US-Truppen raus aus Deutschland? Ein Blick auf die Fakten

Wie aufgeheizt und bisweilen irrational die Stimmung gerade in Deutschland vor dem bevorstehenden NATO-Gipfel in knapp zwei Wochen ist, macht am (heutigen) Samstag die öffentliche Reaktion auf eine – bislang exklusive und nicht bestätigte – Meldung der Washington Post deutlich: US-Präsident Donald Trump, so heißt es in vielen deutschen Wiedergaben des Berichts, drohe mit dem Abzug der US-Truppen aus Deutschland.

Die Reaktionen zeigen ein paar typische Denkmuster und daraus abgeleitete Folgerungen:

• Es fühlen sich diejenigen bestärkt, die gar nicht schnell genug die in der NATO als Ziel vereinbarten Verteidigungsausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen können: Wenn Trump die Truppen abziehe, sei das doch die gerechte Strafe für Deutschland.

• Etwas moderater: Eine solche Drohung zeige erst recht die Notwendigkeit, dass Europa ernsthafter an seine eigene Verteidigung rangehen müsse, ohne auf die USA zu setzen, und entsprechend deutlich mehr ausgeben müsse.

• Aus der Friedensbewegung (zumindest in einzelnen Stimmen) kommt Jubel: Endlich Abzug der US-Truppen, Abzug der US-Nuklearwaffen, Ramstein als Drohnen-Steuerungszentrale dichtmachen (ein bisschen schwer verständlich, weil eine absehbare Konsequenz, nämlich eine Verlagerung dieser Einrichtungen einschließlich Atomwaffen nach Osteuropa  und näher an die Grenze Russlands, die NATO-Russland-Grundakte endgültig obsolet machen würde und das nicht wirklich als Gewinn für Frieden und Sicherheit zu verstehen wäre).

Ich würde da einen Blick auf die Fakten empfehlen – zunächst mal aus dem Originalbericht in der Washington Post*:

The Pentagon is analyzing the cost and impact of a large-scale withdrawal or transfer of American troops stationed in Germany, amid growing tensions between President Trump and German Chancellor Angela Merkel, according to people familiar with the work.
The effort follows Trump’s expression of interest in removing the troops, made during a meeting earlier this year with White House and military aides, U.S. officials said. Trump was said to have been taken aback by the size of the U.S. presence, which includes about 35,000 active-duty troops, and complained that other countries were not contributing fairly to joint security or paying enough to NATO. (…)
U.S. officials, who spoke on the condition of anonymity to comment on the unpublicized effort, emphasized that the exercise is limited to an internal exploration of options. The top military brass are not involved as yet, and the Pentagon has not been tasked with figuring out how to execute any option.

Das klingt zunächst eher nach einem der typischen Trump-Einfälle, die auf der emotionalen Ebene entweder Befriedigung oder Entsetzen erzeugen (sollen), aber mit Fakten vorerst noch nichts zu tun haben.

Also schauen wir mal, welche größeren Installationen der US-Streitkräfte es in Deutschland so gibt:

• Das U.S. European Command in Stuttgart

• Das U.S. Africa Command in Stuttgart

• Das Hauptquartier der U.S. Army Europe in Wiesbaden

• Die Ramstein Air Base der U.S. Air Force

• Die (offiziell nicht bestätigten) US-Atomwaffen in Büchel

• Das Krankenhaus der US-Streitkräfte in Landstuhl

• Die Trainingseinrichtungen in Grafenwöhr und Hohenfels

• Die in Vilseck, Bayern, stationierten Truppen einer Brigade der U.S. Army

(und vermutlich noch ein paar mehr, die ich jetzt nicht auf dem Schirm habe).

Dass alle diese Einrichtungen in Deutschland liegen, hat zum einen historische Gründe – aber seit langer Zeit auch praktische. Denn das Aktionsgebiet der hier installierten Kommandos und der stationierten Truppen ist ja nicht Deutschland, sondern die von hier aus (im Vergleich zu den USA) viel leichter erreichbaren Einsatzgebiete: In den vergangenen Jahren Afghanistan und der Irak, und sowohl die Nordost- als auch die Südostflanke der NATO sind ungefähr gleichermaßen gut erreichbar.

Natürlich lässt sich das alles in andere europäische Länder verlegen, zum Beispiel ins benachbarte und Trump freundlicher gesinnte Polen. Das würde allerdings einen recht großen finanziellen Aufwand bedeuten, und die von Polen angebotenen zwei Milliarden US-Dollar für die erhoffte Stationierung einer US-Division wären da eher Peanuts.

Abgesehen von den Kosten, würde es aus militärischer Sicht recht wenig bringen: Außer dass US-Truppen näher an die (Nord)Ostflanke der NATO rücken, wäre für sie kein rechter Vorteil erkennbar. Im Gegenteil, für andere Einsatzregionen müssten die entsprechenden Verkehrswege sichergestellt werden – und da geht es nicht nur um Flugplätze. Auch der Weg zu den Seehäfen an der Nordsee vergrößert sich (wenn man nicht denkt, sie könnten einfach durch Ostseehäfen ersetzt werden, die in einem bestimmten Bedrohungsszenario nicht ganz so praktisch sind).

Auch eine Rückverlegung der Truppen (und der Kommandozentralen?) in die USA scheint nicht so richtig praktisch: Alle Vorteile, die die USA im Hinblick auf Europa und Afrika durch ihre Einrichtungen in Deutschland haben, würden dann aufgegeben.

Andererseits könnte Deutschland ja dann einen Teil der für den Host Nation Support aufgewendeten Kosten anderweitig ausgeben. Das wäre dann ja im Sinne des deutschen Steuerzahlers (aber natürlich nicht in Trumps Sinne, oder?)

So weit die Fakten, unter anderem für diejenigen, die (noch) glauben, dass Staaten rational entlang ihrer Interessen handeln. Den anderen kann ich ja vermutlich mit Fakten ohnehin nicht kommen.

*Den Text gibt es in Kopie auch auf dem Blog des Atlantic Council zu lesen.

(Foto: U.S. Soldiers, assigned to 2nd Battalion, 70th Armored Regiment, 2nd Armored Brigade Combat Team, 1st Infantry Division await the beginning of their next task during the Strong Europe Tank Challenge in Grafenwöhr, June 5, 2018 – U.S. Army photo by Gertrud Zach)