Deutscher NATO-Admiral beklagt mangelhafte Infrastruktur in Deutschland – nicht nur fürs Militär

Der deutsche Admiral Manfred Nielson, einer der ranghöchsten Bundeswehrsoldaten in der NATO, hält die Infrastruktur in Deutschland für Truppenverstärkungen des Bündnisses schon bei Übungen für unzureichend. Das Land habe sich um seine Straßen, Brücken und Schienentransporte auch jenseits militärischer Bedürfnisse in den vergangenen Jahren zu wenig gekümmert, sagte der stellvertretende Chef des NATO-Hauptquartiers Allied Command Transformation (ACT) in einem Interview der Welt (Link aus bekannten Gründen nicht, Text hinter Paywall).

Nielson verwies auf die geplante NATO-Großübung Steadfast Defender im Jahr 2021,  bei der mehr als 10.000 US-Soldaten mit rund 1.100 gepanzerten und ungepanzerten Fahrzeugen per Schiff in mehreren europäischen Häfen ankommen und dann weiter nach Osteuropa verlegt werden sollten. Das militärische Großgerät, mit dem wir heute Panzer und andere Fahrzeuge transportieren, ist schwerer geworden, warnte der Admiral. Ich habe die Sorge, dass viele unserer Straßen und Brücken diesen Belastungen nicht gerecht werden. Hier rächt sich, dass wir uns mehr als 20 Jahre um solche Aufgaben nicht ausreichend gekümmert haben. Wir haben eine Infrastruktur, die auch jenseits militärischer Bedürfnisse teilweise wirklich miserabel ist.

Neben den Problemen mit der Infrastruktur seien auch die Regelungen und Absprachen nach wie vor überarbeitungsbedürftig, klagte Nielson. Schon ein Transport schweren militärischen Geräts von Nord- nach Süddeutschland innerhalb von 30 Tagen gelte als schnell, weil jedes betroffene Bundesland die Transporte genehmigen müssen. Auch die Bahn sei nicht auf schnelle Verlegungen eingestellt: Wenn wir mit nur fünf Tagen Vorwarnzeit Panzer und Fahrzeuge innerhalb Deutschlands transportieren wollen, kann die Bahn dies derzeit nicht leisten. Die Bahn braucht dafür im Regelfall 36 Tage Vorlaufzeit.

Der Admiral verwies darauf, dass die Allianz diese Probleme derzeit im Zuge der Planungen für die NATO-Speerspitze, die Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) angehe. (Anmerkung am Rande: Ein nächster Test dafür wird die Anfang Juni anstehende Verlegung der unter deutscher Führung stehenden aktuellen VJTF-Brigade von Sachsen nach Polen.)

Als größtes Defizit des Bündnisses nannte Nielson allerdings die Abkopplung der militärischen Entwicklung von den Entwicklungssprüngen im zivilen Bereich: In Zeiten von künstlicher Intelligenz, Big Data sind private Unternehmen schneller, effektiver, flexibler als wir. Amazon und Google geben den Takt vor, nicht die NATO.  Wenn die Allianz von neuen Technologien profitieren wolle, müssen wir schneller werden und die sich bietenden Chancen in den militärischen Bereich integrieren.

Solchen schnelleren Prozessen stehe aber schon die derzeitige Arbeitsweise der NATO entgegen: Bisher aber lieben wir unsere Prozesse und Verfahren, klagte Nielson. Als einen solchen Prozess nannte er auch das Einstimmigkeitsprinzip der Allianz: Das raubt der NATO Zeit und Stärke. Allerdings ging der Admiral im Detail auf mögliche Alternativen zu diesem Einstimmigkeitsprinzip nicht ein.

(Foto: Nielson bei der NATO-Großübung Trident Juncture in Norwegen im Oktober 2018 – Rob Kunzig/NATOChannel)