Warme Wolle für den Winter: Ist keine Unterwäsche, bekommt der Nächste

Ein Dauerthema für Soldaten ist (aus gutem Grund) die persönliche Ausstattung – und dabei ganz weit vorne die Bekleidung. Bei der Vorbereitung auf die NATO-Speerspitze im vergangenen Jahr hatte die Bundeswehr dabei zeitweise ein paar Probleme (mit teilweise skurrilen Folgen). Deshalb war  auffallend, was der Vertriebsleiter der deutschen Importfirma für schwedische Wollunterwäsche, die die Bundeswehr beschafft hat, kürzlich in einem Interview* berichtete:

Leider werden nach Beendigung der Einsätze große Mengen der Wäsche vor Rückverlegung aus den Auslandseinsätzen verbrannt. Unterwäsche wird bei der Bundeswehr aus hygienischen Gründen nicht wieder eingesammelt und ein zweites Mal ausgegeben, dies ist soweit nachvollziehbar. Aus unserer Sicht ist es jedoch unverständlich, wieso die Soldaten die hochwertige Wäsche nicht mit ins Heimatland nehmen dürfen. Denn viele der Soldaten beschaffen die Unterwäsche dann privat.

Verbrannt? Teure Wollwäsche? Ich habe da mal nachgefragt, und die Antwort ist: Im Prinzip Nein. Allerdings mit einem Aber, dazu unten mehr.

Aus der Stellungnahme des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) auf meine Nachfrage:

Temporär für eine bestimmte Verwendung, z.B. einen Auslandseinsatz, bereitgestellte Bekleidung ist nach Wegfall des Ausstattungsgrundes grundsätzlich abzugeben. Ausgenommen von dieser Rückgabepflicht sind die „Artikel ohne Rücklauf“. Bei diesen Artikeln handelt es sich um Leibwäsche, zu der neben verschiedenen Artikeln der Unterwäsche auch Sportartikel, Socken und Diensthemden gehören. (…)
Nicht zu den „Artikeln ohne Rücklauf“ gehört die sehr hochwertige Funktionsbekleidung der Fa. „Woolpower“. Diese ist für den Gebrauch über der Unterwäsche vorgesehen. Sie wird unter Berücksichtigung der Personalstärke in entsprechender Menge für die Spezialkräfte beschafft und vorgehalten. Die Bestände sind demnach nur in begrenzter Stückzahl verfügbar. Diese Artikel sind rückgabepflichtig und damit – wie andere rückgabepflichtige Artikel der Zusatzausstattung für Einsätze (z.B. Feldbekleidung) – sechs Wochen nach Beendigung des Einsatzes abzugeben.

Mit anderen Worten: Die Woll(unter)wäsche müssen Soldaten nach einem Einsatz in der Kälte wieder abgeben – und die die wird dann gereinigt und erneut an die Truppe ausgegeben. Mit der grundsätzlichen Einschränkung: Aussonderungen und Neubeschaffungen erfolgen nur, wenn Artikel nicht mehr nutzbar sind und daher dem Wirtschaftskreislauf entzogen wurden.

Nun ist ja die erneute Ausgabe an andere Soldaten, das räumt auch das BAAINBw ein, bei Unterwäsche nicht vorgesehen. Deshalb gibt es einen, man muss wohl sagen Trick: Die Woll(unter)wäsche wird zur Funktionskleidung erklärt – die, zumindest formal, über der Unterwäsche zu tragen ist.

Ein Trick ist es deswegen, weil der Hersteller diese Kleidung zum Tragen unmittelbar auf der Haut vorgesehen hat. Hochwertige Wollwäsche über einem Baumwoll-T-Shirt nimmt der Funktionskleidung die isolierende Funktion. Davon abgesehen würde vermutlich kaum jemand auf die Idee kommen, eine (billige) lange Baumwollunterhose unter die lange Wollwäsche zu ziehen.

Beschafft wurde die Wollwäsche auch für die deutschen Soldaten in der NATO-Speerspitze, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF). Und dort, so hörte ich von Soldaten bei meinem Besuch bei der VJTF-Übung Trident Juncture in Norwegen im vergangenen Jahr, gilt stillschweigend die Regel: Die Wolle direkt auf die Haut. Was die meisten wohl auch tun dürften.

Formal klingt die Angabe aus der Beschaffungsbehörde ja korrekt: es ist keine Unterwäsche, sondern Funktionskleidung, und damit im Ausrüstungskreislauf fürs Weitergeben vorgesehen. Faktisch ist es allerdings Unterwäsche, wenn auch ziemlich teure.

Ob und in welchem Umfang die Weitergabe deshalb tatsächlich stattfindet – und wie viel von dieser teuren Kleidung am Ende doch ausgesondert und vielleicht auch verbrannt wird? Ich weiß es nicht. Aber der Vertriebsleiter sagte mir, er habe das mehrfach von Soldaten gehört. Vielleicht gibt’s da ja ein gewisses Delta zwischen der Planung und dem praktischen Vorgehen.

(Randbemerkung: Warum diese Funktionskleidung nicht einfach zur Unterwäsche erklärt werden kann und dann in die persönliche Ausrüstung der Soldaten übergeht, habe ich ja auch nicht wirklich verstanden.)

*Links zu deutschen Verlagswebseiten finden hier i.d.R. nicht statt; in diesem Fall ist das verlinkte Interview aber grundlegend für die Aussagen und deshalb eine Ausnahme gerechtfertigt.

(Foto: Im Schnee Ende Oktober 2018 während der NATO-Übung Trident Juncture in Haltdalen/Norwegen)