Dauerprüfung: EU-Staatsbürger in die Bundeswehr (m. Nachträgen)

Zwischen Weihnachten und Silvester gibt es anscheinend nicht so viele Nachrichten, also wird vieles gerne aufgegriffen… Zum Beispiel die immer noch andauernde Prüfung, ob die Bundeswehr nicht für EU-Ausländer geöffnet werden sollte:

Die Anwerbung von EU-Bürgern für spezielle Tätigkeiten sei eine Option, die geprüft werde, zitieren die Zeitungen der Funke-Mediengruppe den Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn. „Wir reden hier beispielsweise von Ärzten oder IT-Spezialisten“, erläuterte der ranghöchste Militär demnach. In Zeiten des Fachkräftemangels müsse die Bundeswehr „in alle Richtungen blicken“ und sich um den passenden Nachwuchs bemühen.

Falls das jemandem bekannt vorkommen sollte: Mir auch. Ich hab mal ins Archiv geguckt.

Zum Beispiel auf den Februar 2011 . Der Sprecher des damaligen Verteidigungsministers Thomas de Maizière, Steffen Moritz, vor der Bundespressekonferenz:

MORITZ: Eine der Maßnahmen ist die, die Sie ansprechen, also die Frage, ob man die Streitkräfte auch für den Dienst für nicht-deutsche Staatsangehörige öffnet. Auch diese Frage wird im Moment im Ministerium geprüft. Es gibt noch kein endgültiges Ergebnis. Die Frage, ob eine solche Maßnahme eventuell nur für EU-Ausländer zugelassen wird oder am Ende gar nicht, ist noch nicht entschieden. (…)
MORITZ: Ohne, dass es schon ein Ergebnis gibt, wird im Haus im Moment mehr die Öffnung für EU-Ausländer und Länder geprüft, mit denen es Verträge für die Anerkennung von Berufsabschlüssen gibt.

FRAGE: Herr Moritz, welche Länder wären das in Sachen Anerkennung der Berufsabschlüsse?

MORITZ: Ich kann beispielsweise die Schweiz nennen. Es gibt mit Sicherheit eine Zusammenstellung, die ich allerdings nachreichen müsste.

ZUSATZFRAGE: Haben Sie einen Überblick, wie groß das Potenzial dieser EU-Ausländer mit nicht deutschem Pass hier in Deutschland sein könnte? Wie viele Menschen könnte das betreffen?

MORITZ: Es gibt im Moment keine Erhebung. Das sind die ersten Überlegungen. Man wird diese Maßnahme wie die anderen 82 Maßnahmen, die in dem Maßnahmenpaket aufgeführt sind im Einzelnen prüfen, bewerten und dann entscheiden, ob und in welcher Form man sie umsetzen wird.

FRAGE: Herr Moritz, ich meine gelesen zu haben, dass sich diese Überlegungen auf nicht deutsche Inländer bezögen. Ist das falsch?

MORITZ: Ja. Es geht um die Frage, welche Staatsangehörige überhaupt infrage kommen. Das sind die Inländer mit einer EU-Staatsbürgerschaft.

ZUSATZFRAGE: Oder die, mit denen es diese Abkommen über die Anerkennung der Berufsabschlüsse gibt?

MORITZ: Ja.

ZUSATZFRAGE: Das kann also auch ein Nicht-EU-Ausländer sein, der in Deutschland wohnt?

MORITZ: Wenn es denn einen solchen Vertrag in Sachen Anerkennung der Berufsabschlüsse gibt. Ich kann nur sagen, dass das im Moment der Stand ist, der fachlich auf Referatsebene als einzige Möglichkeit geprüft wird, die überhaupt bestünde. Es ist noch nicht klar, ob man das am Ende überhaupt umsetzen wird.

Der Bericht der so genannten Weise-Kommission von 2010 ist leider auf der BMVg-Seite dem Relaunch vor einigen Jahren zum Opfer gefallen (da wurde nur aufgehoben, was seit Amtsantritt der aktuellen Amtsinhaberin Ursula von der Leyen veröffentlicht wurde); da standen ähnliche Überlegungen auch schon drin. (Falls ich noch einen Link dazu finde, trage ich ihn nach.)

Das Thema kam dann immer mal wieder hoch, und dann fand es Eingang auch ins Weissbuch 2016:

Nicht zuletzt böte die Öffnung der Bundeswehr für Bürgerinnen und Bürger der EU nicht nur ein weitreichendes Integrations- und Regenerationspotenzial für die personelle Robustheit der Bundeswehr, sondern wäre auch ein starkes Signal für eine europäische Perspektive.

Letzteres ist nun auch schon mehr als zwei Jahre her.

Also: geprüft wird seit bald einem Jahrzehnt. Deshalb würde ich das Thema gerne erst dann wieder aufgreifen, wenn es konkrete Entscheidungen dazu gibt.

Update: Nach einem Bericht von Spiegel Online sind die konkreten Planungen für eine Anwerbung von EU-Bürgern deutlich weiter fortgeschritten als vom Generalinspekteur und dem Ministerium zugegeben. Vor allem in Deutschland lebende Polen, Italiener und Rumänen sollten für den Dienst in der Bundeswehr angeworben werden, und längst nicht nur Spezialisten.

Eine Voraussetzung soll dem Bericht zufolge die fließende Beherrschung der deutschen Sprache sein. Das zu Grunde liegende Konzept habe Staatssekretär Gerd Hoofe bereits im August unterzeichnet.

Eine Ministeriumssprecherin lehnte eine Stellungnahme dazu ausdrücklich ab, da es sich um ein vertrauliches Papier handele.

Und noch ein Nachtrag zur Erinnerung: Der Deutschlandfunk-Kollege Klaus Remme hatte im November ein langes Interview mit den Generalinspekteur geführt und dabei auch nach Ausländern für die Bundeswehr gefragt:

Remme: Wie steht es dann mit der Rekrutierung von zum Beispiel EU-Bürgern für die Truppe?
Zorn: Das haben wir analysiert, da sind wir noch nicht fertig mit der Analyse. Und zwar schlichtweg deswegen, wir müssen natürlich schauen, dass wir nicht bei unseren europäischen Partnernationen als Konkurrent auftreten.
Remme: Also, Potenzial gering?
Zorn: Das Potenzial ist gering. Und es ist ein Thema, was man sicherlich im Auge behalten kann für Spezialisten. Das ist für mich ein Punkt. Es ist auch noch nicht abschließend entschieden.
Remme: Noch radikaler gedacht: die Schaffung von Voraussetzungen, um gezielt Nicht-EU-Bürger anzuwerben. Das ist im Moment gesetzlich nicht möglich, heißt aber ja nicht, dass das so bleiben muss – möglicherweise sogar ganz offensiv mit der „Belohnung“ eines deutschen Passes?
Zorn: Das ist natürlich ein großes politisches Thema. Ich persönlich halte unverändert für mich für bedeutsam, dass wir den Eid, wir Soldaten, den Eid auf die Bundesrepublik Deutschland schwören und damit auch diese Verfassungstreue und auch die Relation zu Deutschland als Staat darstellen.
Remme: Potenzial?
Zorn: Gering.

(Foto: A U.S. Marine with Special Purpose Marine Air-Ground Task Force-Crisis Response-Africa studies a MILAN anti-tank weapon system with a German soldier during a training event in Seedorf, Germany, Dec. 4, 2018. This event, which focused on infantry tactics and maneuvers, marked the first time U.S. Marines have trained with German Fallschirmjäger Regiment-31.  – U.S. Marine Corps photo by Sgt. Katelyn Hunter)