(Wieder) Auf der Tagesordnung: Rechtsextremisten in der Bundeswehr

Ein Interview mit dem Präsidenten des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Christof Gramm, hat am Wochenende Rechtsextremisten in der Bundeswehr erneut in den Blickpunkt gerückt: Im vergangenen Jahr kamen nach seinen Angaben 360 neue Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus in der Truppe hinzu. Im Verhältnis zur Personalstärke sei davon das Kommando Spezialkräfte (KSK) überproportional betroffen.

Gramm machte diese Angaben in einem Interview der Welt am Sonntag (Link aus bekannten Gründen nicht; eine nachrichtliche Fassung hier bei tagesschau.de). Als einen Grund für die in jüngster Zeit stark gestiegenen Zahlen sei die größere Aufmerksamkeit, die seine Behörde auf den Bereich des Rechtsextremismus richte:

Der deutsche Militärgeheimdienst ermittelt derzeit gegen rund 550 Bundeswehrsoldaten wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus. Das ist eine deutliche Zunahme: 2019 seien 360 neue Verdachtsfälle dazugekommen, sagte der Präsident des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Christof Gramm, der „Welt am Sonntag“. (…)
Ziel sei es, „nicht nur Extremisten, sondern auch Personen mit fehlender Verfassungstreue aus der Bundeswehr zu entfernen“, sagte Gramm der Zeitung. Den Anstieg der Zahlen führte er auch darauf zurück, dass seine Behörde genauer hinsehe.

Die vom MAD-Präsidenten genannten Gesamtzahlen sind zwar in dieser Form neu, die übrigen Angaben waren allerdings schon aus den vergangenen Monaten bekannt. So hatte Gramm bereits bei einer öffentlichen Anhörung des Bundestages im Oktober 2019 angekündigt, dass der Abschirmdienst das Problem der fehlenden Verfassungstreue genauer in den Blick nehmen wolle:

Wir werden in Zukunft bei Personen mit fehlender Verfassungstreue unterhalb der Schwelle zum klar erkannten Extremisten noch genauer hinschauen. Nicht nur Extremisten, sondern auch Bundeswehrangehörige mit fehlender Verfassungstreue haben in der Bundeswehr nichts verloren. Ins Visier rücken damit verstärkt auch Mitarbeiter, die verfassungsfeindliche Inhalte in sozialen Netzwerken tauschen, ohne deswegen gleich Extremisten im Sinne des Gesetzes zu sein. (…) Klares Ziel ist es, Personen mit fehlender Verfassungstreue aus der Bundeswehr zu entfernen und andere Personen von einschlägigem Gedankengut abzuhalten. Es gilt Entwicklungen vorzubeugen, in denen ein falscher Geist besteht und fehlende Verfassungstreue geduldet wird. Eine besondere Herausforderung besteht mitunter darin, fehlende Verfassungstreue von „kräftiger Meinung“ zu unterscheiden.

Dass das KSK in diesem Zusammenhang ein Problem ist, war Anfang Dezember (erneut) offenkundig geworden. Nach entsprechenden Medienberichten brach der MAD eine nachrichtendienstliche Operation in der Spezialeinheit ab, wie das Verteidigungsministerium damals mitteilte:

In Bezug auf das Kommando Spezialkräfte (KSK) hat der MAD diesbezüglich einen Arbeitsschwerpunkt gebildet, so dass wir in dem vorliegenden Sachverhalt nicht untätig geblieben sind, sondern aufgrund der vorhandenen Verdachtsmomente haben wir seit Monaten eine nachrichtendienstliche Operation durchgeführt. Diese hatte zum Ziel, weitere gerichtsverwertbare Beweise zu sammeln und Erkenntnisse über weitere Verbindungen zu erlangen.
Einem Soldaten wurde im Rahmen dieser Ermittlungen bereits die Ausübung des Dienstes untersagt.
Diese Operation mussten wir nun vorzeitig einstellen, weil Informationen hierüber in die Öffentlichkeit gelangt sind. Damit wurde die Operation kompromittiert und eine Fortsetzung ist ausgeschlossen.

Und bereits Mitte Januar hatte das Ministerium auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Benjamin Strasser weitere Zahlen genannt:

Das Bundesamt für den militärischen Abschirmdienst hat im Zeitraum 1. Januar 2016 bis zum 29. November 2019 1.256 Verdachtsfallbearbeitungen in allen Statusgruppen im Phänomenbereich Rechtsextremismus inkl. Reichsbürger und Selbstverwalter aufgenommen.
Seit 2016 wurden zum Stichtag 18. Dezember 2019 insgesamt 147 gerichtliche Disziplinarverfahren gegen Soldatinnen und Soldaten mit rechtsextremistischem Bezug eingeleitet.
Seit 2016 wurden zum Stichtag 18. Dezember 2019 insgesamt 57 einfache Disziplinarmassnahmen gegen Soldatinnen und Soldaten wegen Dienstvergehen mit rechtsextremistischem Bezug verhängt.

Die Aufschlüsselung nach Dienstgradgruppen:

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, nahm am (heutigen) Montag in einem Interview des Deutschlandfunks zu den jüngsten MAD-Zahlen Stellung und ging dabei auch auf das KSK ein:

Das Risiko besteht, wenn man abschottet und wenn man dieses Bewusstsein, dass hier die Härtesten der Harten ausgebildet werden, nicht begleitet mit einer Thematisierung von Gefahren, die das auch für den Einzelnen haben kann. Einzelne im KSK haben offenbar die Vorstellung gehabt, dazu gehört dann auch was besonders hartes Politisches, und was die dann so für hart halten, das ist Nazi-Musik, und das ist nicht das KSK. Das sind nicht die vielen da. Aber es sind zu viele! Es sind zu viele Einzelne, die falsch interpretieren, was man von ihnen erwartet.

Am (morgigen) Dienstag wird der Wehrbeauftragte seinen aktuellen Jahresbericht vorstellen – und voraussichtlich, wie in den vergangenen Jahren, auch etwas zum Thema Rechtsextremismus in der Bundeswehr sagen. Bislang ist das ja die einzige zusammenhängende öffentliche Darstellung zu diesem Thema. Aber das soll sich ändern: In seinem Interview kündigte der MAD-Präsident an, dass er in diesem Jahr erstmals einen Tätigkeitsbericht seines Amtes veröffentlichen wolle.

(Ich weiß, dass es inzwischen formal das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst ist und damit als Akronym BAMAD heißen müsste. Aber hier ist keine Zweigstelle der Truppeninformation; deshalb bleibe ich bei dem eingeführten und bekannten Kürzel MAD.)

(Archivbild Juni 2019: Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr üben für den Tag der Bundeswehr in Pfullendorf vor – Jana Neumann/Bundeswehr)