Denken Militärplaner ebenso falsch wie einst die Ritter?
Ein interessanter Ansatz und Stoff zum Nachdenken: Vor allem die Industrienationen denken bei Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten an neue Hochtechnologiesysteme – die dann durch weitreichende, billige und massenhaft eingesetzte, wenn auch technisch unterlegene Waffensysteme vernichtet werden. Dazu gibt es bei War on the Rocks ein lesenswertes Stück, indem die Denkfalle moderner Militärpläner anhand früherer militärischer Spitzentechnologie erläutert wird:
Battleships and knights represented the end result of centuries of technical, social, and political development. They were also the most expensive and complex systems of their days – and were defeated by cheaper, simpler systems that relied on range to defeat them. Both the battleship admirals and the armored knights had decades to observe and understand the new threats. Yet, they and other leaders throughout history failed to do so.
(Der ganze Essay zum Nachlesen hier: America is Well Within Range of a Big Surprise, So Why Can’t It See?)
Mit anderen Worten: Welche Herausforderungen gibt es im Zeitalter massenhaft per 3-D-Druck hergestellter Drohnen und anderer billiger, aber weitreichender Systeme – und ist die Ausrüstungsplanung der verschiedenen Streitkräfte darauf eingestellt? Oder wird weiterhin die Rüstung der Ritter optimiert, die dann auf Distanz durch den Langbogen bekämpft werden?
Der Bendlerblogger brachte das auf die Aussage: Vielleicht ist nicht fehlendes Geld das Problem der Bundeswehr, sondern fehlende strategische Voraussicht. Könnte das der Ansatz sein?
(Foto: Die 5. Batterie des Artillerielehrbataillons 325 aus Munster trainiert im Februar 2018 das direkte Richten mit einer Panzerhaubitze 2000 auf dem Truppenübungsplatz Putlos – Bundeswehr/Torsten Kraatz)
@Blackbox
Falsch, dann haben Sie sich besiegen lassen.
@Sönke Marahrens
Wäre Abfragen nicht nutzlos bis kontraproduktiv?
Anregung, Diskussionsgrundlage, Inspirationsquelle, Foren zum Austausch,
@christian bühring
Es wäre mal eine gemeinsame Grundlage
@es-will-merr-net-in-mei-Kopp-enei
Mangels Pferden, ist die Fähigkeit ein solches anspannen zu können, eher von geringem Nutzen von der Tatsache mal abgesehen, das ohne Kraftfutter die meisten Pferde bei längerer Anstrengung wohl recht bald abdeckreif sind.
Was beim Aufkommen der Armbrustwaffe (und dann bei den Feuerwaffen) die Kirche predigte ist in der Tat nicht verschieden zu der dogmatischen Lehrmeinung des (westlichen?) Moral-Medien-Komplexes. Man hat sich ein eigenes Lala-Land errichtet und ignoriert alle Beteiligten, die nach anderen Spielregeln agieren.
Man kann heute trefflich darüber streiten, wie viele Knappen und Ritter durch das kirchliche Interdiktum nicht durch Armbrustbolzen sondern auf natürliche Art starben. (natürlich hier = Schwert in den Bauch, Keule übern Kopp…)
Mit Blick auf die Zukunft sehe ich eine asiatisch-utilitaristische Kampfweise aufkommen. Motto: Moral ist wichtig für die ‚alte Welt‘, also lassen wir sie daran ersticken. Eine ‚jeder ist wertvoll‘-Schneeflockenwelt wie hierzulande existiert in China oder Indien einfach nicht. Jeder ist entbehrlich, wenn man über ‚Millionenüberschuss‘ an Menschen verfügt und man nutzt schon im Alltag jeden möglichen Vorteil.
Während in Deutschland die Kampfdrohnen ‚entmannt‘ werden und allenfalls auf ministerialen Beschluss ein paar Teddybären als Warnung abwerfen dürfen, baut Samsung schon seit der Jahrtausendwende an vollautonomen Selbstschussanlagen.
( https://en.wikipedia.org/wiki/Samsung_SGR-A1 )
Was eine mittlere chinesische Spielwarenfabrik binnen Monatsfrist an fernsteuerbaren oder autonom agierenden Sprengsatz-Drohnen herstellen könnte, würde jedem Geparden vor Schreck die Flecken aus dem Fell bleichen.
Noch können wir uns auf der ‚Ritterburg‘ an der herrschaftlichen Tafel versammeln und moralisch hochtrabende Reden halten. Wieviele Gegner wir schon mit offenem Visier und Segen durch die Priesterschaft gefordert haben (‚Interventionen‘ und ‚Resolutionen‘).
Derweil schnitzen anderen an ihren Armbrüsten und Feuerwaffen.
Mit ein bisschen Glück sitzen wir nur am Katzentisch, wenn’s dann knallt. Das können dann die Überreste des US-Kriegsadlers mit dem asiatischen Ameisenhaufen ausdiskutieren.
Wenn wir dumm sind, lassen wir uns schön mit hineinziehen.
@Sönke Maharens, Koffer, christian bühring:
Aus einem Aufsatz von General Gerasimov (der gesamte Aufsatz ist lesenswert):
„You Can’t Generate Ideas On Command
The state of Russian military science today cannot be compared with the flowering of military-theoretical thought in our country on the eve of World War II.
Of course, there are objective and subjective reasons for this and it is not possible to blame anyone in particular for it. I am not the one who said it is not possible to generate ideas on command.
[Da hier auch der Link steht und Überschreitung der Grenzen des Zitatrechts zu meinen Lasten geht, habe ich das Zitat gekürzt. T.W.]
Quelle:
https://inmoscowsshadows.wordpress.com/2014/07/06/the-gerasimov-doctrine-and-russian-non-linear-war/
In dem Aufsatz betont Gerasimov mehrfach die grundlegende Bedeutung der theoretischen Grundlagenarbeit durch die Akademie für Militärwissenschaften des Generalstabes.
Persönliches Interesse und Eigeninitiative sind hier bei weitem nicht ausreichend. Sogar Teilnehmer am Generalstabslehrgang sind ja teilweise der Meinung, dass sie sich nicht mit Kriegstheorien beschäftigen müssen, da dies ja keinen praktischen Mehrwert habe. Die FüAk hat ihre Ausbildung ja auch nicht darauf ausgerichtet und somit sind Leute mit anderen Ansichten eben auch Fanatiker – werden aber nicht so positiv bewertet wie von Gerasimov.
Eine solche Verteidigungsbeamtenmentalität ändert man jedoch nur durch ein Vorleben an der Spitze.
Der bisherige GI negierte entsprechende Vorschläge sogar bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion mit Verweis auf das Studium an der UniBw.
Na dann siegt mal schön…
@Stöber
“ Wenn wir dumm sind, lassen wir uns schön mit hineinziehen.“
Das große Spiel läuft doch schon. Es gibt keine Kriegserklärung und Mobilmachung mehr.
Wir benötigen einen neuen Ansatz für die Definition LV/BV und wie wir uns JETZT verteidigen und unsere Freiheit und unser Recht verteidigen.
Wer glaubt, dass es genügt Waffensysteme und viele Soldaten in zehn Jahren einsatzfähig zu haben der hat keine Vorstellung davon wie die Interessenvertretung von Nationalstaaten in Zukunft funktionieren kann und evtl schon läuft.
@Memoria
Ich habe gerade eine 5000 Worte Hausaufgabe über den Artikel geschrieben.
Meine These zum Artikel
Gerasimov akzeptiert, dass man NCW, EBO und CA aus dem Westen übernommen hat…. er aber von seinen Theoretiker mehr erwartet …
Damit ist hybride Kriegsführung , wenn sie auf dem Artikel beruht.. eine Chimäre…
Wenn Sie weitere Texte dazu haben wollen, kann ich Ihnen diese schicken… u.a gibt es den im Text angesprochenen Illerson, der zeitgleich mit den Deutschen Mobile Kriegsführung entwickelt haben soll, als englische Übersetzungen plus einen sehr guten Text eines kanadischen Intel Offz.
„ThoDan | 18. März 2018 – 21:23
@Blackbox
Falsch, dann haben Sie sich besiegen lassen.“
Korrekt, und irgendjemand wird „die politische Verantwortung“ übernehmen.
Hinterher wird es keinen mehr interessieren dass man es vorher schon hätte anders haben können weil dann „neue Zeit“.
Vielleicht ist ein dritter Durchgang ja alternativlos. Schaumer amol no seng mers dann.
@Thodan
General Mattis hat seine Generale tatsächlich abgefragt…. ;-)
Die erste offizielle Leseliste hat man wohl aus den Büchern von Col Boys….der mit der OODA Loop…in Deutschland ähnlich falsch verstanden, wie Clausewitz in USA.
Abfragen sollte versinnbildlichen, dass eine solche Massnahme nur etwas bringt, wenn sie danach auch mit Leben gefüllt wird…
Und dazu muss man die Sachen auch tatsächlich gelesen haben…. sonst wird Reflektion zur Lachplatte. Leider..
@Koffer Korrektur war nicht notwendig, ich hatte es mir aus dem Kontext erschlossen, aber trotzdem Danke!.
@S.M.:
Seit der Veröffentlichung des Aufsatzes gab es ja verschiedene Interpretationen – nur eben keine – öffentlich zugänglichen – Substantiellen von deutschen Autoren.
Der strategische Ansatz – von Gerasimov ja nicht erfunden, sondern nur zusammengefasst – wird teilweise sehr kritisch gesehen: https://nobsrussia.com/2017/09/17/the-real-gerasimov-doctrine/
NCW, EBO, etc scheint durchaus Eindruck gemacht zu haben. Daraus schließe ich jedoch keine Nonexistenz hybrider Ansätze, da Gerasimov ja gerade dazu auffordert Schwachstelle zu finden. Unsere sind da wohl evident.
Hybride Kriegsführung als Begriff hat ja Hoffman 2008 mit Blick auf die Hisbollah entwickelt.
Für sie vielleicht auch von Interesse aktuelle Ansichten aus den USA zu Clausewitz und seiner Anwendbarkeit (wobei aus meiner Sicht im ersten Teil stark verkürzt):
https://ssi.armywarcollege.edu/pubs/parameters/issues/Winter_2017-18/4_Simpson.pdf
Ich melde mich noch bei Ihnen per Mail – vielen Dank für das Angebot.
@ Sönke Marahrens 17:06 Uhr
Danke für ihre Antwort. Ja es geht um „disruptive Innovationen“.
Bei manchen Erfindungen weiß man eben erst hinterher, ob sie die gesamte Welt verändern werden, wie z.B. das Penicilin, die Computer, das Smart-Phone usw. es getan haben.
Aufgabe der Militärplaner wäre es aber solche Entwicklungen im Keim zu erkennen und auf ihren militärischen Wert hin zu untersuchen. Nun gibt es ja ein paar Spezialisten in der Bw (Modernisierungsabteilung), die auch z.B. die Nanotechnologie auf ihren militärischen Wert untersuchen. Nur diese wenigen Soldaten in Spezialverwendungen werden die Beschaffungsplanung der Bw nicht verändern können.
Wer hätte vor 20 Jahren schon gedacht, das einmal ein persönliches Smartphone samt Whats App in der Bw mal zu einem guten Teil die fehlenden Funkgeräte in Übungen ersetzen wird. Dumm nur, wenn die Handy-Basisstationen vom Gegner abgeschaltet oder zerstört werden.
Das in 20 Jahren Autonome Systeme mit Künstlicher Intelligenz, die im Laufe ihrer Existens dazulernen, die militärisch entscheidene Rolle spielen werden, sieht man auch an der beispiellosen Erfolgskurve von Google, der Datenkrake und der sich daraus entwickelden Industriellen Revolution 4.0 !
Meiner Meinung nach gehört nicht allzuviel Phantasie dazu, sich einen autonom agierenden Drohnenschwarm mit 100 oder 500 Drohnen, wie er jetzt als beleuchtete Kunst den Nachthimmel verzaubert, auch als militärisch einsetzbare Waffe vorzustellen.
Aber wahrscheinlich geht es Deutschland momentan wirtschaftlich wirklich zu gut um sich mit disruptiven Technologien auseinander zusetzen. Die Erfahrung lehrt aber auch, dass alle Industriezweige die solche bahnbrechenden Technologien ignoriert haben entweder schwer geschädigt oder untergegangen sind.
Warum sollte dies bei der Militärtechnik anders sein als in der weltweiten Industrie ?
Ein gutes Beispiel für Deutschlands Passivität ist die Entwicklung der Elektomobilität. Da haben Sie Recht, die deutsche Autoindustrie vedient am Dieselmotor momentan noch zu gut, um auf die Elektromobilität voll und ganz aufzuspringen. Selbst wichtige Systemteile, wie die Speicherakkus für Elektoautos sollen auch in Zukunft in Fernost produziert werden.
Die Erfindung des Fließbandes war eine industrielle Revolution, die durch die dadurch emöglichte Massenproduktion von Waffen auch Kriege entschieden hat.
Drohnen und Cruise Missiles werden als weitaus billigere Alternative und in großen Stückzahlen zu produzierende Waffen in 20 Jahren eher kriegsentscheidend sein als Kampfflugzeuge und die deutschen Eliten diskutieren ähnlich wie im Römischen Reich ob Ritter auch durch Armbrustpfeile bekämpft werden dürfen, ob es ethisch gerechtfertigt ist bewaffnete Drohnen (ferngesteuert) oder gar autonome Systeme zu beschaffen.
@Georg
Die Herausforderung ist, daß man sich damit „permanent“ in Frage stellen muß. Und das ist eben sehr unbequem weil es in letzter Konsequenz auch Paradigmenwechsel erfordern kann.
Es muss ja nicht ein Attentat auf einen Erzherzog oder der getäuschte Überfall auf den Sender Gleiwitz sein. Wir stecken mittendrin in der globalisierten SiPo und der zT staatlich organisierter Kriminalität. Unsere größte Sorge aber ist, wir könnten in das Geschehen hineingezogen werden……..als ob es eine Wahl gäbe.
Europa hat nur eine Chance sich gemeinsam entgegenzusetzen, doch wir glauben es genügt wenn wir unsere laufenden Einsätze bedienen können und ein bisschen PESCO basteln. Das ist noch nicht einmal der Hauch einer Anstrengung im Vergleich zu dem was im Moment nötig wäre um in zehn Jahren gewappnet zu sein. Wenn wir uns auf LV/BV im alten Sinn einrichten wars das und 2% BIP ist genau das. Schlagkraft und Resilienz definieren sich u.U. 2014+ anders als davor, denn die Weichteile eines Staates sind ggf nicht mehr die Staatsgrenze/Front.
Nur ein Bsp:
Wie kämpfen die organisieren Verbrecher in AFG, wie bekommen sie Unterstützung in der Bevölkerung und woher bekommen sie Nachschub? Sie agieren hybride und kämpfen ohne high-tech. Was könnten 10 000 organisierte Lakaien eines potenten Staates über Bande in Europa erreichen? ……….und was erreicht er gerade, auch ohne chemische Kampfstoffe.
@Blackbox
Die politische Verantwortung, weil die militärische Verantwortung nicht wahrgenommen wurde?
@Sönke Marahrens
Genau dafür halte ich Abfragen für den genau falschen Weg, das könnte eher eine Illusion von Leben erschaffen.
Schaffen Sie verbindlichen Raum für Diskussionen und beziehen sie auch UO und Mannschaftsdienstgrade mit ein.
@Georg
Skynet also.
Ich sehe eine Zukunft der Drohne als Integrierten Bestandteil des Heeres auf Kompanie/Zug Ebene wo eine oder mehrere Aufklärung/Feuerunterstützung leisten, bei wirklicher selbstgesteuerter Nanotechnologie Gruppenebene wo diese in Häuser, Höhlen etc. aufklären.
Die Z9m9Z , die Direktrice das Flaggschiff der Galaktischen Patrouille(Smith, Lensmen Zyklus) diente als Inspiration für Nimitz Führung der US Flotte im Pazifik.
Seit dem Krimkrieg bis WWII sehe ich nicht, das „westliche“ Streitkräfte bereit gewesen wären offen und lernwillig mit neuen Konzepten umzugehen.
Außer man hatte solche Lehrer wie die Buren es für die Briten waren.
Was wir dringend benötigen ist: more bang for the buck.
Wobei -bank- eben nicht nir thermische Umsetzung sein muss und guck nicht nur den finanziellen Aufwand beschreiben sollte.
Wirkung im Gegner möglichst effizient.
Wenn von 254 Flieger 150 nicht fliegen können und der Rest nicht klar für den Einsatz sind weil Piloten nicht Comat Ready sind, es keine Mun gibt oder Techniker für den zweiten Umlauf fehlen, dann werden Ressourcen verbrannt.
Paul schrieb: „Der Vergleich ist furchtbar. Das Rittertum ist nie untergegangen, sondern es hat gesellschaftliche Veränderungen gegeben.
Ich habe dazu vor einigen Jahren eine Facharbeit geschrieben.“
Ja es hat gesellschaftliche Veränderungen gegeben, z.T. gerade deshalb, weil die Ritter nicht mehr ihre Aufgabe militärisch erfüllen konnten. In abgeschwächter Form fand das auch mit den adeligen Offizieren nach 1870 statt. In meinen Augen drückst du dich um den Unterschied zwischen Ursache und Wirkung.
„Es gibt keine technologischen Gründe für den Wandel des Kriegertums im 15. bis 17. Jahrhundert.“
Das ist ein ein sinnloses Argument, auf dem Schlachtfeld sieht der Gegener immer eine Kombination aus Gerät und Taktik, ändert sich die Taktik, also Infantrie verwendet Gewalthaufen mit Langspießern als Hecke, braucht es notwendigerweise keinen technologischen Grund, um den Ritter zu entwerten.
Ich halte die dem Artikel zugrundeliegenden historischen Analogien nicht für schlüssig. Insbesondere greift die Fokussierung auf den Faktor „range“ in beiden Fällen zu kurz (pardon the pun).
Dass am ganzen Körper schwer gewappnete professionelle Krieger, deren Hauptkampfmethode der im idealtypischen Fall berittene Nahkampf war (also der „Ritter“, wenn man nur die militärische Komponente betrachtet), durch den Reichweitenvorteil des Langbogens zum sprichwörtlichen alten Eisen geschickt wurden, ist eine sehr hartnäckige Meistererzählung. Aber sie ist recht offensichtlich falsch. Das kann man leicht durch eine einfache Fragestellung erhellen: Was verschwand eher als Massenphänomen von den Schlachtfeldern? Schwer gepanzerte Reiterei oder der Langbogen?
Wenn es überhaupt technologische Gründe für den Niedergang der schweren gepanzerten Reiterei gab, dann sind diese Gründe eher in der frühneuzeitlichen Entwicklung der Feuerwaffen zu suchen. Und da war weniger die Reichweite entscheidend als die Wirkung. Eine Rüstung, die auf Gefechtsentfernungen ein Geschoss einer Arkebuse standhalten sollte, konnte aus Gewichts- und Kostengründen nur noch den Oberkörper und ggf. andere lebenswichtige Bereiche, aber z.B. nicht mehr die Gliedmaßen schützen.
Auch beim Schlachtschiff muss man etwas genauer hinschauen. Ja, das Flugzeug war eine tödliche Bedrohung, die auf weit vergrößerte Reichweite wirken konnte. Aber auch hier eine einfache Fragestellung: Kamen die tödlichen Treffer gegen Schlachtschiffe bei Luftangriffen in der Regel durch die Luft?
In fast allen Fällen (eine bekannte Ausnahme sind die „Fritz-X“-Angriffe gegen das italienische Schlachtschiff Roma) waren es von Flugzeugen abgeworfene Torpedos, welche die entscheidenden oder tödlichen Treffer erzielt haben. Ohne die Entwicklung des Torpedos und der Unterwasserwaffen im Allgemeinen wären die Erfolge der Flugzeuge gegen große Überwasserkampfschiffe so nicht denkbar gewesen.
Die Parallele zwischen Ritter und Schlachtschiff ist meiner Auffassung nach also weniger darin zu suchen, dass sie durch Abstandswaffen, gegen die sie sich nicht verteidigen konnten, ausgeschaltet wurden. Sie liegt darin, dass die Panzerungen den Wettlauf gegen die Offensivwaffen insofern verloren haben, dass es nicht mehr möglich war, den gesamten zu schützenden Bereich adäquat zu panzern. Im Falle der Reiterei war es so, dass durch die höhere Durchschlagskraft frühneuzeitlicher Feuerwaffen die Panzerung so verstärkt werden musste, dass sie für den ganzen Körper zu schwer wurde.
Bei den Schlachtschiffen wurde hingegen ein bisher „unverwundbarer“ Bereich angegriffen, und alle Versuche, diesen zu schützen, ohne das Panzerungsgewicht unmöglich hoch zu gestalten, schlugen letztendlich fehl. (In eingeschränkterem Maße gilt das auch für die Deckpanzerung. Auch das Überwasserschiff der modernsten Schlachtschiffe war nur noch in lebenswichtigen Bereichen stark geschützt.)
Diese Analogien zeigen demzufolge nach meiner Auffassung weniger, dass „range“ ein zunehmend wichtiger Faktor ist, sondern können vielmehr als Beleg für die nicht eben neue These gelten, dass sich in Wettläufen zwischen Angriffs- und Verteidigungswaffen tendenziell erstere durchsetzen.
Ich würde an dieser Stelle gerne auf den britischen Ex-General Sir Rupert Smith hinweisen und sein Buch „The Utility of Force“.
Smith stellt darin die These auf, dass sich das Wesen des Krieges gewandelt habe, weg von einem industrialisierten, totalen Krieg, hin zu etwas, was er „War amongst the people“ nennt (das könnte man evtl. als „Krieg inmitten der Bevölkerung“ übersetzen).
Diese Kriege, so Smith, könne man nicht auf klassische Art „gewinnen“, gebe es doch kein klassisches Schlachtfeld und in den meisten Fällen auch keine klar erkennbaren Kombattanten mehr. Es ist eben ein Krieg, der inmitten der Bevölkerung ausgefochten wird. Letztlich geht es dann auch darum, „Herz und Verstand“ eben jener Bevölkerung zu gewinnen, will man diesen Krieg neuer Art für sich entscheiden. Dieses Unterfangen gestalte sich aber schwierig, da die dem Krieg zugrunde liegenden Konflikte sich rein militärisch nicht beilegen lassen. Für Smith erfordert diese neue Art der Kriegsführung eine viel stärkere Koordination von politischer und militärischer Führung zum Einen und zum Anderen ein deutlich stärkeres Bewusstsein für die mediale Außenwirkung des eigenen Tuns. Es sei nahezu charakteristisch für die moderne westliche Kriegsführung, viele Schlachten zu gewinnen, den Krieg aber trotzdem zu verlieren, weil man die betroffene Bevölkerung mehr und mehr gegen sich aufbringt.
Für einen „war amongst the people“ sei die NATO, so Smith, denkbar schlecht aufgestellt. Ihre Stärke liege in der konventionellen, industrialisierten Kriegsführung. Einen solchen Krieg will aber niemand gegen sie führen, es wäre Selbstmord.
So lange man kaum Staatbürger findet, die bereit und willens sind, ihr Gemeinwesen auch mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, kann man noch so modernes und vollzähliges Gerät hinstellen – allein es nutzt nichts. Es braucht einen Wehrwillen. Resilienz reicht nicht, es muß schon Resistenz sein.
Tatsächlich hat sich global ein Konflikt entwickelt, der unsere freiheitlich liberale Art zu leben passiv und aktiv in Frage stellt. Verschärft durch einen US-Präsidenten, der nicht mehr der globale Garant für Freiheit und Demokratie sein will. Polen, Ungarn sind die ersten Verluste in diesem Konflikt in Europa.
Das heißt, dass wir einen ganzheitlichen Ansatz benötigen, um unser Gesellschaftsmodell gegen Herausforderungen von außen und innen zu härten. Zu Zeiten des Kalten Krieges gab es mal den Begriff der „Wehrhaften Demokratie“, geboren aus den Erfahrungen der Weimarer Republik. Das fing an mit der funktionierenden militärischen Abschreckung und endete damit, dass Menschen mit antidemokratischen Ansichten aus dem Staats-/Beamtenapparat ferngehalten wurden (Radikalenerlass, extrem umstritten).
Die Zeiten ändern sich und damit die Bedrohungen, aber die Range bleibt gleich: militärische Bedrohung, hybride Kriegsführung, staatlich gelenkte russische Propaganda, die versucht die Russlanddeutschen für einen autoritären Kurs zu mobilisieren (RT) oder der Islamverband DTIB als Instrument der autoritären türkischen Regierung oder die Versuche von außen, die EU zu spalten…
Wir sind längst nicht mehr nur von Freunden (unseres Lebensmodells) umgeben, die Feinde sitzen mittlerweile auch im eigenen Land.
Einsatzfähige, abschreckungsstarke Streitkräfte gehören dazu. Wenn es aufgrund von Versäumnissen zu einem Konflikt in Europa kommen sollte, wird das freie Europa das nicht überleben. Die Politiker in Berlin leben in einer unhistorischen Traumwelt, anstatt mit Entschiedenheit zu reagieren. Die Bundesregierung reagiert leider extrem fahrig.
Der Hinweis auf Frankreich 1940 ist eine sehr gute Analogie. Verständlicherweise wollten die Franzosen zwischen den Kriegen nichts mehr mit Krieg zu tun haben. Die Deutschen besaßen ja auch nur ein 100 Tsd.-Mann-Heer (10 Jahre Vorwarnzeit??). Wie bereits hier geschrieben, war es die verständliche geistige Unflexibilität, die trotz militärischer Überlegenheit von Franzosen und Briten zum Untergang geführt hat. Wenn ich dabei an die Verbürokratisierung, SAP und die eigene Beschneidung von Fähigkeiten denke, wird mir ganz mulmig.
„ThoDan | 19. März 2018 – 8:51
@Blackbox
Die politische Verantwortung, weil die militärische Verantwortung nicht wahrgenommen wurde?“
Je nachdem was am besten wirkt, Hauptsache der Sündenbock lenkt genug ab bis die nächste Aufmerksamkeits-Sau durchs Dorf gejagt wird. Oder irgendwas mit Brot und Spiele stattfindet.
Pol. Verantwortung = Sabbatical in „Europa“, danach Neueinplanung „wenns passt“
Mil. Verantwortung = langwieriges und -weiliges Verfahren zur „Aufklärung“, danach Beförderung und Klappe halten
Parole: Hat ja keiner ahnen können
US Beispiel: „Pentagon Wars – Bradley Fighting Vehicle Evolution“
https://www.youtube.com/watch?v=8J18TjRqnUM
Über kurz oder lang wird EloKa zur Neutralisierung feindlicher High-Tech-Systeme die Regel sein. Was nützt das ausgefeilteste Waffensystem, wenn es nicht schießt? Oder nicht dorthin schießt, wo es eigentlich hinschießen soll? GPS-Munition und derlei ist nicht nur teuer, sondern auch potenziell höchst anfällig für logische Angriffe (ob auf die Waffen selbst oder auf die Zielcomputer ist dabei prinzipiell gleich). Wenn man erst einmal in der Verlegenheit ist, erklären zu müssen, warum die eigenen GPS-Artilleriegranaten oder Abstandswaffen nicht in den aufgeklärten feindlichen Stellungen, sondern im nahe gelegenen Krankenhaus eingeschlagen sind, hat man die Schlacht in der Öffentlichkeit schon verloren.
Die Beibehaltung robuster, eigener „Low-Tech“-Fähigkeit erscheint mir daher in jedem Falle bei aller Zukunftsgläubigkeit sinnvoll und angemessen. Ein effektiver Panzerschutz ist dabei auch in Zeiten von hochtechnisierten Langbögen mit GPS und aktiver, autonomer Zielerkennung längst nicht vollkommen passé.
@Blackbox
Wieso funktionierte die HighTech des Gegners ?
Keinen Notbetrieb vorgesehen und „Hochfahren“ der Systeme definitive langsamer als der überraschend auftauchende Feind.
Mein simples Thermiometer im Autó zeigt -19 Grad an. Stimmt definitiv nicht. Das Kfz ist zwei Jahre alt. Was soll´s, viel komplexere Systeme warden schon robust genug sein . . .
„ThoDan | 19. März 2018 – 12:42
@Blackbox
Wieso funktionierte die HighTech des Gegners ?“
Der Gegner will siegen, wir wollen „sauber“ sein
Weil es hier in den Kommentaren schon angeführt wurde:
Ein Grund für den Wert der höheren Qualität der Waffen ist schon alleine die Tatsache, dass wie jeden einzelnen ausgebildeten Soldaten schützen müssen, denn wir haben keinen Ersatz. Auch die verringerte Kinderzahl macht es notwendig die Kampfkraft jedes einzelnen Soldaten zu erhalten und zu schützen. Wir können keine Gefallenen durch zwei neue Rekruten ersetzen. Das alleine erzeugt das Mandat für „Qualität“ statt „Quantität“, letztere kann man sich nur leiten bei entsprechendem Nachschub an Gerät UND Besatzungen.
@o.h. | 19. März 2018 – 14:04
Wenn Ihr Argument wirklich jenes wäre, das die Rüstungsplaner der Bundeswehr antreibt, warum haben wir dann noch keine bewaffneten Drohnen?
Die fliegen komplett ohne Besatzung und der Soldat, der sie von der Bodenstation aus steuert, ist nicht gefährdet.
Aber das entspricht wohl nicht dem ethisch moralischen Blümchenkrieg, der einem eine weiße Weste garantiert. so wie sich das die politischen Gremien vorstellen.
Nun, dann bleiben wir einmal bei den Rittern.
Der heutige und künftige Ritter ist wohl der „Infanterist der Zukunft“ – No ?
Sein Schlachtross kennt man unter den Naman „Boxer“ oder „Puma“.
Nun tritt also ein tutonischer Ritterhaufen der Zukunft gegen einen Gegner an, der sich auf Ritterspiele nicht mehr einläßt, sondern über die moderne Version von Langbogen und Armbrust verfügt: alle Nachfolgesysteme der historischen „Stalinorgel“ – siehe Ostukraine: einkessel,n. platt machen – fertig/SARC. Daran könnte nur Luftüberlegenheit vielleicht etwas ändern, aber genau da hapert es wohl insbesonder bei den teutonischen Streitkräften.
@ o.h.
Ich glaube nicht, dass der demographische Wandel hier ausschlaggebend ist.
Ein Konflikt, in dem sagen wir 10000 deutsche Soldaten sterben, wäre demographisch eine kaum wahrnehmbare kleine Delle. Politisch und gesellschaftlich wäre es die größte Katastrophe des 21. Jahrhunderts.
@ThoDan
„Wieso funktionierte die HighTech des Gegners ?“
…..und ob diese dann im V-Fall grundsätzlich funktioniert darf bezweifelt werden, doch ggf kommet er mit Einschränkungen besser zurecht.
Bei uns würde am ersten Tag in jedem Fall die Ersatzteilversorgung zusammenbrechen…und evtl vieles mehr.
@JPW
„So lange man kaum Staatbürger findet, die bereit und willens sind, ihr Gemeinwesen auch mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, kann man noch so modernes und vollzähliges Gerät hinstellen – allein es nutzt nichts. Es braucht einen Wehrwillen. Resilienz reicht nicht, es muß schon Resistenz sein“
Das kommt auf einen Beweis an. Im Moment haben wir mehr Personal als einsatzfähiges Gerät und Mat. Schlage vor, die welche wir jetzt in Europa haben (über 1Mio), auszustatten.
@Klabautermann
Zur Sache bzgl „Infanterist der Zukunft“ und Boxer/Puma.
Boxer ja, da Infanterie.
Puma nein, da PzGrenTr.
Die Unterschiede/geringe Gemeinsamkeiten decken ein Semester an der jeweiligen Mutterschule in Hammelburg/Munster mit nicht identischen Resultaten ab.
@klabautemann
…und gerade die Jäger sind inzwischen am Boden nicht mehr gehärtet und somit in den ersten Minuten eines Konfliktes weg, siehe Panzer Ukraine in den ersten Stunden.
Dann scheint diese Facharbeit entweder schon Jahrzehnte zurückzuliegen, oder sie verschweigen uns die kritische Bewertung Ihrer Arbeit. Fachwissenschaftlich ist ihre These nämlich nicht haltbar, denn allein im englischsprachigen Raum gibt es seit den 1950er Jahren (erstmals durch Michael Roberts) den Begriff Military Revolution – kurz zusammengefasst: Militärtechnische Veränderungen sorgten für eine komplette Revision des Kriegsbildes, auf dass die Gesellschaft reagierte bzw. ebenfalls reagieren musste. Diese Debatte wird, wenn auch von anderen Akteuren, auch heute noch geführt (z.B. Geoffrey Parker vs. Jeremy Black).
Nicht wenige Historiker behaupten außerdem, dass das Rittertum streng genommen bereits seit der Schlacht von Worringen im Jahre 1288 im Niedergang begriffen war, weil nach der Schlacht viele wichtige Vertreter des Adels in Mitteleuropa tot auf einem Acker bei Köln lagen. Durch den Ausgang der Schlacht war nämlich erstmals klar geworden, dass Fussvolk auch gegen gepanzerte Reiter bestehen kann und es sich zudem auch nicht zwangsläufig an einen ritterlichen Ehrenkodex hält.
Nach dem lesen dieses Eintrags hab ich mich an die „Millenium Challenge 2002“, im Vorfeld des 3.Golfkriegs, erinnert. Bei jenem Großmanöver wurde das Red Team vom bereits pensionierten USMC Lt.Gen. Paul Van Ripper mit einfachsten Mitteln geführt. Mit Kradmeldern, Fischerbooten und einem Marschflugkörperregen, der die Verteidigung übersättigte, konnte mit einem Schlag 2 Drittel der Blue Force Flotte (darunter ein Flugzeugträger) versenkt werden. Da es anschließend auch nicht besser gelaufen ist, hat man das Manöver gestoppt, den Spielstand auf Null gesetzt und die RoE geändert (Funk, angeschaltetes Fla Radar ect.) Van Riper trat unter Protest zurück.
https://en.wikipedia.org/wiki/Millennium_Challenge_2002
@Alex
Meines Wissens wird Metall- „3D-Druck“ (auch so eine nicht ganz richtige Überkategorie für eine Reihe sehr unterschiedlicher „additiver“ Verfahren) bereits eingesetzt, in der Luftfahrtindustrie zum Beispiel. Es ist auch nicht so kompliziert: Ein Laser sintert oder schmilzt Metallstaub Punkt für Punkt.
Das Thesenpapier von der Bundeswehr liest sich richtig gut. Gefahr erkannt. Ist nur die Frage was für praktische Konsequenzen es hat. Ich bleibe dabei, dass man sich an bestehenden Strukturen die Zähne ausbeißt. Die F-35 ist ja so ein schönes Beispiel für ein unfassbar teures Technologiemonster, das in dieser Form nur entstehen musste, weil die Marines unbedingt ihre eigene Luftunterstützung haben mussten. Und in einem Land wie Deutschland, das sich eh schwertut mit „disruptiver“ Innovation… Es muss eigene Organisationsstrukturen und Verantwortlichkeiten außerhalb des Tagesgeschäfts geben, die sich mit der Zukunft beschäftigen und Alternativen zum Vorhandenen auskaspern. Wenn es dann soweit ist hat man zumindest eine Art Plan B.
@Voodoo
„… denn allein im englischsprachigen Raum gibt es seit den 1950er Jahren (erstmals durch Michael Roberts) den Begriff Military Revolution -…“
So ist es, eine Begrifflichkeit, die bis vor 10-15 Jahren im FüH und im HA zumindest heeresseitig heftig diskutiert wurde, aber die (deutschen) Kasernenzäune nicht überwandt.
Basis: https://de.wikipedia.org/wiki/Revolution_in_Military_Affairs (RMA)
Eine These, dass militärtheoretische Annahmen, in bestimmten Abständen der Menschheitsgeschichte bei Doktrinen, Strategien, Taktiken und/oder Technologien zu einer unwiderruflichen und zwangsläufigen Umwälzung der Kriegsführung überleiten.
Vater der Ansatzes war eigentlich Marschall der Sowjetunion Nikolai Ogarkow. Anlass war die Bewertung konventioneller Waffen im Verhältnis zu taktischen Nuklearwaffen.
U.S. seitige Folgeüberlegungen waren die „Joint Vision 2010 (Strategiepapier des U.S. Generalstabs, von 1996, Gen John Shalikashvili), und „Joint Vision 2020“ mit dem Ziel einer Full-Spectrum-Dominance. Zwei Ergebnisse waren der Aufbau der NATO-JFC sowie auch von Network-Centric Warfare.
Eskalationsdominanz, aktuell ehrlicherweise überhaupt Eskalationsfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der RUS Aufmarsches an seiner Westgrenze einschließlich shorter-range ballistic missile (SRBM) von 150 – 800 km aus Ostpreußen stellt genau den Faktor dar, der unter RMA-Gesichtspunkten in europäischer NATO immer noch ohne Konsequenz bleibt.
Das Auftauchen nuklearer Fähigkeiten in taktischer Reichweite muss, weitaus mehr als ICBM, als dem Untergang von Lanzenreitern ähnelnde revolutionäre Entwicklung verstanden werden.
Dass zum Thema nur im angelsächsischen Bereich (nach)gedacht wird, kann nicht verwundern. Die „fehlende strategische Voraussicht“ vom BendlerBlogger stellt eine beschönigende Bewertung für politischen und militärischen Unwillen dar, Krieg in seinen Dimensionen umfassend zu denken. Wer aber nicht nach vorn denkt hat das Nachsehen, fast unabhängig von tatsächlicher Kampfkraft, siehe 1870/71 und auch 1940.
Ein weiteres Beispiel „günstige Massenware statt Goldrandlösung“ sind z.B. die japanischen Ashigaru-Massenheere die den klassischen Samurai praktisch überflüssig machten; Wenige Wochen Training, die Ausstattung eines Ashigaru war für einen wohlhabenden Bauern finanzierbar. Dann traffen 1000 Ashigaru auf 10 Samurai die jahrzehntelang trainierten und Ausrüstung trugen für die ein ganzes Dorf jahrelang sparen musste. Das Ergebnis waren üblicherweise 50 tote Ashigaru udn zehn tote Samurai oder anders gesagt, 5% und 100% Verlust.
Der Samurai blieb als Offizier noch eine Weile erhalten und ging dann den Weg des Dodos.
Auf die aktuelle Situation angepasst: Warum eine 100% zuverlässige und extrem leistungsfähige Drone für eine Million bauen wenn man für das gleiche Geld auch 10.000 solargespeiste Spielzeugdrohnen mit einem Sprengkopf in Handgranatengrösse ausstatten kann? Das ganze noch lokal vernetzt und hoher Eigeninitiative und schon hat man eine auf Knopfdruck abrufbare Landplage mit der man ganze Nationen günstig terrorisieren und das öffentliche Leben zum Erliegen bringen kann. Die treffen dann nicht immer das richtige Ziel aber am Ende zählt nicht wer am elegantesten getanzt hat sondern wer übrig ist. Gegen solche Dronenschwärme mit etwas höherer Intelligenz wäre schlicht kein Kraut gewachsen.
Wozu überhaupt Artillerie oder irgend eine andere kinetische Waffe einsetzen, wenn man im Vorfeld mit einem Laptop und einer Inet Verbindung das Stromnetz eines Landes lahmlegen kann und somit auch die SAP Verbidung der hochgezüchteten Waffensysteme unterbinden kann?
Wie lange kämpft so ein Boxer, Tiger, Puma oder Eurofighter wenn die Etappe keinen Strom hat? Wenn ich diese Frage beantwortet habe stellt sich die Frage wozu muss ich dann Milliarden von € für Systeme ausgeben die die Hardware schützen, wenn ein Schmutzfuß mit einer DJI Drohne für 1000€ und 500g Sprengstoff mir einfach mein Mundepot oder meine Stromverteilungsstation in die Luft jagt?
Und noch viel provokativer gefragt, was mach die NATO eigentlich wenn sich eine komplette feindliche Division ergibt? Wer bewacht und versorgt plötzlich 25.000 Gefangene? Alleine das würde die kompletten aktuell an der Ostflanke befindlichen NATO Kräfte überfordern.
Das zeigt wie wichtig ELOKA ist und selbst da wird gespart und ist vermutlich nichts bis wenig gehärtet.
Das gleiche trifft auf die IT basierte Führungsfähikeit zu.
„Wa-Ge | 20. März 2018 – 9:49
…
Und noch viel provokativer gefragt, was mach die NATO eigentlich wenn sich eine komplette feindliche Division ergibt? Wer bewacht und versorgt plötzlich 25.000 Gefangene? Alleine das würde die kompletten aktuell an der Ostflanke befindlichen NATO Kräfte überfordern…“
Eine „atmende“ HKL könnte helfen…
:D
Erstmal danke an alle, die diesen möchtegern-historischen Vergleich in Kontext gesetzt haben.
uli | 19. März 2018 – 17:03
Für ähnliche Ergebnisse muss man weder geographisch so weit schauen noch strategisch so innovativ sein. Bei der Gefechtsstandübung „Schneller Degen 2016“ (a.k.a. „Stumpfes Schwert“) setzte die OPFOR der ÜbTruppe so zu, dass die OPFOR von Brigade- auf Bataillonsstärke reduziert wurde. Eine Brigade der ÜbTruppe wurde auf zehn bis zwanzig Prozent abgekämpft, also komplett vernichtet. Und das erreichte die OPFOR, indem sie die ihr gegebenen Möglichkeiten voll und innovativ ausnutzte.
o.h. | 19. März 2018 – 14:04
Ihre Überlegungen sind theoretisch schon richtig, nur passt sich die Realität nicht an theoretische Überlegungen an und ist auch kein *Wünschdirwas*. Es gilt „Quantität stellt auch eine Form der Qualität dar“ wie Holger H. Mey bereits in seinem Buch „Sicherheitspolitik 2030“ geschrieben und deshalb Heerestruppen in mindestens Korpsstärke (!) gefordert hat.
Grundsätzlich gilt:
1. Jeder konventionelle Konflikt mit einem nur halbwegs ebenbürtigen Gegner wird hohe Opfer fordern, weil Konflikte gegen einen entschlossen Gegner unverändert zu Land gewonnen und verloren werden. „Infanterie, Krone aller Waffen“ gilt unverändert.
2. Techn(olog)ische und taktische Überlegenheit können zahlenmäßige Überlegenheit nur begrenzt ausgleichen.
Das kann man akzeptieren und die Bundeswehr hinsichtlich Ausrüstung, Ausbildung und Aufstellung entsprechend anpassen, oder weiter den Märchen der Rüstungsindustrie über die technologischen Wunderwaffen glauben.
Die Franzosen sind schon wesentlich weiter:
[Auch hier gelten die Grenzen des Zitatrechts, die ich erneut nicht auf meinem Rücken auszutesten bitte. Zumal ja der Link auch vorhanden ist. T.W.]
https://warontherocks.com/2018/01/meet-frances-war-philosophers/
@Boots on the Ground
„Jeder konventionelle Konflikt mit einem nur halbwegs ebenbürtigen Gegner wird hohe Opfer fordern, weil Konflikte gegen einen entschlossen Gegner unverändert zu Land gewonnen und verloren werden. „Infanterie, Krone aller Waffen“ gilt unverändert“
Das muss so nicht sein, denn evtl ist das Ziel des Gegner nicht Raum einzunehmen und somit Gelände zu gewinnen.
Evtl möchte man nur einen starken Mitbewerber auf dem Markt (Konsum und Politik) verdrängen. Es ist erklärte Ziel von Putin die EU zu zerstören.
Bereits seit 2015 beschäftigt sich eine EU-Arbeitsgruppe mit der russischen Propagandaoffensive – „Psychologische Operationen“ genannt, gegen die EU.
@Boots on the ground
Tja, so isses.
„Infanterie, Krone aller Waffen“ sehr richtig, aber viel zu „kalt-kriegerisch“ und wider den (deutschen) Zeitgeist.
Erstaunlich – eigentlich aber auch nicht – alle militärisch anspruchsvoll denkenden/handelnden Nationen ziehe ihre Lehren aus reichhaltiger, vielfach deutscher Kriegsgeschichte, wir aber nicht. Jedenfalls sehe ich da nichts. Hat aber auch mit Tradition zu tun. Also warten wir bis 28.03.18 Hannover in der „Emmich-Cambrai“ …
@Elahan
„Psychologische Operationen“.
FolgeOp beginnt morgen auf dem Balkan:
(Jasmin Mujanović)
@JasminMuj
Putin’s paramilitary Night Wolves arrive in #Bosnia on March 20 for 3 day “visit” before continuing their “Russian Balkans” tour in #Serbia. That’s where we’re at now in the region: organized crime groups tour like bands. Still no real EU or US response.
Bei KFOR wird (noch) aufgeklärt, gemeldet – EUFOR Althea hat in BiH hat sich erübrigt?
@Klaus-Peter Kaikowsky
„…. alle militärisch anspruchsvoll denkenden/handelnden Nationen ziehe ihre Lehren aus reichhaltiger, vielfach deutscher Kriegsgeschichte, wir aber nicht.“
Ist das Ihre These oder ist das so?
Evtl kommt es nicht mehr darauf an welche Lehren die Verantwortlichen in DEU ziehen, sondern, was macht Europa?
Und da sieht es auch bei FR, GB und I nicht wirklich gut aus.
Elahan | 20. März 2018 – 11:39
Ja, aber das ist dann kein (ausschließlich) militärischer Konflikt mehr, sondern unter Umständen ein nicht-militärischer wirtschaftlicher oder diplomatischer Konflikt oder ein Konflikt im Informationsraum. Die von mir genannten Grundsätzen gelten allerdings auch für die militärischen Aspekte eines hybriden Konflikts
@Elahan
Das ist meine persönliche Erfahrung von insgesamt 7 Jahren Auslandsverwendungen.
Wenn Sie Erkenntnisse aus DEU Kriegsgeschichte/Heer als „Lessons Learned“ umgesetzt hören wollen, sollte die Frage an GBR/NLD Cadetten/Ausbilder an Kriegsschulen gehen.
In der NLD BtlDv für KpfTr, gibt nur eine gemeinsame, finden Sie Kursk und auch Normandie mit Originalbefehlshebung und … was wäre besser gewesen …
@Bloots on the Ground
„Ja, aber das ist dann kein (ausschließlich) militärischer Konflikt mehr, sondern unter Umständen ein nicht-militärischer wirtschaftlicher oder diplomatischer Konflikt oder ein Konflikt im Informationsraum.“
Aber genau darum geht es doch. Ob ein Konflikt rein militärisch oder nicht ist, spielt in der Zukunft kaum eine Rolle.
@Klauspeterkaikowsky
“ Das ist meine persönliche Erfahrung von insgesamt 7 Jahren Auslandsverwendungen.“
Die möchte ich nicht in Abrede stellen.
Wir schreiben aber nicht über die Vergangenheit, sondern über die Zukunft. Im hier empfohlen Stück, wird die Denkfalle moderner Militärpläner anhand früherer militärischer Spitzentechnologie beschrieben, was sind da die Lehren welche wir ziehen sollten
@Elahan | 20. März 2018 – 15:00
„Aber genau darum geht es doch. Ob ein Konflikt rein militärisch oder nicht ist, spielt in der Zukunft kaum eine Rolle.“
Oh ich denke ist schon ein Unterschied ob jemand unsere Stromversorgung stört und Propaganda hierhin sendet oder ob er marodierend durch die Lande zieht und sprichwörtlich brandschatzt, plündert und vergewaltigt.
Jetzt mal im Ernst wer heute noch nach den ganzen Erfahrungen der regionla begrenzter Konflikte noch der Meinung ist, dass der zivilisierte Geist auch nur die ersten Monate des Konfliktes übersteht dem ist nicht mehr zu helfen.
Selbst Verfehlungen der westlichen Mächte (siehe Abu Ghraib oder Fremdenlegion in Afrika) zeigen, dass Krieg ganz schnell in der Lage ist die Bestie im Menschen zu wecken.
@Wa-Ge
„Oh ich denke ist schon ein Unterschied ob jemand unsere Stromversorgung stört und Propaganda hierhin sendet oder ob er marodierend durch die Lande zieht und sprichwörtlich brandschatzt, plündert und vergewaltigt.“
Keiner behauptet, dass es in der Zukunft keine Gewalt (mili oder nicht) geben wird.
Natürlich gibt es in der Wirkung Unterschiede aber darum ging es hier nicht.
Hier ging es um neue, hinzukommende Bedrohungen durch Industrienationen durch militärischen Fähigkeiten mit neuartigen Hochtechnologiesysteme – welche dann durch weitreichende, billige und massenhaft eingesetzte, wenn auch technisch unterlegene Waffensysteme vernichtet werden.
Die Fähigkeit einen Staat anzugreifen ihn in seinem Bestand zu gefährden. Geländegewinne und körperliche Gewalt sind auch in der Zukunft ggf Begleiterscheinungen aber nicht zwingend Zweck und notwendig. Selbst das Papier des Heeres träumt von einem Gefechtsfeld ohne Menschen. Dass die Wirklichkeit auch anders werden kann weiß jeder welcher sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt.
Es kommt eben eine neue Dimension dazu und da ist das Töten ggf nicht zwingend erforderlich um einen Staat in die Knie zu zwingen.
Was verstehen Sie unter einem rein militärischen Konflikt?