KSK-Kommandofeldwebel wehrt sich in anonymem Brief: „Wir sind die Anständigen!“

In einem ausführlichen, wenn auch anonymen Schreiben hat sich ein – nach eigenen Angaben – Kommandofeldwebel des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr gegen den Vorwurf gewehrt, die Eliteeinheit sei von Rechtsextremisten durchsetzt. Wir sind die Anständigen! Wir sind nicht der Feind im Innern!, heißt es in dem 14-seitigen Brief mit Datum 25. Juli, der an die Spitze des Verteidigungsministeriums adressiert war.

Das Schreiben, über das am (heutigen) Donnerstag zuerst Business Insider berichtet hatte (Link aus bekannten Gründen nicht),  leitete das Ministerium an die Obleute der Fraktionen im Verteidigungsausschuss weiter – und es war offensichtlich die Absicht des Verfassers, diesen Brief auch öffentlich möglichst bekannt zu machen:

Hauptgrund für dieses ausführliche Schreiben ist die gefühlte ungerechte Skandalisierung, die den Soldatinnen und Soldaten sowie zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des KSK aufgrund der Fehler einzelner – aber auch aufgrund vieler unwahrer Behauptungen und Vermutungen zur Zeit angediehen wird. … Ziel ist es daher auch, dass sich der geneigte Bürger und der nicht mit der Materie vertraute Politiker, Abgeordnete oder Soldat ein eigenes Urteil abseits der veröffentlichen Darstellungen bilden kann.
(Hervorhebungen in dieser und in den weiteren Passagen im Original)

Der Autor räumt ein, dass Vorfälle mit vermutlich rechtsextremistischem Hintergrund im KSK dem Ansehen der Truppe geschadet hätten – jeder dieser Vorfälle sei aber im Kreis der Kommandosoldaten kritisch kommentiert, missbilligt und als rufschädigend gewertet worden. Der Höhepunkt sei der Fund von Waffen, Munition und Sprengstoff bei einem langjährigen Kommandoangehörigen gewesen, der uns alle geschockt hat, weil offensichtlich sowohl das Vertrauen unter Kameraden als auch der Führung missbraucht worden seien. Allerdings wäre die Unterschlagung von Munition und Sprengstoff nicht nur beim KSK, sondern auch bei anderen Kampfeinheiten möglich gewesen und damit nicht spezifisch für die Spezialeinheit.

Organisierten Rechtsextremismus oder gar Netzwerke  gebe es in der Eliteeinheit nicht, hebt der Autor hervor:

Unabhängig davon, dass Extremisten jeder Couleur ermittelt und aus dem Dienst entfernt werden müssen, sollte die Loyalität der Angehörigen des Verbandes zu unserem Land, zu unseren demokratischen Werten und zu unserer Verfassung – bis zum Beweis des Gegenteils – grundsätzlich vorausgesetzt werden.
„Rechte Netzwerke“ oder „rechtsextreme Umtriebe“ existieren aus meiner und querschnittlicher Sicht im Verband nicht. Die über die Jahrzehnte verteilten Einzelfälle und der eine jetzt im Zuge von intensiven Ermittlungen festgestellte wirklich kriminelle Fall, sowie weitere kritisch zu sehende, aber noch nicht ausermittelte Verdachtsfälle rechtfertigen keinesfalls den durch die Medien transportierten Generalverdacht. Wir sind keine Gegner unserer Demokratie – wir schützen sie!

Aufklärung der Vorfälle sei zwar erforderlich, heißt es in dem Schreiben. Dafür seien allerdings Augenmaß und gegenseitiger Respekt nötig. Vor allem dürfe keine Kultur des Misstrauens etabliert werden.

Ausführlich geht das Schreiben auf den Brief eines Hauptmanns ein, der seinerseits harte Vorwürfe gegen das KSK und vor allem gegen den Umgang in der Ausbildung erhoben hatte. Mit dem Brief seien der ganze Verband und seine Soldaten verunglimpft worden, schreibt der anonyme Kommandofeldwebel. Die Motivation des Hauptmanns sei hauptsächlich aus einem eigenen, unreflektierten Scheitern als Kommandoanwärter und Offizier zu erklären. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte dagegen auf dieses Schreiben mit den Worten reagiert: Endlich konnte die Mauer des Schweigens durchbrochen werden.

Auch der nach offiziellen Angaben der Bundeswehr bislang in den Büchern erfasste Fehlbestand von 62 Kilogramm Sprengstoff und mehreren Tausend Schuss Munition ist nach Darstellung des Kommandofeldwebels erklärlich – und kein Hinweis auf kriminelle oder extremistische Vorgänge:

Dass unsere Kommandosoldaten ein weitaus höheres Übungs- und Ausbildungspensum absolvieren als Bundeswehrweit üblich, ist bekannt.  … Während eines einwöchigen, intensiven Ausbildungs- u. Übungsvorhabens für ca. 16 Kommandosoldaten werden hierbei in der Spitze zum Teil bis zu 100.000 Schuss Munition verschiedenster Kaliber verübt. Für unsere Kommandokräfte ist der routinierte Umgang mit Waffen und Munition also tägliches Geschäft. Das hierbei für nicht in der Materie steckende Außenstehende der Eindruck des leichtfertigen Umgangs mit Waffen und Munition entstehen kann, ist nachvollziehbar, aber unbegründet. Ausbildungs- und Handhabungsmängel beim Umgang mit Munition in Übung, Ausbildung und Einsatz werden im Zuge der gegenseitigen Kontrolle grundsätzlich nicht hingenommen. … Das bei der Masse der Vorhaben dennoch auch hier Fehler in der bspw. als vereinfachungswürdig empfundenen Buch- und Nachweisführung passieren, ist ein reiner Ausbildungsmangel und aus meiner Sicht nur zu menschlich. Es wird aber stetig daran gearbeitet, besser zu werden. Zur Vermeidung von weiteren Fehlern wird hier empfohlen, analog zu anderen Nationen ein einfacheres, unkomplizierteres, modernes, digitales System zur Nachweisführung zu etablieren.

Die Konsequenzen, die eine hochrangige Arbeitsgruppe des Ministeriums aus den Vorfällen gezogen hatte, werden nach Angaben des Autors vom Verband auch als Chance betrachtet. Das Ministerium solle bei Veränderungen aber wissen, dass den Angehörigen des KSK der Ernst der Lage bewusst sei. Dringend nötig sei eine Phase der Stabilisierung, damit sich die Einheit wieder ihrem Auftrag widmen könne:

Wir werden aktuell zum „Aufstand der Anständigen“ aufgefordert. Ich bin felsenfest überzeugt: Wir sind die Anständigen! Wir sind nicht der Feind im Innern! Die Loyalität der Angehörigen des KSK zum Grundgesetz, der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung und seinen demokratischen Institutionen stand nie außer Frage. Etwaige Extremisten haben bei uns keine Chance!

Da das Schreiben nicht eingestuft ist und der Autor ja ausdrücklich seine Information auch an den geneigten Bürger richtet, hier der Wortlaut:

20200725_KSK-Soldat_Schreiben

(Mit dem nötigen Vorbehalt: Da es auch vom Ministerium an den Bundestag weitergeleitet wurde, gehe ich von einer gewissen Authentizität aus, ohne die überprüfen zu können – und ich weiß natürlich auch nicht, ob das Schreiben, wie es Einleitung und Grußformel Ein Staatsbürger in Uniform nahelegen, von einer Person oder von einer Gruppe verfasst wurde.)