Kurze Verlängerung von Einsatz-Mandaten geplant – aber nicht auf die Schnelle (Nachtrag)

Angesichts der absehbar komplizierten und vermutlich langwierigen Bildung einer neuen Regierungskoalition plant die Bundesregierung, zum Jahresende und im Januar auslaufende Bundestagsmandate für Auslandseinsätze der Bundeswehr kurzfristig vom Parlament verlängern zu lassen. Dabei geht es vor allem um die größten und außenpolitisch wichtigsten Missionen wie den Einsatz in Afghanistan, die Beteiligung am Kampf gegen ISIS und den Einsatz in der Blauhelm-Mission MINUSMA in Mali.

Unklar ist bislang, ob dafür ein vereinfachtes Verfahren gewählt werden soll, oder ob der neue Bundestag nach seiner Konstiuierung am 24. Oktober wie üblich mit einer Abstimmung die Mandate für einige Monate verlängern soll. Eine vereinfachte Verlängerung wäre nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz möglich, das zwar die Entscheidung des Bundestages über die Einsätze der Bundeswehr vorschreibt, bei einer Verlängerung von Zustimmungsbeschlüssen ohne inhaltliche Änderung aber ein vereinfachtes Verfahren vorsieht. Allerdings ist dafür die Bereitschaft aller Bundestagsfraktionen erforderlich – und wenig überraschend zeichnet sich bei der Linkspartei bereits Widerstand gegen dieses Vorgehen ab. Deshalb dürfte es auf eine neue Abstimmung im Parlament hinauslaufen.
Über die Planungen der Bundesregierung hatte zuerst Spiegel Online berichtet. Konkret geht es darum, dass die Bundesregierung dem im Oktober neu konstituierten Bundestag vorschlagen will, diese Einsätze ohne inhaltliche Änderung bis zum März kommenden Jahres zu verlängern, um dann nach Koalitions- und Regierungsbildung erneut die Mandate im Bundestag debattieren zu können:

• Afghanistan/Resolute Support – Mandatsende 31.12.2017
• Mali/MINUSMA – Mandatsende 31.01.2018
• Anti-ISIS-Einsatz (Tornado und Tankflugzeug) – Mandatsende 31.12.2017
• Ausbildungsunterstützung Nordirak – Mandatsende 31.01.2018

sowie die kleineren sowie nur zeitweise beschickten Einsätze

• Sea Guardian (NATO-Seeraumüberwachung im Mittelmeer) – Mandatsende 31.12.2017
• UN-Beobachtermission Süd-Sudan/UNMISS – Mandatsende 31.12.2017
• UN- Beobachtermission Sudan/Darfur – UNAMID – Mandatsende 31.12.17

Die Mandate für die übrigen Auslandseinsätze laufen erst später im kommenden Jahr aus, so dass keine Verlängerung erforderlich ist: EU-Trainingsmission Somalia zum 31.03.2018; EU-Trainingsmission Mali zum 31.05.2018; Anti-Pirateriemission Atalanta vor Somalia zum 31.05.2018, Kosovo/KFOR zum 23.06.2018, UN-Mission UNIFIL vor dem Libanon zum 30.06.2018 und die Operation Sophia im Mittelmeer zum 30.06.2018.

Mit der kurzfristigen Verlängerung will die Bundesregierung, die ja bis zur Konstitiuierung des neuen Bundestages normal und danach geschäftsführend im Amt ist, die außenpolitische Kontinuität und Verlässlichkeit signalisieren. Dabei war offensichtlich eine Überlegung, das Verfahren nach Paragraf 7 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes anzuwenden:

Beantragt die Bundesregierung die Verlängerung eines Einsatzes, so gilt der Einsatz bis zum Ablauf von zwei Sitzungstagen nach Verteilung des Antrags als Bundestagsdrucksache als genehmigt. Wird der Antrag im vereinfachten Verfahren nach § 4 gestellt, so gilt er bis zum Ablauf der in § 4 Abs. 1 Satz 4 bestimmten Frist als genehmigt; wird innerhalb der Frist eine Befassung des Bundestages verlangt, so gilt er bis zum Ablauf der auf das Verlangen auf Befassung folgenden Sitzungswoche als genehmigt.

Der Paragraf 7 nimmt dabei Bezug auf die Bestimmung des Paragrafen 4, der eigentlich für Einsätze von geringer Intensität und Tragweite vorgesehen ist, aber hier entsprechend angewandt werden kann. Dort ist auch festgelegt:

Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn nicht innerhalb von sieben Tagen nach der Verteilung der Drucksache von einer Fraktion oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages eine Befassung des Bundestages verlangt wird. Wird die Befassung des Bundestages verlangt, entscheidet dieser.

Mit anderen Worten: Jede Fraktion kann dieses Vorgehen blockieren. Und was der Obmann der Linksfraktion, Alexander Neu, am (heutigen) Donnerstag dazu mitteilte, sieht sehr danach aus:

Bundesregierung will Parlamentsbeteiligung aushebeln
„Anstatt die Verlängerung der beiden Auslandseinsätze aus fadenscheinigen Gründen ohne Votum des Parlaments vorzunehmen und damit das Parlamentsbeteiligungsgesetz auszuhebeln, wäre es nun endlich an der Zeit die Beteiligung der Bundeswehr sowohl am Afghanistan als auch am Anti-IS Einsatz zu beenden“, erklärt Dr. Alexander S. Neu, Obmann der Fraktion DIE LINKE im Verteidigungsausschuss anlässlich des Beschlusses der noch amtierenden Bundesregierung, die Ende Dezember auslaufenden Mandate für den Afghanistan und den Anti-IS Einsatz bis Ende März zu verlängern, ohne den Bundestag darüber entscheiden zu lassen.
„DIE LINKE kritisiert dieses Vorhaben massiv. Die derzeitige Bundesregierung bleibt bis zur Vereidigung der neuen Regierung geschäftsführend und der Bundestag wäre ab seiner konstituierenden Sitzung am 24. Oktober entscheidungsfähig und müsste damit auch über Mandatsverlängerungen entscheiden. Es kann nicht sein, dass die jetzige Umbruchsituation dazu genutzt wird, das Parlamentsbeteiligungsgesetz zu schleifen und Tür und Tor für Alleingänge der Bundesregierung zu nutzen. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Der Bundestag muss daher in jedem Fall mit Mandatsverlängerungen befasst werden, auch wenn es sich nur um drei Monate handelt.

Aufgrund dieser Pressemitteilung habe ich noch mal nachgefragt: Es gibt bislang keinen Beschluss der Bundesregierung dazu, sagt das Verteidigungsministerium. Und spätestens nach dieser Erklärung Neus ist klar, dass es wohl kein vereinfachtes Verfahren geben wird.

Nachtrag 29. September: Da zu den Mandaten, die eventuell kurzfristig verlängert werden, auch die deutsche Beteiligung an der Ausbildungsunterstützung im Nordirak gehört: Hier dazu die Aussagen in der Bundespressekonferenz von Michael Henjes vom Verteidigungsministerium und Martin Schäfer vom Auswärtigen Amt:

Frage : Herr Henjes, eine Frage im Zusammenhang mit Einstellungen von Flügen deutscher Fluggesellschaften in das Kurdengebiet: Hat das dort Auswirkungen auf den Transport der Bundeswehrsoldaten?

Eine zweite Frage dazu: Gibt es Erwägungen und Planungen, nach dem Referendum möglicherweise deutsche Soldaten von dort abzuziehen?

Henjes: Es geht um die Ausbildungsmission unserer Streitkräfte, die zurzeit in der Region Nordirak beziehungsweise in der Kurdistan-Region, die Sie eben angesprochen haben, stattfindet. Wir nutzen dort für den Personaltransport wie auch für den Cargo-Transport zivile Fluggesellschaften. Derzeit gibt es keine unmittelbaren Auswirkungen auf uns. Für eine belastbare Aussage hinsichtlich dieser möglichen Einschränkung ist es zurzeit noch verfrüht. Sie können jedoch sicher sein, dass wir diesbezüglich alles Mögliche in Erwägung ziehen.

Zusatzfrage : Da bin ich natürlich sicher! – Eine ergänzende Frage: Geht es um keine Auswirkung im Moment, weil keine Flüge geplant sind – die Lufthansa denkt ja darüber nach, dass morgen der Flugbetrieb nach Erbil eingestellt werden wird – oder weil ohnehin alles über Bagdad geht, oder warum hat das im Moment keine Auswirkung?

Henjes: Es ist so, dass wir den Bereich unterschiedlich anfliegen, zum einen über Bagdad, wie Sie gerade richtig gesagt haben. Aber wir haben auch direkt, insbesondere bei den Materialtransporten – – – Die, die wir zurzeit planen, fallen nicht unter die Einschränkungen. Insofern sind die Planungen eigentlich noch so weiter fortgehend.

Aber Sie haben auf der anderen Seite auch vollkommen recht – das haben Sie auch in den Medien beobachtet -, dass wir natürlich in letzter Zeit immer wieder unterschiedliche Auffassungen haben, also dazu, in welchem Umfang es diese Luftbeeinträchtigungen gibt, wer die überhaupt ausspricht und welcher Raum davon überhaupt betroffen ist. Insofern werden wir das alles in unsere zukünftigen Planungen miteinbeziehen müssen.

Schäfer: Darf ich dazu noch einen allgemeinen Satz sagen? – Es gibt nicht nur deutsche Soldaten in der Region, sondern auch zahlreiche – viele Hundert – deutsche Staatsangehörige, also nicht nur Vertreter, sozusagen Kollegen, am Generalkonsulat in Erbil, sondern darüber hinaus auch Vertreter von Entwicklungsorganisationen und sicherlich auch deutsche Staatsangehörige, die dort mit ihren Familien leben. Auch um die wollen wir uns kümmern, und auch um die machen wir uns angesichts der erkennbaren Eskalation zwischen Erbil und Bagdad im Nachgang zu dem Unabhängigkeitsreferendum, das von Erbil aus durchgeführt worden ist, Sorgen.

Die Haltung der Bundesregierung zu diesem Referendum haben wir im Vorfeld auch an dieser Stelle diskutiert. Daran gibt es auch sozusagen im Nachgang keine Änderung. Deshalb geht unser Appell sowohl an die Zentralregierung in Bagdad als auch an das Parlament des Irak in Bagdad als aber auch an die Regierung der Kurden in Erbil, jetzt gemeinsame Lösungen für eine festgefahrene Situation zu finden. Es braucht jetzt ein klares Bekenntnis von allen Seiten zu einem ergebnisoffenen, umfassenden Dialog auch hinsichtlich des grundsätzlichen Verhältnisses zwischen der Region Kurdistan-Irak und dem Irak. Dafür braucht es Gesprächsfäden, die zurzeit nicht existieren. Es bringt nichts, dass man sich gegenseitig bedroht, so glauben wir, und es bringt auch nichts, dass man sich das Leben dadurch gegenseitig schwer macht, dass man zum Beispiel überhaupt keine Flüge mehr abfertigt. Das löst nämlich womöglich relativ schnell allemal konsularische Fragen – hoffentlich nicht auch humanitäre Fragen – aus.

Ich kann Ihnen versichern, dass unsere Kollegen im Generalkonsulat in engem Kontakt mit den eigenen Staatsangehörigen stehen, aber natürlich auch mit der Regionalregierung in Erbil.

(Archivbild: Namentliche Abstimmung im Bundestag zum Einsatz MINUSMA und zur Ausbildungsunterstützung der Bundeswehr im Irak am 26.01.2017 – Bundeswehr/Christian Thiel)