Vor 20 Jahren: Der erste Kriegseinsatz der Luftwaffe in der NATO
Vor 20 Jahren, am 24. März 1999, startete die erste Angriffswelle der NATO gegen Ziele in Serbien. Die Allianz wollte damit einen Rückzug serbischer Truppen aus der damaligen serbischen Unruheprovinz Kosovo erzwingen; die Luftangriffe richteten sich aber nicht zuletzt gegen Infrastruktur in Serbien selbst. An der Operation Allied Force war auch die Bundeswehr mit ihrem ersten scharfen Einsatz der Luftwaffe beteiligt.
Der meist – nicht ganz zutreffend – als Kosovo-Krieg bezeichnete Einsatz hat bis heute politische Nachwirkungen. Nicht nur, weil nach wie vor die NATO-geführte KFOR-Mission im inzwischen unabhängigen Kosovo aktiv ist. Sondern vor allem, weil sich das Bündnis für diese Luftangriffe ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrats selbst mandatiert hatte. Dieser Krieg der NATO wird bis heute nicht zuletzt von Russland als Beispiel dafür herangezogen, dass die westliche Seite sich selbst nicht an die Forderung hält, nur von den Vereinten Nationen legitimiert militärische Gewalt anzuwenden.
Teil der ersten Angriffswelle, so berichtete die (nicht mehr existierende) Truppenzeitschrift Luftwaffe damals (s. Ausriss oben), waren vier Tornados in der Electronic Combat Reconaissance (ECR)-Variante: Mit ihren HARM (High Speed Anti Radiation Missile)-Raketen hatten sie die Aufgabe der Suppression of Enemy Air Defense (SEAD), der Unterdrückung der gegnerischen Luftverteidigung.
Die Darstellung der deutschen Mission auf der Luftwaffen-Webseite:
Der Auftrag der ECR–Tornados war es, alliierte Luftfahrzeuge zu schützen, indem die gegnerische bodengebundene Luftverteidigung erfasst, identifiziert und ausgeschaltet wurde. Die ECR-Tornados mussten deshalb vor allen anderen Flugzeugen in den gegnerischen Luftraum einfliegen. Die Tornados erledigten diese Aufgabe überaus effektiv. Es gab weder eigene noch alliierte Verluste während Operationen die durch ECR- Tornados geschützt wurden.
Über den gesamten Zeitraum der Operation „Allied Force“ wurden insgesamt 236 HARM-Raketen ( High Speed Anti-Radiation Missile) eingesetzt. Beim Einsatz der HARM-Raketen muss der ECR-Tornado zuerst die sendenden Radarstationen am Boden aufspüren. Wird ein „Sender“ als Bedrohung identifiziert, kann er mit der HARM bekämpft werden. Dieser etwa 360 Kilogramm schwere Flugkörper arbeitet weitestgehend autonom, indem er die Radarsignale erfasst, lokalisiert und sich dann selbstständig auf dem vom Boden ausgehenden Radarstrahl ins Ziel lenkt. Die Ergebnisse der taktischen Aufklärungsflüge durch den RECCE-Tornado verbesserten Zielauswahl, Planung und Durchführung der Einsatzflüge und trugen somit deutlich zum Erfolg der Einsätze bei.
(Nach meiner Erinnerung wurde sonst die Zahl von 235 eingesetzten HARM genannt; das kann ich derzeit aber nicht klären.)
Über mögliche so genannte Kollateralschäden der NATO-Kampagne insgesamt gab es immer wieder Berichte, gerade über Opfer in der Zivilbevölkerung. Inwieweit auch Raketen der deutschen Tornados dazu beigetragen haben, bleibt offen. Meldungen, nach denen eine von einem deutschen Kampfjet abgefeuerte HARM ihr Ziel, eine gegnerische Radarstellung, verfehlte und im Nachbarland Ungarn einschlug, wurden offiziell nicht bestätigt.
Die Bundeswehrbeteiligung an diesem Kriegseinsatz war eine Entscheidung der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit dem Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), die zu diesem Zeitpunkt noch kein Jahr im Amt war.
Der Diplomat Wolfgang Ischinger, heute Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und damals Staatssekretär im Auswärtigen Amt, hält die Entscheidung unverändert für gerechtfertigt:
Heute vor 20 Jahren:Nato Intervention in Kosovo. War das völkerrechtlich problematisch: ja, in der Tat. Sehr! War es dennoch politisch/ethisch zu rechtfertigen? Ja, es war gut, dass SPD/Gruene dazu imstande waren, und ja: es war unumgänglich. Dazu stehe ich als damaliger AA-StS
— Wolfgang Ischinger (@ischinger) March 24, 2019
Wie unterschiedlich und umstritten die politische Bewertung des Vorgehens der NATO bis heute ist, zeigt exemplarisch die recht unterschiedliche Darstellung in der englischen und in der deutschen Version der Wikipedia. Aus dem englischen Text:
The bloodshed, ethnic cleansing of thousands of Albanians driving them into neighbouring countries, and the potential of it to destabilize the region provoked intervention by international organizations and agencies, such as the United Nations, NATO, and INGOs. NATO countries attempted to gain authorisation from the United Nations Security Council for military action, but were opposed by China and Russia that indicated they would veto such a proposal. NATO launched a campaign without UN authorisation, which it described as a humanitarian intervention. The FRY described the NATO campaign as an illegal war of aggression against a sovereign country that was in violation of international law because it did not have UN Security Council support.
Dagegen die deutsche Version:
Operation Allied Force (OAF, ungefähre Übersetzung: „Unternehmen Bündnisstreitmacht“) war der Deckname einer militärischen Operation der NATO gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien, die sie im Rahmen des Kosovokrieges vom 24. März bis 10. Juni 1999 durchführte. Die im Wesentlichen von den Vereinigten Staaten geführte Militäroperation war der erste Krieg, den die NATO sowohl außerhalb eines Bündnisfalls, dessen Ausrufung bis dahin als Grundlage eines NATO-weiten Vorgehens galt, als auch ohne ausdrückliches UN-Mandat führte und stellte somit einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg dar.
Die NATO konzipierte die Operation in Form eines Luft-Boden-Krieges, den sie ohne weitläufige Gefährdung eigener Truppen ausschließlich über die militärtechnische Nutzung weltraum- und luftgestützter Methoden führte.
Die Beziehungen der einstigen Kriegsgegner NATO und Serbien haben sich zwar grundlegend gebessert, das Balkanland ist auch Mitglied im Partnership for Peace-Programm der Allianz. Dennoch bleibt die rechtliche Grundlage für den damaligen Luftkrieg ein Punkt, an dem das Bündnis politisch angreifbar ist.
Aus militärisch-technischer Sicht ist interessant, dass die Luftwaffe damals mit ECR-Tornado und HARM auf dem technischen Stand der Zeit war – aber 20 Jahre später nicht so viel weiter ist. Auf der Liste der Rüstungsprojekte, die als so genanntes 25-Millionen-Vorhaben noch in diesem Jahr vom Haushaltsausschuss des Bundestages gebilligt werden sollen, steht deshalb auch der Fähigkeitserhalt SEAD: Dafür ist die Umrüstung vom Lenkflugkörper HARM auf eine modernere Konfiguration geplant. Vorerst soll aber auch dafür noch der Tornado genutzt werden – so lange es keinen Nachfolger gibt.
Fürs Archiv:
Luftwaffe 5/99: Der Ernstfall hat eine ganz andere Qualität
Geschichte der Luftwaffe: Beginn der NATO-Luftoperation „Allied Force“
(Foto: Flugblatt der NATO 1999 – via Wikipedia)
Die friedensethische und völkerrechtliche Frage ist natürlich weiterhin ungelöst.
Es stellen sich nach wie vor die gleiche Frage. Was ist zu tun, wenn sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen durch wechselseitige Blockade lähmt, also nicht entschieden wird, und die Verletzungen der universal gültigen Menschenrechte – wo auch immer – weitergeht. Beispiele dafür sind genügend aktuell. Kann es so etwas, darf es so etwas, wie eine Selbstlegitimierung eines (militärischen) Gewalteinsatzes „aus Gründen der Humanität“ geben? Was ist zu tun, wenn niemand was tut?
Grundlage des Problems ist offensichtlich die mangelhafte Gestaltung des Sicherheitsrates. Eine Reform wäre dringend erforderlich. Wird aber natürlich durch die Mitglieder des Sicherheitsrates selbst blockiert, die nicht auf ihre Macht verzichten wollen. Ein ärgerliches Erbe des zweiten Weltkriegs, das möglicherweise nie ganz beseitigt werden wird.
Gab es nicht auch eine Präsentation von gefälschten Beweisen und die Teilnahme auf Seiten der UCK durch ehemalige BW-Soldaten (die das jedenfalls in einschlägigen Foren behaupten)?
[Am Luftkrieg? Schwer vorstellbar. Die Debatte über den Anlass für den Luftkrieg wie den späteren Bodeneinsatz wird auch dazu gehören – aber dann bitte auf solider Quellenlage und nicht so… Das wird ohnehin noch lustig, wenn der Propagandakrieg von damals mit den Mitteln von heute fortgeführt wird. T.W.]
@Alex
Das mit den ehemaligen Bundeswehr Soldaten ist gar nicht so abwägig.
Immerhin gab es noch die Wehrpflicht und somit auch genügend ehemalige BW Soldaten.
Ich war selber 99 in Prizren und habe auf dem Weg dorthin mit einigen deutschen UCK Angehörigen gesprochen, die extra aus Deutschland kamen und ihren Urlaub mit Kämpfen verbrachten.
Die NATO hat damals alles richtig gemacht. Sie hat einen Krieg in Europa beendet und Ruhe in ein Pulverfass gebracht.
Hoffe die Frage ist nicht zu OT:
Was ist denn mit besserer Konfiguration für HARM gemeint? Kann man die auf die neuere AARGM- Variante upgraden oder will man hier eine nationale Lösung entwickeln?
@Tobias | 24. März 2019 – 13:29
„Das mit den ehemaligen Bundeswehr Soldaten ist gar nicht so abwägig.“
Es geht hier um den Luftkrieg der NATO-Staaten gegen SRB&MNE wie soll sich hieran denn ein ehemaliger Wehrpflichtigen beteiligt haben? Welchen Anteil hatte die UCK überhaupt am Luftkrieg?
An der unterschiedlichen Darstellung des englischen und des deutschen Textes aus Wikipedia sieht man sehr schön, wie die Darstellung aus politischen Gründen gefärbt sein kann. Es kommt eben immer auf die Absicht des Autors an.
Selbst der Militärbischof hielt den Einsatz für gerechtfertigt, wie er in einem Artikel in der ZEIT damals geschrieben hat, in dem man die internationalen Menschenrechte zum Subjekt des Völkerrechtes erhebt. Man darf nicht vergessen, der Völkermord von Screbrenica war 4 Jahre vorher und es hat entsprechend lange gedauert bis sich Europa und die USA zu einem Eingreifen entschlossen. Die Vertreibung der albanischen Bevölkerung aus dem Kosovo war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Ich halte den Einsatz bis heute für gerechtfertigt, auch wenn es effektivere und schnellere Methoden gegeben hätte die Serben zur Aufgabe zu bewegen.
Der Kommodore vom damaligen Jagdgeschwader 74 „Mölders“ schrieb in der Geschwaderzeitung, hätte man flussabwärts von Serbien den Transportweg auf der Donau blockiert, z.B. indem man ein Schiff in der Fahrrinne versenkt hätte, dann wäre der Nachschub an Benzin in Serbien ausgeblieben. Das die Serben solange durchgehalten haben, lag am illegalen Nachschub an Benzin aus Mazedonien und Griechenland.
Die verwendeten HARM waren damals noch ohne GPS-Navigationssystem ausgerüstet, d.h. die Serben waren schlau und haben ihrer Radargeräte nur kurz eingeschaltet und dann wieder schnell ausgeschaltet. Die Missile konnte die Stellung dann nicht zerstören aber wie der Name SEAD schon sagt, wurde die Luftabwehr effektiv unterdrückt, weil sie ihre Luftabwehrraketen nicht zum Einsatz bringen konnten.
@Koffer + Tobias
VB in der UCK. In den deutschen Artilleriebattalionen und in der Korpsartillerie wurden genügend VB´s mit deutscher Staatsangehörigkeit und jugoslawischer Herkunft hervorragend ausgebildet.
zulu1975
@Koffer
Die paramilitärische UCK kämpfte im Ursprung ab 1996 als Guerilla, wurde praktisch aber NATO- Verbündeter dergestalt, dass die strategische Absicht, nämlich Zerschlagung der SRB Kräfte, identisch war.
Eine unmittelbare Mitwirkung an Luftkriegsoperationen kann es mangels Einsatzmitteln nicht gegeben haben.
Die Beteiligung im Zuge von ND-Tätigkeit, unmittelbarer taktischer Zielaufklärung/Targeting sowie BDA ist denkbar. Sicher ist, dass via ALB NATO zur UCK Verbindung hielt.
@Tobias
Ihre „deutschen UCK Angehörigen“ waren Deutsche, Pass-Deutsche bzw. kosovarische oder andere Flüchtlinge des damaligen YUG Vielvölkerstaates ohne DEU Pass/Personalausweis?
[Ich vermute mal zu Ihren Gunsten, dass Sie Deutsche von Geburt an oder Eingebürgerte meinen. Und nein, eine Debatte über die von Ihnen verwendete merkwürdige Begrifflichkeit führen wir hier jetzt nicht. T.W.]
@T.W.
Genau die meine ich.
@zulu1975 | 24. März 2019 – 16:35
„VB in der UCK. In den deutschen Artilleriebattalionen und in der Korpsartillerie wurden genügend VB´s mit deutscher Staatsangehörigkeit und jugoslawischer Herkunft hervorragend ausgebildet.“
Naja für eine AB, der in der Lage war Luftschläge zu leiten bzw. qualifiziertes BDA durchzuführen musste man ja schon gewesener UMP sein. Von daher schränkte sich da der Kreis sehr ein…
Denkbar wäre es im einzelfall natürlich schon, aber haben Sie Belege, dass es auch vorgekommen ist?
@Georg
Wie können Sie den Einsatz für gerechtfertigt halten,
wenn es doch effektivere und schnellere Methoden gegeben hätte die Serben zur Aufgabe zu bewegen.
Die NATO hätte es schon alleine auf Grund Artikel1-4 NATO Vertrag nicht tun dürfen, wenn es weniger blutige Alternativen gegeben hätte.
@Zimdarsen
Hätte vs „hat“, Beweise?
@ Zimdarsen
Das der Krieg an sich gerechtfertigt war nach Srebrenica und dem Versagen der UN inklusive der niederländischen Blauhelme steht für mich außer Frage.
Bei einem Krieg kommt es darauf an Verbündete zu gewinnen. Die Donau zu blockieren war eben nicht mehrheitsfähig in der NATO. Das Schema der Allierten in Punkto Luftkrieg kennen wir doch seit 1999 noch viel genauer, wobei es hier ja nicht um INTERDICTION ging, sondern darum den Serben soviel wie möglich volkswirtschaftlichen Schaden zuzufügen, (Zerstörung von Brücken, Kraftwerken und natürlich Soldaten und ihrer Ausrüstung), dass sie nicht mehr in der Lage und willens waren im Restjugoslawien Krieg zu führen.
Viel interessanter finde ich die Frage warum Griechenland den Schmuggel von Benzin von ihrem Territorium aus nach Serbien nicht wirksamer verhindert hat, immerhin ein NATO-Partner ?
Mit einer gewissen Analogie zur Türkei, ebenfalls ein NATO-Partner, die vom IS erobertetes Erdöl und raffiniertes Benzin angkauft haben und damit die Herrschaft des IS im Irak verlängert haben :-(
Interessante Perspektive dazu – ein Rückblik aus US-Sicht:
The Kosovo War in Retrospect
Herr Wiegold, der Artikel gefällt mir. Das sie zum Abschluss fast beiläufig noch den derzeitigen Rüststand 20 Jahre später erwähnen spant den Bogen zur aktuellen Debatte zum Verteidigungshaushalt. 1999 lagen die Ausgaben übrigens bei 1.4 Prozent des BIP, Quelle statista.com.
Das mit dem Harm-Raketen ist typisch für die BW. Man hat mal eine Fähigkeit, die man dann stillschweigend verrotten lässt, ansttatt rechtzeitig neue Raketen zu bestellen, die auch ausgeschaltete Radarstellungen noch bekämpfen können.
Aufgrund der russischen Bedrohung und deren Flugabwehrsystemen, z.B. in Königsberg, müssten wir die Raketen schon seit 2014 spätestens haben, haben aber mangels Generalstab ist die BW offensichtlich nicht in der Lage, für Kriege und Krisen vorauszuplanen und rechtzeitig neue Waffensysteme zu beschaffen.
Allerdings halte ich die Behauptung in der Überschrift, über den angeblich ersten Kriegseinsatz der Luftwaffe vor 20 Jahren in Serbien, für eine Falschbehauptung.
Denn der erste Tornado-Einsatz, Aufklärung und mit Harm-Raketen war bereits 1995 in Bosnien.
[Beim Begriff „Falschbehauptung“, die mir hier unterstellt wird, werde ich ein bisschen, nun, ungnädig. Bitte unverzüglich den Beleg für den scharfen Einsatz der HARM in Bosnien nachliefern. Danke. T.W.]
VB, AB, BDA, ND-Tätigkeit, UMP…???
Versucht doch mal mit weniger Abkürzungen auszukommen oder zumindest einmal im Kommentarfaden eine Abkürzung auszuschreiben.
Bsp.
… Unteroffizier mit Portepee (UmP) … bla bla bla … UmP … bla bla
Das Problem ist wirklich wie angesprochen der Sicherheitsrat mit den Vetomöglichkeiten.
Ich glaube gerade beim Thema Kosovo kann man mit Fug und Recht beide Seiten (der Einsatz war richtig oder falsch) einnehmen, weil er einfach Leben gerettet hat, aber auch die Büchse der Pandora geöffnet hat.
@Alex
Sie meinen wahrscheinlich den Film „Es begann mit einer Lüge“ vom ARD.
https://www.youtube.com/watch?v=WkLOLdfZaJo
@Klaus-Peter Kaikowsky
Das war auf die Antwort auf die Feststellung von Georg und die Grundlage NATO-Vertrag. Dieser ist im Internet einsehbar.
Welche Beweise wollen Sie da von mir?
748.
Die NATO hat 748 HARMs gegen die Serben eingesetzt. Ausbeute: Die stationären SA-3 Systeme wurden praktisch alle zerstört. Von den mobilen SA-6 lediglich ein Drittel.
Die Serben zogen sich auf ihr Territorium zurück, nach der Fehlkalkulation ihrer Führung, daß der Bodenkrieg binnen weniger Tage beginnen würde. Ab Beginn der Rückzugsbewegung erlitten die bis dahin unbeeinträchtigten serbischen Bodentruppen Verluste. Vorher praktisch nicht.
Der strategische Preis für den NATO-Erfolg war hoch:
Eine F-117 wurde abgeschossen und Teile davon an China verkauft, womit die Chinesen praktischen Einblick in den damaligen Stand der US-Stealthtechnologie bekamen. Inzwischen haben die Chinesen eigene Stealth-Kampfflugzeuge und Anti-Stealth-Radartechnik.
Der Waffengang entleerte die Arsenale der europäischen NATO-Staaten, die nach dem Kosovo-Krieg nie wieder auf den vorherigen Stand aufgefüllt wurden. Das Ergebnis konnte man etwas Später im Libyen-Krieg sehen: Frankreich und GB waren gemeinsam nicht mehr in der Lage, einen Drittweltstaat aus eigener Kraft militärisch niederzuringen und mußten die USA um Hilfe bitten.
Wegen der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad wurden US-Luftangriffe weltweit zunächst stark eingeschränkt, wodurch bin Laden aus AFG nach PAK entkommen konnte.
Es wurde mit dem nicht UN-konformen Angriff der NATO und dem später folgenden Kosovo-Referendum ein Fait accompli geschaffen, auf das sich andere Großmächte politisch beziehen. Das Krim-Referendum sei genannt.
Mit dem Kosovo entstand in Südeuropa ein Failed State, dessen Hauptwirtschaftszweig die Organisierte Kriminalität ist; mit allen Implikationen für die EU-Staaten (die ja auch NATO-Mitglieder sind).
Ob es das alles wirklich wert war ist die große Frage.
@Zimdarsen
Beweise, eigentlich keine. Das ist die Fahrradkettengeschichte.
@Closius | 24. März 2019 – 20:05
Viel Spaß mit HARMs in Königsberg. Dort stehen 2 S-300 Systeme und 6 S-400 Systeme. Das sechste ist gerade letzte Woche dort ans Netz gegangen. Die S-300er und S-400 betreiben aktive Nebenkeulenunterdrückung, und die HARMs orientieren sich halt an den Nebenkeulen. Dazu hat die HARM nur eine Reichweite von 150 km, was den Einsatz gegen S-400er für das Trägerflugzeug ..interessant gestaltet. Außer der Rafale B hat noch kein europäisches Luftfahrzeug nachgewiesen, daß es zumindest gegen eine S-300 überlebensfähig ist, und das waren schon ältere S-300er im NATO-Bestand, nicht die Endversion. Und dann sind da noch die anti-PGM-tauglichen Kurz- und Mittelstreckensystemen in Kaliningrad. Wie gesagt: Interessantes Szenario mit den HARMs, aber wohl eher recht einseitig.
@Abkürzungsfimmel | 24. März 2019 – 20:19
„Versucht doch mal mit weniger Abkürzungen auszukommen oder zumindest einmal im Kommentarfaden eine Abkürzung auszuschreiben.“
Ungewöhnliche oder seltenen Abkürzungen sollten in der Tat zunächst eingeführt werden. Standardabkürzungen darf man mEn allerdings in einem sicherheitspolitischen Fachblog von den Lesern durchaus erwarten.
Zugegebenermaßen ist AB/VB aber heutzutage nicht mehr so üblich ;)
Also: Artilleriebeobachter (AB), vorgeschobener Beobachter (VB)
[Die Meinungen darüber, was eine „Standardabkürzung“ ist, gehen ziemlich weit auseinander… Und da Augen geradeaus! kein Rundschreiben der Truppeninformation ist, gilt weiterhin: Lieber einmal mehr ausschreiben als abkürzen. T.W.]
@Grashüpfer | 24. März 2019 – 18:39
„1999 lagen die Ausgaben übrigens bei 1.4 Prozent des BIP“
Also höher als heute ;)
Und man hatte noch Reserven aus früheren Jahren…
@Mitleser | 24. März 2019 – 21:42
Da sind aber mehr als nur ein oder zwei Spekulation, Behauptungen und Vermutung in Ihrem Kommentar zu finden ;)
@Koffer | 24. März 2019 – 22:01
Dann erleuchten Sie doch uns arme Unwissende, was Sie davon für Spekulation halten.
Alles, was da steht, läßt sich mit öffentlichen Quellen belegen.
Ok, wir versuchen, bei einem zivilisierten Umgangston zu bleiben. Deal?
Es gab 1999 keinen vernünftigen Grund, anzunehmen oder auch nur zu hoffen, ein zweites Srebrenica sei diesmal ausgeschlossen. Jedem, der Serbien in einer Opferrolle sehen will, sei gesagt, dass man Deutschland, Japan oder Italien auch angegriffen hätte, hätten sich diese Staaten 1949 angeschickt, mit derselben Rhetorik wie vier Jahre zuvor abermals Krieg zu führen.
@Mitleser
Interessante Analyse.
Ein Gedanke dazu: Dass Russland sich gerne auf den Kosovo-Krieg bezieht, um seine eigenen Waffengänge zu rechtfertigen, mag propagandistisch geschickt sein, heißt aber nicht, dass man den Kreml damit durchkommen lassen sollte. Zunächst einmal kamen zwischen 1992 und 1999 in den Balkankriegen an die 150000 Menschen um. Es geschahen die schlimmsten Kriegsverbrechen auf dem Kontinent seit 1945. Hier eine Parallelenziehung zu Georgien oder Krim zuzulassen wäre, als stellte man einen Mordversuch und ein Anrempeln auf ein und dieselbe Stufe.
Zweitens wird oft geflissentlich übergangen, dass die Russen ihrerseits 1999 so manche völkerrechtswidrige Intervention auf dem Konto hatten. Und sich, anders als die NATO, z.B. in Afghanistan nicht im Mindesten darum bemühten, die Zivilbevölkerung zu schonen.
Kurz gesagt, ich finde, man muss solchen Analogien entgegentreten.
@ Mitleser | 24. März 2019 – 21:42
„Ob es das alles wirklich wert war ist die große Frage.“
Das fragen Sie sich ernsthaft unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Völkermord der Serben an den Bosniaken zu dem Zeitpunkt noch keine vier Jahre her war? Ich hoffe doch stark, dass Sie in Anbetracht dieses Details zu einer positiven Antwort auf Ihre Frage gelangen!
@Klaus-Peter Kaikowsky
Nochmal, sie sind bei mir am Falschen.
Lesen Sie den Beitrag von Georg und Artikel 1-4 NATO Vertrag.
Meine Beweise sind alle veröffentlicht und können gelesen werden, es sind die Fakten zum Kriegsverlauf und Vorgeschichte dazu. Die Erzählung vom „sauberen“ Befreiungskampf der UÇK und NATO bleibt in jedem Fall eine Legende und weit weg vom NATO Vertrag.
Was man hätte besser machen können diskutieren sie am Besten mit @Georg ;-)
@Georg
Ich schrieb nirgends, dass ein Eingreifen nicht gerechtfertigt gewesen wäre und der Hinweis auf NATO Vertrag muss erlaubt sein, denn was da steht ist wie es ist.
Die Frage ist immer die nach der Verhältnismäßigkeit und wenn man betrachtet welches Spiel die USA, Deutschland, Griechenland und viele mehr im Hintergrund gespielt haben, kann man zum Schluss kommen das man Moglichkeiten zur Optimierung ausreichend hatte.
@muck | 25. März 2019 – 0:50
In Ihrer Entrüstung vermischen Sie die moralisch/menschenrechtliche Komponente, die letztendlich zur Entscheidung für einen NATO-Einsatz geführt hat, mit der rein rechtlichen Bewertung. Und das sind nun mal zwei verschiedene Paar Schuhe.
Ohne den Einsatz bewerten zu wollen, hat @Mitleser recht, verstößt der Einsatz gegen den NATO-Vertrag und geltendes Völkerrecht. Letztendlich sind die Serben nicht gegen einen anderen Staat vorgegangen, sondern haben Unruhen in ihrem Land bekämpft.
Das dieses höchstwahrscheinlich in Vertreibung und Völkermord ausgeartet wäre, ist eben teil der Bewertung, aber das ist die moralische Komponente, die auch im Syrienkonflikt immer wieder argumentiert wird. das ist völkerrechtlich schwierig.
Insofern wurde ein Präzedenzfall geschaffen, den sich andere Nationen eben zunutze machen.
Ihre Analogien hinken hier ganz stark. Russland wurde seinerzeit von der afghanischen Regierung um Hilfe gebeten. Folgt man Ihrer Argumentation, muß man auch die Einsätze der USA in Südkorea und Vietnam hinterfragen. Von den Israelis ganz zu schweigen.
@muck | 25. März 2019 – 0:50
@emdeema | 25. März 2019 – 1:26
Eben. Die 150.000 Todesopfer und der Völkermord waren bereits passiert, teilweise Jahre vorher. Was zu der Frage führt: Warum überhaupt eingreifen? Und falls ja: Warum erst jetzt und nicht schon Jahre früher, um die meisten Opfer zu vermeiden?
…
Der NATO-Einsatz war ja auch nicht verlustfrei für die Bevölkerung, sowohl die Serben als auch die anderen Völker. Das mit den „Präzisionsangriffen“ und der „Vermeidung von Kollateralschäden“ ist nur medialer Spin der NATO; bzw. eine Frage, wie die NATO „Präzision“ definiert. Die CEP von ungelenkten Einsatzmitteln ist auch bei NATO-Material beträchtlich, und jede Lenkwaffe hat naturgemäß einen Vernichtungsradius drumrum; von Irrläufern und dem Problem der korrekten Identifizierung von Zielen ganz zu schweigen. Trotz aller Bemühungen bleiben auch bei NATO-Angriffen Verluste der Zivilbevölkerung nicht aus. An den vernichteten Personenzug sei erinnert. Sogar die chinesische Botschaft wurde getroffen, und die ist ja nur schwerlich mit einer serbischen Regierungsbehörde oder einer Luftabwehrstellung zu verwechseln. Erfahrungsgemäß machen es nur solche „Top-Meldungen“ in die Nachrichten. Die meisten der durch NATO-Einsätze verursachten zivilen Schäden schaffen es nicht in die News.
Von daher: Kosten-Nutzen-Relation für die Bevölkerung Serbiens und des Kosovos?
Und vor allem: Wurden vorher alle anderen Optionen erwogen und ausgeschöpft?
Wirtschaftsembargo? Serbien ist ringsum von NATO-Mitgliedern bzw. NATO-Aspiranten umgeben, direkt oder indirekt. Eine Blockade wäre realisierbar gewesen. Einfrieren aller serbischen Assets im Ausland? Unterbindung der Benzinzufuhr wie oben bereits angemerkt? Aussetzen der Reisefreiheit serbischer Politiker und Wirtschaftslenker? Um ein paar Aspekte zu benennen.
Ein unilateraler NATO-Einsatz ohne UN-Mandat, vulgo ein Angriffskrieg, wäre wenn überhaupt nur das alleräußerste Mittel nach Ausschöpfung aller anderen politischen und diplomatischen Möglichkeiten.
Zu R2P: Nun hat die NATO aber den Geist aus der Flasche gelassen. Die NATO, die sich stets als Hüter von Demokratie, Frieden und Völkerrecht darstellt hat einen Angriffskrieg geführt. Das ist nicht wegzudiskutieren.
Was ich denke oder nicht ist dabei unerheblich – die Tatsachen sind geschaffen und andere Mächte berufen sich darauf, wie es in ihr politisches Kalkül paßt. Auf R2P und Referenden unter „Schutz durch ausländisches Militär“. In Anbetracht der Zustände und Opferzahlen im Donbass dürfte es jedem Diskussionsteilnehmer auch sehr schwer fallen, die russische These zu widerlegen, daß eben genau die Anwesenheit russischer Truppen auf der Krim im Sinne von R2P solche Zustände und zivile Opfer auf der Krim vermieden hat. Weil man zumindest dort die Möglichkeit hatte, die Zivilbevölkerung zu schützen… Wäre alles kein Thema wenn die NATO nicht – siehe oben.
Kann jemand ansatzweise einen Kommentar bringen, der „Befriedung“ des Kosovo umreißt, ohne R2P Eingriff, mit SRB verursachten Kollateralschäden und mit Einbeziehung der sunnitischen Welt im militärischen Schutzbemühen für ihre kosovarischen Glaubensbrüder?
Mir scheint, dass in der Berichterstattung ein wichtiger Aspekt etwas untergeht, nämlich der geplante russische Coup nach Ende der Kampfhandlungen, das in Bosnien stationierte Kontingent von knapp 200 russischen Soldaten, die das Dayton-Abkommen überwachten, vor der KFOR in den Kosovo zu bringen und dort im nördlichen, hauptsächlich serbisch dominierten Teil eine Besatzungszone einzurichten. Das hätte wohl zur einer Teilung Kosovos zwischen Serben und Albanern geführt. Möglicherweise war das Wissen um diesen Plan auch ein Grund, warum Milosevic so schnell aufgab und dem Ahtisaari-Plan zustimmte.
Die dramatischen Ereignisse rund um den besetzten Flughafen Slatina, der drei Stunden vor der Ankunft der NATO-Truppen von den Russen eingenommen wurde, und die Weigerung des britischen KFOR-Kommandeur Generals Mike Jackson, wie von Nato-Oberbefehlshaber General Clark befohlen gegen die Russen vorzugehen („I’m not going to start the Third World War for you.“), sind ja inzwischen entsprechend dokumentiert. Die englische Wikipedia ist da erwartungsgemäß umfangreicher als die deutsche für einen ersten Überblick:
https://en.wikipedia.org/wiki/Incident_at_Pristina_airport
Putin war damals noch nationaler Sicherheitsberater. Man kann mit gutem Recht spekulieren, was für Schlüsse er aus dieser Aktion gezogen hat:
1) Die Bedeutung von Enklaven und ethnischen Minderheiten, um den Sog nach Westen und eine zunehmende europäische Integration zu verhindern.
2.) Selbst wenn Russland schwach am Verhandlungstisch gegenüber den USA oder der Europäischen Union ist, kann es durch eine gewagte militärische Aktion das Blatt wenden. Da reichen u.U. ein paar hundert Soldaten aus, um der NATO einen Strich durch die Rechnung zu machen
3.) Der Plan hätte funktioniert, wenn nicht ehemals verlässliche „Partner“ der Sowjetunion wie Rumänien, Ungarn und Bulgarien auf Druck der USA den bereitstehenden russischen Verstärkungen die Überflugrechte verweigert hätten.
[Mir scheint, dass im Verständnis dieses Threads ein wichtiger Punkt etwas untergeht, nämlich dass es aus Anlass dieses Jahrestages um den Beginn des Luftkriegs geht. Im Zuge des anstehenden Jahrestags des NATO-Einmarsches werden Punkte wie der hier genannte sicherlich noch zur Sprache kommen. T.W.]
@TZ
Ganz aktuell – HARM Upgrade
https://www.janes.com/article/87406/us-to-award-aargm-integration-contract-for-german-tornados
Vlt. geht es ja doch Richtung SH/GR die nächsten 10 Jahre, wenn man jetzt schon geeignete Mun upgradet. Dann fehlen eigentlich nur noch MALDs und JSOW-ER.
[Danke für den Hinweis, evtl. gibt das noch einen eigenen Eintrag. Die div. Kürzel könnten Sie dennoch vielleicht kurz erläutern ;-) T.W.]
@TW
@TZ
Das Video zeigt, wie MALD, JSOW und HARM/AARGM zusammenwirken:
https://www.youtube.com/watch?v=0acJ3xyhaJo
Wenn ich mich richtig erinnere, hatte @SvD in einem Faden diese Lösung auch schon angesprochen!
MALD
Eine Köderdrohne, welchem gegnerischen Radar vorgaukelt sie sei ein Kampfjet oder Bomber. Trägerflugzeug könnte auch A400m sein. Reichweite 500km.
https://en.wikipedia.org/wiki/ADM-160_MALD
https://de.wikipedia.org/wiki/Miniature_Air_Launched_Decoy
JSOW
Einen Gleitbombe – präzisionsgelenkt mit >500km Reichweite in der -ER Variante.
https://en.wikipedia.org/wiki/AGM-154_Joint_Standoff_Weapon
https://de.wikipedia.org/wiki/AGM-154_Joint_Standoff_Weapon
HARM – AGM-88E AARGM
Advanced Anti-Radiation Guided Missile. Neuestes Upgrade für die AGM-88 HARM.
https://en.wikipedia.org/wiki/AGM-88_HARM
https://de.wikipedia.org/wiki/AGM-88_HARM
SH – F/A-18 Super Hornet Block III
GR – EA-18G Block III
Ich möchte zwei Zitate von Herrn Wolfgang Ischinger kommentieren:
1. „Heute vor 20 Jahren:Nato Intervention in Kosovo. War das völkerrechtlich problematisch: ja, in der Tat. Sehr! “
Gut! Die völkerrechtliche Fragwürdigkeit wird also zugegeben.
2. „War es dennoch politisch/ethisch zu rechtfertigen? Ja, es war gut, dass SPD/Gruene dazu imstande waren, und ja: es war unumgänglich. Dazu stehe ich als damaliger AA-StS“
Diese Aussage von Herrn Ischinger nach der „Unumgänglichkeit“ hinterfrage ich. Nach Quellenlage gewinnt man vielmehr den Eindruck, dass die NATO die „Nichtunterzeichnung“ eines Vertrages in Ramboouillet zum Ziel hatte, um – angesichts der fehlenden völkerrechtlichen Legitimation- wenigstens eine öffentlichkeitswirksame „Legitimation“ zum Angriff (weil „unumgänglich“) zu geben.
Ich zitiere im Folgenden aus Wikipedia. Es gibt allerdings auch eine Vielzahl von Büchern und Artikeln, die die folgenden Aussagen bestätigen. Jeder kann sich dann selbst die Frage beantworten, ob die NATO wirklich Alles getan hat, um einen Krieg zu vermeiden:
„…Nach Abschluss der Verhandlungen wurde öffentlich, dass die Kapitel 7 und 8 sowie der Anhang B des Vertrages vor der Öffentlichkeit und, nach Aussage des serbischen Verhandlungsführers Ratko Marković, auch bis kurz vor dem Verhandlungsende vor der serbischen Delegation geheim gehalten worden waren…“
„…In Anhang B wurden Forderungen wie die freie Beweglichkeit der NATO in ganz Jugoslawien, inklusive des Luftraumes und der See und ihrer Nutzung für Manöver, Training und andere Operationen (Artikel 8[10]), die völlige Immunität von NATO und NATO-Personal gegenüber jugoslawischen Behörden (Artikel 6[11]) und die kostenlose Nutzung der gesamten Infrastruktur Jugoslawiens (Artikel 10) festgeschrieben…“
„…Lord Gilbert, früherer Verteidigungsminister, ein Vertreter des britischen Verteidigungssonderausschusses, schätzte die im Rambouillet-Entwurf geforderten Bedingungen als absolut unannehmbar ein…“
„…Das Britische Unterhaus erfuhr erst am 1. April, eine Woche nach Beginn der Bombardierungen, von den im Anhang B gelisteten Forderungen. In den USA wurden die in Anhang B enthaltenen Forderungen kurz im Rahmen eines NATO-Briefings vom 26. April gestreift; ab dem 3. Juni wurden sie in Medien erwähnt…“
„…Die taz, die angeblich als erste Zeitung den Vertragstext des Annexes am 6. April 1999 veröffentlichte, hatte beim Auswärtigen Amt nachgefragt und Staatsminister Günter Verheugen (SPD) wie Ludger Volmer (Grüne) und Wolfgang Ischinger völlig überrascht vorgefunden: „ihnen seien die Artikel aus dem Annex B ‚völlig neu‘“. Andreas Zumach führt in seinem taz-Artikel aus, Angelika Beer habe daraufhin in einem Brief an Fischer geschrieben, sie hätte der NATO-Aktion nicht zugestimmt, wenn sie diesen Teil gekannt hätte. „Fischer habe nicht alle diplomatischen Spielräume bei den Verhandlungen genutzt und Informationen über den Vertrag zurückgehalten…“
Henry Kissinger wird wie folgt zitiert:
„…The Rambouillet text, which called on Serbia to admit NATO troops throughout Yugoslavia, was a provocation, an excuse to start bombing. Rambouillet is not a document that an angelic Serb could have accepted. It was a terrible diplomatic document that should never have been presented in that form. […] The serbs may have behaved barbarously in surpressing KLA (UÇK) terror. But 80 per cent of the ceasefire violations, between October and February, were committed by the KLA. It was not a war about ethnic cleansing at that point. If we had analysed it correctly, we would have tried to strengthen the ceasefire and not put the entire blame on the Serbs…“
https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Rambouillet#cite_note-21
Immer noch überzeugt, dass von der NATO Alles getan wurde, um einen Krieg zu verhindern?
Mich erinnert das Rambouillet-Ultimatum in erschreckender Weise an das Ultimatum, das Österreich-Ungarn Serbien am 23. Juli 1914 stellte und wo Serbien auch lediglich in einem Punkt nicht einverstanden sein konnte:
„…Am 23. Juli 1914 stellte Österreich-Ungarn Serbien ein äußerst scharfes, auf 48 Stunden befristetes Ultimatum…
„…Serbien akzeptierte den größten Teil des Ultimatums bedingungslos, gab aber zu Punkt 6 folgende Erklärung ab:
„…Was die Mitwirkung von hierzu speziell delegierten Organen der k. u. k. Regierung an dieser Untersuchung anbelangt, so kann sie eine solche nicht annehmen, da dies eine Verletzung der Verfassung und des Strafprozeßgesetzes wäre. Doch könnte den österreichisch-ungarischen Organen in einzelnen Fällen Mitteilung von dem Ergebnisse der Untersuchung gemacht werden…“
https://de.wikipedia.org/wiki/Attentat_von_Sarajevo
Das Ergebnis dieser teilweisen Zurückweisung des Ultimatums war – wie bekannt- der 1. Weltkrieg.
Ich sage nur: „Hufeisenplan“ …
https://de.wikipedia.org/wiki/Hufeisenplan
https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2000/erste7422.html
@Pete
In Ergänzung zu Rambouillet:
„Die Serben lehnten es ab, aus Kosovo ein internationales Protektorat zu machen, dessen Status nach drei Jahren definiert werden sollte. Die Kosovaren weigerten sich, die UCK zu entwaffnen. Erst als die amerikanische Aussenministerin Madeleine Albright den 30-jährigen UCK-Sprecher zur Seite nahm und ihm ihr Kalkül erläuterte, stimmte er zu. «Wenn Sie Ja sagen und die Serben Nein», hatte Albright gesagt, «wird die Nato zuschlagen, bis die Serben draussen sind und die Nato hineinkann. Sie werden sich dann selber regieren können.»“
https://www.nzz.ch/international/jugoslawien-die-humanitaere-intervention-die-ein-krieg-war-ld.1468966?mktcid=nled&mktcval=102&kid=_2019-3-25
@moth
Danke für die ausführlichen Erläuterungen!
Bleibt nur zu hoffen, dass wir, jetzt wo die F35 sowieso raus ist, auch F18 und entsprechende EA 18 G als Nachfolge für die Tornado ECR beschaffen.
@Pete
Im gleichen Artikel zum Rambouillet Vertrag steht dann allerdings auch:
„Laut einer von Richard Goldstone geführten Untersuchungskommission entsprechen die Bestimmungen von Anhang B zwar den üblichen Regelungen im Rahmen von friedenssichernden UN-Maßnahmen. Indem aber gerade der NATO die entscheidende Rolle in der Implementierung des Abkommens gegeben wurde, musste Anhang B Misstrauen und Ablehnung der serbischen Regierung hervorrufen und erwies sich der Goldstone-Kommission zufolge als „Schnitzer“, der von Milošević politisch instrumentalisiert werden konnte.[16]“
„Norbert Mappes-Niediek kommt bei seiner Analyse der Vertragsverhandlungen zu dem Schluss, der Vertrag als solcher sei nicht unannehmbar gewesen, die Bestimmungen seien von den diplomatisch versierten Unterhändlern Jugoslawiens nicht überinterpretiert worden. Aus dem Kontext sei klar gewesen, dass nicht mehr als die Stationierung einer internationalen Friedenstruppe beabsichtigt war. Allerdings sei das militärische Ultimatum ein diplomatischer Fehler gewesen, eine Verhandlungslösung sei möglich gewesen. „Besser wäre ein Arrangement gewesen, das es Milosevic erlaubt hätte, wenigstens das Gesicht zu wahren.“ Jugoslawien habe aber den „propagandistischen Nachteil“ der „nachlässigen Formulierung von Maximalforderungen“ ausnutzen können. Fischer und andere Regierungspolitiker hätten, darauf angesprochen, schwach reagiert, „weil sie […] die Bedeutung der Debatte wahrscheinlich selbst nicht verstanden hatten oder (sich) scheuten […], die taktische Ungeschicklichkeit zuzugeben.“[23]
Die Spiegel-Redakteure Erich Follath, Siegesmund von Ilsemann, und Alexander Szandar stellen die Instrumentalisierung des Annex B als Folge der „Geheimniskrämerei Fischers und der peinlichen Informationspolitik seines Ministeriums“ dar. Der Text sei nach Auffassung Fischers eine noch verhandelbare „Maximalforderung“ gewesen. Der Vertrag sei an der Härte der westlichen Positionen, an der Haltung Russlands und „vor allem an der Uneinsichtigkeit der serbischen Verhandlungsführer wie dem Starrsinn der kosovo-albanischen Delegation“ gescheitert.[24]“
Sicher hat sich die NATO damals extrem ungeschickt angestellt, aber wie oben steht, alle anderen Parteien haben maßgeblich zur Eskalation beigetragen!
Und unannehmbar, oder gar mit dem Ultimatum von 1914 zu vergleichen, scheint der Vertrag auch nicht gewesen zu sein!
@Thomas Melber
Vielen Dank für den Link zu dem Artikel der NZZ.
Auch das folgende Zitat aus diesem Artikel verdient Beachtung:
„…Wie man es auch dreht und wendet, das Ziel der Nato, die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung zu stoppen, wurde nicht erreicht. Im Gegenteil: Die grössten Verbrechen wurden nach Beginn der Intervention verübt. Der Luftkrieg war kein geeignetes Mittel, sie zu verhindern…“
Mit anderen Worten: Das Operationsziel wurde nicht erreicht. Das sollte beim Thema politische/ethische Rechtfertigung von so genannten „humanitären Interventionen“ immer bedacht werden. In Lybien war es ähnlich. Es wurde durch das Eingreifen des Westens- bis heute- mehr Unglück und Leid für die Menschen in Lybien geschaffen, als verhindert.
Wir müssen uns endlich ehrlich machen bei der Aufarbeitung dieser Kriege. Sonst werden wir die selben Fehler immer wieder machen.
Ich halte diese ganze hätte, hätte Diskussion für reichlich müßig.
Ja, möglicherweise hätte SRB&MNE auch durch andere niedrigschwelligere Maßnahmen zu einem Einlenken gebracht werden können. Möglicherweise aber auch nicht.
Fakt ist, dass aufgrund der Vorgeschichte eine humanitäre Katastrophe zu erwarten war und das Handeln dringend geboten schien.
Man hat gehandelt. Man hat erfolgreich gehandelt und schlimmeres wurde verhindert.
Vielleicht hätte man auch anderes handeln können, aber vielleicht auch nicht.
Ich halte das damalige Vorgehen für politisch geboten und völkerrechtlich zumindest hinnehmbar.
@Koffer
In der Tat. Hinterher ist man immer schlauer. Zumal wie Sie sagen hier wahrscheinlich sogar schlimmeres verhindert wurde!
Das „Konzept der Internationalen Schutzverantwortung (R2P)“ war und ist die einzig verantwortbare Reaktion gewesen.
Alternativ: Völkermord an Kosovaren im Namen des Völkerrechts und angewendet als Diktatorenschutz?
Es bleibt unergründlich wie Deutsche sich die Welt passend argumentieren, Hauptsache ungeschoren davonkommen, mit untadeligem Ruf.
@Koffer
„Man hat erfolgreich gehandelt und schlimmeres wurde verhindert“
Genau das stimmt eben nicht. Ihre Äußerung ist nichts Anderes als eine durch nicht belegte Behauptung. Das Operationsziel wurde nicht erreicht. Das ist ein Fakt! Erst nach den Luftangriffen fingen die größten Übergriffe an.
@TZ
„Zumal wie Sie sagen hier wahrscheinlich sogar schlimmeres verhindert wurde!“
Wenn man als Operationsziel hat , „wahrscheinlich Schlimmeres (zu) verhindern“, kann man jeden Tag auf der Welt einen Krieg anfangen. Wetten, dass :-))
Das gilt übrigens auch für China, Russland, Indien, Brasilien usw. usw. Auch die finden immer einen Grund „wahrscheinliche Schlimmeres zu verhindern“ in ihrem Interessenbereich. Damit das nicht ausufert haben wir ein Völkerrecht, dass nach langem Leiden auf dem heutigen Stand angekommen ist. Wie wäre es, wenn sich alle Staaten zunächst daran halten bzw. zumindest nach einem Krieg daran gemessen werden? Aber Alle mit dem gleichen Maßstab. Dann können wir auch gerne über humanitäre Interventionen sprechen. Dann haben wir nämlich einen einheitlichen Maßstab. Das ist heute aber leider NICHT der Fall. War aber immer schon so in der Geschichte. Der Stärkere kann sich mehr rausnehmen als der Schwächere. NOCH sind wir der „Stärkere“.
@Koffer
@TZ
Meine Zustimmung!
Alleine die Ereignisse in Vukovar. Ohne Worte.
Aus der Zivilistenecke vielleicht trotzdem auch Anerkennung für unsere Soldaten im Einsatz! Egal wo!
Hinterher ist man meistens schlauer!
https://www.youtube.com/watch?v=6fdnykunCts
In der NZZ ist dazu auch ein Artikel erschienen:
Die «humanitäre Intervention», die ein Krieg war
(Ich weiß nicht, ob der Link erlaubt ist… deshalb Sternchen)
***.nzz.ch/international/jugoslawien-die-humanitaere-intervention-die-ein-krieg-war-ld.1468966
Bemerkenswert finde ich dazu vor allem die Rolle von Russland, die auch im NZZ-Artikel erwähnt wird:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kosovokrieg#Russischer_Vorsto%C3%9F_nach_Pri%C5%A1tina
[Ok, Hinweise nützen nichts. Ich verweise nur darauf: alle diejenigen, die darauf bestehen, jetzt bereits die Einzelheiten des NATO-Einmarschs am Boden und drumrum, z.B. die erwähnte russische Initiative, zu diskutieren – die werden das im Juli dann nicht wieder tun, weil sie alles dazu jetzt schon gesagt haben und wir nicht alles doppelt brauchen. T.W.]
@TZ
„Und unannehmbar, oder gar mit dem Ultimatum von 1914 zu vergleichen, scheint der Vertrag auch nicht gewesen zu sein!“
Das ist Ihre Wahrnehmung, die ich akzeptiere. Meine Wahrnehmung ist eine andere und ich habe zumindest Henry Kissinger und Lord Gilbert, einen früheren UK Verteidigungsminister, angeführt.
Ich sage ja nicht, dass ich „Recht habe“. Aber bislang haben mich Ihre Argumente nicht überzeugt. Das heißt nicht, dass Sie nicht doch Recht haben könnten :-))
Ich spreche nur für mich, bin nicht mehr Soldat, kein Politiker, nur an SiPo interessierter Bürger, der seine Gedanken hier mitteilt, ohne jede persönliche Agenda oder Karriereabsicht.