Putin beklagt NATO-Ausbau an der Nordostflanke als „aggressive Schritte“
Fürs Archiv: Am (gestrigen) 19. Juli hat der russische Präsident Wladimir Putin – so weit ich das sehe, erstmals öffentlich nach seinem Treffen mit US-Präsident Donald Trump am 16. Juli – zur Weltlage, zum Verhältnis zur NATO und zu den USA Stellung genommen. Seine ganze Rede vor einer Botschafterkonferenz ist in der vom Kreml veröffentlichten englischen Fassung* hier nachlesbar.
Aus deutscher Sicht sticht eine Passage besonders ins Auge, die das Engagement der NATO an ihrer Nordostflanke betrifft:
The key to providing security and safety in Europe is in expanding cooperation and restoring trust, and not in deploying new NATO bases and military infrastructure near Russia’s borders, which is what is taking place now.
We will respond appropriately to such aggressive steps, which pose a direct threat to Russia. Our colleagues, who are trying to aggravate the situation, seeking to include, among others, Ukraine and Georgia in the orbit of the alliance, should think about the possible consequences of such an irresponsible policy.
Für die Bundeswehr, die im Rahmen der so genannten enhanced Forward Presence (eFP) der NATO einen Kampfverband in Bataillonsgröße in Litauen führt, für die an diesem Bataillon in Rukla beteiligten anderen Mitgliedsländer des Bündnisses und ebenso für andere NATO-Staaten in den eFP-Battlegroups in den anderen baltischen Ländern und in Polen stellt sich natürlich die Frage: Was bedeutet es, wenn Putin sagt, Russland werde angemessen auf solche aggressiven Schritte antworten, die eine direkte Bedrohung des Landes darstellen?
*Da die ganze Rede des russischen Präsidenten lesenwert ist und ja nie klar ist, wie lange so ein Link bestand hat, hier der Text als pdf-Datei:
Putin-Rede auf Botschafterkonferenz 19.07.2018
(Foto: Soldaten des Jägerbataillons 292 im Februar 2018 in Rukla/Litauen – NATO Joint Forces Command Brunssum)
Was bedeutet es, wenn Putin sagt, Russland werde angemessen auf solche aggressiven Schritte antworten, die eine direkte Bedrohung des Landes darstellen?
Wladimir Putin weiß sehr genau, dass die Russische Föderation aus dem Baltikum heraus nicht bedroht wird.
Wenn man sich seine Reaktion auf die seinerzeitige Truppenparade der US-Streitkräfte in Narva ins Gedächtnis ruft, bzw Ihre Artikel zur Truppenparade und in Folge nochmal durchliest, dann:
– Verlegeübungen in den Raum St Petersburg,
– Manöver im Raum Velikiy Novgorod (evtl auch Pskov)-St Petersburg-Tikhvin,
– die Finnen dürften die Bereiche Vyborg und gemeinsam mit den Norwegern Karelien sehr genau beobachten,
– Verstärkung, Ertüchtigung und intensive Inübunghaltung der Truppenteile im Oblast Kaliningrad,
– Verstärkung der Übungsintensivität mit den Streitkräften der Republik Belarus (auch wenn dort gerade kein überbordendes Interesse besteht),
– Verstärkung der Zusammenarbeit in Belarus im Rahmen der Luftstreitkräfte,
– Manöver im Raum Wladiwostok zur Demonstration gen USA,
– Manöver der Raketentruppen,
– ein paar Schiffe schippern.
Und noch etwas mehr. Kurz: das Übliche.
Die Entscheidung im Baltikum muss mMn über die Mittel der EU gesucht werden. Gelingt es, die sozioökonomische Bindung des Baltikum, Polens, usw an die EU aufrecht zu erhalten und noch zu verbessern, gelingt es die russischen Minoritäten in ihrer zuweilen putinnahen Ausrichtung zu beeinflussen gen EU, dann bleibt die Gefahr des hybriden Krieges eine theoretische, dann verhält sich das Gewitter der Russischen Streitkräfte so wie jedes: es zieht vorüber.