Verteidigungsministerium stoppt Vergabeverfahren für Schweren Transporthubschrauber
Das kommt ein wenig überraschend: Das Verteidigungsministerium hat das Verfahren für die Beschaffung eines neuen schweren Transporthubschraubers für die Bundeswehr gestoppt. Die Vergabe für die Nachfolge der betagten CH-53G-Helikopter muss damit neu beginnen. Bislang waren zwei Modelle in der Auswahl, der neue CH-53K von Sikorsky und der CH-47 Chinook von Boeing.
Die Mitteilung des Ministeriums vom (heutigen) Dienstag:
Aufhebung des Vergabeverfahrens im Projekt „Schwerer Transporthubschrauber“
Hiermit informieren wir Sie darüber, dass das Vergabeverfahren im Projekt „Schwerer Transporthubschrauber (STH)“ aufgehoben wurde.
Im Rahmen der laufenden Vergabe wurde erkannt, dass eine Realisierung des Projektes im geplanten Finanzrahmen bei gleichzeitiger Erfüllung aller Forderungen unwahrscheinlich ist. Die Vergabestelle des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr hat die vorliegenden Angebote als unwirtschaftlich bewertet und aus diesem Grund das Vergabeverfahren aufgehoben.
Die nunmehr erforderliche Neubetrachtung des Projektes wird Auswirkungen auf den bisherigen Zeitplan haben. Ein Vertragsschluss in 2021 unter den derzeitigen Rahmenbedingungen kann somit nicht erreicht werden.
Ziel bleibt weiterhin, das bisherige Muster CH-53G zeitgerecht zu ersetzen.
Das Vergabeverfahren war, schon mit Verzögerung, im Februar vergangenen Jahres begonnen worden. Bereits im Dezember 2017 hatte der damalige Generalinspekteur Volker Wieker entschieden, dass die beiden US-Helikoptermodelle zur Auswahl stehen. Folgerichtig hatten sich auch Sikorsky und Boeing offiziell um die Lieferung des neuen Hubschraubers beworben.
(Wird ggf. ergänzt)
(Archivbild: A U.S. Army CH-47F Chinook helicopter from the Iowa Army National Guard’s B 2-211 General Support Aviation Battalion (GSAB) from Davenport, Iowa taxis to the 185th Air Refueling Wing ramp at Sioux City Iowa, June 9, 2017 – U.S. Air National Guard Photo by Staff Sgt. Daniel Ter Haar)
„Die nunmehr erforderliche Neubetrachtung des Projektes wird Auswirkungen auf den bisherigen Zeitplan haben.“
Keine Frage, ganz besonders aber auch auf Einsatzbereitschaft und Verfügbarkeit von Truppe in den Einsätzen/~gleichen Verpflichtungen.
Für mich hat dies einen ersten Corona-Einspar-Beigeschmack. Hoffe, ich täusche mich.
Das ist das Recht jeder Vergabestelle. Wenn keiner das bietet, was man will, muss man nicht um jeden Preis vergeben.
Allerdings: Die Fähigkeiten, die der STH leisten soll, werden künftig ja immer noch benötigt… Zur Not also vorübergehendes Leasing bevor man dann was kauft? Und: Werden die Angebote dann notwendig besser ausfallen?
Und ich hatte mich schon gewundert, warum im Einzelplan 14 vom kürzlich erschienenen Haushaltsentwurf für den STH keine weitere Finanzplanung eingestellt war – aber jetzt wird das Bild ja Rund!
Ich muss gestehen, dass ich eigentlich davon ausgegangen bin, dass das Thema STH nun „durchläuft“ da es eine einfache Möglichkeit gewesen wäre, den Amerikanern ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen hinsichtlich Kritik an Verteidigungsausgaben. Es gibt (analog Replacement Teile Tornado durch F18-G) konkreten Bedarf, der durch ein US Modell gedeckt werden kann. Somit „go“. So hätte man beide Baustellen (1. Bedarf der Truppe + 2. politische Ausgaben-Gemengelage ) bespielt.
Zum Vergabeverfahren generell: Zuletzt gab es in der BW ja sehr stark Überlegungen, Ersatzinvestitionen bereits bestehender Muster ohne erneute Ausschreibung zu Beauftragung (siehe z.B. K-130). Ich vermute, es gibt keine Möglichkeit die neue CH-53K als Ersatz eines bestehenden Muster CH-53G zu beurteilen und damit eine potentielle Vergabe ohne Ausschreibung zu starten?
Um die Formulierung „Im Rahmen der laufenden Vergabe wurde erkannt, dass eine Realisierung des Projektes im geplanten Finanzrahmen bei gleichzeitiger Erfüllung aller Forderungen unwahrscheinlich ist“ und „Ziel bleibt weiterhin, das bisherige Muster CH-53G zeitgerecht zu ersetzen.“ in Einklang zu bringen, bleibt für mich somit nur, dass der aufgestellte Forderungskatalog entsprechend reduziert werden wird.
@metallkopf Von wem wollen Sie denn Was leasen? Es bleibt wie es ist. Die ch 53 bleiben abgeflogen am Boden und von den nh90 fliegt max 1/3! Und es wird bis auf weiteres so bleiben.
Als ob die nächsten Angebote billiger werden?
Ok, jetzt hat das Vergabeverfahren nichts gebracht. Es besteht sicherlich die Möglichkeit, die Beschaffung nach §145 Nr. 4 GWB abzuwickeln und CH-47 oder CH53 statt über ein Firmenkonsortium über den US-Staat via Defense Security Cooperation Agency zu beschaffen. Die Möglichkeit von zwischenstaatlichen Geschäften sieht das Vergaberecht ja vor.
US-FMS ist ja nun auch für die BW nichts neues, siehe https://www.dsca.mil/tags/germany
[Formal vermutlich richtig, aber was ändert das an der Aussage „Die Vergabestelle des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr hat die vorliegenden Angebote als unwirtschaftlich bewertet“? Oder wird’s dann billiger? T.W.]
Ich zitiere da ‚mal General de Gaulle:
„Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen durchzuführen, als beständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird.“
was ja auch sinngemäß Führungsdoktrin der Bw ist („Herbeiführen einer Entscheidung“ nach Feststellung „was ist bis wann zu entscheiden“).
Fragen in die Runde:
1. Unwirtschaftlich weil Angebote preislich zu hoch?
2. Wenn 1. ja: müssen die Forderungen (Lastenheft) demnach reduziert werden?
3. Wenn 1. nein, was steckt im Detail dahinter und führt so zu welchen Folgen?
Danke.
Ich lese das einfach so: Die Angebote waren beide höher als der gesetzte Kostenrahmen der Ausschreibung. Punkt. Dann ist das im Rahmen einer Ausschreibung einfach „unwirtschaftlich“. So ist ja auch die Formulierung der Mitteilung. Nicht mehr und nicht weniger.
Was dies nun bedeutet? Absolut sicher Verzögerungen. Und sehr wahrscheinlich eine Neugestaltung der Beschaffung – beispielsweise als Verhandlungsverfahren ähnlich den MKS180. Mehr im Dialog und mit mehr Flexibilität bei der Gestaltung der Anforderungen.
Und warum nicht aufgrund von Dringlichkeit eine unkonventionelle Übergangslösung durch Leasen bei einem der beiden Hersteller? Mit garantierter Bereitstellung von 10 – 15 (?) einsatzfähigen Einheiten samt Schulung von 2025 bis 2030?
Vermutlich würde es dann billiger. Weil man dann komplett von der Stange kauft, und nicht eine übliche Wollmilchsau will? Anscheinend gab es ja dann doch ein paar Änderungswünsche etc, die das Produkt dann entscheidend verteuert haben. Natürlich alles nur Vermutung.
Es wird wohl nicht das einzige Vorhaben bleiben, was ein paar Jahre in die Zukunft verschoben werden muss.
@TW:
Meine Sicht als Nicht-Baainbw-Mensch:
Zum Einen kann man sicherlich zwischenstaatlich flexibler vereinbaren (wegen mir Kompensationsgeschäfte etc.), als in einem Vergabeverfahren mit Marktteilnehmern.
Zum anderen besteht ja durchaus die Möglichkeit, dass die Projekt-Beteiligung inländischer (also hier deutscher) Industrieunternehmen eher preistreibend, als preissenkend ist….
Vielleicht soll ja auch die corona-gebeutelte Airbus eine Chance erhalten?
https://de.wikipedia.org/wiki/Future_Transport_Helicopter
Wie der Projektstand ist – ob das tatsächlich weiter verfolgt wurde – weiß ich nicht. Vielleicht wären dann in fünfzehn Jahren die ersten Vorserienmodelle in der Truppenerprobung?
Wenn man sich bei Twitter so umhört, liegt es wohl am ausgeschriebenen Goldrand-Heli, dass es zu teuer geworden ist.
Es ist doch sehr einfach, hier haben zwei OEM für Beschaffung und 40 Jahre Betrieb offensichtlich preislich zu üppig zugeschlagen. Die Quittung bekommen sie jetzt in Form der attestierten fehlenden Wirtschaftlichkeit. Da ist weder das BAAINBw noch das BMVg der Bremsklotz. Es ist nicht das erste Mal, dass die Preisfindung der beiden OEM das Projekt verzögert. Das gab es schon einmal bei der Durchführung zweier Machbarkeitsstudien.
Manmanman .. crazy, man braucht Hubschrauber immer und überall (Auslandseinsätze, Waldbrände, …) und dann wird sowas wieder durch irgendwelche Extras verhunzt, das ist doch völlig unverständlich. 2017 hiess es noch „von der Stange kaufen“.
SZ berichtet, dass neben Änderungswünschen am Produkt v.a. der Einbezug deutscher Industrie für Wartung, Entwicklungsleistungen usw. für den hohen Preis verantwortlich sei.
[Siehe meine Neufassung… T.W.]
Tja, nun haben wir ein Problem. Wir haben die militärisch erforderlichen Forderungen formuliert und die Industrie hat ein Preisschild darangehängt. Wir haben auch unsere Preisvorstellungen im HH eingeplant. Leider passt es nicht ganz zusammen.
Jetzt gibt es noch die politischen Aussagen, die Bundeswehr bekommt die für Einsätze die erforderliche Ausstattung. Damit wäre ja alles klar, der HH-Ansatz wird erhöht und die Forderungen der Bundeswehr werden erfüllt. Nebenbei wird der Rüstungshaushalt erhöht und wir nähern uns etwas der 2% Marke für die NATO an.
Leider wird es aber nicht so kommen. Ich höre schon die ganzen schlüssigen Begründungen: „man kann nicht immer die Goldrandlösung haben“ „in Corona-Zeiten muss man andere Schwerpunkte setzen“ „Wir müssen zum Weltfrieden beitragen und nicht nur aufrüsten“ „usw.“
Ergebnis und Siegerehrung: Die Bundeswehr bekommt eben nicht die erforderliche Ausrüstung. Aber das ist sie ja gewohnt.
@MajorTom:
Nicht die Firmen haben – im Wettbewerb! – zu üppig zugeschlagen, sonder das BAAINBw hat nen falschen Kostenrahmen angesetzt. Der Kostenrahmen ist wegen umfangreicher Zusatzforderungen entstanden.
Es ist nicht immer die Industrie schuld…
@all
Gibt jetzt eine Neufassung
https://augengeradeaus.net/2020/09/zu-teuer-verteidigungsministerium-stoppt-vergabeverfahren-fuer-neuen-schweren-transporthubschrauber-neufassung/
mit ein paar anderen Aspekten – deshalb die Debatte bitte dort weiterführen.