Coronavirus-Pandemie und Bundeswehr – Sammler 2. April

Der Sammel-Thread zum Thema Bundeswehr und Coronavirus-Pandemie am 2. April 2020:

• Dass die Bundeswehr rund 15.000 Soldatinnen und Soldaten zur möglichen Amtshilfe und Unterstützung der Bevölkerung in – abgestufter – Bereitschaft hat, ist seit Tagen bekannt. Interessant ist die Gesamtrechnung, die intern aufgemacht wurde: Da wird die Gesamtzahl der Truppe, die zur Verfügung steht, mit Kräfteansatz gesamt: rund 32.000 für das Einsatzkontingent „Hilfeleistung Corona“ beziffert.

Die Zahl klingt erst einmal überraschend, ist es aber bei genauerem Hinsehen nicht: Zusätzlich zu den 15.000 aus Heer, Luftwaffe und Marine sind 17.000 Soldatinnen und Soldaten des Sanitätsdienstes eingerechnet. Die sind allerdings zu einem nicht unerheblichen Teil schon im Betrieb der fünf Bundeswehrkrankenhäuser ohnehin im Einsatz.

• Genauere Zahlen, wie viele Soldaten – außerhalb des Sanitätsdienstes – derzeit aktiv in Hilfeleistungen eingebunden sind, gibt es allerdings bislang öffentlich nicht. Auch die zwar laufend aktualisierte, aber nur nach Kategorien ohne weitere Details unterteilte Übersicht der Streitkräftebasis (SKB) gibt da bislang keine Auskunft. Die begründete Vermutung ist derzeit, dass bislang nur ein vergleichsweise kleiner Teil des Einsatzkontingents auch eingesetzt wird – nicht zuletzt in dem Bemühen, langfristig Reserven vorzuhalten, falls sich die Lage drastisch verschlimmert.

• Angaben zu konkreten Hilfsmaßnahmen gibt es nur in Einzelfällen, und dann von den Teilstreitkräften. So hat die Luftwaffe ein Logbuch Corona aufgelegt, in dem nicht nur die medizinischen Evakuierungsflüge für schwerkranke Covid-19-Patienten aus Italien und Frankreich nach Deutschland aufgelistet sind, sondern zum Beispiel auch die Unterstützung von Luftwaffensoldaten in Testzentren.

• Konkrete Zahlen gibt es dagegen für die bisherigen Anfragen nach Amtshilfe von Ländern und Gemeinden: Bis zum (heutigen) Donnerstagmorgen gingen nach Angaben der SKB  beim Kommando Territoriale Aufgaben in Berlin 280 Anträge ein.  Davon seien 75 gebilligt worden, 50 seien in konkreter Bearbeitung und 14 abgeschlossen.

Der SKB-Inspekteur und Nationale Territoriale Befehlshaber, Generalleutnant Martin Schelleis, warnte vorsorglich, dass die Bundeswehr bei den Wünschen nach Unterstützung durch zivile Behörden strenge Maßstäbe anlegen müsse:

Die Bundeswehr dürfe erst dann helfen, wenn es keine Alternative mehr gebe, sagt  Schelleis. Das meiste aber, was die Bundeswehr an Unterstützung bieten könne, gebe es in Deutschland in Hülle und Fülle auf dem Markt. Diese Kapazitäten seien noch lange nicht erschöpft und die gelte es zunächst zu nutzen. Jeder Antrag müsse daher individuell geprüft werden. 

•  Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Truppe – wie auch der für einen Kriegsfall aufgestellte Zivilschutz des Bundes – mit dem Material in den Depots nicht auf eine Pandemie, sondern ganz andere Gesundheitsgefahren aufgestellt ist. Das Bundesinnenministerium brachte das auf die Aussage:

Der Bund stellt nach dem Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (§ 23 ZSKG) den Ländern für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung im Verteidigungsfall Sanitätsmaterial zur Verfügung, welches diese auch in ihre Katastrophenschutzvorsorge einplanen können. Die Sanitätsmaterialbevorratung des Bundes für den Verteidigungsfall deckt im Schwerpunkt traumatisch-thermische Verletzungen ab und ist zur Behandlung von Infektionskrankheiten wie Covid-19 nicht geeignet. Für die Sanitätsmaterialbevorratung für Lagen zu Friedenszeiten, so auch für die aktuelle Pandemie, sind die Länder zuständig.

(Das ist dann allerdings auch Stoff für eine ganz andere Debatte, die nicht hierher gehört…)

• Der Sanitätsdienst der Bundeswehr hat weitere Zahlen zu Verdachts- und Infektionsfällen unter den Soldatinnen und Soldaten im Inland veröffentlicht. Wie aber schon am Vortag angemerkt, ist diese Statistik vorerst nicht mit der anderer Stellen wie dem Robert-Koch-Institut kompatibel: Im Unterschied zu zivilen Behörden nennt die Bundeswehr die Zahl der bestätigten Infektionen abzüglich der bereits Genesenen nach einer Covid-19-Erkrankung – damit gibt die Zahl kein aussagefähiges Bild zum Infektionsgeschehen in der Truppe (die Statistik soll aber umgestellt werden).

Die Zahlen:

677 begründete Verdachtsfälle (nach 631)
169 bestätigte Fälle (nach 186 – hier wird deutlich, dass die Verringerung auf den Abzug der Genesenen zurückzuführen ist)

• Weiterhin gibt es außerhalb der NATO-Battlegroup in Litauen keine bestätigten Infektionen in Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

• Generalinspekteur Eberhard Zorn besuchte das ABC-Abwehrkommando in Bruchsal (Foto oben). Unter dem direkten Kommando des Nationalen Territorialen Befehlshabers werden derzeit 18 ABC-Abwehrtrupps für mögliche Desinfektionseinsätze in Bereitschaft gehalten.

• Die NATO will sich stärker in die Bekämpfung der Pandemie einbringen und unter anderem Flüge für Hilfstransporte besser koordinieren. Damit sei der NATO-Oberbefehlshaber (Supreme Allied Commander Europe, SACEUR) Tod Wolters beauftragt worden, teilte Generalsekretär Jens Stoltenberg nach einer Videokonferenz der Außenminister mit:

Today, we decided to direct our top commander, General Wolters to coordinate the necessary military support to combat the crisis.
To speed up and step up assistance. For instance, by identifying the airlift capacity to ensure that medical supplies are delivered. Coordinating on any surplus capacity or stocks. And better matching requests for support with offers from Allies and partners.
He will also implement simplified procedures for Rapid Air Mobility, in coordination with Eurocontrol.
Using the NATO call sign for military relief flights.

(Weiter ggf. nach Entwicklung)

(Foto: Generalinspekteur Zorn beobachtet eine Vorführung der Desinfektion von Gebäuden beim ABC-Abwehrkommando in Bruchsal – Roland Alpers/Bundeswehr)