Dokumentation: Merkel vor dem Europaparlament zur „echten europäischen Armee“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am (heutigen) Dienstag vor dem Europaparlament in Straßburg eine Rede gehalten, in der es um viele Aspekte gemeinsamen europäischen Handelns ging. Interessanterweise haben allerdings ihre Aussagen zu einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik – zunächst? – die Schlagzeilen bestimmt.

Das mag damit zu tun haben, dass es komplementär zur Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vor einigen Tagen verstanden wurde, der wie Merkel jetzt von einer echten europäischen Armee sprach. Allerdings: Deutlicher noch als Macron kennzeichnete Merkel ihre Aussage als Vision:

Aber wir sollten ‑ das sage ich aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre sehr bewusst ‑ an der Vision arbeiten, eines Tages auch eine echte europäische Armee zu schaffen.

Zur Dokumentation die Passage aus Merkels Rede im Zusammenhang, in der Abschrift des Bundespresseamtes:

Meine Damen und Herren, Einheit und Geschlossenheit sind für Europas Erfolg unverzichtbar. Ich möchte deshalb drei Bereiche hervorheben, auf die es aus meiner Sicht besonders ankommen wird.

Erstens die Außen- und Sicherheitspolitik: Wir merken doch schon jetzt, dass wir als Europäer unsere Interessen überall dort viel besser verteidigen können, wo wir gemeinsam auftreten. Nur geschlossen ist Europa stark genug, um auf der globalen Bühne gehört zu werden und seine Werte und Interessen verteidigen zu können. Die Zeiten, in denen wir uns vorbehaltlos auf andere verlassen konnten, sind eben vorbei. Das heißt nichts anderes, als dass wir Europäer unser Schicksal stärker in unsere eigene Hand nehmen wollen, wenn wir als Gemeinschaft überleben wollen. Das bedeutet, dass Europa langfristig außenpolitisch handlungsfähiger werden muss. Deshalb müssen wir bereit sein, unsere Entscheidungswege zu überdenken und verstärkt dort auf Einstimmigkeit zu verzichten, wo die Verträge dies möglich machen und wo immer es möglich ist.

Ich habe vorgeschlagen, dass wir einen europäischen Sicherheitsrat mit wechselnden, rotierenden Besetzungen der Mitgliedstaaten einsetzen, in dem wichtige Beschlüsse schneller vorbereitet werden können. Wir müssen eine europäische Eingreiftruppe schaffen, mit der Europa auch am Ort des Geschehens handeln kann. Wir haben große Fortschritte bei der strukturierten Zusammenarbeit im militärischen Bereich erreicht. Das ist gut und wird ja hier auch weitestgehend unterstützt.

Aber wir sollten ‑ das sage ich aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre sehr bewusst ‑ an der Vision arbeiten, eines Tages auch eine echte europäische Armee zu schaffen. Ja, so ist es! Denn Jean-Claude Juncker hat schon vor vier Jahren gesagt: „Eine gemeinsame europäische Armee würde der Welt zeigen, dass es zwischen den europäischen Ländern nie wieder Krieg geben wird.“ – Das ist ja keine Armee gegen die NATO ‑ ich bitte Sie! ‑, sondern das kann eine gute Ergänzung der NATO sein. Kein Mensch möchte klassische Verbindungen infrage stellen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre doch viel einfacher, mit uns zusammenzuarbeiten. Wenn wir heute mehr als 160 Verteidigungssysteme bzw. Waffensysteme und die Vereinigten Staaten von Amerika nur 50 oder 60 haben, wenn wir für alles selbstständige Verwaltung, Betreuung und Ausbildung brauchen, dann sind wir doch kein effizienter Partner. Wenn wir unser Geld effizient einsetzen wollen und doch für viel Gleiches kämpfen, dann können wir doch in der NATO mit einer europäischen Armee gemeinsam auftreten. Darin sehe ich überhaupt keinen Widerspruch!

Das schließt dann natürlich ‑ ‑ ‑

(Zwischenrufe aus dem Plenum)

‑ Ach, ich freue mich darüber. Ich lasse mich doch nicht irritieren. Ich komme auch aus dem Parlament!

Dazu gehört dann im Übrigen auch die gemeinsame Entwicklung von Waffensystemen innerhalb Europas, und dazu gehört auch ‑ das ist eine schwere Aufgabe, auch für die Bundesrepublik Deutschland ‑, dass wir eine gemeinsame Rüstungsexportpolitik entwickeln, weil wir sonst auch nicht einheitlich auf der Welt auftreten können.

(Foto: Europaparlament)