Rückkehr der Wehrpflicht? Bislang keine sicherheitspolitische Debatte

Die Debatte über eine Rückkehr der Wehrpflicht oder gleich eine Einführung einer Dienstpflicht für alle Geschlechter, die die CDU am vergangenen Wochenende angestoßen hat, ist aus einem Grund äußerst merkwürdig: Die Debatte hat nämlich bislang mit Sicherheitspolitik so gut wie nichts zu tun. Da treffen sich die Wehrpflicht-Nostalgiker (Hat mir auch nicht geschadet) mit gesellschaftspolitischen Visionären (Gib deinem Land was zurück) und dumpfen Ordnungsfetischisten (Da lernen die jungen Männer mal Respekt und Disziplin).

Dass die Wehrpflicht, so lange es sie in Deutschland gab, schon einen Grund hatte, und zwar nicht den, junge Männer zum Falten von Hemden auf A4-Größe zu erziehen, wird dabei meist ausgeblendet: Damit wurden Soldaten für eine mögliche heiße Blockkonfrontatation ausgebildet, die im Verteidigungsfall einen raschen Aufwuchs garantieren konnten – die Bundeswehr mit ihrem Friedensumfang von bis rund 500.000 Mann wäre dann auf mehr als das Doppelte angeschwollen.

Nun hat die Bundeswehr in der Tat Rekrutierungsprobleme, und die hat sie vor allem dort, wo ihr die Einführung der Wehrpflicht kein Stück weiter hilft. Nein, Hubschraubermechaniker und Spezialisten für Antriebsturbinen, die sechs Monate auf See sein wollen, bekommt man selbst mit einem 2-Jahres-Wehrdienst nicht. Wer glaubt, die Truppe lechze nur so nach Wehrpflichtigen, der unterstellt ihr auch, dass die inzwischen deutlich verlängerten Verpflichtungszeiten auch für Mannschaftssoldaten reiner Unfug sind.

Aber einen Zeitsoldaten über zwölf Jahre einmal auszubilden und dann ausgebildet einsatzfähig zu haben, ist etwas ganz anderes als durchgeschleuste Kurzdiener. Übrigens fiel bei der Aussetzung vor gut sieben Jahren auch ins Kalkül, wieviel tausend Berufs- und Zeitsoldaten nicht mehr als Ausbilder für Wehrpflichtige gebunden werden. Die wären dann erneut nötig – und fehlten dem Pool der professionellen Truppe.

Der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) hat das am (heutigen) Montagmorgen im Deutschlandfunk recht nett zusammengefasst: Die Rückkehr der Wehrpflicht würde die Bundeswehr ins Chaos führen.  (Transkript des Interviews hier):

Aber Sie können die Wehrpflicht nicht wieder einführen. Ich habe das ja eben klargemacht. Was für eine Armee wollen Sie dann schaffen? Eine völlig neue Armee? Wie wollen Sie das international begründen? Also das, fürchte ich, wird im Nichts enden, diese Diskussion, und dann wird niemand begeistert sein. Lassen Sie uns uns doch auch zwei Dinge konzentrieren, erstens den Dienst in der neuen Bundeswehr attraktiver zu machen durch eine gute Ausrüstung, glaubwürdige finanzielle Bezahlung. Durch mehr Anerkennung für unsere Soldaten, für das, was sie leisten. Da müssen die Politiker einiges tun.

Fairerweise muss man auch dazu sagen: Einer der Verfechter der Wehrpflicht-Rückkehr in der CDU, der Abgeordnete Patrick Sensburg, bemüht sich (als einer der wenigen) schon um einen sicherheitspolitischen Ansatz in der Debatte – aber auch er kommt um die gesellschaftspolitische Dimension, die für seine Partei das wesentliche zu sein scheint, nicht herum:

Ich glaube, ganz wichtig ist, dass wir in vielen Veranstaltungen wahrgenommen haben, dass die Menschen für die Wehrpflicht sind. Dass sie auch für ein gesellschaftliches Jahr sind, einmal etwas für die Gesellschaft getan zu haben und das hat unsere Generalsekretärin in sehr vielen Veranstaltung mitbekommen.

Ich habe ja schon eine Vermutung, was die ganzen Verfechter der Dienst/Wehrpflicht für Männer und Frauen so vor Augen haben: Das Modell Schweden, wo die Wehrpflicht für beide Geschlechter (wieder) eingeführt wurde – und faktisch in eine Auswahlwehrpflicht mündet: Alle werden gemustert, die Streitkräfte suchen sich die Besten aus.

Wer glaubt, das sei in Deutschland mit seiner ganz anderen Haltung nicht nur zu Streitkräften, sondern auch zu gesellschaftlichem Umgang denkbar – dem wünsche ich viel Spaß in Karlsruhe.

Unterm Strich: Wenn wir eine wirklich sicherheitspolitische Debatte darüber führen, ob eine Wiedereinführung der Wehrpflicht sinnvoll ist, dann können wir hier ja mal drüber reden. Bis dahin ist diese Sommerlochdebatte eher was für die gesellschaftspolitischen Blogs.

Nachtrag: Die Aussagen der Sprecherinnen und Sprecher der verschiedenen betroffenen Bundesministerien in der Bundespressekonferenz hier zum Nachlesen.

(Foto: Rekruten in der Grundausbildung auf der Hindernisbahn beim Panzergrenadierbataillon 401 in Hagenow im Juli 2018)