teilweise verfolgen können. Aber sie lässt sich hier anschauen

und hoffentlich recht bald auch im Wortprotokoll nachlesen – wie schon die frühere Anhörung des Ausschusses zu diesem Thema im Jahr 2014.

Nach dem, was ich hören konnte, sind allerdings Befürworter wie Gegner einer solchen Bewaffnung, unter den Abgeordneten wie unter den angehörten Fachleuten, in ihrer Argumentation, nun, weitgehend stringent bei der seit Jahren zu hörenden Linie. Die Befürworter heben vor allem den Schutz der Soldaten am Boden hervor, die ablehnende Haltung wird mit der Gefahr einer Rutschbahn zu autonomen tödlichen Systemen, den extralegalen Tötungseinsätzen von US-Drohnen gerade auch außerhalb von Kriegshandlungen und einer sinkenden Hemmschwelle für die Billigung militärischer Einsätze begründet.

Entscheidend dürfte da in nächster Zeit sein, wie sich der Koalitionspartner SPD verhält. Denn der hatte die heutige Anhörung, so sagen die Sozialdemokraten selbst, auf die Tagesordnung gesetzt. Und von der Haltung innerhalb der SPD-Fraktion wird es abhängen, ob die vom Haushaltsausschuss beschlossenen Bedingungen als erfüllt angesehen werden und das Verteidigungsministerium eine so genannte 25-Millionen-Vorlage für die Finanzierung der Bewaffnung mit Aussicht auf Erfolg in diesen Ausschuss einbringen kann.

Der SPD-Verteidigungspolitiker Fritz Felgentreu schien das am Nachmittag via Twitter zu signalisieren:

Allerdings, ohne Felgentreu und anderen Verteidigungspolitikern seiner Fraktion Unrecht zu tun: Ob das auch in seiner Fraktion mehrheitsfähig ist, muss sich erst noch zeigen. Dabei geht’s dann nicht um die Frage gezielter Tötungen oder autonomer Waffensysteme, die in Deutschland auch die härtesten Befürworter bewaffneter Drohnen nicht anstreben. Sondern um die Bewaffnung an sich.

Mit anderen Worten: Ist nach der Anhörung vor der Entscheidung – oder ist der Prozess der Drohnendebatte noch nicht am Ende? Das ist die Frage nach der Anhörung. Eine Antwort wird vermutlich recht bald kommen.

Fürs Archiv noch die Hinweise auf die bislang veröffentlichten Statements von

Christian Marxsen vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (der die Position vertrat, dass mit der Beschaffung die Hemmschwelle für bewaffnete Einsätze sinken könne)

und

Andreas Zimmermann von der Universität Potsdam

(von den anderen Experten gibt es leider keine eingestellten Papiere)

Der Vollständigkeit halber der Hinweis auf eine Ausarbeitung der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die auch in der Anhörung mehrfach zitiert wurde

Anja Dahlmann
Heron TP – und dann? Implikationen einer Bewaffnung deutscher Drohnen

und die die mögliche Beschaffung als Pfadentscheidung auf dem Weg zu autonomen Waffensystemen sieht.

Update: Felgentreu sagte am Abend in der ARD-Tagesschau, für den Fall, dass der Einsatz bewaffneter Drohnen für den Schutz der Soldaten am Boden festgeschrieben werde, könne er sich eine Zustimmung der SPD vorstellen. Allerdings bleibt auch da abzuwarten, wie sich die – bisherigen? – Gegner einer solchen Bewaffnung in der Fraktion positionieren.

Nachtrag: Das Wortlautprotokoll der Anhörung ist jetzt beim Bundestag online; zur Sicherheit auch hier:
20201005_VA_Drohnen-Anhoerung_Protokoll