Kabinett bringt Neufassung des Soldatengesetzes auf den Weg: Fristlose Entlassung innerhalb von acht Jahren (Nachtrag: DBwV)

Vor dem Hintergrund von rechtsextremistischen Vorfällen in der Bundeswehr soll die fristlose Entlassung von Zeitsoldaten künftig nicht mehr nur in den ersten vier Jahren, sondern in bis zu acht Jahren Dienstzeit möglich sein. Eine entsprechende Änderung des Soldatengesetzes brachte das Bundeskabinett auf den Weg.

Mit dem Gesetzentwurf, den die Ministerrunde am (heutigen) Mittwoch billigte, will das Verteidigungsministerium künftig in Extremismusfällen, aber auch bei anderen Vorwürfen Soldaten einfacher aus dem Dienst entfernen können. Dafür soll der Paragraph 55, Absatz 5 des Soldatengesetzes

Ein Soldat auf Zeit kann während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.

um den Satz ergänzt werden:

In besonders schweren Fällen kann eine fristlose Entlassung auch noch bis zum Ende des achten Dienstjahres erfolgen.

In der Begründung des Gesetzentwurfs macht das Ministerium deutlich, dass es dabei nicht allein um Extremismus in der Truppe geht, sondern auch um andere Vergehen:

Nach bestehender Rechtslage kann eine Beendigung des Dienstverhältnisses von Soldatinnen und Soldaten auf Zeit nach dem vierten Dienstjahr nur noch durch eine strafrechtliche Verurteilung (nach Maßgabe des § 48 SG) oder durch Entfernung aus dem Dienstverhältnis im Rahmen eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens (§ 58 Absatz 1 Nummer 5 WDO) herbeigeführt werden. Beide Verfahren brachten es regelmäßig mit sich, die Soldatin oder den Soldaten noch über einen sehr langen, häufig über mehrere Jahre dauernden Zeitraum im Dienstverhältnis belassen zu müssen. (…)
Auch nach einer Dienstzeit von bis zu acht Jahren bestehen keine Gründe, dass das Wehrdienstverhältnis allein durch straf- oder disziplinargerichtliches Urteil beendet werden kann, wenn es sich um besonders schwerwiegende Fälle handelt. Mit besonders schweren Fällen sind hier Fälle gemeint, die auch in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren zur Beendigung des Dienstverhältnisses führen würden, weil andernfalls die Gefahr eines schweren Schadens für die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr bestünde, also Fälle gravierender Dienstpflichtverletzungen wie zum Beispiel verfassungsfeindliche, rassistische oder antisemitische Betätigung, schwere Misshandlung Untergebener oder schwere Fälle von sexuellem Missbrauch oder Umgang mit Kinderpornographie.

Gegen die Neuregelung hatte unter anderem der Bundeswehrverband Bedenken geäußert, weil damit die fristlose Entlassung von Soldaten zu leicht werde – völlig unabhängig von der aktuellen Extremismus-Debatte. Es wird deshalb interessant zu beobachten, wie diese Bestimmung in der parlamentarischen Debatte aufgenommen wird und ob sie Bestand hat.

Gegen die fristlose Kündigung, bislang innerhalb der ersten vier Jahre, können Soldaten auch klagen – und tun das auch. So waren Soldaten aus dem Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf, die wegen entwürdigender Aufnahmerituale aus dem Dienst entfernt worden waren, vor Gericht dagegen angegangen. Allerdings entschied in letzter Instanz der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof, dass die Entlassung rechtmäßig war.

Auch im Zusammenhang mit dem Verdacht auf islamistische Extremismus-Bestrebungen ist die leichtere Entlassungsmöglichkeit vor Gericht noch nicht abschließend geklärt. So hatte das Ministerium die Möglichkeit des Soldatengesetzes genutzt, einen zum Islam konvertierten Soldaten wegen seines Verhaltens aus dem Dienst zu entfernen – was das Oberverwaltungsgericht Koblenz als rechtmäßig beurteilte. Unklar ist bislang, ob es darüber eine Verfassungsgerichtsentscheidung im Hinblick auf die Freiheit der Religionsausübung geben wird.

Zusammen mit der Verschärfung für die fristlose Entlassung enthält die Neufassung des Soldatengesetzes auch eine Überarbeitung der Wehrdisziplinarordnung (WDO), die bereits unter der früheren Ministerin Ursula von der Leyen angekündigt worden war. Unter anderem soll die Disziplinarbuße künftig nicht mehr maximal einen Monatssold, sondern den Sold für zwei Monate betragen können. Außerdem sollen Vorgesetze mehr zeitlichen Spielraum für die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen bekommen.
(Die Detailanalyse der neuen WDO überlasse ich dann lieber den juristischen Fachleuten z.B. vom Bundeswehrverband…)

Nachtrag: Der Bundeswehrverband hat seine Kritik erneuert und präzisiert:

Keiner der spektakulären Fälle von Rechtsextremismus oder Kinderpornografie seit 2017 wäre unter die neuen Regelungen gefallen, Franco A. ebenso wenig wie Philipp Sch., der jüngst verhaftete Waffensammler vom KSK. Das neue Gesetz ist kein Werkzeug gegen Nazis, Reichsbürger, sexuelle Umtriebe oder Mobbing – es geht an der Sache vorbei und stellt Soldatinnen und Soldaten ohne Not schlechter. (…)
Aus der Sicht des DBwV ist das Gesetz blanker Populismus. Es erfüllt keinen greifbaren Zweck, verschlechtert dafür aber die dienstlichen Rahmenbedingungen erheblich. Der DBwV hat deshalb von den ersten Überlegungen an massiven Widerstand gegen das Vorhaben geleistet und wird das auch weiter tun.

(Hinweis: zu der ebenfalls im Gesetzentwurf enthaltenen gesetzlichen Grundlage für die kostenfreie Bahnfahrt in Uniform gibt’s einen gesonderten Eintrag)

(Archivbild November 2019: Öffentliches Gelöbnis vor dem Reichstag in Berlin – Torsten Kraatz/Bundeswehr)