Nach jahrelangem Streit: Neuer Name für die bisherige Lent-Kaserne
Nach jahrelangem Streit um den Namen ist die bisherige Lent-Kaserne in Rotenburg an der Wümme umbenannt worden: An Stelle des bisherigen Namensgebers, eines Jagdfliegers des Zweiten Weltkrieges, tritt ein deutscher Offizier der Befreiungskriege gegen Napoleon, die Kaserne heißt nun Von-Düring-Kaserne.
Die Umbenennung nahm der Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber vor, wie das Heer via Twitter mitteilte:
Die #Rotenburg|er Jägerkaserne trägt einen neuen Namen:
Lent ist Geschichte. Zukünftig fahren die #Soldaten des #Jägerbataillon91 in die Von-Düring-Kaserne.
Beim Festakt dabei: Staatssekretär @petertauber, Vertreter der Stadt und die Familie des Namensgebers. #Bundeswehr #Heer pic.twitter.com/AmR80hdtTG— Heer (@Deutsches_Heer) June 8, 2020
Um den Namen der Kaserne, in der neben dem Jägerbataillon 91 die 3. Kompanie des Versorgungsbataillons 141 sowie das Sanitätsversorgungszentrum Rotenburg stationiert sind, hatte es längeren politischen Streit gegeben. Die Kaserne war Anfang der 1960-er Jahre nach Übernahme von den britischen Streitkräften nach Helmut Lent benannt worden, einem der erfolgreichsten Nachtjäger der Wehrmacht. In der Debatte über diesen Namen in den vergangenen Jahren hatten sich sowohl Soldaten und zivile Mitarbeiter am Standort Rotenburg als auch Kommunalpolitiker für die Beibehaltung des Namens ausgesprochen.
Schon vor Inkrafttreten des neuen Traditionserlasses der Bundeswehr 2018 hatte jedoch die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen den Namen als nicht mehr sinnstiftend bezeichnet. Nach Gelten des neuen Erlasses hatte das Heer erklärt, der Name Lent könne nicht beibehalten werden.
In der Rede zur Umbenennung sagte Tauber, der neue Namensgeber Johann Christian von Düring Johann Christian von Düring verkörpere im besten Sinne, den Anspruch, den die Innere Führung an die Soldatinnen und Soldaten unserer Bundeswehr stellt: Er war „freier Mensch, guter Staatsbürger und vollwertiger Soldat zugleich“. Zudem hätten die Befreiungskriege, in denen Düring unter anderem an der Schlacht von Waterloo teilnahm, bis heute sinnstiftende Wirkung.
Mit der Umbenennung der Kaserne in Rotenburg steigt der politische Druck für die Umbenennung einer anderen Kaserne: Die Unteroffiziersschule der Luftwaffe ist in Appen (korrigiert) in der Marseille-Kaserne untergebracht, benannt nicht nach der französischen Stadt, sondern nach dem Wehrmachts-Jagdflieger Hans-Joachim Marseille – den die frühere Ministerin von der Leyen ebenfalls als nicht mehr sinnstiftend bezeichnet hatte. Die anhaltende Debatte über diesen Kasernennamen hat die Kollegin Julia Weigelt im Mai für den NDR nachgezeichnet.
(Archivbild: Hochdekorierte Offiziere der Luftwaffe, 3. v.l. Helmut Lent, am 21. Juni 1942 in Frankreich – Walter Doell/Wehrmacht via Bundesbildarchiv/Wikimedia Commons)
Nichts für ungut Herr Wiegold, aber vielleicht wäre es besser, wenn Sie das Foto austauschen? Zum Beispiel gegen Kasernentorfoto, Frühlingsblumen, meinetwegen Konterfeis von Lent und von Düring….Denn stimmt es, was Lent von einigen nachgesagt wird, das er eine innerliche Distanz zum NS-Regime hatte, würde er sicher nicht mit einem Bild, bei dem er auf einem Podest mit Hakenkreuzbannern steht, in Erinnerung gerufen werden wollen. Würde es nicht stimmen, und Lent hatte keine Distanz zum Regime, dann stellt sich mir die Frage, warum die Öffentlichkeit das Foto brauch.
Wenn ich so ein Bild zum Artikel mir ansehe kann ich persönlich nicht anders als es primär bescheuert zu finden, dass die BW immer noch Wehrmacht-Namenspatronen für Kasernen hat. Weil die Folge ist dann: SO eine Diskussion in 2020(!) mit so einem Bild hinterlegt. Da kippt auch jedes Restverständnis für die Aufnahme einzelner Angehöriger der Wehrmacht in das Traditionsgut der Bundeswehr sofort wieder weg, da werd‘ ich sofort getriggert. Aber jemand, der Lent ggf. als traditionswürdig erachtet, muss dann auch seine Diskussion mit dem Bild im gedanklichen Background führen. Und der mitlesende Dumpf-oder Schlau-Nazi denkt sich dann die Lent-Unterstützerseite als Brüder im Geiste zusammen…
[Diese Debatte hatten wir nach meiner Erinnerung bei früheren Einträgen zu dem Thema schon mal… Es hat ja einen Grund, warum der Name als nicht (mehr) traditionswürdig angesehen wird; und die Debatte über seine Nähe/Entfernung zum System ist anderenorts auch schon intensivst geführt worden. Das Bild gehört zum Thema Lent dazu. Blumenfotos stattdessen? srsly? T.W.]
Ach, der von Düring. Ja, von dem sprechen wir andauernd. Toller Typ. Und so modern!/sarc
Also, noch altbackener geht es doch nicht. Das ist mal wieder so ein Moment zum fremdschämen. Bei Versetzung ins BMVg ist wohl immer Ostern. Erst mal Eier ausblasen und dann am Kopf weitermachen. Mann, wir haben Probleme…
@zuminfest war lt wiki Herr von Düring zeitweise Forst-und Jägermeister. Ist also näher dran als Luftwaffe. Die Frage ist nur ob sie den Namen auch genommen hätten wenn er das Gleiche im 3.Reich gemacht hätte.
Ich habe die Entscheidung über die „Traditionsunwürdigkeit“ von Lent ja stark kritisiert, tief bedauert und halte sie immer noch für vollkommen falsch.
Aber die jetzt gefundene Namenswahl ist zweifelsohne brillant. Spielt in allen Kategorien in der Premiumliga.
Patriotismus, Geschichtsbezogenheit, regionaler Bezug (!) und Truppengattungsbezug. Mit den Verdiensten um die zivile Forstverwaltung ist selbst noch ein Quäntchen allgemeine Staatsbürgerkunde dabei.
Bin schlicht begeistert. Da hat endlich mal das Wechselspiel zwischen Truppe und Führung funktioniert.
@Dante
Die Frage zum III. Reich stellt sich absolut nicht, ist eine abenteuerliche Spekulation. Was soll die Frage also?
Wir leben in der Bundesrepublik Deutschland, Traditionsanschlüsse gibt es nicht.
von Düring, Klasse!
Als die Wehrmacht am 1. September 1939 Polen überfiel, war dies der Auftakt zum Vernichtungskrieg. Vor dem Angriff auf Krakau hielt Leutnant Lent fest: „Jeder von uns weiß, daß heute ein schicksalsschwerer Abschnitt Weltgeschichte beginnt, der nicht mit Worten und auf Papier, sondern mit Blut geschrieben wird. Jeder von uns ist sich seiner Verantwortung bewußt, daß des Führers Hoffnung auf seine Luftwaffe nicht enttäuscht wird.“ Lent enttäuschte seinen „Führer“ nicht. Noch am 22. Juni 1944, am dritten Jahrestag des Angriffs auf die Sowjetunion, sprach Lent vom Endsieg und rief seine Männer dazu auf, „in leidenschaftlicher und fanatischer Weise bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen“. Er forderte auch, dass „Feiglinge erbarmungslos ausgerottet“ werden müssen. Beim Staatsakt für den im Oktober 1944 tödlich verunglückten Lent rühmte Reichsmarschall Göring dessen „unvergängliches Heldentum“. Auf Betreiben von General Josef Kammhuber wurde im Juli 1964 die Liegenschaft in Rotenburg (Wümme) nach Oberst Lent benannt. Es war jener Kammhuber, der sich zusammen mit seinem Kameraden Dietl beim Hitler-Putsch im November 1923 geweigert hatte, die junge Republik zu verteidigen. Die Dietl-Kaserne Füssen wurde im November 1995 umbenannt, die Kammhuber-Kaserne Karlsruhe wurde im Juli 2011 aufgegeben. Die Lent-Kaserne in Rotenburg gab es bis Juni 2020; denn ein OTL d.Res. gelangte bei seinem Vortrag am 28. April 2017 nachweislich zu dieser Erkenntnis: „Der Name Lent ist nach alledem unbefleckt, sowohl militärisch als auch persönlich.“ Die überwältigende Mehrheit der historisch unbedarften Vertrauensleute in der Kaserne stimmte damals dafür, den Traditionsnamen „Lent“ beizubehalten.
@ Pio-Fritz
Sonst alles gut?! Modern muss nicht unbedingt sein, denn die Befreiungskriege bilden seit jeher eine Grundsäule des Traditionsverständnisses im Heer (Scharnhorst & Gneisenau, anyone?). Möchte daher @Koffer zustimmen, die Namenswahl ist durchdacht, zumal sich das Grab des von Düring AUF dem Kasernengelände befindet. Hier wird Tradition für die Jäger erschaffen – man könnten nun sogar darüber nachdenken, dem JgBtl 91irgendwann einmal den Beinamen “ von Düring“ zu verleihen (wenn es die Vorschrift denn endlich zulassen würde… ). Und, et voila, hätte man einen Verband, bei dem auch junge Rekruten sofort in eine Tradition hineinwachsen, die man einfach mit der deutschen Militärgeschichte verknüpfen könnte. Im NLD Heer ist dies übrigens Alltag, siehe z.B. die Beinamen der mechanisierten Verbände (44 MechInf „Johan Willem Friso“, 45 MechInf „Oranje Gelderland“, 43 [Aufklärungskompanie] „Huzaren van Boreel“) – schön zu sehen, dass man dies im deutschen Heer nun auch (mal) vollzieht.
Und nach Richthofen, Boelcke und Immelmann könnte man aus der „Marseille-“ ja nun die „Josef-Jacobs-Kaserne“ oder meinetwegen auch eine „Loewenhardt-“ oder „Voß-Kaserne“ machen…
Ich weise nur vorbeugend darauf hin, dass eine Neuauflage der Debatte über Lent, die jahrelang intensivst geführt worden ist, an dieser Stelle nicht besonders zielführend ist – und ich einen ausführlichen Kleinkrieg hier auch nicht mitmachen werde.
@Koffer sagt: 08.06.2020 um 20:54 Uhr
„Patriotismus, Geschichtsbezogenheit, regionaler Bezug (!) und Truppengattungsbezug.“
Ist nicht Ihr ernst, oder? Patriotismus? Zu wem? Zum preußischen Königreich? Zum Kurfürsten von Hessen? Zum sächsischen König? Oder wozu? Geschichtsbezogenheit? Von Düring, der große Held der Schlacht von Waterloo? Ehrlich?
Und was bitte hat ein Forstmeister mit der Jägertruppe zu tun? Doch genauso viel wie ein Landwirt mit einem Logistikbataillon. Und als ob Truppengattung in Rotenburg/W. jemals Tradition gehabt hätte. Vor den Jägern war Logistik dort und davor Eloka etc.pp.
Eigentlich schätze ich Ihre Kommentare ja, aber hier machen Sie das Duracellhäschen.
@Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt: 08.06.2020 um 21:18 Uhr
„Die Frage zum III. Reich stellt sich absolut nicht, ist eine abenteuerliche Spekulation. Was soll die Frage also?
Wir leben in der Bundesrepublik Deutschland, Traditionsanschlüsse gibt es nicht.“
Hier muss ich @Dante beispringen. Ich bin ja auch sehr angetan von der Wahl von Dürings, aber die Scheinheiligkeit und Geschichtsvergessenheit und ehrlich gesagt auch Unmenschlichkeit bestimmte Menschen von Traditionswürdigkeit auszuschließen wegen einer bestimmten Epoche in der sie gelebt haben und faktisch unterschiedliche Maßstäbe anzuwenden (bei allen außer 33-45 reicht „persönlich vorbildhaft“ aus, bei 33-45 muss es außerdem noch „Eintreten für die Demokratie o.ä.“ dazu kommen, selbst bei Menschen die vor ’45 gestorben sind und sich daher gar nicht mehr post-IIWK betätigen konnten) ist schon bizarr.
Der Hausherr weist ja auf die Folgefrage Marseille berechtigterweise hin.
Aber in diesem Fall freue ich mich einfach über die gelungene Neuwahl und lasse mir diese Freude nicht durch die mEn falsche Alt-Entscheidung vergällen ;)
Huch. Was ist denn heut im Forum los? Verkehrte Welt?
Ich bin erst beim lesen von Ralph Giordanos „Die Traditionslüge. Vom Kriegerkult in der Bundeswehr.“ Kiepenheuer und Witsch, Köln 2000, ISBN 3-462-02921-5.
estmals mit diesem Thema zusammengestoßen. Hat mich aber bis Heute beeinflußt.
Dort las ich erstmals den Namen Hans-Joachim Marseille, und noch einige andere. Den „Landser“ gab’s ja bei uns ja nicht.
Auf jeden Fall sage ich auch, das wird ja Zeit. Also wenn man um eine gewisse Aussenwirkung bemüht ist.
Schön, im oben verlinkten NDR Info Text der Ratschlag von OTL Schmitz: „Wenn man will, dass es nicht zu Änderungen kommt, dann muss man nur die Soldaten fragen.”
Und damit bin ich wieder in der oberen Zeile… :o)
@Voodoo sagt: 08.06.2020 um 21:41 Uhr
„Und nach Richthofen, Boelcke und Immelmann könnte man aus der „Marseille-“ ja nun die „Josef-Jacobs-Kaserne“ oder meinetwegen auch eine „Loewenhardt-“ oder „Voß-Kaserne“ machen…“
Hm, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, dann ist doch in der Marseille-Kaserne die USLw. Wenn man die Kaserne schon geschichtsvergessen umbenennt, dann sollte es auch einen Bezug zu den Uffz-/Feldwebelanwärtern haben. Die von Ihnen vorgeschlagenen Kandidaten (wiewohl sicherlich an sich gut geeignet!), eigenen sich für die konkrete Kaserne vielleicht nicht perfekt. Möglicherweise gibt es da passendere Vorschläge?!
Vielleicht findet man ja einen tapferen Landser/Unteroffizier/Feldwebel?
Wobei ich nicht sage, dass ein Kasernennamen immer einen direkten Bezug zum jeweiligen Verband haben muss (Kasernenzwecke wechseln ja auch!), aber wenn man schon eine Umbenennung macht, dann könnte man das auch berücksichtigen.
@Vodoo
Die Frage ist dann, was will man aus den Befreiungskriegen für die heutige Bundeswehr und deren Soldaten ableiten? Die Truppe damals und die Truppe heute haben so gut wie nicht gemein.
Hervorragende Waffentaten der Freikorps oder überdurchschnittliches taktisches Geschick von deren Führer fallen mir auch nicht ein.
@Pio-Fritz sagt: 08.06.2020 um 21:43 Uhr
„Ist nicht Ihr ernst, oder? Patriotismus? Zu wem?“
Deutschland. Befreiungskriege. Nationale Einigungsbewegung und so…
„Und was bitte hat ein Forstmeister mit der Jägertruppe zu tun?“
1. Hat ein Forstmeister sehr viel mit der historischen Jägertruppe zu tun (da kamen sie nämlich her, Preussens waren sparsam und nutzen die gut ausgebildeten Forstgesellen, die auch noch häufig ihre eigenen Waffen mitbrachten und gut schießen konnten für eine spezielle Hochwert-Truppe).
2. von Düring war aber auch Angehöriger der Jägertruppe im engeren Sinne! einfach mal googeln.
„Und als ob Truppengattung in Rotenburg/W. jemals Tradition gehabt hätte.“
von Düring ist in der jetzt nach ihm benannten Kaserne begraben!
„Eigentlich schätze ich Ihre Kommentare ja, aber hier machen Sie das Duracellhäschen.“
Eigentlich nicht. Wenn Sie lesen was ich schreibe, kritisiere ich den einen Teil der Entscheidung (die Aberkennung des alten Namens SCHARF).
Aber ich darf mich doch auch darüber freuen, dass man aus der Not wahrlich eine Tugend gemacht hat. Einen besseren Kasernennamen konnte man unter den gegebenen Umständen vermutlich nicht finden.
Stimme im Übrigen zu, dass für eine Jägerkaserne und in dem besonderen Fall die Namenswahl wohl unter Besser-geht-kaum fällt. Von daher +1 dafür.
@ Pio-Fritz sagt:
08.06.2020 um 21:43 Uhr
“ Ist nicht Ihr ernst, oder? Patriotismus? Zu wem?”
Militärdienst in den Befreiungskriegen gegen Napoleon ist doch nun wirklich auch aus heutiger Sicht völlig unverfänglich.
“Und was bitte hat ein Forstmeister mit der Jägertruppe zu tun?”
Kurhessische Jägertruppe wurde aus Jägern und Förstern aufgestellt. Von Düring war im Militärdienst in der (Feld-)Jägertruppe.
Mittlerweile halte ich Personenbezogene Benennung von Liegenschaften grundsätzlich für falsch. Was heute als richtig und Sinngebend gilt, mag morgen wieder völlig falsch sein und irgendwelchen Zeitgeistern übel aufstoßen. Von daher sollten die Liegenschaften nach der Region oder Landschaftsmerkmalen benannt sein. Das ist zumindest auf längere Sicht frei jeglicher Ideologie.
Nun gut. Ne Jägerkaserne nach nem Jäger zu nennen der auch noch drinn begraben liegt ist einleuchtend. Hätte man aber auch früher drauf kommen können.
Zum aktuellen Stand in Sachen Marseille-Kaserne habe ich hier etwas geschrieben, fyi
https://www.ndr.de/nachrichten/info/sendungen/streitkraefte_und_strategien/Falsche-Vorbilder-Haengepartie-um-Marseille-Kaserne,streitkraefte602.html
[Hatte dein Sendemanuskript von Streitkräfte&Strategien doch oben schon verlinkt!T.W.]
Rotenburg-Kaserne war der grose Favorit aller. Jetzt ist es der Schmarrn geworden.
Mannomann
Wenn man sich den Wikipedia-Eintrag zu Lent durchliest, fragt man sich, mit welchem guten Grund eine Umbenennung erfolgt ist.
Ich kann den kritischen Stimmen hier nur zustimmen und dringend darum bitten, in den neuen Traditionserlass zu schauen:
von Düring steht nicht für „vorbildlich-ethische Handlungen“ (Ziffer 3.1). Die Bundeswehr-Jäger nehmen einen Prinzenerzieher und haben keine eigene Tradition? (Ziffer 3.2: „Zentraler Bezugspunkt der Tradition der Bundeswehr sind ihre eigene, lange Geschichte und die Leistungen ihrer Soldatinnen und Soldaten“). Kein Bezug zur „Wertebindung“ und den Normen des Grundgesetzes (3.1.,3.3. u.ö.). Was hat von Düring also mit der Parlamentsarmee zu tun?
Die Wahl ist das Unvermögen (Angst, Desinteresse, Trotz vor Ort, mangelnde Geschichts- und Erlasskenntnisse, fehlender Stolz auf eigene Leistungen und eigene Bundeswehr-Geschichte (man nimmt lieber einen Lehrer eines Kartätschen-Prinzen) und gleiches Versagen oder vielleicht sogar bewusstes Torpedieren des neuen Erlasses mit einer spießig-piefigen Wahl im FüSK 3.3, die so auch 1964 hätte erfolgen können. Unglaublich in diesem Zusammenhang die Behauptung von Herrn Tauber über die Innere Führung im Jahre 1813, da muss wohl selbst sein Redeschreiber sardonisch gegrinst haben, als er es das schrieb.
Übrigens mal beachten Ziffer 4.9 (Traditionen von Verbänden ehemaliger deutscher Streitkräfte werden an Truppenteile und Dienststellen der Bundeswehr nicht verliehen).
Chance vertan.
@Voodoo sagt: 08.06.2020 um 21:41 Uhr
„@ Pio-Fritz Sonst alles gut?! “
Bei mir schon. Schauen Sie doch bitte mal in den derzeit geltenden Traditionserlass. Und dann erklären Sie doch bitte mal für Oma Erna, wo die Traditionslinie des Jägerbataillons 91 zu den Truppen der Befreiungskriege ist und warum man das die letzten 200+X Jahre nicht erkannt hat. Vor allem die Wertebindung der damaligen Verbände an unser Grundgesetz. Den Verweis von Herrn Tauber auf seinerzeitige angebliche „Innere Führung“ kann man auch nur als Akt der Verzweiflung ansehen.
Das Grabmal von von Düring ist nur in der Kaserne, weil diese im Luhner Holz liegt, einem Waldgebiet, das von Düring aufgeforstet hat. Sein Herz ist lt. Wikipedia mit seiner Frau auf dem Kirchhof in Rotenburg begraben. Auch irgendwie schräg.
Man sollte doch auf unverfängliche, auch in 100 Jahren noch, Namen gehen, wie es auch @J. Claussen sagt:08.06.2020 um 22:36 Uhr vorgeschlagen hat. Das heißt, keine Namen von irgendwelchen Personen, die vor 1949 gelebt haben. Am besten gar keine Personen.
Ich schlage vor Kasernen nur noch nach (zufällig generierten) Nummern zu benennen. Dann ist für immer sichergestellt das kein Bezug zu irgendwas auch nur entfernt verdächtigen hergestellt werden kann. Es sei denn man hat viel Pech mit der Zufallszahl.
Was mich interessieren würde, ob es diese Debatte auch in anderen europäischen Ländern gibt. Dort wird sich sicherlich der eine oder andere Architekt kolonialer Verbrechen finden nach dem eine Kaserne benannt ist.
Pio-Fritz sagt: 09.06.2020 um 9:28 Uhr
Das heißt, keine Namen von irgendwelchen Personen, die vor 1949 gelebt haben. Am besten gar keine Personen.
Wenn man das auf die Spitze treibt, dürfte die Bataillonsnummern auch nicht vergeben werden, weil diese bestimmt auch im 2. WK schon verwendet wurden.
zum Inspekteur der Lw Kammhuber et al. wird von Konrad Adenauer der Satz überliefert,…“ man schüttet kein schmutziges Wasser weg , solange man kein sauberes hat.“ Und auch…. „27-jährige Generale nimmt die Nato mir nicht ab“.
Aber nach über 60-Jahren eigener Geschichte gelten diese Maximen nicht mehr.
Wenn es die Bw nicht schafft ihre eigene Tradition bewusst zu pflegen und anzunehmen dann sollte Sie sich mit Landschaftsnamen und Truppengattungen begnügen.
Nichts gegen von Dürings Tapferkeit, Initiative und persönlichen Verdienste im Kampf gegen Napoleon und für das Königreich Hannover (!), aber als Vorbild einer modernen Bundeswehr in der Demokratie taugt er wirklich nicht.
Wenn dem BMVg und seinen Historikern nichts besseres einfällt, dann sollte man sich auch da, gemäß den Worten des ersten Kanzlers, nach besserem Wasser umschauen.
Koffer sagt:
08.06.2020 um 21:46 Uhr
@Koffer, Sie haben zu dem Thema vergessen zu schreiben, dass auch alle deutschen Soldaten in der Zeit von 1945-1990 im östlichen Teil Deutschland quasi grundsätzlich ausgeschlossen sind. Deutsche Nazi-Soldaten der Wehrmacht könnte man ehren, ehem. NVA-Soldaten geht gar nicht, oder?
Seit langem lese ich hier aus dem südlichen Nachbarland mit Interesse mit. Ich erlaube mir einen Kommentar zur Situation in der Schweiz. Bei uns gibt es fast keine Kasernen mit Personennamen als Bezeichnung. Ausgenommen ist nach meinem Kenntnisstand die Dufour-Kaserne in Thun (zur Person: https://de.wikipedia.org/wiki/Guillaume_Henri_Dufour ).
Gibt es denn überhaupt einen tieferen Grund, weshalb eine Kaserne nach einer Person benannt werden muss? Es ist mir bekannt, dass in Deutschland auch die Schulen nach Persönlichkeiten benannt sind, was in der Schweiz die absolute Ausnahme ist. Überhaupt frage ich mich, wozu eine Kaserne überhaupt einen Namen haben muss? Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass man auch in einem namenlosen Gebäude gute Soldaten ausbilden kann.
@Trevor Faith sagt: 09.06.2020 um 11:45 Uhr
„Wenn man das auf die Spitze treibt, dürfte die Bataillonsnummern auch nicht vergeben werden, weil diese bestimmt auch im 2. WK schon verwendet wurden.“
Das wird jetzt zwar OT, aber Ziffern halte ich für neutral. Aber mal ehrlich, finden Sie, das die Nummerierung der heutigen Verbände und Einheiten, vor allem im Heer, noch irgendeiner Logik folgen?
Reine Interessefrage, ohne Bewertung der Entscheidung: Warum hat man sich eigentlich für „Von“-Düring-Kaserne entschieden und nicht einfach für Düring-Kaserne? Bei fast allen anderen Adeligen, nach denen Bundeswehrkasernen benannt sind, hat man das „von“ bei Bennenung nur nach dem Nachnamen ja auch weggelassen, daher haben wir auch eine Scharnnhorst-, Clausewitz- und Hindenburgkaserne (wobei letzteres auch eine sehr fragwürdige Entscheidung allgemein ist) und keine „von-Clausewitz-Kaserne“. Einzige mir bekannte Ausnahmen: Von-Seydlitz-Kaserne und Von-Hardenberg-Kaserne.
Allgemein sind die ganzen Kasernenbenennungen recht uneinheitlich: Teilweise nur Nachname (zB Clausewitz-Kaserne), Vor- und Nachname (zB Theodor-Körner-Kaserne) oder die Frage mit oder ohne Dienstgrad (sehr schön: Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne (Augustdorf) vs. Rommel-Kaserne (Dornstadt)). Weiß jemand, wie das historisch entstanden ist?
Zur Auswahl des Namensgebers möchte ich hier keinen weiteren Text produzieren.
Mein Punkt ist, dass die Bundeswehr es endlich schaffen sollte, sich gedanklich vom dritten Reich zu lösen!
Die Probleme des Offizierkorps sich 1955 abzugrenzen, ist menschlich für mich in gewissen Grenzen nachvollziehbar. Wer hört schon gerne, wie schlecht das Jahre vorher Vollbrachte war. Entnazifizierung benötigt anscheinend doch mehr, als ein Papier.
Nun sind allerdings einige Generationen vergangen und die Zeit der ehemaligen Wehrmachtoffiziere ist vorbei.
@Trevor Faith @Pio-Fritz
„… dürfte die Bataillonsnummern auch nicht vergeben werden, weil diese bestimmt auch im 2. WK schon verwendet wurden.“ Ihr Ernst?
Seit dem Tode des Propheten Mohammed, ff dem Siegszug des Islam setzten sich indisch/arabische Ziffern bis zum 10. Jahrhundert bis nach Südspanien durch, im 15. Jahrhundert auch im deutschen Sprachraum.
Welche anderen Zahlen wollen Sie vergeben, römische?
Wobei diese sogar der Ursprung der Nummerierung im Heer nach 1955 zumindest waren.
Die drei Korps I., II., III. bekamen die Divisionsbezeichnungen ab 1. (PzDiv) im I. Korps und letztlich 12. PzDiv im III. Korps zugeteilt. Die weitere Nummerierung folgte dem Dreierrhythmus so, dass von der Btl-Nummer auf Brig/Div/Korps geschlossen werden konnte.
Beispiel: PzBtl 214, PzBrig 21, ( mal 3 = ) 7. PzDiv, I. Korps.
Ausnahmen bildeten die 1. GebDiv, tatsächlich die 8. Div und die 1. LL-Div, tatsächlich die 9. Div und die späteren HSchBrig 51 – 56.
Das hat mit der WH auch deswegen nichts zu tun, da diese auf dem Regimentssystem fußte, mit teilweisem Bezug zu Traditionsregimentern der preußischen Armee.
Die heutige Nummerierung hat weitgehend die alten Bw-Bezeichnungen beibehalten, zumindest insofern wirkt eine eigene Tradition (1) nach 1955. Die Logik erschließt sich nur dann, wenn diese Tradition bekannt ist und nicht der Glaube vorherrscht, das Heer sein nach der Vereinigung aus dem Nichts neu aufgestellt worden.
Abweichungen gibt es aber auch: LLBrig 31 > FSchJgRgt 31 – sollte eigentlich die „27“ tragen müssen, da die LL Anteile aus der ehem. LLBrig 27 hervorgingen. Die „31“ stellt jedoch die Tradition der PzGrenBrig 31 (zu ehem. 11. PzGrenDiv) dar, die im gleichen Raum beheimatet war und auch zur Aufstellung herangezogen wurde.
(1) Nach diversen Traditionsversuchen mit „eigene Bundeswehr-Tradition“, ohne Wehrmacht, hier (!) ist eine. Wer also heute in den zugegebenermaßen bestehenden Nummernsalat Stringenz hinein bringen will, und die Btl von „1 – viele“ neu durchnummerieren will, zerstört die 65 Jahre Bundeswehr-Tradition. Einer Logik, lieber Pio-Fritz, folgt das nicht, aber einer eigenen Traditionslinie. Das sollen wir doch wollen!?
@Perikles71
Da die Familie „von Düring“ (altes niedersächsisches Adelsgeschlechts aus Loxstedt/Cuxhaven) bei der Benennung intensiv beteiligt wurde liegt nahe, dass sie auf vollständigem Familiennamen bestand, was aber lediglich meine Vermutung spiegelt.
Falls zu langatmig ist, Herr Wiegold, streichen. Historie kostet aber einige Zeilen. Danke.
[Ich wäre allerdings erfreut, wenn die Detailtiefe nicht immer so weit getrieben werden müsste. T.W.]
@G4sez:
Die Bundeswehr wird sich niemals gänzlich von der Wehrmacht lösen können. Dafür sind die personellen sowie inhaltlichen (Vorschriften, Taktik, Ausbildungs- und Einsatzgrundsätze) Überschneidungen viel zu stark und niemand der halbwegs bei Verstand ist, wird eine saubere Neuschreibung der Geschichte im Sinne von „die demokratische Bundeswehr die 1955 vom Himmel gefallen ist“ glauben.
Auch die Entstehungsgeschichten von Truppengattungen (Panzer, Fallschirmjäger, Panzergrenadiere usw.) der U-Bootwaffe und der Luftwaffe sind so eng mit der Wehrmacht verzahnt, dass man dieses Thema niemals loswird. Darüber hinaus wird jeder Soldat, der sich für seinen Beruf interessiert und sich mit Geschichte befasst feststellen, dass es da einmal eine Armee in seinem Land gab, die bei allem Schrecklichen auf militärischem Gebiet so ziemlich das beste und effektivste seit den römischen Legionen darstellte und atemberaubende Leistungen vollbracht hat.
Geschichte lässt sich nicht einfach totschweigen und nicht wegbefehlen. Daher sehe ich den einzigen sinnvollen Umgang darin sich der eigenen Geschichte zu stellen, im Guten wie im Schlechten. Diesbezüglich befinden wir uns derzeit leider auf einem sehr bequemen aber schlechten Weg, indem wir grundsätzlich alles verteufeln, was in dieser Zeit geschehen ist.
Ich kann es nur schwer nachvollziehen, wie man persönlich vorbildhaft für Soldaten der BW mit dem Dienst in der Wehrmacht 33 – 45 verbinden kann, wenn diese Person dem III Reich Treu und Professionell gedient hat.
Da würde ich mich unter jenen umsehen, die gegen das Unrecht gestanden haben, ob als Flüchtling in alliierter Uniform oder im Wiederstand
Demokrat ist mMn keine Vorbedingung, ein respektabler, professioneller und für uns akzeptabler ethisch/moralischer Standard sehr wohl
Mir fallen da übrigens einige „27 jährige Generäle“ ein
Henrik sagt:
09.06.2020 um 11:13 Uhr
„Was mich interessieren würde, ob es diese Debatte auch in anderen europäischen Ländern gibt. Dort wird sich sicherlich der eine oder andere Architekt kolonialer Verbrechen finden nach dem eine Kaserne benannt ist.“
Eine ähnliche Debatte wird auch in den Vereinigten Staaten geführt, im Bezug an den Umgang mit der konföderierten Geschichte. Die Army hat immer noch zehn Einrichtungen, die den Namen ehemaliger Südstaatensoldaten tragen (https://www.military.com/undertheradar/2018/10/03/ten-army-bases-named-after-confederate-officers.html) – nicht irgendwelche kleinen Einödstandorte, sondern einige der wichtigsten Einrichtungen wie Fort Bragg, Fort Hood oder Fort Benning. Nach jetzigem Stand ist aber keine Umbenneung geplant, auch wenn das von nicht wenigen gefordert wird (https://warontherocks.com/2020/05/of-course-the-u-s-military-has-a-white-supremacy-problem-its-baked-in/). Ob die Debatte aber so ähnlich verläuft wie in Deutschland, kann ich nicht beurteilen.
Was konföderierte Devotionalien angeht, so ist in den vergangenen Monaten zumindest beim Marine Corps Bewegung in die Sache gekommen. General David Berger, Commandant of the Marine Corps, hat diesen April konföderierte Symbole (insbesondere Flaggen) auf seinen Bases verboten (https://twitter.com/CMC_MarineCorps/status/1253339298524360705/photo/1). Die Army ist da allerdings noch nicht nachgezogen.
Gerade im Vergleich zur deutschen Debatte finde ich die Situation in den USA aufgrund der unterschiedlichen Geschichte ziemlich spannend und warte mal, wie es in den kommenden Monaten weitergeht.
Die Traditionslinie der Befreiungskriege exisitiert seit Gründung der Bundeswehr, nur leider wurde Sie in den seltensten Fällen auch wirklich genutzt – mal abgesehen von ein paar „Scharnhorst-Gebäuden“ oder dem vereinzelten „Gneisenau-Saal“. Hier wurden lange vor unserer Zeit bereits Chancen vertan. Des Weiteren muss man hervorheben, dass Traditionen nie DIE tatsächliche Geschichte abbilden, sondern lediglich einen Ausschnitt AUS der Geschichte, der zu einem bestimmten Zweck genutzt wird. Ziel und Mittel müssen dabei nicht unbedingt in einem klaren Zusammenhang stehen: Beim JgBtl 91 wären/sind die Anknüfungspunkte die Liegenschaft mit Grab, das BtlWappen und die Geschichte der Jägertruppe (entstanden tatsächlich aus Förstern und Jägern mit einer nicht unwichtigen gesellschaftlichen und militärischen Rolle in den Befreiungskriegen, siehe beispielweise die Literatur um die Lützowschen Jäger et al. Das klingt für Sie und Oma Erna evtl. wirr und doof, interessiert in 20 Jahren aber niemanden mehr, wenn die Traditionslinien dann mit Leben gefüllt wurden. DFaher mein Appell: Gebt doch den Aufklärern ihre Husaren-, den Panzerleuten ihre Kürassier- und den Grenadieren ihre Dragonerlinien – natürlich ist dies von der Warte der tatsächlichen Militärgeschichte aus betrachtet oftmals arg konstruiert; aber wenn es hilft, den „Wehrmachts-Landser“ etwas in den Hintergrund zu bringen, so what?
Außerdem muss das auch nicht für UNS Sinn machen, sondern für den einzelnen Verband – ansonsten würde es auch nicht funktionieren, dass das PzBtl 203 sich seit Jahrzehnten (!) auf das 3. (Westf.) InfRegiment Nr. 16 „Freiherr von Sparr“ und dessen Teilnahme an Großbeeren 1813 bezieht und daher bis heute „Hacke-Tau“ ruft. Zugegeben, dieser letzte Punkt würde eher zu einem Traditionsnamen der einzelnen Verbände passen – aber bis das BMVg diese offensichtliche Chance begreift, werden wohl noch viele Sommer und „Traditionsskandale“ vergehen … *seufz*
Hinweis: Ich muss hier nicht jede Provokation mitmachen und erspare deshalb allen Leser*innen einige Kommentare nach dem Muster „Nummern, 88, haha“ oder ähnliches.
@Mackiavelli sagt: 09.06.2020 um 16:32 Uhr
„Auch die Entstehungsgeschichten von Truppengattungen (Panzer, Fallschirmjäger, Panzergrenadiere usw.) der U-Bootwaffe und der Luftwaffe sind so eng mit der Wehrmacht verzahnt, dass man dieses Thema niemals loswird. […] Geschichte lässt sich nicht einfach totschweigen und nicht wegbefehlen. Daher sehe ich den einzigen sinnvollen Umgang darin sich der eigenen Geschichte zu stellen, im Guten wie im Schlechten.“
+1
@Voodoo sagt:
09.06.2020 um 17:35 Uhr
Pio-Fritz sagt:
09.06.2020 um 9:28 Uhr
@Voodoo sagt: 08.06.2020 um 21:41 Uhr
„Gebt doch den Aufklärern ihre Husaren-, den Panzerleuten ihre Kürassier- und den Grenadieren ihre Dragonerlinien – natürlich ist dies von der Warte der tatsächlichen Militärgeschichte aus betrachtet oftmals arg konstruiert; aber wenn es hilft, den „Wehrmachts-Landser“ etwas in den Hintergrund zu bringen, so what?“
In der Tat. Eine zu vergeistige, zu puristische, zu sehr von politischen Ängsten getriebene Traditionspflege wie sie in der Bundeswehr seit Anfang der 80er geführt wird verbaut im Ergebnis eine geschichtlich breit aufgestellte und in der Truppe akzeptierte und gelebte Traditionspflege.
Das einzige was man mit den Hexenjagden der letzten 40 Jahre erreicht hat, ist das sich die Soldaten halt selbst ihre Vorbilder suchen und das dann teilweise mit kruden Ergebnissen.
Mit ein bisschen mehr Großzügigkeit und Weitsicht hätte man schon längst eine breite Basis an Vorbildern und Traditionslinien der letzten 300+ Jahre gefunden. Und das hätte dann im Ergebnis tatsächlich die von der Politik so geschmähten Vorbilder aus der Zeit 33-45 zurück gedrängt und auf ein sinnvolles Maß begrenzt.
@Koffer
So ist es.
Aber „Weitsicht“ vs „Angst essen demokratische Seelen auf“ herrscht vor.
Einige Hinweise, ohne Detailtiefe, zu Weitsicht.
Ritter, freie Söldner, Landsknechte, Bürgermilizen, absolutistische Heere deutscher Staaten, deutsche Soldaten in FRA/GBR Kolonien (Steuben) in Amerika/Canada, deutsche Heere unter Napoleon, Freiheitskriege, Einigungskriege 1815 – 71, Alte Armee im Kaiserreich, I. WK, Reichswehr.
Da soll nichts zu holen sein? Wollen muss man.
Eklatante Defizite in historischem Wissen führen zu Verklemmtheiten und selbst gewählten Vorbildern.
Ein Infanteriezugführer ist an seinem Erfolg in der Auftragserfüllung zu messen, wie er Männer, Waffen und Kampfmittel einsetzte . Ob er vor Leuthen, vor Verdun oder am Monte Cassino kämpfte bleibt hinsichtlich seiner militärischen Klasse unerheblich.
@Julia Weigelt:
Ich finde es ein bisschen unfair und polemisch, den Offizieren in Appen Verzögerung, Aussitzen usw. vorzuwerfen und dass ein Historiker aus dem KdoLw mal eben seinen Inspekteur (Luftwaffenführung) und einen Verbandsführer (Prozess bewusst verschleppt) der Lw öffentlich kritisiert scheint bemerkenswert, unclever, dreist oder unkameradschaftlich. Ich behaupte mal, 98% der stationierten Soldaten ist der Kasernenname schlichtweg egal, von daher bin ich bei dem Vorschlag alle Kasernen durchzunummerieren oder Regionalbezug herzustellen, z.B. Schleswig-Holstein Kaserne. Der vom Historiker vorgeschlagene Schumann wird es nun mit Sicherheit nicht.
@ Voodoo
Danke für die Einordnung! Auch bei den Benennungen der US-Bases finde ich die Namenswahl ziemlich fragwürdig. Robert E. Lee ist ja eine Sache, aber Leute wie Henry L. Benning (ein Hardcore-Sklaverei-Verfechter) oder Braxton Bragg (aus militärischer Perspektive nicht unbedingt die hellste Leuchte) eine andere. Aber irgendwie habe ich nicht den Eindruck, dass eine Umbenennung momentan irgendeine Mehrheit finden würde.
Immerhin kommt es bei uns nicht zu gewalttäigen Auseinandersetzungen auf den Straßen, wenn eine Kaserne umbenannt oder eine Statue abgebaut werden soll.
Streiten kann man schon darüber, aber ich habe bei mir im Kameradenkreis den Eindruck, dass das Thema Kasernennamen nicht als überlebenswichtig betrachtet wird.
Überraschenderweise eine ähnliche Diskussion zu Kasernennamen in den USA. In Zeiten von „black lives matter“ geht es gegen die militärische Südstaaten-Nomenklatura des Bürgerkriegs.
Streitpunkt hier, dürfen Namen von Kämpfern der Südstaaten-Armee, der Konföderierten aus dem Bürgerkrieg, heute noch als Namensgeber herhalten?
Hintergrund, der Sezessionskrieg oder Amerikanische Bürgerkrieg 1861-65 hatte u.a. die Abschaffung von Sklaverei als Anlass.
Unter dem Titel „Take the Confederate Names Off Our Army Bases“ – it is time to remove the names of traitors like Benning and Bragg from our country’s most important military installations – hat sich David Petraeus, Retired U.S. Army general and former CIA director im „The Atlantic“ zu Wort gemeldet.
https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2020/06/take-confederate-names-off-our-army-bases/612832/
David Petraeus, mit niederländisch-griechischen Wurzeln, legte eine Bilderbuchkarriere bis zum Four Star General und commanding Officer im U.S. Central Command hin. Verbunden bleibt mit ihm die Doktrin des „counterinsurgency“. Er gilt als best mate von James N. Mattis.
Seine Stimme in Army und Special Forces hat unangefochten Gewicht, ähnlich im Pentagon.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/David_Petraeus
Die Thematik hat ganz frisch auch die Niederlande erfasst. Es kursiert im Netz eine Auflistung sämtlicher Kasernen mit fraglichen Bezeichnungen, vor allem aus der Kolonialzeit.
@ASpooner sagt: 09.06.2020 um 18:59 Uhr
„von daher bin ich bei dem Vorschlag alle Kasernen durchzunummerieren oder Regionalbezug herzustellen, z.B. Schleswig-Holstein Kaserne.“
Soldaten WOLLEN Vorbilder/Helden/Identifitkationspersonen. Ein solch „klinischer“ Ansatz würde also genau das Gegenteil dessen erreichen, was Sie wollen. Nämlich die Soldaten bei ihrer Identitätssuche in den „Untergrund“ drängen.
Für mich zeigt sich mal wieder an der Länge und Anzahl der Kommentare in kürzester Zeit, wie (über)akademisch/intellektuell dieses Thema behandelt wird. Das wird an der Basis – dort wo Vorbilder und Tradition wachsen und wirken sollen – nicht verstanden. Im Gegenteil: Die Kameradinnen und Kameraden werden dadurch abgeschreckt – mit aus meiner Sicht zurecht ungewünschten Entwicklungen in die falsche Richtung. So funktioniert Vorbild und Tradition doch nicht. Ich kann doch keinem Nachwuchsspieler vorschreiben, statt Fan des Torschützenkönigs zu sein, doch lieber einen Ersatzspieler der 2. Mannschaft zu nehmen. Nur weil dieser zu Weihnachten Präsente für Platz- und Zeugwart hatte und aus anthroposophischer Überzeugung niemals am Strafraum die Notbremse ziehen würde.
Aber doch, wir suchen weiter nach den Heiligen in Uniform. Eigentlich ist das alles scheinheilig und weltfremd.
In FRA tragen die Jahrgänge (Promotions / Promos) von St. Cyr keine Zahlen sondern Namen (Personen oder Schlachten):
https://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rschule_Saint-Cyr – Studienjahrgänge und ihre Bezeichnung
https://fr.wikipedia.org/wiki/Liste_des_promotions_de_Saint-Cyr
Pio-Fritz sagt:
09.06.2020 um 13:28 Uhr
@Trevor Faith sagt: 09.06.2020 um 11:45 Uhr
„Wenn man das auf die Spitze treibt, dürfte die Bataillonsnummern auch nicht vergeben werden, weil diese bestimmt auch im 2. WK schon verwendet wurden.“
Das wird jetzt zwar OT, aber Ziffern halte ich für neutral. Aber mal ehrlich, finden Sie, das die Nummerierung der heutigen Verbände und Einheiten, vor allem im Heer, noch irgendeiner Logik folgen?
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Danke, daß Sie das aufgreifen. Sie haben natürlich Recht. Die Nummerierungen der Verbände (und die Verbände selbst) werden ja auch ganz willkürlich aufgelöst und neu aufgestellt – je nachdem, welche neue Strukturreform mal wieder initiert wird. Ich mag mich da irren, aber dieser Eindruck hat sich bei mir verfestigt. Es ist m.E. somit auch kein Wunder, daß die Bundeswehr keine eigenen Traditionen aufbauen kann.
@Koffer: stellen sie doch bitte ihre Präferenzen nicht immer als allgemeingültige Wahrheit für ALLE Soldaten hin. Sie werden das natürlich abstreiten, aber die letzten Kommentare und die Großschreibung einzelner Worte bestätigen mich.
Lent ist eng mit dem Naziregime verbunden, das zeigen viele Dokumente. Viele wussten hinterher nichts, waren innerlich distanziert oder schon immer verkappte Widerständler.
Ich kann sehr gut mit der Umbenennung leben, ich brauch auch keine fragwürdigen Vorbilder, ich weiss wofür ich stehe und eintrete.
ThoDan sagt:
09.06.2020 um 16:58 Uhr
Ich kann es nur schwer nachvollziehen, wie man persönlich vorbildhaft für Soldaten der BW mit dem Dienst in der Wehrmacht 33 – 45 verbinden kann, wenn diese Person dem III Reich Treu und Professionell gedient hat.
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Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster, aber diese Soldaten haben einer ‚demokratisch‘ gewählten Regierung gedient. Das gleiche erwartet man auch von Soldaten der Bundeswehr.
[Ich würde schon einen Unterschied zwischen der auf demokratischem Weg zustande gekommenen Bundesregierung und der von einem zwar zunächst als Reichskanzler gewählten, dann aber keineswegs demokratisch gewählten Führer und seiner Regierung machen. Sie sollten vielleicht noch mal Geschichte nachlesen. Auch das mit dem Eid, der auf den Führer persönlich abgelegt wurde. Wenn Sie dann weiterhin keine Unterschiede sehen und behaupten „das gleiche erwartet man auch von Soldaten der Bundeswehr“, sollten Sie erst recht noch mal Geschichte nachlesen. T.W.]
@ Thomas Melber:
Das wird (wurde?) an der Offizierschule des Heeres auch gemacht.
Allerdings hat man uns in bester Bundeswehr-Manier politisch saubere Vorbilder nach dem Muster Scharnhorst und Gneisenau ausgewählt, die mehr durch politische Korrektheit, als durch Heldentaten auf dem Schlachtfeld geglänzt haben und für die sich dementsprechend bei den jungen Offizieranwärtern keiner interessiert hat. Obwohl ich historisch sehr interessiert bin, kann ich mich nicht mal an unseren Namenspatron erinnern.
Wie sagt man so schön: Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.