Noch mal Wehrpflicht: Wehrbeauftragter für freiwilligen Dienst nach Musterung

Die Debatte über ein Wiederaufleben der Wehrpflicht und/oder eine allgemeine Dienstpflicht, die die CDU mitten im Sommerloch angestoßen hatte, ist zwar schon wieder abgeebbt. Interessant ist dennoch der Vorschlag, den der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, (wieder) aufgegriffen hat: Ein freiwilliger Wehrdienst nach obligatorischer Musterung. Allerdings, das sagt Bartels selbst, ist das keine schnelle Lösung für heute.

Der Wehrbeauftragte machte den Vorschlag in einem Interview der kommende Woche erscheinenden Ausgabe der Wochenzeitung Das Parlament des Deutschen Bundestages:

Praktikabel wäre heute allenfalls eine Auswahlwehrpflicht, wie sie bereits im Jahr 2000 von der Weizsäcker-Kommission vorgeschlagen wurde, und wie sie nun in Schweden eingeführt wird. Das heißt, jeder Wehrpflichtige wird gemustert und dann befragt, ob er den Wehrdienst leisten möchte. Von den Tauglichen und Willigen werden dann so viele gezogen, wie der Personalbedarf der Streitkräfte erfordert.

Das wäre natürlich keine Wehrpflicht im herkömmlichen Sinne, aber aus Sicht des Wehrbeauftragten sinnvoller als die Reaktivierung des ausgesetzten Pflichtdienstes: Dafür gibt es keine militärischen Strukturen mehr, keine Ausbilder, keine Ausrüstung und keine Unterkünfte. Mal ganz abgesehen von den veränderten Aufgaben. Dennoch hätte dieser freiwillige Dienst nach allgemeiner Musterung aus Bartels‘ Sicht einen Vorteil gegenüber dem heutigen reinen Freiwilligenmodell: Es macht einen Unterschied, ob man auf dem freien Markt werben und rekrutieren muss, oder ob ein ganzer Jahrgang von Wehrpflichtigen nach der Musterung vor die Entscheidung gestellt wird, ob man Dienst leisten will oder nicht. 

Allerdings sei diese Überlegung, die schon vor knapp einem Jahrzehnt – vor Aussetzung der Wehrpflicht – schon die so genannte Weizsäcker-Kommission vorgeschlagen hatte, derzeit Theorie, räumte der Wehrbeauftragte ein. Aktuell komme es darauf an, den Dienst in der Truppe möglichst attraktiv zu machen: Stichworte: gute Ausrüstung, Vereinbarkeit von Dienst und Familie, Pendlerfreundlichkeit.

Die ebenfalls in den vergangenen Wochen bekannt gewordenen Überlegungen, EU-Ausländer (und nur um die ging es bisher, ungeachtet mancher merkwürdigen anderslautenden öffentlichen Kritik) für die Bundeswehr anzuwerben, sieht Bartels skeptisch – aber nicht aus rechtlichen Gründen. Bereits jetzt könnten ja ausländische EU-Bürger in der Bundespolizei und in fast allen Länderpolizeien deutsche Beamte werden. Das Problem sei dann aber die Konkurrenz in der EU: Allerdings sollte man sich beim Militär in Europa nicht gegenseitig das Personal abspenstig machen, wenn etwa in einem anderen Land noch die Wehrpflicht besteht.

Ein Teil des Personalmangels in bestimmten Verwendungen der Bundeswehr ist aus Bartels Sicht allerdings auch hausgemacht:

Wenn man eine neue Verwendungsreihe wie zum Beispiel die Kampfretter der Luftwaffe schafft, dann stehen die bei der Personalgewinnung in Konkurrenz zu anderen infanteristischen Spezialverwendungen. Die Bundeswehr muss aufpassen, dass sie nicht zu viele zu spezielle Verwendungen ausplant, sonst wird sie am Ende in jeder einzelnen mit Personalmangel kämpfen. Besser wäre eine mehrrollenfähige Ausbildung in weniger Verwendungsreihen.

(Das Interview wurde am heutigen Freitag vorab im Wortlaut veröffentlicht)

(Foto: Rekruten des Panzergrenadierbataillons 401 in Hagenow bei der Grundausbildung im Juli 2018)