Bundestag billigt neue Bundeswehr-Drohnen – und setzt neue Hürden für Bewaffnung (neu: Vertrag)

Nach Jahren des politischen Streits hat der Bundestag die Beschaffung von Drohnen für die Bundeswehr gebilligt, die auch bewaffnet werden können – und zugleich für die Beschaffung der Bewaffnung neue Hürden aufgestellt. Der Haushaltsausschus des Bundestages stimmte am (heutigen) Mittwoch dem Plan der Streitkräfte zu, für die nächsten neun Jahre unbemannte Flugsysteme des israelischen Typs Heron TP zu leasen. In einem so genannten Maßgabebeschluss wurde der Kauf von Waffen für das System und die Ausbildung deutscher Soldaten an diesen Waffen allerdings von einem neuen Parlamentsbeschluss abhängig gemacht.

Damit kann das Verteidigungsministerium den schon lange verhandelten Vertrag mit der Airbus-Tochter Airbus Defence & Space Airborne Solutions GmbH (ADAS) sowie eine Vereinbarung mit der israelischen Regierung abschließen. Für neun Jahre sollen fünf Heron-TP-Drohnen, vier Bodenstationen und je ein Ausbildungsimulator in Deutschland und Israel geleast werden. Einschließlich der vorgesehenen Kosten für den Einsatz in zwei unterschiedlichen Regionen – zum Beispiel in den derzeitigen Einsatzgebieten Afghanistan und Mali – beläuft sich das Gesamtpaket auf rund 1,2 Milliarden Euro. Ausbildung und Training sind in Israel geplant; im deutschen Luftraum werden die neuen unbemannten Flugzeuge voraussichtlich nie fliegen.

Nach Darstellung des Verteidigungsministeriums sind die Heron-TP-Drohnen des israelischen Herstellers auch ohne Bewaffnung ein Fortschritt für die Truppe, weil sie leistungsfähiger sind als die bisher genutzten, ebenfalls aus israelischer Produktion stammenden Heron-1-Systeme. Die Bundeswehr dringt allerdings schon seit Jahren darauf, dass diese ferngesteuerten Fluggeräte auch bewaffnet sein müssten, um den Schutz von deutschen Soldaten zu gewährleisten.

Die Bewaffnung bleibt jedoch wie schon in der vergangenen Legislaturperiode ein Streitpunkt zwischen den Koalitionspartnern. Die Spitzen der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD hatten den zusätzlichen Beschluss vereinbart, in dem die Aussagen zur Beschaffung der Drohnen aus dem Koalitionsvertrag ausbuchstabiert und festgeschrieben wird: Darin wird noch  ausdrücklich festgelegt, dass die unbemannten Fluggeräte ohne Bewaffnung geleast werden und auch keine Ausbildung mit Waffen stattfindet. Diese Einschränkung soll erst dann aufgehoben werden, wenn eine ausführliche völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und ethische Debatte darüber stattgefunden hat.

Diese Einschränkungen sind zwar bereits in der Beschaffungsvorlage für die Heron TP enthalten. Auf Wunsch der Sozialdemokraten, die im vergangenen Jahr überraschend die eigentlich bereits vereinbarte Beschaffungsentscheidung gestoppt hatten, wurden sie in einen gesonderten, zusätzlichen Beschluss aufgenommen.

Unklar bleibt allerdings bis auf weiteres, wie die geforderte ausführliche Debatte unter Berücksichtigung von Völkerrecht und Ethik geführt werden soll und wann die im Beschluss genannte Bedingung als erfüllt gilt. Bereits der frühere Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte sich mit dieser Forderung konfrontiert gesehen und auch Anläufe zum Gespräch zum Beispiel mit den Kirchen gemacht. Inhaltlich scheint die Debatte allerdings in dem seither vergangenen fünf Jahren nicht besonders weitergekommen zu sein.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die bei der Beratung im Haushaltsausschuss anwesend war, begrüßte die Entscheidung – wollte aber zu dem Thema Bewaffnung nicht Stellung nehmen:

Heron_TP_vdL_12jun2018     

 

Auch Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz beschränkte sich darauf, die Vorteile des neuen Systems hervorzuheben:

Mit dieser Entscheidung machen wir einen Quantensprung im Bereich der unbemannten Luftfahrzeuge. Mit der weitaus bessern Aufklärungssensorik und der gleichzeitig längeren Stehzeit in der Luft können wir den Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten im Einsatz wesentlich verbessern.

Für die Opposition sind dagegen noch etliche Fragen ungeklärt – zum Beispiel, wann denn die geforderte Debatte über eine Bewaffnung der Drohnen als erfüllt  betrachtet wird. Oder, wie der Grünen-Haushälter Tobias Lindner hervorhebt, warum rund 50 Millionen Euro für die technische Bewaffnungsfähigkeit ausgegeben werden, wenn die Bewaffnung noch offen ist:

Heron_TP_Lindner_12jun2018     

 

Nachtrag: Noch am gleichen Abend unterzeichnete das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) den Leasing-Vertrag mit der Airbus Defence & Space Airborne Solutions GmbH. Aus der Mitteilung des Amtes:

Am 13. Juni 2018 unterzeichneten Verantwortliche des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und der Firma Airbus Defence & Space Airborne Solutions (ADAS) einen Vertrag über die Nutzung der israelischen Aufklärungsdrohne Heron TP (Heron, hebräisch für Reiher, TP Abkürzung für Turboprop).
Nach Billigung des Vertragsschlusses durch den Verteidigungs- sowie den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages am Mittwoch, kamen noch am selben Tag Verantwortliche der Beschaffungsorganisation der Bundeswehr sowie der Firma ADAS in Koblenz zur Vertragsunterzeichnung zusammen. (…)
Im Gegensatz zu anderen Beschaffungsprojekten wird die Aufklärungsdrohne Heron TP nicht gekauft, sondern mit einem Dienstleistungsvertrag der Bundeswehr zur Verfügung gestellt. „Wir legen lediglich Ort und Zeit fest und Airbus muss das System rechtzeitig in die Luft bringen“, so Vizepräsident Schmidt-Franke. „Unsere Piloten übernehmen dann und können sich ganz auf den Aufklärungsauftrag konzentrieren.“ Auch die zeitgerechte Wartung und Durchführung von Reparaturen liegt in der Verantwortung der Industrie.
Insgesamt fünf Fluggeräte und vier Bodenstationen wird die Firma ADAS beim israelischen Hersteller Israeli Aerospace Industries für diese Zwecke bestellen und nach den Vorgaben des BAAINBw an die deutschen Bedürfnisse anpassen lassen. Damit kann das System in bis zu zwei Einsatzgebieten gleichzeitig zum Einsatz kommen.
Die Ausbildung der Piloten wird nach einer Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel von den israelischen Streitkräften in Israel durchgeführt. „Wir freuen uns auf die neue Zusammenarbeit mit unseren Freunden und Partnern in Israel“, so der Vizepräsident des BAAINBw. (…)
Mit Vertragsschluss beginnen beide Seiten nun die Arbeiten an der raschen Umsetzung des Projekts. Die Ausbildung der ersten Piloten beginnt bereits 2018, und der Flugbetrieb soll 2020 beginnen. Eine erste Verlegung in ein Einsatzgebiet kann dann voraussichtlich ebenfalls im Jahr 2020 erfolgen.

(Foto: Heron TP auf der ILA 2018 in Berlin)