Sicherheitsüberprüfung für neue Rekruten: In zwei Jahren 60 Bewerber abgelehnt
In den vergangenen Jahren ist Bewerbern für den Dienst in der Bundeswehr in 60 Fällen die Ausbildung an Kriegswaffen untersagt und damit ein Dienstantritt als Soldat praktisch verwehrt worden. Von Juli 2017 bis Juni 2019 gab es rund 44.000 so genannten Soldateneinstellungsüberprüfungen, bei denen diese Interessenten aussortiert wurden. Diese Zahlen nannte der Militärische Abschirmdienst (MAD) im Zusammenhang mit der Evaluierung der vor zwei Jahren gesetzlich eingeführten Sicherheitsüberprüfung aller neuen Rekruten, die am (heutigen) Mittwoch dem Bundeskabinett vorgelegt wurde.
Die Routine-Sicherheitsüberprüfung neuer Soldaten schon vor ihrer Einstellung war mit einer Änderung des Soldatengesetzes im Juli 2017 neu eingeführt worden. Der MAD hatte bereits 2015 vor einer Unterwanderung der Truppe durch militante Islamisten gewarnt; im Januar 2016 hatte das Verteidigungsministerium eine entsprechende Gesetzesänderung angekündigt. Zuvor war die Überprüfung der Bewerber für den Dienst in der Bundeswehr erst nach ihrem Dienstantritt zulässig. Die Überprüfung gilt auch für Ungediente, die Reservisten werden wollen. Vor einem Jahr hatte der MAD von elf Fällen berichtet, in denen Bewerber die Waffenausbildung versagt wurde.
Nach Angaben des MAD wurden bei den Überprüfungen der rund 44.000 Männer und Frauen, die den Dienst in der Bundeswehr antreten wollten, die Bewerber in den etwa 60 Fällen aus sehr unterschiedlichen Gründen abgelehnt: Dabei seien politische Extremisten ebenso herausgefiltert worden wie Bewerber, bei denen eine Verbindung zur Gewaltkriminalität angenommen wurde.
Die 2017 eingeführte Überprüfung unterscheidet sich von der üblichen Sicherheitsüberprüfung: Bei der geht es um den Zugang zu Verschlusssachen; außerdem wird geprüft, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass Soldaten in technischen Bereichen Sabotage betreiben könnten. Die Überprüfung bereits vor der Einstellung regelt dagegen formal nur, ob neuen Soldaten eine Ausbildung an der Waffe untersagt werden sollte – was natürlich praktisch bedeutet, dass sie nicht Soldat werden können.
Die gering erscheinende Zahl von 60 Fällen mache allerdings nicht deutlich, dass die Neuregelung auch präventiven Charakter habe, sagte ein MAD-Sprecher. Interessenten, die mit einer Ablehnung rechnen müssten, würden vorn vorherein abgeschreckt, sich für den Dienst zu bewerben.
(Archivbild Juni 2019: Auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz)
Die Einstellungsüberprüfung soll bis sechs Wochen nach Dienstantritt abgeschlossen sein, im Idealfall natürlich vorher. Waffenausbildung ist möglich (Theorie (Schießlehre -?), „Zerlegen und Zusammensetzen“), allerdings kein taktisches Bewegen/Verhalten oder Schießen.
https://www.bundeswehr.de/de/organisation/weitere-bmvg-dienststellen/mad-bundesamt-fuer-den-militaerischen-abschirmdienst/sicherheitsueberpruefung-bundeswehr-mad
Die Erklärung über ELSE kann man sogar online von zu Hause aus erledigen; theoretisch wenigstens.
Alles ein alter Hut. Während der Zeit des Kalten Krieges bis Anfang der 90er Jahre wurde jeder Soldat einschließlich der Wehrpflichtigen vor Eintritt in die Bundeswehr sicherheitsüberprüft durch den MAD und z. T. durch die Polizei / Landesamt für Verfassungssschutz.
ZEIT Online meldet eine – aus meiner Sicht doch recht hohe – Zahl an Ermittlungen des MAD gg. Sdt im Dienst:
„Militärgeheimdienst ermittelte gegen 208 Bundeswehroffiziere – Der MAD hat in den vergangenen vier Jahren offenbar zahlreiche Rechtsextremismusvorwürfe in der Bundeswehr geprüft. Betroffen waren Soldaten, aber auch einige Offiziere.“
Weitere Zahlen im Artikel.
[Ist ursprünglich eine Meldung des RND, Link ebenso aus bekannten Gründen nicht. Ich bemühe mich um das Original der Antwort der Bundesregierung auf die entsprechende parlamentarische Anfrage; kann aber noch was dauern. T.W.]
Ich hätte zu diesen Überprüfungen ein paar Fragen, vielleicht kann diese ja hier jemand beantworten:
1. Um wie viele Wochen oder Monate verzögert sich die Einstellung bzw. die Bewerbungsverfahren, im Vergleich zu der Zeit, wo erst nach Dienstantritt die Sicherheitsüberprüfung erfolgen konnte?
2. Wird die Ablehnung des Waffendienstes den Betroffenen mitgeteilt und können diese deshalb dagegen klagen oder wird der Ablehnungsgrund den Betroffenen verheimlicht?
3. Ein Reichsbürger lässt sich noch relativ leicht feststellen, aber was gilt als Rechtsextremist? Ein Rechtsextremist ist eigentlich ein Staatsfeind, der das GG ablehnt. Und wie wird der Rechtsextremist vom Rechtsradikalen unterschieden, der am Rande, aber noch nicht außerhalb der Verfassung steht? Zudem hat der MAD seit Jahrzehnten keinen guten Ruf und deshalb halte ich es sowohl für möglich, daß der MAD auf dem rechten Auge blind ist, wie auch, daß dieser überreagiert, um seine Existenz durch aufgebauschte Zahlen zu rechtfertigen.
@Thomas Melber: Schöne Überschrift, Ermittlungen gegen 208 Soldaten, aber damit wird heruntergespielt, daß die Zahlen sich tatsächlich auf 3 1/2 Jahre beziehen. Es wirkt also mal wieder als Anti-BW Hetze! Und mit welchem Recht wird die BW mal wieder verteufelt, obwohl mit der AfD Rechtsextremisten in unseren Parlamenten sitzen und die Pegida nicht verboten ist??
@Closius
Die Zahl 208 bezieht sich nur auf die Offiziere, insgesamt waren es über 1.100 (die Summe im Artikel ist da nicht ganz eindeutig), sowie über 80 Zivilbeschäftigte (208 / 425 / 531 + 83).
Zur Abgrenzung „radikal“ / „extrem“ gibt es eine Erläuterung des VS:
https://www.verfassungsschutz.niedersachsen.de/extremismus/extremismus—begriffserlaeuterungen-54196.html
https://verfassungsschutz.brandenburg.de/cms/detail.php/lbm1.c.336441.de
Eine Einstellung ohne abschließendes Ergebnis der SÜ ist regelmäßig möglich, jedoch sollte die Überprüfung dann sechs Wochen nach Aufnahme des Dienstes abgeschlossen sein. In dieser Zeit wird auch nicht „taktisch“ an der Waffe ausgebildet, das gilt aber wohl für alle Neueinsteller. Danach wird es dann natürlich schwierig.
Gegen die Entscheidung des BAMAD bzw. des Geheimschutzbeauftragten / Entlassung kann natürlich geklagt werden, wobei die Erfolgsaussichten eher gering sind (ich möchte nicht sagen „Null“).
Die Einstellungsüberprüfung und die erforderlichen Abfragen erfolgen quasi automatisiert, so daß in den meisten Fällen ein Ergebnis kurzfristig vorliegt. Die schwierigen Fällen werden natürlich dann händisch weiter bearbeitet. In den meisten Fällen genügen dann jedoch entsprechende Auflagen, z.B. bei Verbindungen in Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken (SMBS).
Nota: MAD > jetzt: BAMAD
@ Closius sagt:
18.01.2020 um 10:36 Uhr
„Es wirkt also mal wieder als Anti-BW Hetze! Und mit welchem Recht wird die BW mal wieder verteufelt,…“
Mir ist komplett schleierhaft woraus Sie nun diese Schlussfolgerungen ableiten.
Wird das Prüfergebniss, also die Nichteignung zur Ausbildung an der Waffe wegen schwerwiegender Bedenken, auch an weitere Stellen kommuniziert?
Zum Beispiel wäre die zuständige Waffenbehörde sicherlich interessiert an solcherlei Recherche. Nicht, dass wir den teilradikalisierten Bewerber einige Zeit später als Mitglied eines Schützen- oder Jadgvereines mit der Lizenz zum bewaffneten Reichsbürgertum wiedersehen…
@Willy sagt: 16.01.2020 um 20:34 Uhr
„Alles ein alter Hut. Während der Zeit des Kalten Krieges bis Anfang der 90er Jahre wurde jeder Soldat einschließlich der Wehrpflichtigen vor Eintritt in die Bundeswehr sicherheitsüberprüft durch den MAD und z. T. durch die Polizei / Landesamt für Verfassungssschutz.“
Ist das so? Ich denke nicht. Das wäre dann auch rechtswidrig gewesen. Und mit Blick auf die Zahlen auch gar nicht zu leisten gewesen.
Zudem fehlte auch damals schon der Polizei hierzu jegliche Zuständigkeitkeit.
Auch eine Zuständigkeit des Verfassungsschutzes (egal ob jetzt Länder oder Bund) „bis Anfang der 90er“ möchte ich einmal nachgewiesen sehen.
@Thomas Melber sagt: 18.01.2020 um 11:30 Uhr
„Nota: MAD > jetzt: BAMAD“
Nope. BAMAD ist lediglich die den MAD leitende Bundesoberbehörde. Hinzu kommt noch der dem BAMAD nachgeordnete Bereich.
@Stöber sagt: 20.01.2020 um 16:42 Uhr
„Wird das Prüfergebniss, also die Nichteignung zur Ausbildung an der Waffe wegen schwerwiegender Bedenken, auch an weitere Stellen kommuniziert?“
Rechtsgrundlage?