Von der Leyen besucht ‚Gorch Fock‘ im Dock: „Entscheidung wird jetzt noch nicht fallen“ (Update)
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat die Erwartung an eine schnelle Entscheidung über die Zukunft der Gorch Fock gedämpft. Es seien noch sehr viele Fragen offen, sagte die Ministerin am (heutigen) Montag beim Besuch des Segelschulschiffes der Deutschen Marine, das derzeit zur Grundsanierung in Bremerhaven im Dock liegt: Eine Entscheidung wird jetzt noch nicht fallen.
In den vergangenen Wochen waren immer neue Einzelheiten zu den explosionsartig gestiegenen Kosten für eine Überholung der 1958 gebauten Dreimastbark bekannt geworden. Für die Sanierung waren bei der Eindockung Ende 2015 noch zehn Millionen Euro veranschlagt worden, inzwischen liegen schon die vom Ministerium gebilligten Kosten für eine Überholung bei 135 Millionen, von denen knapp 70 Millionen Euro bereits ausgegeben wurden.
Hinzu kommt der Korruptionsverdacht gegen einen Angehörigen des Marinearsenals, der mit Preisprüfungen bei der Gorch Fock zu tun hatte und von der Werft Vorteile erhalten haben soll. In diesem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück. Darüber hinaus sollen nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes die tatsächlich nötigen Schäden an dem Schiff und der für eine Überholung nötige Aufwand auf den verschiedenen Ebenen des Ministeriums und im nachgeordneten Bereich falsch dargestellt worden sein.
Von der Leyen verwies darauf, dass im Ministerium und in der Bundeswehr inzwischen zwei Untersuchungsgruppen die Vorgänge rund um die Gorch Fock aufarbeiten. Eine Task Force befasse sich mit den Fragen rund um die angebliche Vorteilsnahme eines Mitarbeiters, im Ministerium selbst würden die offenen Fragen zur Kostensteigerung und den bisherigen Entscheidungen durchleuchtet.
Eine Antwort auf die Frage, ob die Marine auch künftig auf einen eigenen Großsegler für ihre Ausbildung setzen könne, lehnte die Ministerin ab. Zunächst müssten alle offenen Fragen geklärt werden.
Zum Nachhören das Statement von der Leyens in Bremerhaven (das Audio wurde vom BMVg zur Verfügung gestellt):
(Fotos: von der Leyen mit Kapitän z.S. Nils Brandt, dem Kommandanten der Gorch Fock – Jonas Weber/Bundeswehr)
https://augengeradeaus.net/2019/01/gorch-fock-entscheidung-ueber-sanierung-zum-jetzigen-zeitpunkt-nicht-moeglich/#comment-306684
„dreams come tru-hu-hu-hue..“ *sing*
Mal sehen, was IBuK diesmal im Kofferraum hat: 100 Dosen Rostschutzfarbe vielleicht? SCNR..
Bringt sie auch Nachtsichtgeräte für die bw-internen Controller mit?
Ich habe ja die Hoffnung, sie bekommt vor Ort mal ein ungeschminktes Briefing des Projektleiters der Werft.
Aber das ist wahrscheinlich auch nur ein Wunschtraum. Der Vortrag ist wahrscheinlich vorher durch so viele Hände und Korrekturen gegangen, das nur noch die Eröffnungsfolie mit dem Ursprungsvortrag übereinstimmt.
Eine Entscheidung wird jetzt nicht gefällt ?!
Wie überraschend.
So wie das aussieht wird das Schiff komplett neu aufgebaut, also deutlich umfangreicher als eine Überholung oder eine Instandsetzung oder Sanierung.
@Pio-Fritz | 21. Januar 2019 – 16:25
„Ich habe ja die Hoffnung, sie bekommt vor Ort mal ein ungeschminktes Briefing des Projektleiters der Werft.“
Angesichts der politischen Brisanz gehe ich fest davon aus, dass das BMVg auf einen umfängliche und wahrheitsgemäße Unterrichtung gedrängt hat. vdL ist ja jetzt auch nicht dafür bekannt Ungenauigkeiten zu akzeptieren, wenn es um ihr persönliches Ansehen geht (und auf dieser Ebene ist der Vorgang ja jetzt durch die mediale und parlamentarische Aufmerksamkeit angekommen).
„Der Vortrag ist wahrscheinlich vorher durch so viele Hände und Korrekturen gegangen, das nur noch die Eröffnungsfolie mit dem Ursprungsvortrag übereinstimmt.“
Logisch, darauf wird nicht zuletzt die Rechtsabteilung der Werft gedrängt haben (hier geht es ja auch um Haftungsfragen…). Aber das kann man wohl auch kaum jemanden vorwerfen…
Positiv sind doch die vielen Task Forces die bisher im BMVg eingesetzt wurden und mit Sicherheit schlagkräftig besetzt sind. Vielleicht sollte man diese für NRF melden (scnr).
Also ich finde es erstmal positiv, daß in diesem Fall keine übereilte Entscheidung – wie in anderen prominenten Fällen – getroffen wird.
Die Marine will was…? Die Werft will was…? Die Bevölkerung will was…? Schwere Zeiten für die Vernunft.
Was macht Sie da??? Das Ding ist ein Seelenverkäufer. Aus Ende Gardinenstange. Tradition hin oder her. Geldverbrennungsprojekte brauchen wir nicht noch mehr.
Ich hoffe auf eine Entscheidung, 3 Jahre „Knurrhahn“ in der Vita ist irgendwann auch genug.
Lieber ein Ende mit Schrecken als …!
Statt hier für historische Seefahrt weiter Geld zu verschwenden,sollte man das Geld lieber in ausreichend gute Simulatoren stecken, mit denen die Wechselbesatzungen von Fregatten (und Korvetten?) ausserhalb der Bordeinsätze in ihren jeweiligen Verwendungsreihen realitätsnah und fordernd aus- und weitergebildet werden können. Da bis zur Fertigstellung bzw. bei Entscheidung für einen Neubau noch mindestens weitere drei Offiziercrews keine seemännische Grundausbildung auf dem „eigenen“ Schiff erfahren werden, sollte man die derzeitige Ausbildung auf Seglern anderer Nationen einfach fortschreiben, wenn man aus nostalgischen Gründen nicht ganz darauf verzichten möchte. Das ist mit Sicherheit kostengünstiger und hätte noch den Vorteil, neben der Teamerfahrung auf See auch interkulturelle Kompetenz mit Seeleuten anderer Länder zu erwerben.
Beim Thema Kostenexplosion muss man sehr vorsichtig sein. In den 10 Millionen waren all die Sachen enthalten, die vor der Werftliegezeit bekannt waren, darunter auch Modernisierungsmaßnahmen bzw. Anpassungen an gesetzliche Vorschriften. Da das Ergebnis der schiffbaulichen Untersuchung noch nicht bekannt war, konnten deren Auswirkungen auch noch nicht berücksichtigt werden. Dieser Umstand gilt für alle Werftliegezeiten von Marineschiffen – und im zivilen Bereich genauso. Das irgendwann die Korrosion auch die Takelage der „Herbert Norkus“ (im Bau befindliches Schiff der Reichmarine welches nicht vollendet wurde und deren Teile auf Gorch Foch II verwendet wurden) die erforderlichen Mindeststärken unterschreiten werden war lanfristig absehbar aber nicht präzise vorhersehbar. Dies hat sich erst bei der Untersuchung der Takelage in der Werft im Rahmen der schiffbauliche Untersuchung ergeben. Auch die anderen Mängel haben sich erst nach der Entkernung des Schiffes in der Werft ergeben. Diese Mängel lassen sich – auch wenn der Rechnungshof es gerne hätte – im Voraus nicht ermitteln. Mit zunehmenden Alter der Einheiten sind die Mängel keine Besonderheit der Gorch Focjk sondern aller Einheiten, die jenseits der 50 noch weiterbetrieben werden. Die Dauer der Werftliegezeiten gibt da sicher einen guten Hinweis. Im Großen und Ganzen ist das sicher eine Folge der ständigen Unterfinanzierung der Bundeswehr und damit der nicht rechtzeitigen Erneuerung der Einheiten.
@Lucky.Sailor
100% Ihrer Meinung.
lokfreund | 21. Januar 2019 – 22:53
+1 :)
@lokfreund:
Da bin ich voll und ganz bei Ihnen. Keiner würde einen belastbaren Kostenvoranschlag für das eigene Auto erwarten, wenn der Werkstattmeister das Fahrzeug aus dem Autohaus heraus durch die Schaufensterscheibe über den Parkplatz hinweg auf 50m Entfernung mal von hinten gesehen hat.
Aber bei einen Projekt von der Größe eine Dreimasters soll das plötzlich gehen.
@lokfreund | 21. Januar 2019 – 22:53
Und hier irren Sie gewaltig. Wenn Sie die Berichte über die GF konsequent verfolgt hätten, dann wüssten Sie, dass ein Großteil der Mängel bereits seit 2011 bekannt waren, der Bericht wurde nur ignoriert. In diesem Fall trifft Ignoranz Unfähigkeit. Lesen Sie den verlinkten Artikel in diesem Bericht:
https://augengeradeaus.net/2019/01/maritimer-lesestoff-am-sonntag-2-die-gorch-fock-und-die-kostenexplosion/
„Statt hier für historische Seefahrt weiter Geld zu verschwenden,sollte man das Geld lieber in ausreichend gute Simulatoren stecken, mit denen die Wechselbesatzungen von Fregatten (und Korvetten?) ausserhalb der Bordeinsätze in ihren jeweiligen Verwendungsreihen realitätsnah und fordernd aus- und weitergebildet werden können.“
Das sehe ich genauso! Aber ich kann Sie beruhigen, denn was die F 125 angeht, so läuft doch ab 2023 mit mehr Dienststellen und spätestens 2030 alles nach Plan.
Zeit online, Von Kai Biermann
20. Dezember 2018, 12:38 Uhr, „Bundeswehr-Fregatten ohne Besatzung“
„Eine weitere Neuerung des Mehrbesatzungsmodells ist, dass die Seeleute an Land ausgebildet werden und dann nahtlos das Schiff am Einsatzort von der abgelösten Crew übernehmen. Dazu aber bräuchte es eben jenes Einsatzausbildungszentrum, das es bislang nicht gibt und auch so bald nicht geben wird. Denn nach Meinung der Prüfer des Rechnungshofes wird dieses Zentrum frühestens 2030 fertig.“
Icarus | 22. Januar 2019 – 7:51
Sorry, aber das sehe ich komplett anders:
Der „Werkstattmeister“ hat das Fahrzeug seit -zig Jahren regelmäßig gewartet und bereits mehrere große Inspektionen durchgeführt. Und „plötzlich“ stellt sich bei einer kleinen Inspektion heraus, daß der Rahmen durchgerostet ist?
Sorry, aber das hinterläßt doch einen sehr schalen Geschmack bei mir.
„…Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat die Erwartung an eine schnelle Entscheidung über die Zukunft der Gorch Fock gedämpft. Es seien noch sehr viele Fragen offen, sagte die Ministerin…“
Man stellt sich als Leser die Frage, welche Fragen – nach inzwischen 3-jähriger Werftliegezeit- sollen denn jetzt noch offen sein?
In meinen Augen steht die Gorch Fock symbolisch für die Situation der heutigen Bundeswehr als Ganzes. Als Gegenstück dieses traurigen Zustands die Leistungs- und Entschlußfähigkeit der Bundeswehr 1958, auch am Beispiel der Gorch Fock:
Die Gorch Fock wurde am 24. Februar 1958 auf Kiel gelegt.
Der Stapellauf fand am 23. August 1958 statt.
Am 17. Dezember 1958 wurde das Segelschulschiff in Dienst gestellt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gorch_Fock_(Schiff,_1958)
11 Monate von Kiellegung bis zur Indienststellung! Kann es sein, dass die Bundeswehr damals erheblich leistungsfähigere Entscheidungs- und Planungsprozesse hatte? Oder waren die Politiker, Soldaten und Beamten damals einfach nur sachkundiger als heute?
Ich habe gerade einen Bericht im DLF (Informationen am Mittag) über die Causa „Gorch Fock“ gehört. Demnach wurde nach einem Bericht des BRH, die Ministerin mit falschen Zahlen informiert. Ja klar, die politische Verantwortung trägt natürlich die Ministerin, aber, so ein Bericht geht doch sicher immer über den Schreibtisch des Inspekteurs … Wie lange ist dieser noch zu halten?
@Pete: damals gabs kein Projektmanagement so wie wir es heute kennen.
Da gabs einen Plan, einen oder zweit Leitende und Arbeiter die gearbeitet haben.
Klare und schlanke Strukturen sind halt leistungsfähig:)
@ Pete
Zwischen 1958 und 2019 liegen 61 Jahre Entwicklungszeit für die parlamentarische und ministerielle Bürokratie – das ist der Unterschied zwischen 1958 und heute.
Abgesehen davon waren Teile der neuen Gorch Fock (Takelage) bereits 20 Jahre zuvor hergestellt und eingelagert worden.
Als die GF 1958 aus dem Watt-Boden gestampft wurde war sie ein Markenzeichen der Außenpolitik der jungen BRD. In Sachen Deutschland, NATO , Abschreckung etc; die
international und global: keinerlei militärische Interessensverfolgung signalisieren sollte.
Selbst als z.Bsp. die USA wollten, dass die BW sich am Vietnam-Krieg beteiligt hat Deutschland ein Hospitalschiff und keine Truppen geschickt.
Die Frage bei der GF ist also, wiil Deutschland diese außen- und sicherheitdpolitische Tradition der militärischen Zurückhaltung ajßerhalb Europas demonstrativ beibehaltn .
Nun, Deutschland hat sein GG in dieser Frage – Art 87a – niemals geändert, auch nicht nach 2&4.
Imho ist die GF kein Traditionsschiff der Marine, sie ist ein Traditionsschiff der Bundesrepublik Deutschland. Das sollte uns doch einige peanuts wert sein.
@lokfreund
Stimmt so nicht, wie schon Pio-Fritz schrieb.
Es wurde über Jahre geschlammt (man wollte es nicht sehen) und deshalb ist man aus allen Wolken gefallen, als die Gorch Fock in der Werft lag und man den Schaden (die Abnutzung des gesamten Schiffes) dann nicht mehr übersehen konnte.
Es gab genügend Fachleute, die man hätte Fragen können.
Man wollte nur die Antworten nicht hören.
Wenn man den Havariebeauftragten liest, dass „schiffbauliche Untersuchung“ seit Jahrzehnten nie richtig durchgeführt wurde“ und der Bundesrechnungshof die Abnutzung der Schiffsaußenwand erklärt, war es absehbar dass diese nach x Jahren neu gemacht werden muss.
Da muss man nicht einmal in die Werft für – reine Rechnung nach jahrelangen Erfahrungswerten (0,1mm pro Jahr weniger Außenwand).
@ Pete
Damals galten auch ganz andere Standards in vielerlei Hinsicht, die Pamir und Passat dürften heute zu Recht nicht mehr fahren und auch anderes wäre heute nicht mehr akzeptabel.
@klabautermann | 22. Januar 2019 – 14:10
„Imho ist die GF kein Traditionsschiff der Marine, sie ist ein Traditionsschiff der Bundesrepublik Deutschland. Das sollte uns doch einige peanuts wert sein.“
Für Sie mag das so sein, für mich nicht. Aber wenn das kein Traditionsschiff der Marine ist, warum diskutieren wir hier eigentlich? Die Bw ist gar nicht zuständig, geben wir das doch an das AA ab.
Das mit den Peanuts ist gefährlich, da ist schon mal einer drüber gefallen.
Was wäre wohl los, wenn das Heer die Ausstattung der Offizieranwärterbataillone mit Pferden fordern würde mit der Begründung, Reiten und Umgang mit Pferden sei unumgänglich notwendig für die Charakterbildung junger Offiziere?
Immerhin gehörten Pferde über Jahrtausende genauso zur Ausstattung von Heeren wie Segelschiffe zu der von Flotten. Und Offizierpferde gab es beim Heer in Deutschland noch bis 1945 …
@ThoDan
„Damals galten auch ganz andere Standards in vielerlei Hinsicht, die Pamir und Passat dürften heute zu Recht nicht mehr fahren und auch anderes wäre heute nicht mehr akzeptabel.“
Das Argument überzeugt mich nicht. Die Gorch Fock ist kein besonders komplexes Schiff.
Im Übrigen, damals gab es auch in ganz vielen Bereichen noch nicht die unterstützenden technologischen und computergestützten Möglichkeiten, die es heute gibt. Es sollte also heute eher leichter sein als damals ein solches Schiff zu bauen/instand zu setzen.
Es ist schlicht und ergreifend in vielen Bereichen nicht professionell gearbeitet worden. Das ist doch aus den Berichten heraus zu lesen.
für die Pamir lag ein desaströses Gutachten vor.Unter anderem war das Deck undicht.
Unter den Planken überall „Pickeisen“ sprich Rost.Aber die ehrbaren Reeder und Kaufleute wollten,dass der Dampfer Geld verdient.Hat er dann auch.Die Versicherungen haben gezahlt.
Die Marine hatte zwei Schulschiffe, GF und Deutschland. Derzeit hat sie keines, die Deutschland ist schon lange verschrottet. Angenommen, einer Marine steht ein Schulschiff gut zu Gesicht, warum dann keinen Segler, der den angehenden Führungskräften (Uffz wie Offz) mal etwas abverlangt und an persönliche Grenzen bringt.
Aber das ist ja SO altmodisch!
Geld ist eine zu knappe Ressource als das es die BW verschwenden kann. Von daher verstehe ich nicht das Geeiere. Abwracken und entsorgen. Zustimmen tue ich dem Gedankengang dazu von Klabautermann. Nur: wenn die BRD dieses Schiff aus nostalgischen Gründen behalten möchte, muss sie es aus einem anderen Etat finanzieren. Der neuen Rolle Deutschlands wäre meiner Meinung nach ein modernes Kampfschiff als Ausbildungsschiff angemessener.
@Obristlieutenant
Es wäre gewiss ein Vorteil für die Entwicklung der Potentiellen Gentleman und Woman, da ich das Vergnügen hatte 9 Monate unter einem Kompaniechef zu dienen, den die BW zum Offizier ernennen konnte aber ob Gott aus ihm einen Gentleman…
@ Pete
Heute haben sie ganz andere Standards bei Arbeitssicherheit, Umweltschutz, bei Bau und Betrieb
@ Lucky.Sailor
Ich kann Ihnen nur zu 100% zustimmen.
Nostalgie ist etwas für die Kieler Woche, aber nicht die Basis einer guten Ausbildung im 21. Jahrhundert.
Mit Blick auf die gestiegenen Kosten bezüglich Wartung (inklusive der Kosten für das reine Stehen in der Werft während der Fall geprüft wird, laut NDR 10.000 Euro am Tag) sollte meines Erachtens der Kompromiss gefunden werden, den das Schiff, die Marine und auch die Bundesrepublik verdient: Das Schiff geht ins Museum! Damit wäre dessen Geschichte auch einer breiteren Masse zugänglich.
Mit Blick auf das Aufgabenprofil und die steigenden Anforderungen im Bereich Ausbildung und Sicherheit wird die Gorch Fock immer ein Fall für die Werft bleiben. Ein moderner, neuer Großsegler gäbe diesbezüglich länger Planungssicherheit (sollte an dem Konzept Großsegler für die Ausbildung festgehalten werden).
Des weiteren möchte ich nicht die Bedeutung des Seglers genau bemessen (ist es nun deutsches Kulturgut, Tradition der Marine etc.). Dennoch steht für mich außer Frage, dass Menschen, denen die Bedeutung der Gorch Fock für ihre Kollegen und Kameraden durchaus bewusst war, geschlampt bis hin zu bewusst getäuscht haben. Hier muss das BMVg bzw. auch der Rechtsstaat hart durchgreifen.
@Obristlieutenant | 22. Januar 2019 – 15:53
„Was wäre wohl los, wenn das Heer die Ausstattung der Offizieranwärterbataillone mit Pferden fordern würde mit der Begründung, Reiten und Umgang mit Pferden sei unumgänglich notwendig für die Charakterbildung junger Offiziere?“
Das Thema hatten wir hier schon (mehrfach?). In der Tat gäbe es für die Panzertruppe und die Aufklärer ja durchaus Traditionsgründe für ein solches Vorgehen (die FRA machen es ja z.B. so). Aber das trifft eben nur für einen kleinen Teil der Heeresoffiziere zu und zudem würde es nur ein sehr kleinen Teil des Aufgabenpaketes der Gorch Fock abbilden.
Von daher passt dieser Vergleich inhaltlich einfach nicht.
Für die Charakterbildung und das Selbstverständnis des Heeres war lange Jahre eher der verbindliche EK1 (inkl. EKV) für alle OA vergleichbar. Allerdings fehlt hier natürlich der Repräsentationsaspekt der GF.
Aber wie gesagt, das hatten wir doch alles schon (mehrfach?!)…
Wenn schon Vergleiche gezogen werden, darf die Peking nicht fehlen. Die Viermastbark liegt in der Welwsflether Werft und wird dort nach der Rückholung per Dockschiff aus New York, überholt.
Die Peking wurde von Blohm+Voss 1911 gebaut und ist ebenso entsprechend marode.
Die Stiftung Hamburg Maritim ließ verlauten, die Überholung zum Zweck „liegendes Museumsschiff“ kostet ca. 35 Millionen. Geplante Fertigstellung 2020.
Also im Vergleich zu einer voll fahrfähigen Gorch Fock, auch nicht billig. So alte Windjammer haben m.A. nach eben viel Symbolkraft und dürfen nicht nur von der Funktion her gesehen werden.
@P-Liner
„So alte Windjammer haben m.A. nach eben viel Symbolkraft und dürfen nicht nur von der Funktion her gesehen werden.“
Das mag für ein Museum durchaus mit Sinn erfüllt sein, aber es stellt sich doch die Frage ob die Bundeswehr unbedingt ein schwimmendes Museum als Ausbildungsschiff für ihre Offizieranwärter benötigt.
Der Neubau eines Segelschulschiffes würde im Rahmen einer Ausbildungsreise genau so im Ausland empfangen werden wie die Gorch Fock in der Vergangenheit. Es ist doch absurd zu glauben, ein neues Segelschulschiff würde anders empfangen werden und weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
@Pete | 22. Januar 2019 – 21:44
„Der Neubau eines Segelschulschiffes würde im Rahmen einer Ausbildungsreise genau so im Ausland empfangen werden wie die Gorch Fock in der Vergangenheit. Es ist doch absurd zu glauben, ein neues Segelschulschiff würde anders empfangen werden und weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“
Zustimmung.
Wenn es nicht anders geht, dann muss halt ein Neubau (GF III) her. Der könnte die bisherige GF II inhaltlich in der Tat weitgehend ersetzen.
Aber:
Sofern (!) jetzt alle Fakten auf dem Tisch liegen und jetzt wirklich nur noch umgesetzt werden muss, ist eine Renovierung natürlich um Lichtjahre schneller, als eine Ausschreibung und ein Neubau.
Zudem ist bei einem Neubau das Problem (wir ja auch im BRH-Bericht angerissen), dass Sondererlaubnisse her müssten um den bisherigen Funktionsumfang aufrecht erhalten zu können. Wie der BRH korrekt feststellt können Sondererlaubnisse ja auch erteilt werden, aber auch hier würde es vermutlich wieder Zeit kosten zudem nicht umfänglich sicher gestellt sein, dass am Ende auch tatsächlich das genehmigt werden würde, was die Marine will und braucht.
Abschließend ein amS wichtiges Argument (wenn auch angesichts der 135+ Mio für sich alleine gesehen vermutlich nicht mehr ausreichend), die GF II ist gelebte Bw-Tradition. Davon haben wir wirklich nur noch wenig… Das sollte uns schon etwas wert sein.
Wenn es denn unbedingt eine Gorch Fock sein muß, weil sie soooo wichtig für die BW-Tradition oder soooo wichtig für die deutsche Auendarstellung ist, dann nehmt die GF 1 wieder in Dienst. Gutachten liegt vor, Stand 2011 waren es 6 Millionen für die Seetüchtigkeit. Den Unterschied zwischen 6 Millionen und 60 Millionen für die GF 2 dürfte wohl jeder erfassen. Oder kauft ein neues Schiff, gibt genügend Schulsegler von der Stange, die größer sind und dabei einschließlich des schon für die GF 2 verbrannten Geldes immer noch billiger kommen als die bisherige vorgeplante Endsumme. Und dann macht aus der GF 2 endlich ein Museumsschiff oder bringt sie auf den Schrottplatz, damit das Elend und die Geldvernichtung endlich ein Ende hat.
Die Ministerin kann nicht entscheiden… Man muß jetzt erstmal prüfen… Keine Aussage möglich… Wenn ich das schon wieder lese klappt mir nur noch das Entermesser in der Tasche auf. Keine Tanker, keine einsatzfähigen U-Boote, keine Seeziel-FK, kein Personal, Mangel und Fehlbestand an allen Enden, aber endlos mit einer GF 2 herumspielen. Gehts noch?
Vielleicht sollte man sich einmal verdeutlichen, welchen Problemkreis man hier eigentlich diskutieren möchte!
Geht es um zeitgemäße Ausbildung (einschließlich Charakterprägung) zukünftiger Offizierjahrgänge einer Teilstreitkraft (OrgBereich klingt an dieser Stelle definitiv falsch, obwohl vermutlich richtiger), geht es um Tradition (der Marine, der Bundeswehr, des Bundesrepublik Deutschland) oder geht es um ein desaströses Managementversagen im BMVg, bei dem auf der Basis unklarer oder gar mutwillig verfälschten Informationen Entscheidungen getroffen (und/oder nicht hinterfragt wurden)?
Ich tendiere eher zu letzterem…. und der Problemkreis definiert letztendlich die auszutauschenden Argumente!
Die Frage – Neubau oder Renovierung ? – ist aber nicht nur von der Zeit und den Vorschriften abhängig.
Wie lange hält denn eine für gesamt 135 Millionen Euro renovierte Gorch Fock?
Es klang hier mal durch, dass selbst nach einer großen Instandsetzung das Schiff nicht mehr lange hält.
Das bitte in den Vergleich NeubauRenovierung mit einfließen lassen.
Die Antwort auf die Frage ob man überhaupt ein Segelschulfschiff benötigt sollen andere beantworten.
Aber jetzt auf Teufel komm raus unbedingt an genau diesem Schiff festzuhalten, finde ich dem Steuerzahler gegenüber nicht fair.
Und ein Neubau bietet ja auch denVorteil, dass man bestimmte Dinge bekommt, die in einer alten Gorch Fock nicht umsetzbar sind.
Interessant finde ich, dass der Inspekteur M bei dem Termin scheinbar nicht dabei war, sondern nur kurzfristig davon erfuhr.
Ist das ein Signal?
@Koffer
Könnte ein GF III diese Tradition nicht fortführen im Gegensatz zu einer Paul Beneke?
@ThoDan | 23. Januar 2019 – 9:11
Natürlich kann eine neue Gorch Fock die Tradition genau so gut fortsetzen. Die Tradition ist nicht abhängig von ein paar Stahlplatten, Wanten und Masten.
Und die Tradition lebt ja auch jetzt noch fort, obwohl seit drei Jahren auf der Mircea gesegelt wird. Es muss eben nur gesegelt werden.
@Koffer
„Das Thema (sc. vmtl. Tradition im Heer vs Segelschulschiff) hatten wir hier schon (mehrfach?).“ Das mag sein, aber auch das Thema GF ist ja unverändert aktuell, wie diese Diskussion zeigt.
Ich bin nun wirklich der letzte, der etwas gegen Tradition in den Streitkräften und damit auch in der Marine hat.
Aber es muß auch Nicht-Marineangehörigen oder –affinen erlaubt sein, zumindest die Frage zu stellen, ob – auch und grade angesichts der derzeit (!) verlautbarten Kosten von 130 Mio € – Segelausbildung für Offizieranwärter im 21. Jahrhundert wirklich unabdingbar in Stein gemeißelt sein kann und muß. Und das in Zeiten für die Bundeswehr, in denen die Erhöhung des Ausstattungssolls des einzelnen Soldaten von 5 auf 6 (in Worten sechs!) braune Unterhemden als Großtat gefeiert wird (26.11.2018: https://augengeradeaus.net/2018/11/verbesserung-der-persoenlichen-ausruestung-ein-unterhemd-mehr/#more-32048) und die Frau IBuk persönlich einem Bataillon die fehlenden Nachtsichtbrillen übergibt (17.01.2018: https://augengeradeaus.net/2019/01/nachtsichtbrillen-fuer-die-vjtf-bringt-die-ministerin-vorbei/#more-32496).
Ich verzichte darauf, jetzt hier zu berechnen, für wieviele Unterhemden respektive Nachtsichtbrillen die 130 Mio € wohl gereicht hätten, weil ich derartige Berechnung in anderem Zusammenhang (z.B. Waffensysteme vs Kindergärten etc) abwegig finde.
Mir scheint in der gegenwärtigen Gorch Fock-Affäre bei vielen Beteiligten die verklärende Erinnerung an die eigenen Anfangsjahre den Blick für die Realitäten und Notwendigkeiten von heute nachhaltig getrübt zu haben.
@Mitleser
„Wenn ich das schon wieder lese klappt mir nur noch das Entermesser in der Tasche auf. Keine Tanker, keine einsatzfähigen U-Boote, keine Seeziel-FK, kein Personal, Mangel und Fehlbestand an allen Enden, aber endlos mit einer GF 2 herumspielen. Gehts noch?“
1.Zustimmung!
2. Nun muß offensichtlich die Ministerin persönlich die Dienstaufsicht bei der Instandsetzung des Segelschulschiffes übernehmen. Gibt es da nicht besser qualifizierte Fachleute in ihrem unterstellten Bereich. Die Federführung für diese Angelegenheit müßte doch die klassische Aufgabe des InspM und seines riesigen Arbeitsstabs in Rostock sein, oder?
3. Es ist ein Kennzeichen der Leitung des BMVg sich an Kleinigkeiten publikums- und medienwirksam abzuarbeiten – meist nicht sehr erfolgreich- während die großen strategischen Fragen vor sich hin wabern.
Der eigentliche Skandal ist zunächst die erhebliche Gefährdung von Besatzung und Auszubildenden über viele Jahre, und das Arbeiten / Instandhaltung offensichtlich NIE vernünftig durchgeführt wurden !!! Gut dann hat man eben Glück gehabt, dennoch mag und sollte man dem trotzdem nachgehen mit Konsequenz in der Sache und für die Verantwortlichen …
Ein Segelschulschiff ist mit Sicherheit eine Geschmacksfrage für bodenständige Landratten, aber dennoch halte ich es für gut , richtig und unerlässlich zur Ausbildung der Seemannschaft. Man lernt es nirgends sonst wie auf einem Segler … es ist quasi zeitenlos …
Den Marineansatz zukünftig im Simulator zu schulen und „bruchfrei“ die Besatzung auf eine Fregatte zu lassen halte ich mit Verlaub für illusorisch … klappt auch bei fliegenden Systemen nicht … es hilft, aber eben nur in bestimmten Grenzen ! Der Simulator kann niemals Ersatz sein für das reale Erleben !
Und ich diene nicht bei der Marine …
Lt. Wiki: „Gechartert werden soll das Schiff aber nicht und die Originalbesatzung bleibt auch an Bord. Hintergrund dieser gemischten Besetzung sind die Sicherheitsstandards des Schiffes, welche nicht den Deutschen entsprechen. Daher wird die Takelage ausschließlich durch die rumänische Besatzung bedient. Im Gegenzug übernehmen die Deutschen Kadetten den Decksdienst sowie die nautischen Aufgaben.“
Damit ist ein Teil der Ausbildung wohl entfallen und anscheinend auch nicht entscheidend?
@ThoDan | 23. Januar 2019 – 9:11
„Könnte ein GF III diese Tradition nicht fortführen“
Just dazu schrieb ich doch etwas. Nämlich „ja, aber“…
„im Gegensatz zu einer Paul Beneke?“
Wie so häufig: Ich verstehe Sie nicht!
@Dipl.-Inf(anterist) | 23. Januar 2019 – 6:47
„Geht es um zeitgemäße Ausbildung (einschließlich Charakterprägung) zukünftiger Offizierjahrgänge einer Teilstreitkraft (OrgBereich klingt an dieser Stelle definitiv falsch, obwohl vermutlich richtiger),“
Nope. TSK ist schon richtig(er als OrgBer). Denn es geht ja um alle Marineoffiziere, auch diejenigen, die an andere OrgBer abgegeben werden.
@Obristlieutenant | 23. Januar 2019 – 10:58
„Das mag sein, aber auch das Thema GF ist ja unverändert aktuell, wie diese Diskussion zeigt.“
Inhaltlich ja (Sie sagen „das gewünschte Ergebnis ist den Aufwand/die Ausgaben nicht wert“, ich hingegen sage „Prägung von Führernachwuchs ist unbezahlbar“).
Aber es ging bei meiner Kritik nicht um den Inhalt. Da bin ich gerne bereit mit Ihnen in einen inhaltlichen Diskurs zu treten.
Ich habe den Vergleich der GF mit einer Reiterausbildung abgelehnt. Das diese beiden Dinge nicht vergleichbar sind, weil ganz andere Zielgruppe und ganz andere Rahmenbedingungen etc. etc. haben wir schon (mehrfach?!) aufgezeigt. Dieses Beispiel erneut zu verwenden erscheint mir eher als ein „Keulen-Argument“ um die inhaltlich Diskussion zu unterbinden und die Bedeutung der GF für die Ausbildung/Prägung durch Lächerlichmachen herunterzuspielen.
@SER | 23. Januar 2019 – 17:16
„Der eigentliche Skandal ist zunächst die erhebliche Gefährdung von Besatzung und Auszubildenden über viele Jahre“
Ich sehe nicht, dass eine tatsächlich (!) „erhebliche Gefährdung“ aufgezeigt wurde.
Aus meiner Sicht ist der eigentliche Skandal, dass der notwendige Materialerhalt (inkl. regelmäßiger Überprüfung des baulichen Zustandes) über Jahre vernachlässigt wurde und das damit (Sach)-Vermögen des Bundes (potentiell) durch Nichthandeln beschädigt wurde.
Das daraus auch eine potentielle Gefährdung erwachsen sein könnte, müsste im Einzelfall zu untersuchen sein. Könnte amS der Fall sein, könnte aber auch glimpflich ohne eine solche durchgerutscht sein.