Neue Hoffnung für die Gorch Fock: Werft soll weiter bauen
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sieht für das derzeit vollständig zerlegte Segelschulschiff der Deutschen Marine eine gute Chance, dass die Gorch Fock wieder auf den Weltmeeren segeln wird. Nach Gesprächen mit Vertretern der insolventen Elsflether Werft, die die Dreimastbark instandsetzen soll, kündigte die Ministerin am (heutigen) Donnerstag die Fortsetzung der derzeit eingestellten Reparaturarbeiten an. Als erster Schritt wird ein Zahlungsstopp aufgehoben, den das Ministerium angesichts der Unregelmäßigkeiten bei der Werft verhängt hatte.
Damit scheint sich die Entscheidung abzuzeichnen, dass die Gorch Fock, wie geplant, für insgesamt rund 135 Millionen Euro wieder seetauglich gemacht wird. Angesichts der Kostenexplosion für die Instandsetzung von den ursprünglich veranschlagten zehn Millionen Euro hatte sich auch die Frage gestellt, ob eine Sanierung des Segelschiffes überhaupt noch sinnvoll ist. Die Schwierigkeiten der Werft, verbunden mit Korruptionsfällen, hatten das ganze Verfahren Ende vergangenen Jahres gestoppt, insbesondere mit einem vom Ministerium verhängten Zahlungsstopp.
Die Mitteilung des Verteidigungsministeriums zum jetzt geplanten Vorgehen:
Nach mehrwöchigen Gesprächen haben sich das Bundesverteidigungsministerium und Vertreter der Führung der Elsflether Werft heute in Berlin auf ein gemeinsames schrittweises Vorgehen zur Instandsetzung des Segelschulschiffs GORCH FOCK geeinigt.
In einer von beiden Seiten unterzeichneten Verpflichtungserklärung, die noch vom Gläubigerausschuss und dem gerichtlich bestellten Sachwalter der im Antragsverfahren zu einer Planinsolvenz befindlichen Werft bestätigt werden muss, wurde unter anderem festgehalten:
• Der vom Ministerium verhängte Zahlungsstopp wird aufgehoben.
• Das Ausdocken, also die Schwimmfähigkeit des Schiffes soll bis zur Sommerpause erreicht sein.
• Die Maximalkosten zum Erreichen dieses wesentlichen Meilensteins im Instandsetzungsprozess dürfen elf Millionen Euro nicht übersteigen.
• Das Gesamtprojekt „Instandsetzung GORCH FOCK“ darf den Kostenrahmen von 128 Millionen Euro nicht übersteigen. Zusätzlich zählen die von Beginn an im Vertrag vereinbarten Beistellungen des Bundes (z.B. Motorüberholung, Anpassung Kraftstoffsystem durch Personal der Bundeswehr).
Parallel dazu wird als zweiter Schritt zusammen mit der Werft die volle Hochseetauglichkeit im Detail ausgeplant. In der Verpflichtungserklärung ist festgelegt, dass für den zweiten Schritt vom Ausdocken bis zur Hochseetauglichkeit maximal weitere Kosten in Höhe von 48 Millionen Euro auf die Bundeswehr zukommen können. Zur Erinnerung: Bislang sind für die Instandsetzung rund 69 Millionen Euro geflossen, für das Ausdocken sind als Höchstsumme elf Millionen Euro festgeschrieben.
Die Werft sichert eine sogenannte open-book-policy zu. Das heißt, dass gegenüber dem Auftraggeber vollumfänglich die Bücher geöffnet werden und damit Einsicht in Angebote und Auftragskalkulation ermöglicht wird. Zudem soll strikt nach Baufortschritt und entsprechender Prüfung im 14-tägigen Rhythmus gezahlt werden.
Von der Leyen, der Aufsichtsratsvorsitzende der Elsflether Werft Pieter Wasmuth, sowie die Marine-Berichterstatter von CDU und SPD im Verteidigungsausschuss, Ingo Gaedechens und Siemtje Möller, mit ihren Statements dazu zum Nachhören:
(Audio vom BMVg zur Verfügung gestellt)
Nachtrag: Im Unterschied zum Audio enthält das vom Ministerium veröffentlichte Video auch noch Fragen und Antworten.
(Archivbild: Gorch Fock bei Windstärke 8 bei der Sail 2010 vor Bremerhaven – gemeinfrei via Wikimedia Commons von Tvabutzku1234)
@ Tim K. | 15. März 2019 – 21:17
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Antwort an Radio Jerewan: Die Werft kann im Prinzip mit ihrem Geld machen, was sie will. Es muß dann aber auch ihr Geld sein. Anzahlungen, die für die Instandsetzung geleistet werden, gehören nicht dazu. Allenfalls die Gewinnmarge nach Fertigstellung und Abnahme eines Teilprojektes.
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Wenn Sie das nicht mittels Anderkonten machen oder als Auftraggeber direkt Materiallieferanten und Subunternehmer anzahlen, dann hat man da a) wenig Einfluss und ich glaube auch b) wenig Rechte dahingehend bestimmen zu können, was die Werft mit ihrem Geld macht.
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[..] mein Geld, mit dem ich verfahren kann, wie ich will. Mitnichten ist dem so!
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Also wie gesagt sehe ich im Moment nicht, was mich rechtlich daran hindern sollte. (Das ich am Ende dem Auftraggeber die Leistung schulde bleibt fraglos unbenommen.)
@ Mitleser | 15. März 2019 – 21:50
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Hier haben wir einen Vertrag (Sanierung Gorch Fock) und Kundengelder (vom Verteidigungsministerium), und der Vertrag ist ersichtlich nicht mal ansatzweise erfüllt. Dafür ist der Auftragnehmer (die Werft) jetzt insolvent.
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Nun. wir wissen ja nicht, ob der bezahlte Leistungsstand in etwa erreicht war und die Firma einfach guten Gewinn gemacht hat – oder ob die ‚anders verwendete Geldmenge‘ dem Gesamtgewinn des Projektes entspräche und man den eben schon mal anlegen wollte.
Die Insolvenz war m.E. unvermeidbar und wäre sie auch gewesen wenn das Unternehmen alles Geld aus dem Auftrag noch bei sich hätte:
Wenn Ihr fettester Auftrag ins Stocken kommt und der Auftraggeber sagt er weiss nicht was er weiter machen will und offen ausspricht er zahlt erst einmal nichts mehr und Sie haben das nicht schwimmfähige Schiff im teuren Dock, sowie Verträge mit Subunternehmen und eigene Leute, dann hat ein gutes Management in ein paar Stunden ausgerechnet, wann man Pleite ist. Je nachdem wie viel Geld man liegen hat ist das eben nur früher oder später. Und wenn die Pleite zeitnah eintritt, bzw. einzutreten droht (was hier anzunehmen sein dürfte), zumindest jedoch eher eintritt als der Auftraggeber schon an Stoppzeit/Geldsperre angekündigt hat, dann muss man als Unternehmen m.W. proaktiv handeln und Insolvenz anmelden – auch wenn man noch nicht aktuell Insolvent ist, sondern es nur mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit zu werden droht.
@sakrileg | 16. März 2019 – 11:53
Öffentliche Bauwerke (und Großgerät) muss nicht nur funktionsfähig sein, sondern es darf auch ästhetisch hochwertig sein.
Erst Recht, wenn es wie die GF II sogar einen ausdrücklich repräsentativen Auftrag hat.
@Koffer | 16. März 2019 – 14:39
Und ich dachte, das sei ein Schulschiff zur Ausbildung von Marineoffizieranwärtern…:-)
Scherz beiseite, dieses Künstlerbashing ist doch albern. Jeder Künstler hängt seine Fahne mehr oder weniger nach dem politischen Wind, wenn er noch Aufträge haben möchte. Der größte Auftraggeber für gestaltende Künste ist und bleibt in Deutschland nun mal die öffentliche Hand. Nicht umsonst zieht es Künstler aus aller Welt nach Deutschland.
Aber darüber redet in 200-300 Jahren niemand mehr, da geht es dann um die Kunst. Man schaue sich nur Biographien berühmter Künstler des 17./18./19. Jahrhunderts an.
Aber das führt jetzt, glaube ich, zu sehr OT.
@Pio-Fritz | 17. März 2019 – 11:03
„Und ich dachte, das sei ein Schulschiff zur Ausbildung von Marineoffizieranwärtern…:-)“
Und Feldwebel-/Maatanwärter :)
Aber ganz im Ernst. Die GF hat einen Dreifachauftrag: 1. OA/BA/MA-Ausbildung_Prägung (hier Schwerpunkt), 2. Werbung-/Außendarstellung der Marine (Nebenstoß A), 3. Repräsentation DEU und der Bw im Ausland (Nebenstoß B).
Für 2. sind Ziernieten egal. Für 1. zumindest nicht schädlich, denn die harten Erfahrungen auf See können ja auch durchaus mit einem gewissen hochwertigen Charme kontrapunktiert werden. Aber für 3. sind Ziernieten (und andere Details der hochwertigen Ausgestaltung) sicherlich zielführend.
„Scherz beiseite, dieses Künstlerbashing ist doch albern.“
Das bezog sich jetzt nicht auf mich, oder? Ich hatte mich ja inhaltlich nicht zu dieser Nebendiskussion um die Galionsfigur geäußert, sondern vielmehr zur Kritik an der hochwertigen Ausstattung der GF II u.a. mit Ziernieten im Werte von 100.000,-
Wieso sollte eine Wert und erst Recht eine Werft die kein Mensch kennt, Geld in Bw-Soap stecken? Ich möchte gar nicht die Sinnhaftigkeit oder den Nutzen für die Bw in Frage stellen, aber damit kann man ein Projekt zumindest scheinbar auch verteuern.
Zur Gallionsfigur, soll jetzt ein anderer Künstler einen stilisierten Albatros erstellen? Beim Ehegattensplitting ist auch niemand so empfindlich.
@0300—Infantrie | 17. März 2019 – 21:46
„Wieso sollte eine Wert und erst Recht eine Werft die kein Mensch kennt, Geld in Bw-Soap stecken?“
Wieso nicht? Mit Filmproduktionen kann man Geld verdienen…
„Ich möchte gar nicht die Sinnhaftigkeit oder den Nutzen für die Bw in Frage stellen, aber damit kann man ein Projekt zumindest scheinbar auch verteuern.“
Was hat denn jetzt das eine mit dem anderen zu tun???
@TW: Mein Kommentar bzgl. des Traditionserlasses war darauf bezogen, dass die Bundeswehr mehr eigene Traditionen nutzen und ausbauen möchte. Und das bildet die GORCH Fock ganz einfach einen Bestandteil des Ganzen. Daher wird sie selbstverständlich saniert, ob es Geld kostet oder nicht. Die Zahl mit den SanFzg war nur als vergleich der Kosten gedacht. Viel bedeutsamer scheint mir jedoch, auch wenn hier OT, die Entwicklung des Haushaltes und der damit verbundenen möglichen Konsequenzen zu sein. Von daher sollte jetzt zügig an der GF gearbeitet werden. Die Umstände, wer was wann und wie in diesem Verfahren/Ablauf gemacht hat, können alle erst nach Abschluss der Ermittlungen erfahren. Das kenn jeder Disziplinarvorgesetzte aus eigenem Erleben-alles Relevante zusammentragen und dann entsteht ein bewertbares Urteil.
Ein ausgesprochen sachlicher und detailerter Artikel zur Gorch Fock Instandsetzung ist bei der Peiner Allgemeinen Zeitung zu finden. In Google eingeben:
paz online das gorch fock desaster
Wer diesen Artikel gelesen hat, der sollte nicht mehr versuchen, das Versagen der Bundeswehr bei dieser Instandsetzung und der real erfolgten Vergeudung von Steuergeldern klein zu reden.
Immerhin wird die GF „denkmalgerecht“ restauriert:
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Gorch-Fock-100000-Euro-fuer-Zier-Nieten-bezahlt,gorchfock1846.html
Die 100k EUR sind natürlich ein Nasenwasser bei den Gesamtkosten.
[Hatten wir schon; bitte nicht alles doppeln. T.W.]
Nachtrag:
gem. dem Artikel in der „Peiner Allgemeinen“ gibt die Marine alleine 50 000 Euro im Monat als Liegeplatz für das beigestellte Schiff Knurrhahn aus.
Das macht bei 3 Jahren Liegezeit 1 800 000 Euro. Für was eigentlich? Nur für Unterkunft und Büroräume der Besatzung?
Man gewinnt schlicht den Eindruck, dass Kosten einfach keine Rolle spielten.