Catch-22 für Eurofighter-Piloten: Weniger Flugstunden, weniger Simulator (Nachtrag: Luftwaffe)
Der Bundesrechungshof hat in seinen ergänzenden Bemerkungen für 2017, am (heutigen) Dienstag veröffentlicht, natürlich auch die Bundeswehr im Blick. Bei den Streitkräften sind der Prüfbehörde zwei Komplexe aufgefallen, bei denen in der Tat die Frage ist, warum es zu sehr merkwürdigen Ausgaben kommen konnte – und vor allem: warum es nicht nur zu Mehrausgaben, sondern auch zu Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft kommen musste.
Keinen großen Kostenblock (gemessen an dem, was Streitkräfte und insbesondere Kampfjets im Betrieb kosten) betrifft die Bemerkung des Rechungshofes zu Simulator-Flugstunden. Unterm Strich: Die verfügbaren Simulator-Stunden für Eurofighter-Piloten wurden in den vergangenen Jahren nicht ausgeschöpft – obwohl es auch nicht ausreichend echte Flugstunden im Cockpit der Kampfjets gab:
Der Bundesrechnungshof wertete Statistiken der Eurofighter-Geschwader aus. Er stellte fest, dass keine Pilotin und kein Pilot im Durchschnitt der Jahre 2015 und 2016 mehr als 30 Flugstunden in Simulatoren geleistet hatte. Unterdessen erfüllten nur wenige Pilotinnen und Piloten die NATO-Forderung von 180 Flugstunden.
Für das Jahr 2017 planten die Geschwader 900 Flugstunden, die in Simulatoren zur Verfügung standen, nicht für die fliegerische Ausbildung ein. Im Ergebnis nutzte die Luftwaffe bereitstehende und bezahlte Simulator-Kapazitäten im Wert von 1,8 Mio. Euro nicht.
Hier ist nicht das Geld das Problem – sondern die ohnehin zu geringe Zahl an Flugstunden für den combat ready-Status, also die Auswirkung auf die Einsatzbereitschaft. Die Erklärung des Verteidigungsministeriums, warum es so ist wie es ist, klingt interessant:
Das BMVg hat die ergänzende Wirkung der Simulatorausbildung bei unverkennbaren Unterschieden zur Ausbildung im realen Flug betont. (…). Eine höhere Ausbildungszeit im Simulator sei erst angezeigt, wenn der Anteil der realen Flugstunden gesteigert werden könne. Reale Flüge seien jedoch durch die geringe Verfügbarkeit der Eurofighter begrenzt.
Hm, ein echtes Catch-22: Mehr Simulator-Stunden, wenn es mehr echte Flüge gibt, also wenn zu wenig echte Flüge, gehen wir halt seltener in den Simulator, pah! (Ich habe die Luftwaffe gebeten, mir Laien das doch noch mal zu erklären.)
Nachtrag: Die Erläuterung aus dem Kommando Luftwaffe dazu:
Am Beginn eines jeden Jahres wird ein Plan zur Auslastung der Simulatoren basierend auf einer Prognose der Personalverfügbarkeit entworfen. Dieser unterliegt – wie jeder Plan – in der Umsetzung dann ungeplanten und kurzfristigen Änderungen, wie z.B. höher priorisierte Aufgaben, die Abstellung von Personal für Auslandseinsätze, personelle Veränderungen beim fliegenden Personal oder technisch bedingte Umrüstungen der Simulatoren. Sollte eine Abwägung notwendig sein, priorisiert die Luftwaffe in der täglichen Einsatzplanung in der Aus- und Weiterbildung ihrer Besatzungen dann grundsätzlich Realflugstunden höher als Simulatorflugstunden.
In der Summe führten diese Faktoren im zugrundeliegenden Betrachtungszeitraum des Bundesrechnungshofes zu einer Auslastung der Simulatoren von 50-60%. Das aufgezeigte bzw. erkannte Verbesserungspotenzial wird bei den Planungsabläufen bereits in Teilen umgesetzt.
Ein Grundsatzproblem des Projektmanagements in der Bundeswehr hat der Rechnungshof bei den Führungs- und Waffeneinsatzsystemen der Fregatten entdeckt. Und die Beschreibung der erkannten Problematik ist so, nun ja, grundsätzlich, dass man sie in ganzer Länge würdigen muss:
Im Jahr 2003 beschloss das BMVg, die Einsatzsysteme auf den zwölfF regatten der Klassen 122 und 123 zu modernisieren. Die Bundeswehr schloss hierzu im September 2005 einen Vertrag. Demnach sollte der Auftragnehmer die Hardware des Einsatzsystems austauschen und eine neue Software entwickeln und implementieren. Er sollte die Arbeiten im Jahr 2011 abschließen.
Um die komplexen funktionalen Anforderungen an die Einsatzsysteme zu beschreiben, erstellte die Bundeswehr zunächst eine „Compliance-List“. Diese übersandte sie dem Auftragnehmer. Der Auftragnehmer markierte in der „Compliance-List“, welche Anforderungen er erfüllen kann und welche nicht. Die so veränderte „Compliance-List“ wurde Bestandteil des Vertrages zwischen der Bundeswehr und dem Auftragnehmer. Der Vertrag enthielt keine detaillierte Beschreibung, wie die einzelnen Anforderungen zu verstehen sind.
Im Jahr 2008 änderten die Bundeswehr und der Auftragnehmer den Vertrag. Statt zwölf Schiffe sollte der Auftragnehmer nur noch die vier Fregatten der Klasse 123 modernisieren. Außerdem vereinbarten die Vertragspartner zusätzliche Maßnahmen zur Qualitätssicherung, z.B. verbesserte Analysen der Programmcodes.
Im Jahr 2010 stellte die Bundeswehr dem Auftragnehmer das erste Schiff für die Arbeiten bereit. Dieser modernisierte das Einsatzsystem und stellte es zur Abnahme vor. Die Bundeswehr prüfte das neue Einsatzsystem anhand der vorab entwickelten Szenarien. Im Juli 2011 nahm die Bundeswehr das Einsatzsystem auf dem ersten Schiff ab. Damit begann die Gewährleistungsfrist und die Beweislast für alle später festgestellten Mängel ging auf den Bund über. Die Bundeswehr bezahlte alle für das erste Schiff vereinbarten Leistungen.
Anschließend testete die Bundeswehr das neue Einsatzsystem auf dem ersten Schiff unter einsatznahen Bedingungen. Dabei verwendete sie auch andere als die vom Auftragnehmer entwickelten Szenarien. Diese Einsatzprüfung scheiterte, u. a. wegen sicherheitsrelevanter Fehler in der Software. Daraufhin setzte die Bundeswehr die Modernisierung der Einsatzsysteme auf den drei weiteren Fregatten aus. Der Auftragnehmer bemühte sich zunächst erfolglos, die Mängel abzustellen.
Weitere Einsatzprüfungen in den Jahren 2012 und 2014 scheiterten. Im Jahr 2013 prüfte die Bundeswehr, ob sie die Modernisierung abbrechen soll. Sie hielt eine Rückabwicklung des Projektes jedoch für aussichtslos. Schadenersatzansprüche gegen den Auftragnehmer könne sie nicht geltend machen, weil die Anforderungen an die Software nur unzureichend beschrieben seien und Interpretationsspielräume bei der Umsetzung zuließen. Die Bundeswehr führte das Projekt daher weiter.
Eine vierte Einsatzprüfung im Mai 2016 war erfolgreich. Noch verbliebene Mängel – sogenannte Restpunkte – sollten bis zum Jahr 2018 abgestellt werden.
Der Vertrag aus dem Jahr 2005 sah 69 Mio. Euro für die Modernisierung der Einsatzsysteme auf zwölf Schiffen vor. Nach der Vertragsänderung im Jahr 2008 sollte die Modernisierung der Einsatzsysteme auf vier Schiffen 96 Mio. Euro kosten. Nach der Einsatzprüfung im Jahr 2016 rechnete das BMVg mit Gesamtkosten für die Modernisierung der Einsatzsysteme auf vier Schiffen von 120 Mio. Euro.
Nach der erfolgreichen Einsatzprüfung im Mai 2016 nahm die Bundeswehr die Modernisierung der Einsatzsysteme auf den drei weiteren Fregatten der Klasse 123 wieder auf. Die im Jahr 2009 beschaffte Hardware war inzwischen veraltet und eine Ersatzteilversorgung nicht mehr sichergestellt. Die Bundeswehr
entschied daher, diese nur noch auf dem zweiten Schiff einzurüsten und für die Schiffe drei und vier neue Hardware zu beschaffen. Die Kosten hierfür schätzte sie auf 6,5 Mio. Euro.
Ich hoffe, der Bundesrechnungshof verzeiht mir dieses Großzitat – das ist so genial lakonisch geschildert, ich könnte es nicht besser. Was das Verteidigungsministerium und vor allem die Marine dazu gesagt hat, steht in den Bemerkungen des Rechnungshofes – kurzgefasst: Ein Teil der Probleme ist mit der Agenda Rüstung in Angriff genommen. Und die Abnahme durch eine militärische Fahrmannschaft geht halt erst später.
(Randbemerkung: Die vom Bundesrechnungshof genannten Summen in diesen zwei Bemerkungen zur Bundeswehr sind doch deutlich niedriger als die Summen, die die Prüfbehörde beim Thema Zahnspangen anprangert. Dass in den Nachrichten Millionen-Mismanagement bei der Truppe einen höheren Stellenwert hat als Milliarden-Probleme bei den Krankenkassen, will ich jetzt mal nur erwähnen, nicht bewerten…)
(Archivbild: Eurofighter in der Sonderlackierung „60 Jahre Luftwaffe“ auf der ILA 2016 – Foto mit freundlicher Genehmigung von Horatiu Goanta)
Verstehe ich das richtig? Veraltete Hardware, die nicht mehr mit Ersatzteilen repariert werden kann, wurde sehenden Auges trotzdem verbaut? Und wie kann es ganz generell sein, dass 2009 beschaffte Hardware ein paar Jahre später bereits obsolet ist? Mit welcher Nutzungsdauer wurde hier kalkuliert?
Geht es hier, laienhaft ausgedrückt, um herkömmliche PC-Hardware („Rechenpower“) im militärischen Kontext?
Blind geraten.
Das Üben im Simulator beinhaltet auch Dinge, die suboptimal bzw. gar falsch sind – d.h. ohne Realitätscheck gewöhnen die Piloten und Besatzung sich solche Manöver etc. an und im Ernstfall (re)agieren sie dann suboptimal wie sie es gelernt haben.
[Hm. „Blind geraten“ ist hier nicht so Stil fürs Kommentieren. T.W.]
Das ist doch die klassische Falle für Rüstungsbeschaffung. Man plant etwas mit Computer. Es dauert dann ein paar Jahre bis man das durch alle Gremien und durch den BT bekommt. Dann versucht man etwas zu beschreiben und in einen Vertragstext zu gießen, was eigentlich so garnicht sinnvoll zu leistbar ist. In der Zwischenzeit darf man wieder umplanen, weil sich die Umstände geändert haben. In der Zwischenzeit sitzt der Auftragsnehmer auf der gekauften Hardware, egal ob das jetzt PC’S oder andere Elektronik ist und jammert was er mit dem Schrott machen soll.
Solche Software Geschichten sind so groß und unübersichtlich, das kann man mit BW Haushaltsrecht nicht mehr sinnvoll abarbeiten.
@ede144:
Was wäre dann ihr Gegenvorschlag?
Hm, der Umfang der Beanstandungen des Rechnungshofes erscheint im Vergleich zum Gesamt-Umfang der Aktivitäten der BW als gering. Es fehlen wichtige Kennzahlen, um es richtig einzuordnen.
Denn in jeder Organisation gibt es immer Fälle von Ineffizienz und Fehlmanagement. Diese Aufzudecken ist Sinn der Rechnungsprüfung. Doch allein die Auflistung der Beanstandungen erlaubt keine Gesamtbewertung: denn es könnten Zeugnisse eines Komplettversagens der Organisation sein, aber auch Ausreißer in einer insgesamt effizienten Struktur.
Normalerweise gehört zu einem Prüfungsbericht daher auch die Aussage über den Umfang der Prüfung und das relative Gewicht der Beanstandungen zum Gesamtumfang. Also in etwa folgendes:
„Es wurden die, die und die Vorgänge geprüft. In 80% der Fälle gab es keine Beanstandungen, in 15% geringe Beanstandungen, in 5% wesentliche Beanstandungen.“ Ggf. auch: „Bei einem Gesamtausgabenvolumen von X€ waren Vorgänge im Umfang von Y€ von den Beanstandungen betroffen.“ „Es sind vermeidbare Mehrausgaben in Höhe von Z% der Gesamtausgaben entstanden.“
Erst solche Zahlen erlauben es, die Gesamteffizienz (finanzieller) Vorgänge in der Organisation abzuschätzen, die Entwicklung über die Jahre zu beobachten, mit anderen Organisationen zu vergleichen, etc.
Auf der oben verlinkten Seite des Bundesrechnungshofes habe ich solche Aussagen auf die Schnelle nicht gefunden, auch nicht in den Pressemitteilungen oder in den Berichten für 2017.
Klar – irgendwo wird es diese Zahlen schon geben, bzw. man kann einiges selbst ausrechnen. Doch diese überaus wichtigen Kennzahlen werden eben nicht aktiv kommuniziert! Allein aus der Auflistung der Beanstandungen bekommt der Bürger aber ein verzerrtes Bild der Realität. Sowohl der Rechnungshof, als auch die Öffentlichkeitsarbeit der jeweiligen Ministerien müssten hier nachlegen.
Vielleicht wäre das eine Anfrage bei den zuständigen Stellen wert? ;-)
IT für Kriegsschiffe ist „hohe Schule“. Die Kompetenz dafür kann man nicht eben mal einkaufen. Mit dem Outsourcing der Gestaltung von Führungs- und Waffeneinsatzsystems bei der Fregatte F124 hat die Marine (und auch BAAINBw) ihre/seine ehemalige Kompetenz mit dem Bade ausgekippt. Jetzt reicht’s halt nicht mal zum Erstellen brauchbarer Anforderungen. Das repariert sich auch nicht mit der Zeit wieder von selbst. Der aktuelle, aber inhaltlich dünne Hype um „Digitalisierung“ ändert da nichts. Schade eigentlich.
zur Randbemerkung, so wie ich das verstehe, werden hier die kritisierten 120 Mio im Verhältnis zu den 6,5 Mio für neue Hardware der Schiffe 3 und 4 verglichen.
Ob 1.100 Mio für kieferorthopädische Maßnahmen zu viel oder zu wenig, richtig oder falsch sind? Das jedenfalls steht nicht im BRH-Text.
Vielleicht ergibt sich aus der eingeforderten Studie, das mit Kassenleistungen für 996,5 Mio alles zum Besten stünde – dann könnten man sich an der überteuerten Nachrüstung die dann gerichteten Zähne ausbeissen ;-)
@AB
Man kann Projekte nur sinnvoll leiten, wenn man Ahnung davon hat. Meine Erfahrungen diesbezüglich haben nichts mit Militär zu tun, sondern ausschließlich mit Industrie und etwas öffentlicher Dienst. Das bedeutet für Software und Hardware in Führungsystemen braucht die BW oder das Beschaffungsamt eigene technische Kompetenzen, so das man beurteilen kann was der Lieferant anbietet und später Softwarefehler eventuell selbst beheben kann. Die gesamte Bürokratie in Bezug auf Beschaffung, Verwaltung und Einflußnahme der Politik sollte reduziert und längerfristig gestaltet werden. So könnte man z. B. bei der Beschaffung eines Schiffes durchaus den Ersatz der kompletten IT Infrastruktur schon bei der Beschaffung mit einkalkulieren und hätte so die Gewissheit das nach 8 Jahren alles auf den neuesten Stand gebracht würde.
Zudem scheint mir die Geschichte der 25 MIo Vorlagen etwas überholt zu sein. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird jedes Paar Stiefel einzeln im BT durch die Ausschüße gewunken.
Ich weiß nicht, wofür die Hardware bei den Fregatten genau benötigt werden.
Veraltet ist aber ein sehr dehnbarer Begriff.
Beim Space Shuttle, der Internationalen Raumstation und vielen anderen langlebigen und hochkomplexen Systemen „veraltet“ Hardware viel langsamer.
Und das gerade hier in der Planungs- und Einrichtungsphase die Hardware schon wieder veraltet sein soll, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.
Selbst bei Einhaltung des Zeitplans wäre dann die „Lebensdauer“ der Hardware sehr kurz gewesen.
Stinkt für mich nach sehr nach „da holen wir ordentlich Geld aus dem Projekt“.
Und Ersatzteilversorgung ist überhaupt kein Problem, wenn man sie mit einplant. Muss man aber auch wollen.
@AB
gemäß ISO9001 ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess mit klarem Zielbewusstsein statt „Innovationen“. Das hält Kosten und Risiken in Grenzen und sorgt nebenbei dafür, dass man eine bessere Aufsicht leisten kann, notfalls den Projektmanager oder die Rahmenbedingungen verändern kann.
Sollte heutzutage bei nicht-öffentlichen Projekten Standard sein. Aber bei öffentlichen Projekten gilt „Unsere Prozesse sind ganz anders“.
@all
Eine Stellungnahme des Kommandos Luftwaffe oben als Nachtrag im Text.
@ ede144
Zitat: „Man kann Projekte nur sinnvoll leiten, wenn man Ahnung davon hat. Meine Erfahrungen diesbezüglich haben nichts mit Militär zu tun, sondern ausschließlich mit Industrie und etwas öffentlicher Dienst. Das bedeutet für Software und Hardware in Führungsystemen braucht die BW oder das Beschaffungsamt eigene technische Kompetenzen, so das man beurteilen kann was der Lieferant anbietet und später Softwarefehler eventuell selbst beheben kann.“
Genauso ist es !
Darum fordert die Marine auch wieder ein eigenes IT- bzw. Fernmeldekommando um dort die Kompetenz zu bündeln. Noch besser wäre aber ein eigenes Systemunterstützungszentrum für die Schiffselektronik.
Des weiteren funktioniert der Kompetenzerhalt beim industrieseitigen Auftragnehmer nicht, wenn man mal eben ein 50 Mio Projekt (FüWES der F124 Fregatten) für 3 Jahre auflegt (2004 -2007) und dann der Firma keine Aufträge mehr zukommen läst.
So ist es wohl bei der Fa. Thales, Niederlande gewesen und den vom Rechnungshof kritisierten Modernisierungsauftrag hat dann die Fa. Atlas/Thales in Bremerhaven bekommen. Dass dies nicht funktioniern konnte, also das jemand ein IT-System modernisieren soll, das er nicht selbst konstruiert und programmiert hat leuchtet wohl ein.
Dabei reden wir nicht um irgendein Softwareprojekt. Das FüWES der F-124 Klasse war das größte deutsche Softwareprojekt im Jahre 2005 / 2006.
@ PC-Spezialist
Wie ihr Nickname schon vermuten lässt haben sie von der verwendeten Schiffselektronik und IT wenig Ahnung.
Die Technik wird unter dem Link „Sensoren“ erklärt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sachsen-Klasse_(2001)
Auszug:
„Die 17 Rechenschränke des CDS, welche über den ATM-Bus als Netzwerkknoten für die Sensoren, Effektoren, Link usw. dienen, sind ebenfalls mit dem ATM-Bus durch eine Bus Interface Unit (BIU) miteinander und mit den Mehrzweckkonsolen des Schiffes über ein lokales Netzwerk verbunden. Jeder Netzwerkknoten besteht aus einer Anzahl an SPARC/RISC-Prozessorkarten. Dadurch wird die Rechenleistung über mehrere CPUs verteilt, statt zahlenmäßig und räumlich eingeschränkt zu sein. Ein Operator kann sich so in jede Konsole einloggen, um jede beliebige Aufgabe wahrzunehmen.“
Wenn ich mir SPARC / RISC-Prozessorkarten für ein bestimmtes Programm auf Lager legen will, geht dies vermutlich schief, denn die Software läuft nur auf einer genau spezifierten Hardwaregeneration. Vor allen Dingen müssen die verschiedenen Teile der Hardwareausrüstung miteinander kompatibel sein, was bei neueren Austauschmodellen oftmals nicht mehr gegeben ist.
Es ist ja nur ein kleiner Auszug des BRH als Ergebnis eines größeren Strukturproblems, dem Abbau eigener Fachkompetenzzentren (Marinearsenal, Flottenfernmeldekommando, Verlagerung der Beschaffung zum BAINBw ohne Fachberaterteam der Marine, Einstellung der Ausbildung zum Informatiker (staat. geprf.) für Fachoffiziere als Kompetenzträger für Langzeit Projektbegleiter usw.) !
Eigentlich ist es nur verwunderlich, dass die Modernisierung des Führungswaffeneinsatzsystems der F-123 mit einem anderen Auftragnehmer als den Hersteller nicht komplett in die Hose gegangen ist. Die Kostensteigerung von 69 Mio auf 120 Mio bei gleichzeitiger Reduzierung des Auftrages von 12 auf 4 Fregatten betrachte ich hier nur als nebensächlich oder als Lehrgeld für die Bw was es kostet eigene Kompetenzen aufzugeben !
@AB
ich habe den GL Leidenberger in seinen Ausführungen sowie den Pressezitaten zum Thema „Digitalisierung von Landoperationen“ so verstanden, dass dann insbesondere die Beschaffungsprozesse für IT-Systeme geändert werden müssen.
Das wäre zumindest ein Anfang. Beisst sich aber oft mit dem Anspruch, sich vorher genau zu überlegen (und zu konzeptionieren), was man hinterher beschafft
„Zu den Gründen befragt, verwiesen die Geschwader auf
• Einsatzverpflichtungen der Pilotinnen und Piloten,
• deren hohe Belastung mit Nebenaufgaben und solchen für den Erhalt
der allgemeinen soldatischen Fähigkeiten,
• eine durch die Soldatenarbeitszeitverordnung wenig flexible Dienst-
planung,
• den Vorrang von realen Flügen gegenüber Simulatorflügen sowie
• die durch die unzureichende Verfügbarkeit der Eurofighter begrenzten
realen Flugstunden.“
Die Antwort der Geschwader ist eindeutig! Man muss vor allem die ersten drei Punkte genau beachten. Dort liegt nämlich der Hase im Pfeffer! Die letzten zwei Punkte interpretiere ich als Schutz davor zunehmend reale Flugstunden mit Simulatorstunden zu ersetzen. Wenn die Anweisung kommen sollte, dass Piloten 40Std im Simulator fliegen müssen, um das erkaufte Potential voll zu nutzen, wird das garantiert Einschränkungen auf die realen Flugstunden haben. Die Lösung der ersten drei Punkte fürt auf den richtigen Weg!
@Georg | 24. April 2018 – 14:18
Ihre rein technische „Fehleranalyse“ teile ich mit Einschränkungen, ihre Folgerung („Strukturprobleme“) allerdings nicht.
Begründung: schon die 2003/2005 getroffene Modernisierungsentscheidung mittels Industrieunterstützung i(Compliance List) st doch Beleg dafür, dass zu diesem Zeitpunkt bei Marine/BWB – trotz der damals noch vorhandenen „bordeigenen“ Kapazitäten/Kompetenzen – die Systempflege-und Änderungskompetenz über die weitgehend selbst entwickelten Systemarchitekturen der FüWES der Fregatten nur noch eingeschränkt vorhanden war – vor allem mit Blick auf hard-/software Obsoleszenzen. Hier haben sich einige Wilhelmshavener „Systemgurus“ auch selber etwas vorgemacht in Sachen „bordeigene“ Kompetenz.
Ein Beispiel war z.Bsp. die Forderung nach einer rein softwarebasierten Integrationslösung für die LINK-Systeme (11, 16, 22) in die FüWES der Marine – afaik hieß das Projekt MULUS.
Das Modernisierungsvehikel „Compliance List“ war letztendlich eine Art Bankrotterklärung in Sachen Veränderungsdynamilk der IT as such.
Man könnte natürlich sagen, dass sich die Marine mit ihrer hochintegrativen FüWES-Philosophie quasi selber ein Bein gestellt hat, aber wer sagr das schon ;-)
Hinzu kam natürlich noch der „historische“ Ehrgeiz bei den Stammvätern des KdoMFüSys, dass man es besser wußte/konnte als die USN, denn schließlich hatte man es ja auch „damals“ geschafft das NTDS der USN von Kreuzer- auf Zerstörergröße zu schrumpfen und in die Z 101er zu integrieren – obwohl die USN das nicht für möglich gehalten hatte.
Und so kam es wie es kommen mußte: die Compliance List wurde in Salamischeiben aufgeteilt mit Namen Industrieleistung und Beistellung BW und das Drama nahm seinen Lauf.
Ein weiterer Beleg sind imho auch die geradezu lächerlichen HH-Mittel mit denen die BW an dieses FüWES-Modernisierungsprogramm herangegangen ist – man wollte eben nicht eingestehen, dass man sich „verhoben“ hatte in Sachen Systemkompetenz.
Na ja, the show must go on, aber vielleicht sollte die Marine – auch gerade in der Retrospektive – etwas selbskritischer werden hinsichtlich ihrer tatsächlichen, realen und relevanten Systemkompetenz und aufhören sich in KdoMFüSys-Nostalgie zu ergehen.
Walter Eucken | 24. April 2018 – 12:23
Könnte man nicht auch durch statische Methoden mit vertretbarem Aufwand ein brauchbares Bild bekommen?
Die Formulierung, „insgesamt effiziente Struktur“ in Zusammenhang mit der Bundeswehr lässt mich leicht schmunzeln. Allerdings habe ich auch nicht den vollen Überblick, nur viele Dienstjahre.
@Georg:
Als ob das eine besonders herausfordernde Geschichte wäre.
Heutzutage ist jedes Lagerhaus vollautomatisch, von einer Produktionsstraße ganz zu schweigen. Beides läuft nicht auf einem C64.
Kurz: das einfache Aufführen von Sensoren besagt nichts über die Komplexität eines Systems. Komischerweise schafft man es in der „freien Wirtschaft“ durchaus, solch komplexe Systeme zu entwickeln, zu implementieren, zu unterhalten und dauerhaft zu modernisieren. Sicherlich auch, mit dem ein oder anderen „Lehrgeld“, weshalb mich diese 6,5 Mio EUR nicht wirklich schockieren.
Allerdings habe ich das Gefühl, dass die Kalkulation in der BW noch immer stark von kameralistischem Denken in „Stahleinheiten“ gedacht werden. Da hält ein Panzer schon mal 40 Jahre und ein Hubschrauber fast 70.
Dass man Software nicht in diesen Zeiträumen sinnvoll denken kann, dass die Software konzeptionell schon bei der Verfügbarkeit veraltet ist, scheint vielen noch nicht klar.
Wenn man dann noch das Produkt durch 15 Ausschüsse prügeln muß, ist das Produkt bei Einführung nicht nur technisch und konzeptionell veraltet, sondern meist auch nicht mehr sinnvoll nutzbar.
Hier müssen die Beschaffungs und Entscheidungswege agiler werden und man muß auch mal konzeptionell „zu Potte“ kommen, um diese unsäglichen Äderungsmarathons zu beenden.
STS Studer hat da sicher versucht, einen Anfang zu machen, aber das ist allgemein noch ein seeeehr langer Weg.
@Bow
Ich sag‘ nur: FüInfoSysH …
Materialerhaltung, Softwarepflege und -änderung muss in der Hand des Nutzers sein. Wenn das Gerät seinen Zweck erfüllt, dann eben auch 30Jahre. Man muss bei Waffenplattformen nicht die Schlagzahl von Apple haben. Viel wichtiger wäre, die Software in möglichst vielen Plattformen zu nutzen und deshalb sind EU-NATO Lösungen anzustreben.
@Elahan | 24. April 2018 – 17:52
Genial wie sie in fünf Zeilen elementare systemische Rüstungsprobleme einfach mal so auflösen :-)
Lesen sie sich auch ab und zu einmal selber ?
@Walter Eucken
„Auf der oben verlinkten Seite des Bundesrechnungshofes habe ich solche Aussagen auf die Schnelle nicht gefunden, auch nicht in den Pressemitteilungen oder in den Berichten für 2017.“
Der BRH darf nicht mehr alles veröffentlichen, das hat ihm die Regierung vor Jahren schon gesetzlich untersagt. Und die Führung des BRH wollte das auch so…
Wer es nachlesen will:
https://correctiv.org/blog/auskunftsrechte/artikel/2017/12/11/bundesrechnungshof-fraktionen-transparenz/
——
Zu der Hardware der Fregatten, in dem Zeitraum gab es Umwälzungen am Markt der RISC Prozessoren und Systemanbieter aber nicht bei den SPARC Systemen (?) 2004 wurde DECs Alpha aufgegeben und 2007 die Auslieferung eingestellt. HP’s PA RISC folgte in 2008 und der Verkauf von Ersatzteilen wurde bis 2013 weitergeführt.
Die Wahrscheinlichkeit das es an anderen Teilen dieses komplexen Systems hängt, ist nicht gerade gering.
Die Verfügbarkeit sollte trotzdem nicht binnen weniger Jahre komplett weg sein, vor allem nicht ohne vorab veröffentlichten Zeitplan. Es dreht sich schließlich um den professionellen Markt. Wobei man hier anmerken muss, der Zwerg AMD macht da z.B. bessere Angebote als Intel was die langfristige Verfügbarkeit angeht. Und Zulieferer gehen auch schon mal Pleite. Wenn man eine Systemlösung zum Ende des Lebenszyklus kauft, dann winkt die Obsoleszenz ja schon am Horizont. Das gilt für jede Komponente und für das Gesamtsystem an sich, dessen Lebenszeit auf denen der Subkomponenten fußt.
Fehlplanung?
Oracle hat im September SPARC aufgegeben und es damit Fujitsu vor die Füße geworfen.
Da wird man sehen müssen wie es weiter geht.
Die Architektur ist komplett offen, jeder kann bei der Entwicklung einsteigen. Das stammt noch von den Hippies von SUN, die mit Digitalisierung die Welt revolutionieren wollten.
Es wäre sehr clever sich hier mit Japan zusammen zu schließen und Prozessoren zu entwickeln, die frei von US Einfluss und Exportkontrolle sind und das auch zu erhalten.
Dann ist man auch selbst Herr des Lebenszyklus.
Auf den freien Markt, Fujitsu’s Willen und Möglichkeiten zu setzen könnte nach hinten los gehen.
Von einem nationalen Entwicklungszentrum kann man natürlich für alle öffentlichen Bereiche abschöpfen. Ich sehe nicht wirklich warum der Staat bei der Verwaltung blindes Vertrauen in Microsoft und Intel setzen und dafür auch noch stolze Summen bezahlen sollte.
In dem Bereich muss dringend etwas passieren, bevor wir zum Bittsteller der Welt in Sachen Digitalprodukte werden.
SvD | 24. April 2018 – 18:16
100% Zustimmung. Erinnert mich an den Bericht über 250 Mio, die die Bundesbehörden jedes Jahr an Microsoft verballern.
https://m.heise.de/newsticker/meldung/Bundesbehoerden-zahlen-eine-Viertelmilliarde-Euro-Lizenzgebuehren-an-Microsoft-4024334.html
Und bei den 250 Mio sind die Ausgaben des BMVg laut Artikel noch gar nicht mit drin.
Man stelle sich vor, das Geld würde nicht gen Microsoft verbraten, sondern für eigene Lösungen und vor allem Entwickler ausgegeben werden.
Für 250 Mio pro Jahr kann man 2000 sehr guten Software-Entwicklern ein sechsstelliges Gehalt bezahlen, welches dann wohl auch überwiegend wieder in Deutschland ausgegeben wird…am Ende bleibt womöglich noch was für Schutzwesten übrig und über die Jahre wird die heimische Arbeiterschaft, die mit der Materie dann zwangsläufig zu tun hat, bestimmt nicht weniger qualifiziert.
Warum wurden eigentlich die offenen Lösungen im Außenministerium oder bei der Stadt München abgeschafft? Cui Bono? Unsere Verwaltung oder der Steuerzahler bestimmt nicht.
Und die Mär von besserer Nutzerfreundlichkeit bei kommerzieller Software zieht heutzutage auch nicht mehr. Wer den Umstieg von Android Handy auf iPhone oder umgekehrt schafft, der schafft auch den Umstieg von Win+MSOffice auf Linux+LibreOffice. Wer das nicht hinbekommt, schafft den Einstellungstest bei der Bw sowieso nicht.
Bestimmt gibt es Bereiche, wo man auf kommerzielle Software nicht verzichten kann. BWI – Rechner, die hauptsächlich für Email, Textverarbeitung und einfachste Tabellen benutzt werden, gehören sicherlich nicht dazu. Und wenn man es wirklich braucht, dann kann man sich in der Regel problemlos zur kommerziellen Lösung vom Linux Client aus hinvirtualisieren.
Der Bundesrechnungshof würde frohlocken.
180 Flugstunden, davon 40 im Simulator. Eigentlich ist dies tragisch, verbringe ich doch mehr Fahrzeit ins Büro, um dort erst meine eigentliche Arbeit durchzuführen.
Mir ist bewusst, dass die ganze Einsatzplanung und Arbeit am Boden ebenfalls zu der Arbeit eines Piloten gehören. Aber letztlich muss er fliegen, um die Erfahrung und Reflexe mit seiner Waffe zu bekommen, die ihm dann erlauben, in Stressituationen zu handeln.
Im Kampfsport hatten wir früher die Losung: Perfektes Üben macht den Meister. Dies vermisse ich irgendwie bei der Luftwaffe.
[blockquote]ThoDan | 24. April 2018 – 11:42
Blind geraten.
Das Üben im Simulator beinhaltet auch Dinge, die suboptimal bzw. gar falsch sind – d.h. ohne Realitätscheck gewöhnen die Piloten und Besatzung sich solche Manöver etc. an und im Ernstfall (re)agieren sie dann suboptimal wie sie es gelernt haben.[/blockquote]
Gut geraten; ein zutreffender aber nur untergeordneter Aspekt!
Und @Retired hat natürlich völlig recht. Darüber hinaus man darf gespannt sein, wie sich das 2018 entwickelt, wenn weiter Eurofighter-Fluglehrer (u. a. Funktionsträger) wie in den vergangenen Wochen kündigen und für Ausbildung im Simulator auch nicht mehr zur Verfügung stehen.
SvD | 24. April 2018 – 18:16
Es geht bei dem kritisierten Projekt aber nicht um F 124. Und damit auch nicht um SPARC-Prozessoren….
Es geht um das Projekt Fähigkeitsanpassung F123, auch bekannt als SABRINA.
Und damit um den Ersatz des (ur)alten, in den 80ern von der Marine selbst in ADA programmierten Systems SATIR F123 mit Zentralrechner und „dummen“ Konsolen durch ein moderneres System mit verteilter Architektur – möglichst unter Beibehaltung der alten Schnittstellen, gleichzeitiger Integration neuerer Systeme (LINK 16, LINK 22, ESSM) und natürlich so preiswert wie möglich.
Das ist schon fast die Quadratur des Kreises.
Und das so eine Entwicklung eben nicht billiger wird, wenn man sich entscheidet, die alten F122 nicht mehr zu berücksichtigen (sondern sie außer Dienst stellt), das hat der BRH nicht verstanden.
@ Asplen
Zitat: „Warum wurden eigentlich die offenen Lösungen im Außenministerium oder bei der Stadt München abgeschafft? Cui Bono? Unsere Verwaltung oder der Steuerzahler bestimmt nicht.“
Weil der Müncher OB einen Deal mit Microsoft gemacht hat, wenn Microsoft seinen Deutschlandsitz nach München verlegt, dann schafft er Linux in der Verwaltung wieder ab. Was er auch gemacht hat.
@ klabautermann
Sie waren natürlich bei den Vorgängen in Wilhelmshaven näher dran als ich, deshalb wird es wohl so gewesen sein, wie Sie beschreiben.
Mir ging es jedoch um ein paar grundsätzliche Anmerkung zur Pflege und Wartung von komplexen Systemen der Bw durch die Industrie. Dazu gehört meiner Meinung nach folgende Punkte:
1. Eine Pflege, Wartung, Upgrade eines System wird durch den ursprünglichen Hersteller gemacht und nicht durch eine Ausschreibung an den billigsten Anbieter vergeben. Das kommt auf Dauer immer teurer und macht mehr Ärger als andersrum.
2. Damit ein Hersteller seine Ingenieurkompetenz in dem speziellen FüWES erhalten kann braucht er Folgeaufträge sonst wird die Entwicklungs-, Projektabteilung wieder aufgelöst und die Ingenieure wandern im ungünstigsten Fall von der Firma ab.
Dazu ist es nötig TLB-Verträge (Technisch-Logistische-Betreungsverträge) mit der Industrie abzuschließen. Diese meist mit ein festen Jahresvolumen ausgestattenen Verträge gestatten es der Industrie eine bestimmte Anzahl Mitarbeiter für das Projekt vorzuhalten und zu bezahlen. Die Inhalte der jährlichen Dienstleistungen werden durch die Nutzerbetreuung der Systeme, früher Fachkommandos, jetzt Nutzungsabteilung BAAINBw jährlich in Absprache mit der Industrie festgelegt.
Meines Wissen macht die Marine keine TLB-Verträge.
3. Damit Auftraggeber und Auftragnehmer ein gemeinsames Verständnis der Projektinhalte und Aufgaben haben, eine gemeinsame Sprache sprechen, ist es zwingend erforderlich auf Bw-Seite langjährige Spezialisten in einem Systemzentrum zu bündeln. Dafür bieten sich neben Stabsoffizieren in Spezialverwendungen vor allem Offz MilFD an, die aber auch eine entspechende Ausbildung als Informatiker benötigen.
Da diese Fachabteilung bei dem Projekt offensichtlich nicht im entsprechenden Umfang beteiligt war, sind nicht praxistaugliche Abnahmekritierien für das Hardware-Upgrade festgelegt worden. In der Folge musste praxistauglich nachgesteuert werden, wobei aber keine Gewährleistung druch den Auftraggeber mehr erfolgen konnte.
Also für jeden Auftrag an die Industrie braucht man eigene Kompetenz um das Lastenheft vernünftig zu schreiben und bei der Abnahme auch entsprechend kontrollieren zu können.
Eine Single-Source Logistik mit totaler Industrieabstützung kann nicht funktionieren, mangels eigener Kompetenz die Anforderung an den Auftrag zu definieren und deren Erfüllung zu kontrollieren.
Das weiß jede Stadtverwaltung mit einer Bauverwaltung und stellt eigene Bauingenieure ein um die von externen Ingenieurbüros geplanten Aufträge zu kontrolliern, nur die Bw glaubt ohne detaillierte eigene Fachkompetenz im System der Wirtschaft bestehen zu können.
Ich bin zwar kein Luftwaffenexperte, aber als die Simulatorflugstunden eingekauft wurden, gab es mit Sicherheit eine Bedarfsberechnung.
Warum passt diese anscheinend nicht? Es kann ja keiner behaupten, die Voraussetzungen hätten sich so stark verändert, die waren bekannt.
Die Begründung des Verbandes auf SaZV halte ich für vorgeschoben. 180 Flugstunden im Jahr bedeuten ca. 4 Flugstunden pro Woche, da bleiben immer noch 37 Stunden für alles andere übrig.
Und die Einsatzverpflichtung? Ja welche denn? Die letzte einsatzgleiche Verpflichtung war das Air Policing Baltikum von Januar bis April 2017 mit 5-6 Maschinen. Und da war die Bundeswehr seit 2014 erst viermal. Die Einsätze davor wurden noch mit F4-Phantom geflogen.
Das soll ausreichen, um alle Eurofighterverbände auszulasten? Armes Deutschland.
Zugegebenermaßen off-Topic, aber: können eigentlich die bezahlten, aber durch die Lw nicht genutzten Simulatorkapazitäten anderweitig einigermaßen sinnvoll genutzt werden, z.B. im Rahmen Nachwuchswerbung? Oder wird das ohnehin schon gemacht, so als „Schnuppertage“ bei der Lw inkl. Simulator-Flug?
@ ThoDan und typhoon71
„Das Üben im Simulator beinhaltet auch Dinge, die suboptimal bzw. gar falsch sind. Ernstfall (re)agieren sie dann suboptimal“ – „in zutreffender aber nur untergeordneter Aspekt!“
Ja, dieser Aspekt ist auch in der Sportwissenschaft umstritten – und Fliegen gehört als hochkomplexe motorische Leistung auch zu deren Feld. Die einen sagen, dass eine Bewegung immer in perfekter Ausführung so wie im Wettkampf trainiert werden sollte, andere sehen das nicht so eng.
Beispiel: Einem Profi-Tennisspieler steht zum Training zeitweise ein Tennisplatz nicht zur Verfügung, sondern ein Platz mit anderer Größe, Netzhöhe, Belag.
Einige Sportwissenschaftler würden raten, den anderen Platz nicht oder nur wenig zu nutzen.
Denn sonst werden die für den Original-Platz perfekt eingeschliffenen Bewegungsmuster (Engramme) verändert und durch neue ersetzt. Zurück auf dem Originalplatz gibt es Schwierigkeiten: der Ball fliegt ständig ins Netz oder ins Aus.
Andere würden sagen: ja, das stimmt, aber auf dem anderen Platz findet trotzdem motorisches Lernen statt, welches nach einer gewissen Anpassungsphase auch zur Verbesserung der Leistung auf dem Originalplatz beiträgt.
Hier hängt sehr vieles vom konkreten Fall ab. Aber wahrscheinlich würden alle übereinstimmen, dass kurz vor einem entscheidenden Wettkampf, wenn keine Anpassungsphase mehr möglich ist, nicht viel auf dem anderen Platz trainiert werden sollte.
Ob aber im vorliegenden Fall solche Überlegungen eine Rolle spielten oder ob es banale Fehlplanung ist, steht auf einem anderen Blatt. ;-)
@SvD
„Der BRH darf nicht mehr alles veröffentlichen, das hat ihm die Regierung vor Jahren schon gesetzlich untersagt. Und die Führung des BRH wollte das auch so…“
Vielen Dank, das war mir nicht bekannt.
Und ein stückweit ist es auch nachvollziehbar: denn die Prüfer formulieren anders – härter – wenn sie wissen, dass es ein internes Dokument bleibt und man sich nicht in alle Richtungen absichern muss.
Nichtdestotrotz halte ich es für sinnvoll, dass zumindest die von mir angesprochenen Angaben öffentlich wären.
@asplen
„Könnte man nicht auch durch statische Methoden mit vertretbarem Aufwand ein brauchbares Bild bekommen?“
Ja, das wird auch so gemacht. Es werden systematisch ausgewählte Stichproben geprüft, und daraus Schlüsse für die Grundgesamtheit der Vorgänge gezogen. Das schließt aber nicht aus, das z.B. alle Beschaffungsvorgänge mit einem Volumen größer X€ vollständig geprüft werden.
Georg | 25. April 2018 – 9:43
„Das weiß jede Stadtverwaltung mit einer Bauverwaltung und stellt eigene Bauingenieure ein um die von externen Ingenieurbüros geplanten Aufträge zu kontrolliern, nur die Bw glaubt ohne detaillierte eigene Fachkompetenz im System der Wirtschaft bestehen zu können.“
ich komme quasi von der Gegenseite (wir liefern komplexe IT-Lösungen an zivile Kunden). Für mich als Dienstleister ist es ein riesiger Unterschied, ob mein Auftraggeber ein Kenner der (IT-)Materie ist oder keinen Schimmer davon hat. Die Ahnungslosen sind übrigens die unangenehmeren Auftraggeber: in der chronischen Angst, von mir über den Tisch gezogen zu werden, versuchen sie mit allen Mitteln den Preis zu drücken – was Anderes können sie ja auch nicht tun. Für sachliche Argumenente sind die leider nicht erreichbar. Natürlich ist es ein Kinderspiel, sich das Geld dann auf anderem Wege zu holen.
Noch ein Kommentar zur IT-Kompetenz der Industrie: ich turne seit 30 Jahren in der Branche herum. Und stelle verwundert fest, dass die IT-Kompetenz der Industrie tendenziell in den letzten Jahren abgenommen hat. Nix mit Digitalisierung und Industrie 4.0, es geht in der Gesamt-Tendenz eher abwärts. Lustige Umstrukturierungen und Outsourcing-Projekte führen an vielen Stellen zu chronischem KnowHow-Verlusten, die niemand auffangen kann. Ich habe da eine Faustregel: im komplexen Umfeld muss ein Software-Ingenieur oder Entwickler mindestens 4 bis 5 Jahre kontinuierlich gearbeitet haben (an einem!! Projekt/System), bevor er ernsthaft auf Leistung kommt. Alle Strukturen, in denen diese Kontinuität nicht gewährleistet ist, produzieren nur heiße Luft und reichlich Kosten.
Die Simulatornutzungskritik des BRH ist nicht besonders kreativ, trifft auf jeden Simulatortyp zu und tut letztlich keinem weh. Es gibt wichtigere Mängel zu kritisieren.
Der Bundesrechnungshof sollte wissen, dass Simulatorstunden die genutzt werden müssen, weil sie bezahlt sind, keinen Sinn machen. Da könnte die Luftwaffe eine Einheit abstellen, die das ganz Jahr Siumulator fliegt und der Bundesrechnungshof ist glücklich.
Simulatorstunden sollte der fliegen, der sie braucht. Und da passiert es schon einmal, dass der für den Simulator eingeplante in einen priorisierten Einsatz muss. Jetzt könnte man einen statt dessen schicken, der die Stunden nicht braucht. Das macht nicht wirklich Sinn.
Was macht der BRH eigentlich mit Schreibtischen, die wegen Krankheit des Büroinhabers ungenutzt herum stehen?
@Pio-Fritz
Dass sie kein Luftwaffenexperte sind machen sie durch ihre Äußerungen deutlich. Ich versuche gerne dazu etwas zu helfen.
Ihre Rechnungen, dass 180 geforderte Flugstunden nur 4 Std pro Woche in Anspruch nehmen und somit 37 Stunden für den Simulator (oder andere Sachen übrig bleiben) scheint zwar rechnerisch richtig ist aber in der Realität falsch.
Eine Stunde Flugzeit nimmt in der Regel 4-7 Stunden des Tages in Anspruch. Die Zahlen sind natürlich von Flug zu Flug und Geschwader unterschiedlich aber hier ist ein Beispiel eines Tagesablaufs eines Eurofighterpiloten.
Dienstbeginn 0700; Flugvorbesprechung 0730-0830; Umziehen und Übernahme des Lfz 0830-0845; Take Off 0830; Landung 0930; Flugnachbereitung (Umziehen, Auswerten der Flugdaten) 0930-1030 (diese Phase kann locker auch 2 Std oder mehr in Anspruch nehmen); Flugnachbesprechung 1030-1230 (das Debriefing kann mal kürzer oder länger sein, es ist aber selten kürzer als eine Stunde. Für Fluglehrer kommt jetzt noch eine weitere Nachbereitungszeit dazu, in der das Gradesheet fuer die Schüler geschrieben werden muss.
Jetzt bleiben theoretisch also noch ca 4 Std übrig, um in den Simulator zu gehen. Nun ja, auch hier sieht die Realität anders aus. Eine Stunde im Simulator nimmt zwar nicht die gleiche Zeit in Anspruch wie ein realer Flug (obwohl das auch durchaus möglich ist), aber 3 Std sollte man mindestens einplanen (1Std Vorbereitung, 1Std Simulatorflug, 1Std Nachbereitung).
Aber jetzt kommen fuer den Piloten noch „Nebenaufgaben“ dazu. Staffelkapitäne sind mit meetings, Organisation, Beurteilungen und und und beschäftigt. Einsatzstabsoffiziere planen die nächsten Tage, Woche, Monate. Flugdienstleiter sind an ihre Funktion gebunden. Der Flugausruestungsoffizier hat sicherlich 20 Emails (LONO) in seinem Briefkasten, die er beantworten muss. Der Taktik Offizier hat sicherlich mindestens 3 Kapitel im taktischen Handbuch, die er überarbeiten oder selber schreiben muss. Der Pilot fuer elektronischen Kampf sorgt sich und plant das Testen der Fähigkeiten des elektronischen Kampfes. Der Standardisierungsoffizier hat sicherlich einige offene Baustellen und evtl. Besprechungsbedarf mit z.B. dem Radar oder Tower Personal. Und der junge Lt, der eigentlich nur fliegen sollte, plant mit Sicherheit die nächste Weihnachtsfeier oder ähnliches. Ein weiterer Pilot ist sicherlich damit beauftragt irgendein neues Vorhaben (Verlegung etc) zu planen. Die Fluglehrer sind damit beschäftigt Ausbildung zu planen und durchzuführen.
Moment mal!!! Hat eine Staffel eigentlich soviel Leute?? Gute Frage!! Aber das ist ein anderes Thema (obwohl der Simulator natuerlich mehr genutzt werden könnte, wenn mehr Piloten vor Ort wären).
Dann kommt noch die vorgeschriebene Stundenanzahl von Sport pro Woche dazu. Und natuerlich die Maßnahmen zur Erhaltung der soldatischen Grundfaehigkeiten (Schiessen, ABC Ausbildung, SAN Ausbildung etc). Dann dazu noch ein paar völlig überflüssige Lehrgänge wie z.B. Ladungssicherheit und die ein oder andere Besuchergruppe.
Und nun zu den Einsaetzen. Vor jedem Einsatz (z.B. Baltikum oder NRF) geht eine nicht unwesentliche Planung voraus (üben, trainieren, impfen und weitere Lehrgänge, um den geforderten Status zu erreichen).
Dann kommt dazu noch die Alarmrotte, die 24Std besetzt sein muss, was pro Woche 4 Piloten bindet. Und dann sind da natuerlich Auslandsvorhaben und Übungen (Israel, USA, Polen, Spanien etc), die auch alle von Piloten geplant und durchgeführt werden muessen.
Jetzt kommt noch pro Pilot ca. alle 2 Jahre ca. 1 laufbahngebundener Lehrgang dazu.
Ach ja, und Urlaub muss man ja auch mal nehmen, vielleicht ist sogar mal jemand krank (und eine Kur ist auch alle x Jahre vorgesehen).
Und das alles ist in eine sehr strenge Dienstzeitverordnung gebettet (oder sollte ich sagen gezwängt?). Diese Dienstzeitverordung sieht vor Überstunden A) nicht entstehen zu lassen und B) Ueberstunden nicht auszuzahlen sondern frei zu nehmen. Dadurch ergeben sich noch mehr Abwesenheiten der Piloten.
Ich bin mir sicher, dass ich noch viele Punkte vergessen habe (z.B. Nahrungsaufnahme). Aber ich denke es macht ein wenig deutlich, dass die Piloten der Eurofighterstaffeln an ihrem (vielleicht ueber ihrem) Limit ausgelastet sind.
Zu lösen ist dieses Problem nur mit mehr Personal und/oder weniger Aufgaben.
Eigentlich wollte ich ja zu dem Thema Simulatorauslastung nix schreiben, aber nach X Kommentaren, die sehr sachlich/fachlich auf die Findungen des BRH eingehen, muß ich feststellen, dass bislang niemand den Rechenansatz des BRH dahingehend in Frage stellt, dass es ja wohl nicht Hauptaufgabe der EF-Piloten sein kann diesen blöden Simulator möglichts maximal auszulasten. Imho ein ziemlich perverser Ansatz in Sachen Wirtschaftlichkeitsberechnung seitens des BRH. Ab welcher Auslastung wären die Damen/Herren des BRH denn „zufrieden“ ? Lachen, lochen, abheften.
@Georg:
Auch die Marine schließt TLB Verträge ab. Über Inhalt und Umfang kann man natürlich immer vortrefflich streiten da immer zu teuer.
Problematisch sind eher die Zeiträume. Ein TLB kann erst nach Abnahme der Einheit geschlossen werden. Verzögert sich diese so verzögert sich auch der TLB.
Damit gibt es z.B. für das FüWES kein TLB weil das Getriebe noch nicht tut oder die Schiffsführung (ILASST) bekommt keinen TLB weil das FüWES nicht geht. Und plötzlich steht die Industrie deren System / Anteil läuft vor dem Problem Entwickler vorhalten zu müssen und erst in einigen Jahren einen TLB zu bekommen.
JayBee:
Schnuppertage im Simulator dürften schwer werden weil es dazu meines Wissens einer Ü3 bedarf.
@ klabautermann
„ist ja wohl nicht Hauptaufgabe der EF-Piloten sein kann diesen blöden Simulator möglichts maximal auszulasten.“
Ja, vielen Dank für diese Einschätzung. Es ist auch meine Meinung, dass der BRH mit seinen Feststellungen klar über seine Befugnisse hinausgeht. Und das betrifft nicht nur das BMVg, sondern auch andere Ressorts. Denn er verfügt nicht über die fachliche Kompetenz, solche sachlichen Bewertungen zu treffen.
Was der BRH maximal feststellen kann, ist folgendes:
„Wir haben eine Unterauslastung der Simulatoren festgestellt. Wir empfehlen zu prüfen, ob dafür sachliche Gründe vorliegen oder ob es hier Einsparungspotentiale gibt.“
Und dann muss im nächsten Jahr eine sachlich fundierte Einschätzung von Seiten der BW/des Ministeriums vorliegen.
Aber von sich aus kann der BRH so eine sachliche Einschätzung nicht treffen – denn dort arbeiten Fachleute für Finanzen und Organisation, und nicht für Fliegerausbildung.
Ach wäre es nicht schön wenn sich die oberste Führung einfach vor die Presse stellen würde und mal ausspricht was so viele denken?!
Die Bundeswehr ist keine Firma die wirtschaftlich geführt werden muss, es ist kein Job wie jeder andere, und Militär kostet im Frieden halt Geld und erbringt nur wenig Gegenwert,
Eigentlich wie eine Versicherung kostet erst mal einiges aber Bedarfsfall hat man was davon!
Keiner regt sich über seine Hausrat oder Kfz-Versicherung auf aber bei wenigen Millionen wird ein Theater gemacht als hätte die BW das Volk der Lebensgrundlage beraubt.
Kleine maritime Anmerkung die Reparatur der Gorch Fock kostet fast genauso viel wie die beiden Fälle zusammen ;-)
@Georg
Na na, 2005/2006 gab es nur ein großes IT-Projekt in der Bw: HERKULES.
Ich erinnere mich ganz deutlich, dass im BMVg und in den Führungsspitzen der OrgBereiche unpräzise und/oder falsche Vorstellungen existierten.
Nicht ausgeschlossen, dass die Admiralität glaubte, HERKULES wird es richten, obwohl eindeutig Grüne IT.
@ Spike
2005/06 wurde die erste Fregatte 124 in den Dienst gestellt. Das dazugehörige Softwareprojekt war so groß, das es auf 3 Auftragnehmer aufgeteilt werden musste. Bei der Indienststellung gab es Schnittstellenprobleme, das die F 124 die Seezulassung nicht bekommen hat und in ein sofortiges Rettofitprogramm musste. Das war reinste Waffensystem-IT und hatte mit der BWI nichts zu tun.
IstEgal | 25. April 2018 – 19:56
Die Versicherung ist aber auch im Bedarfsfall fähig zu leisten. Ineffizienz mindert die Schlagkraft und hat wann immer Personal betroffen ist zersetzende Wirkung. Leider sehen das nicht viele ein.
Zwar ist die Bundeswehr keine GmbH, die wirtschaftlich konkurrieren muss, zumindest gibt es aber den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Niemand verlangt Gewehre durch Holzschwerter zu ersetzen, weil das billiger ist. Genauso verlangt niemand, dass HG Müller zukünftig nicht mehr mit dem Dienst-Kfz die Leberkässemmeln für die Nato-Pause abholt.
Jedoch kann man bei diversen Standardvorgängen bei der Bundeswehr mit null Aufwand unter Nutzung vorhandener Mittel, auf die jeder Bw-Angehörige zugreifen kann, viel Zeit und Geld sparen, indem man die Vorgänge entweder ganz abschafft, sie automatisiert oder zumindest digitalisiert. Vielleicht macht das Kleinvieh ja so viel Mist, dass es auch für ein paar Flugstunden reicht und das Personal wäre froh, wenn es sich nicht mehr an irgendwelche ReFü-Öffnungszeiten halten müsste, um einen TG-Forderungsnachweis abzugeben, der sonst beim Postgang verloren geht. Den ein oder anderen Gammelmonat vor Lehrgängen oder nach Ankunft in der neuen Einheit könnte man sicherlich auch produktiv nutzen. Und bei so manch Großprojekt läuft auch nicht alles rund. Wer diese Punkte nicht nachvollziehen kann, hat im Dienst Augen und Ohren geschlossen und liest wohl auch nicht die Blog-Posts, die er kommentiert.
@Pilgrym
Ich weiß das SABRINA noch auf USN Standard Computersystemen der 80er Jahre basiert. Das sollte ja ersetzt werden und der Ersatz war nicht mehr versorgbar… welche Ironie!
Ich hab mal etwas tiefer gegraben, jetzt hab ich mehr Fragen als zuvor.
Woraus genau besteht denn SABRINA 21, weiß das jemand?
Es ist doch hardwareseitig ein Thales TACTICOS mit Frankenstein Software als Sahnehäubchen oben drauf, oder?
Fragt sich nur auf welcher Hardwareversion man aufbauen wollte.
Laut der TACTICOS Broschüre (ja, ich weiß, super Quelle) liegt die Brandenburg in dem Zeitfenster wo man SUN Ultra SPARC und IBM Power PC Prozessoren mit dem Betriebssystem VxWorks ausgeliefert hat (wenn man von der Schiffsmitte ausgeht – krude Darstellung). Kurz drauf wurde umgestellt auf Intel (was auch immer) und Linux.
https://www.thalesgroup.com/sites/default/files/asset/document/thales_tacticos.pdf
Andere Präsentationen hatten für die Brandenburger die Hardware von ’06 aufgezeigt (find ich grade nicht wieder).
Da könnte wohl das Problem liegen, wenn der entsprechende Support weg ist.
(Wie schlimm das ist, zeigt das Zitat weiter unten.)
Die Hard- und Software gab es jedoch weiterhin, als Ersatzteile. Wenn man allerdings dann Jahre später etwas einführen will, auf Hardware die das Ende ihres Versorgungsfensters erreicht hat, ist man selbst schuld.
Ich würde auch in die Tischplatte beißen wenn Thales ’00 und ’04/05 die Architektur bzw. das Betriebssystem ändert. Aber so ist das halt wenn man nur Kunde ist. Solange man mit der 0815 Lösung leben kann, funktioniert es für den Kunden ja auch. TACTICOS ist fliegend und huscht von einer Hardwaregeneration zur nächsten und ist nicht drauf festgenagelt.
Aus einer älteren Präsentation (’05 Jahr des Vertragsabschlusses) stammt dieser schöne Hinweis:
„Major technology upgrades: every 2 yr
‘94: SparcEngine 1E (SPARC)
‘96: CPU2CE (microSparc-I)
‘98: CPU5V (microSparc-II)
‘00: Workstations (UltraSparc) & PPC (IO)
‘02: Sparc/Solaris, PPC/vxWorks
’04: PC/Linux“
Da rennt man mit seiner externen Software irgendwie immer hinterher.
Und das wusste man auch.
Wenn man 2009 noch die Hardware von ’04, vor dem Generationswechsel gekauft hat, deren Lebensdauer schon zu Projektbeginn angezählt war, wundert das alles nicht mehr.
Und selbst wenn es schon die erste Intel-Linux Lösung war, ist diese dann bereits 5 Jahre alt.
Bei Hardwaresprüngen binnen 2 Jahren, steht dann ja schon fast der 2. Nachfolger ins Haus.
Für TACTICOS Kunden kein Beinbruch, man hat einfach die alte gegen die neue Version tauschen müssen. Die Software war ja Teil des Vertrages.
Wer darauf aber sein eigenes System aufbauen will und dieses nicht so elengant von Hardware zu Hardware gleitet, steht man schon blöd da.
Wenn man von den alten USN Systemen mit 20+ Jahre Versorgbarkeit kommt und dann zu Hardware wechselt, die alle 2 Jahre erneuert wird (für Neukunden immer das Neuste), sind Probleme zu erwarten.
Wobei ich diesen Zyklus für die Funktion für wenig hilfreich halte. Er ermöglicht aber das man mit der gekauften Hardware so lange wie möglich hin kommt bevor die Versorgbarkeit nicht mehr gegeben ist.
@IstEgal | 25. April 2018 – 19:56
„Die Bundeswehr ist keine Firma die wirtschaftlich geführt werden muss, es ist kein Job wie jeder andere, und Militär kostet im Frieden halt Geld und erbringt nur wenig Gegenwert“
Was Sie beschreiben nennt man wohl den Pentagon Effekt, den können wir uns nicht leisten.
Thema Simulator:
Hat sich überhaupt jemand mal die PDF vom Bundesrechnungshof durchgelesen?
Alles was hier kritisiert wird („der BRH hat keine Ahnung“ und der letzte Teil des Kommentars von @Retired) wird genau dort angerissen und plausibel erklärt.
@Walter Eucken
Wir sind uns doch einig, dass wir die Ressourcen welche uns unsere Bürger mit ihren Steuergeldern zur Verfügung stellen möglichst optimal nutzen und wenn das nicht der Fall ist, dann müssen wir es verantworten (im Sinn des Wortes), nicht mehr und nicht weniger.
Es geht weder um Schuld, noch um Anklage sondern darum, mögliche Fehlentwicklungen aufzuzeigen.
Wenn festgestellt wird, dass wir die Simulatorstunden nich aufbrauchen können (aus welchen Gründen auch immer), dann haben wir evtl zu viele Stunden eingekauft und sollten die nächsten Jahre noch genauer hinschauen. Oder die Simulatoren wieder selber betreiben (wenn es günstiger wäre).
Ich kann an der Empfehlung des BRH nichts falsches finden und wie das BMVg diese Empfehlung umsetzt ist in der Verantwortung des BMVg/Regierung.
Der BRH ist eine gute Einrichtung und ein Teil der nötigen Fehlerkultur.
Der Simulator wurde schon zu F4F-Zeiten von einer zivilen Firma betrieben.
Ob man jetzt dafür eine Jahresgebühr oder eine Gebühr pro Stunde Nutzungszeit bezahlt ist zweitrangig. Die Firma (vermutlich CAE) kommt so oder so auf ihre Kosten und ihren Gewinn – sonst würden sie das Geschäft nicht machen.
Bedauerlich ist lediglich, dass irgendwelche Bürokraten meinen durch unterschiedliche Abrechnungsmethoden könnte sich Geld im EP 14 sparen lassen. Ein gefundenes Fressen für den BRH !
Ach ja, wer regt sich eigentlich auf die über 1000 Mio Euro Verschwendung bei den Krankenkassen für kieferorthopädische Leistungen auf, die der BRH ebenfalls kritisiert hat ?
– Niemand, könnte ja die eigenen Kinder betreffen !
@ Elahan
„Der BRH ist eine gute Einrichtung und ein Teil der nötigen Fehlerkultur.“ – ja, aber er kann nur die Fehler korrigieren, von denen er Ahnung hat. Das sind Finanzen und Verfahren – und nicht Ausbildungsinhalte.
Ich kenne mich auch viel besser aus mit Finanzen und Organisation, denn mit Fliegerausbildung. Daher kann ich nicht ausschließen, dass die Feststellung des BRH zu den Simulatoren in der Sache richtig ist. Aber trotzdem hat er seine Befugnisse überschritten.
Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass Rechnungsprüfer sich derart in fachlichen Fragen festlegen: „Keinesfalls sollte sie bereitstehende und bezahlte Kapazitäten in den Simulatoren ungenutzt lassen.“
Denn das verfallen lassen von im Voraus bestellter Kapazitäten ist im betrieblichen Alltag nicht ungewöhnlich. Das ist nicht automatisch ein Zeichen für Fehlplanung – es hängt von der Unwägbarkeit konkreter Prozesse ab, bei denen die Rechnungsprüfer keine Fachkompetenz besitzen. Sie können auf solche Probleme hinweisen und eine Prüfung durch Fachleute anregen – aber nicht sie lösen.
Daher hätte es heißen müssen: „Der BRH empfehlt dringend zu überprüfen, ob bereitstehende und bezahlte Kapazitäten in den Simulatoren besser genutzt werden können.“
Wichtig ist noch die relative Dimension des Problems. Dazu im nächsten Post.
Entscheidend ist, ob es nun 5% oder 50% der Simulator-Kapazitäten sind, die verfallen. Der BRH macht dazu keine Angaben, obwohl es doch eine ganz wichtige Kennzahl ist.
Daher eine ganz grobe Schätzung auf Basis der Daten, die die BRH selbst in dem oben verlinkten pdf bietet: „Für Betrieb, Wartung und Instandhaltung der Simulatoren sowie für Fluglehrer wird sie in den Jahren 2015 bis 2020 voraussichtlich 167 Mio. Euro aufwenden.“ Also bei 6 Jahren sind das Ausgaben von durchschnittlich ca. 28 Mio/Jahr.
„Für das Jahr 2017 […] nutzte die Luftwaffe bereitstehende und bezahlte Simulator Kapazitäten
im Wert von 1,8 Mio. Euro nicht.“
Das sind ca. 6% der 28 Mio jährlichen Gesamtausgaben für die Simulatoren. (Zumindest ergibt sich das aus den Daten des BRH, ob das jetzt nun so stimmt, steht auf einem anderen Blatt.)
Das ein im Voraus bestelltes Volumen aufgrund von Unwägbarkeiten lediglich zu 94% ausgeschöpft wird, und nicht zu 100%, ist nicht ungewöhnlich.
Da muss man schon etwas mehr argumentieren, warum man von 94% auf 100% kommen muss, als allein „Keinesfalls sollte sie bereitstehende und bezahlte Kapazitäten in den Simulatoren ungenutzt lassen.“
Bitte hier jetzt nicht mit Verschwörungstheorien anfangen – nein, „die alles entscheidende Frage“ ist nicht der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Zahlen des Rechnungshofes. Das ist in der Regel lange geplant und hängt nicht davon ab, wann Bild und Handelsblatt eine fast drei Monate alte und auch dem BRH vermutlich bekannte Liste aufgreifen. Auf dieses Niveau begeben wir uns hier bitte nicht.
@Walter Eucken
„„Der BRH ist eine gute Einrichtung und ein Teil der nötigen Fehlerkultur.“ – ja, aber er kann nur die Fehler korrigieren, von denen er Ahnung hat. Das sind Finanzen und Verfahren – und nicht Ausbildungsinhalte.“
Nein, kann er nicht und er ist auch nicht für eine evtl Korrektur zuständig.
Er macht lediglich Empfehlungen auf Grundlage der Bestandsaufnahme.
Das bedeutet nicht das man der Empfehlung folgen muss, zudem können sich die Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ggf auch geändert haben oder eine Reaktion schon erfolgt sein.
Haben sie die Empfehlung eigentlich gelesen? Was ist daran nicht i.O.?
Wenn man nicht am Verhältnis real-virtuell rütteln möchte, müsste dann das Ergebnis der Untersuchung sein, dass es zu wenig Simulatoren gäbe?