Mechaniker-Fehler führte zu Tiger-Absturz in Mali (m. Statements BMVg, Airbus, Update: Staatsanwaltschaft)

Ein Fehler von Mechanikern der Firma Airbus Helicopters war die entscheidende Ursache für den Absturz eines Tiger-Kampfhubschraubers der Bundeswehr in Mali, bei dem im vergangenen Jahr beide Piloten ums Leben kamen. Das geht aus dem abschließenden Unfallbericht der Flugsicherheitsbehörde der Bundeswehr hervor, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am (heutigen) Mittwoch bestätigte:

Die allein unmittelbare und direkt wirkende Ursache des Flugunfalls war eine fehlerhafte Einstellung der Flugsteuerung des Hubschraubers durch die betreuende Industrie.
Die fehlerhafte Einstellung war ein Einzelfall. Die restliche Tiger-Flotte wurde durchweg sicher betrieben.

Die Maschine war am 26. Juli 2017 bei einem Einsatzflug rund 70 Kilometer nördlich von Gao abgestürzt, dem Stationierungsort der Bundeswehr im UN-Einsatz MINUSMA in dem westafrikanischen Land. Dabei kamen beide Besatzungsmitglieder, Major Jan Färber und Stabshauptmann Thomas Müller, ums Leben. Ein weiterer Tiger-Hubschrauber, der zusammen mit der abgestürzten Maschine unterwegs war, war nicht betroffen.

Nach Angaben des Ministeriumssprechers geht aus dem Abschlussbericht des Generals Flugsicherheit hervor, dass die Piloten keine Chance gehabt hätten, den Absturz abzuwenden: Der Hubschrauber geriet abrupt und unvorhersehbar in einen unkontrollierten Flugzustand, der von der Besatzung nicht abgefangen werden konnte.

Zuvor hatte Reuters unter Berufung auf das Untersuchungsergebnis berichtet, ein  Mechanikerteam von Airbus habe einen Fehler gemacht, als es die Flugsteuerung am Heimatstandort der Heeresflieger im hessischen Fritzlar nach einer Reparatur neu justiert habe. Das habe zu einem kritischen Zeitpunkt während des Unglücksfluges dazu geführt, dass sich der Autopilot ungewollt abgeschaltet habe, was dann zum Absturz führte.

Bereits in einem früheren Stand der Untersuchungen war vor allem der Autopilot als mögliche Fehlerquelle nicht ausgeschlossen worden. Die ungewollte Abschaltung hatte dazu geführt, dass der Hubschrauber nach vorne gekippt sei und sich der Druck auf den Hauptrotor so erhöht habe, dass es ihn binnen Sekunden in der Luft zerrissen habe, heißt es in der Reuters-Meldung unter Berufung auf den Bericht.

Nach einem Bericht von Spiegel Online, der sich ebenfalls auf den Unfallbericht stützt, trug fehlende Qualifizierung der Mechaniker zu diesem Fehler bei – sowohl bei der Firma als auch bei der Bundeswehr:

Wörtlich heißt es in dem Bericht, die Hauptrotorsteuerung des Hubschraubers sei bereits im Mai 2016 „vom Personal des Herstellers“, konkret von drei Airbus-Technikern, beim sogenannten Rigging „falsch eingestellt“ worden. Dies sei ein „direkt wirkender Faktor“ für den späteren Absturz.
Laut den Recherchen der Bundeswehr hatten die Airbus-Techniker ihre „vorgegebene Ausbildung noch nicht abgeschlossen“ und verfügten nicht „über die erforderliche Qualifikation zur Durchführung bzw. der Abnahme der Einstellarbeiten an der Hauptrotor-Steuerung“. (…)
Offenbar hatten die Bundeswehr-Techniker zwar die Papiere des später verunglückten Helikopters korrekt geprüft, kannten aber die technische Methode, die Airbus für die Rotoreinstellung eingesetzt hatte, nicht. Zudem sei eine erste Meldung über Flugauffälligkeiten an dem Unglückshubschrauber nicht ernst genug genommen worden.

Das Unternehmen Airbus Helicopters hob in einer ersten Stellungnahme hervor, dass nach der Untersuchung ein Konstruktionsfehler des Hubschraubers ausgeschlossen werden könne:

Airbus Helicopters hat die Medienberichte über die Fertigstellung des Berichtes über den Unfall eines Unterstützungshubschraubers Tiger der Bundeswehr im Juli 2017 zur Kenntnis genommen. Unser Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen dieses tragischen Unfalls.
Die Untersuchung, die durch Airbus Helicopters unterstützt wurde, hat einen Konstruktionsfehler beim UH Tiger als Unfallursache ausgeschlossen.
Airbus Helicopters hat zur Kenntnis genommen, dass die fehlerhafte Einstellung der Rotorsteuerung ein Faktor in der Ereigniskette war, die zu dem Unfall geführt hat. Sofort vorsorglich umgesetzte Maßnahmen haben zeitnah sichergestellt, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen kann.
Im Hinblick auf die noch andauernden behördlichen Untersuchungen kann Airbus Helicopters darüber hinaus keine Stellung nehmen.

Das Statement trägt offensichtlich die Handschrift der Firmenjuristen – und das ist nachvollziehbar: Der Bericht zur Unfallursache wird jetzt Grundlage für Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und möglicherweise auch für zivilrechtliche Verfahren.

Die Bundeswehr hatte die Einsätze ihrer Hubschrauber in der MINUSMA-Mission im Sommer dieses Jahres beendet. Im Juni flogen zunächst die Kampfhubschrauber und dann die NH90-Transporthubschrauber ihre letzten Einsätze, ehe die Maschinen nach Deutschland zurückverlegt wurden.

Update: Die Staatsanwaltschaft Kempten hat dazu ein Verfahren eingeleitet (KORREKTUR: nicht, wie zunächst fälschlich geschrieben, die Ermittlungen aufgenommen):

Am 26. Juli 2017 kam es in Mali zum Absturz eines Helikopters „Tiger“ der Bundeswehr, bei dem zwei Soldaten ums Leben kamen. Die Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu) führt das Verfahren zur Ermittlung der Todesursache.

Nach nunmehr aufgrund eines aktuellen Berichts des Luftfahrtamtes der Bundeswehr vorliegenden Erkenntnissen wurden vor dem Einsatz an dem Hubschrauber in Deutschland Arbeiten bei der Einstellung der Hauptrotorsteuerung fehlerhaft ausgeführt. Die fehlerhafte Justierung des Rotors führte demnach zu einer Situation, die im Rahmen des Routineflugs von der Hubschrauberbesatzung nicht mehr kontrolliert werden konnte und damit zum Absturz.

Die Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu) hat ein Verfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen drei Personen eingeleitet, die diese Arbeiten durchgeführt haben sollen, und wird den vorgenannten Bericht des Luftfahrtamtes der Bundeswehr gründlich auswerten. Sie prüft ferner, ob im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen weitere Personen im Zusammenhang mit diesen Einstellungsarbeiten geboten ist.

(Archivbild: Ankunft der ersten zwei Kampfhubschrauber des Typs Tiger in Gao/Mali im Rahmen der UN-Mission MINUSMA am 25.03.2017 – Bundeswehr/Marc Tessensohn)